Deutscher Bundestag Drucksache 18/753 18. Wahlperiode 11.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Harald Weinberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/647 – Ausweitung der Versorgungsengpässe bei Medikamenten und Impfstoffen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den letzten Jahren häufen sich Medienberichte über Lieferengpässe bei wichtigen Arzneimitteln auch in Deutschland, wobei die Medikamente zum Teil sogar zur Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen dringend benötigt würden. Neben Zytostatika und Impfstoffen werden unter anderem auch Schmerzmittel, Diabetesmedikamente, Hormonpflaster oder Blutdrucksenker erwähnt. Darum hat die Fraktion DIE LINKE. am 22. Juni 2012 eine Kleine Anfrage zu Versorgungsengpässen bei Arzneimitteln (Bundestagsdrucksache 17/10072) an die Bundesregierung gerichtet, bei deren Antwort (Bundestagsdrucksache 17/10284) die Bundesregierung das Vorliegen zumindest von länger andauernden Lieferengpässen für lebenswichtige Arzneimittel verneinte und sich dabei insbesondere auf Verbände der Arzneimittelhersteller, Großhändler , Krankenhausapotheker und Krankenkassen berief. Ende April 2012 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Liste eingerichtet, die eine Übersicht über aktuelle Lieferengpässe für Humanarzneimittel in Deutschland bieten soll. Allerdings erfolgen die Einträge durch die Pharmahersteller nur auf freiwilliger Basis und lediglich zu Lieferschwierigkeiten bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die überwiegend zur Behandlung lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen bestimmt und für die keine Alternativpräparate verfügbar sind. Mit dieser Maßnahme ließen sich weitere Engpässe in der Folgezeit nicht verhindern . So beklagte Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, in der ARD-Sendung „plusminus “ vom 11. Dezember 2012 (www.daserste.de/information/wirtschaftboerse /plusminus/sendung/swr/2013/medikamentenmangel-100.html), dass diese Maßnahmen lediglich Kosmetik seien, die keine Ursachen beseitigen würden, und forderte, dass Rohstoffmangel, Qualitätsmängel in der Herstellung und fehlende Lagerkapazität bekämpft werden müssten. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 7. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Am 24. Juli 2013 meldete das „Handelsblatt“ Lieferengpässe beim Tollwutimpfstoff Rabipur® der Firma Novartis, begründet mit einer hohen Nachfrage (www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/tollwut-novartis-kriegt-impfstoff -versorgung-nicht-in-den-griff/8538932.html). Drucksache 18/753 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Am 9. Oktober 2013 berichtet die „Deutsche ApothekerZeitung“ über zunehmende Lieferprobleme bei L-Thyroxin, einem wichtigen Schilddrüsenhormon (www.deutsche-apotheker-zeitung.de/wirtschaft/news/2013/10/09/lieferengpaesse -bei-schilddruesen-praeparaten/11194.html). Laut dem Hessischen Apothekerverband (HAV) begründeten die Hersteller ihre Lieferprobleme damit, dass die Nachfrage höher sei als die Produktion, was der stellvertretende Vorsitzende des HAV, Dr. Hans Rudolph Diefenbach, als „wenig schlüssig“ zurückwies . Am 11. November 2013 berichtete das Magazin „FOCUS“ (www.focus.de/ finanzen/news/wirtschaftsticker/wdh-studie-kliniken-fehlt-es-oft-an-passenden -medikamenten_aid_1155239.html), dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft in einem Sachstandsbericht bei 18 Medikamenten Lieferengpässe in Krankenhäusern gemeldet habe, wobei es in 39 Prozent der Fälle keine gleichwertigen Alternativen gegeben habe. Am 18. Januar 2014 bestätigte Dr. Torsten Hoppe-Tichy, Präsident des Bundesverbandes deutscher Krankenhausapotheker e. V., in der „FAZ“, dass selbst in Apotheken großer Universitätskliniken Lieferengpässe schon beinahe alltäglich seien und die Tendenz zunehme (www.faz.net/aktuell/rhein-main/apotheker -sind-alarmiert-arznei-engpaesse-selbst-in-kliniken-12755621.html). Als Begründung führt er an, dass Oligopol- oder Monopolstrukturen zu einer größeren Störanfälligkeit des Systems geführt haben. Viele Medien, so u. a. die Zeitung „DIE WELT“ (www.welt.de/wirtschaft/article 124446816/Pharmakonzerne-muessen-um-Impfmonopol-fuerchten.html), berichteten am 3. Februar 2014, dass es Ende 2013 bei der Firma GlaxoSmithKline Probleme bei der Produktion von Impfstoffen gegen Windpocken (Varizellen ) gegeben habe, die zu Lieferengpässen sowohl beim Einzelimpfstoff als auch bei dem Vierfachimpfstoff, der üblicherweise für die von der Ständigen Impfkommission empfohlene Impfung verwendet wird, führten. Ende Januar 2014 wurden zudem Engpässe und Lieferschwierigkeiten beim Kombinationsimpfstoff gegen Diphterie, Tetanus, Keuchhusten und Polio sowie durch Tropeninstitute Lieferengpässe bei den Impfstoffen gegen Gelbfieber, Typhus und Tollwut gemeldet (www.welt.de/print/die_welt/article124472057/Impfstoffe -in-Deutschland-werden-knapp.html). Für die Lieferschwierigkeiten wird eine Reihe von Ursachen angegeben: – Die Praxis der Rabattverträge, die die Hersteller von Nachahmerprodukten für viele Generika mit den Krankenkassen abschließen müssen, führt bei einzelnen Wirkstoffen zu einem Konzentrationsprozess mit Oligopol- oder gar Monopolbildung. – Die Kapazitäten derjenigen Hersteller, die bei den Ausschreibungen der Rabattverträge den Zuschlag erhalten, sind angesichts der plötzlichen Verpflichtung zur Lieferung größerer Mengen oft unzureichend. Zwar muss theoretisch jeder Rabattvertragspartner lieferfähig sein, doch wird dies in der Praxis oft nicht erfüllt. – Niedrigere Verkaufserlöse infolge der Rabattverträge, bei denen die Hersteller den Krankenkassen bis zu 80 Prozent Abschlag einräumen, können bewirken, dass die Hersteller bei Lieferschwierigkeiten bevorzugt andere Märkte, auf denen die Verkaufserlöse höher sind, beliefern. – Aufgrund der Abwanderung vieler Produktionsstätten ins Ausland hat die Versorgung des deutschen Marktes für manche Hersteller an Wichtigkeit verloren. – Reservekapazitäten, um spontan auf einen Mehrbedarf reagieren zu können , werden zunehmend abgebaut oder sind gar nicht existent. – Eine Verpflichtung zu einer entsprechenden Lagerkapazität, um Lieferprobleme abzupuffern, besteht nicht. – Je weniger Anbieter für ein Präparat am Markt sind, desto schwerwiegender sind die Folgen des Ausfalls einer einzigen Produktionsstätte. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/753 – Neben Problemen direkt bei der Medikamentenherstellung kommt es auch zu Engpässen bei der Bereitstellung von Grundstoffen, die oftmals nur noch von ganz wenigen Fabriken in China oder Indien geliefert werden. – Zudem kam es in letzter Zeit mehrfach zu Vorkommnissen, indem Hersteller ihr Produkt vom Markt nahmen, um Druck auf die Krankenkassen auszuüben , einen höheren Erstattungspreis zuzugestehen oder um es mit einer anderen Indikation zu deutlich höherem Preis vermarkten zu können (Beispiel MabCampath®/Lemtrada®; siehe Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/230). – Für Impfstoffe schließen Krankenkassen mit einzelnen Herstellern Exklusivverträge ab, was zu Monopolen führen kann. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Grundsätzlich ist die Arzneimittelversorgung in Deutschland sehr gut. Dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist jedoch bekannt, dass es seit Juni 2012 zu Lieferengpässen bei bestimmten Arzneimitteln gekommen ist. Davon waren ganz verschiedene Arten von Arzneimitteln betroffen, z. B. bestimmte Zytostatika, Antibiotika, Schilddrüsenhormone oder Impfstoffe. Globalisierung und Konzentration auf wenige Herstellungsstätten für Arzneimittel und/oder Wirkstoffe können ein Grund für Lieferengpässe sein, aber z. B. auch Qualitätsmängel bei der Herstellung, Produktions- und Lieferverzögerungen für Rohstoffe, Produktionseinstellungen bei Arzneimitteln oder Marktrücknahmen aus verschiedenen Gründen. Insofern sind die Ursachen und Auswirkungen von Lieferengpässen sehr heterogen. Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind häufig nicht von langer Dauer; auch müssen sie nicht zwangsläufig zu Versorgungsengpässen führen. In vielen Fällen stehen alternative Arzneimittel zur Behandlung zur Verfügung. Daher kommt, z. B. zur Planung des Therapieregimes einer Krebserkrankung, der frühzeitigen Kommunikation von sich abzeichnenden Lieferengpässen eine wesentliche Bedeutung zu. Hierzu hat das BMG unter anderem veranlasst, dass seit April 2013 ein öffentliches Register über Lieferengpässe im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtet wurde, in dem insbesondere diejenigen Arzneimittel aufgeführt werden, bei denen ein besonderer Informationsbedarf vorausgesetzt wird. Die seit Juli 2013 geltenden strengeren Anforderungen an den Import von Wirkstoffen aus Drittländern (insbesondere Indien und China) in die Europäische Union haben nach derzeitigem Kenntnisstand keine negativen Auswirkungen auf die Versorgung mit Wirkstoffen und in der Folge mit Arzneimitteln gehabt. Die Vertragspartner müssen beim Abschluss von Rabattverträgen die Versorgungssicherheit gewährleisten, indem sie Maßnahmen gegen Lieferengpässe vereinbaren. Dies gilt insbesondere für Impfstoffe. Die Bundesregierung wird prüfen, ob die Vertragspartner dieser Vorgabe nachkommen. Für Impfstoffe sieht § 132e Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) bereits vor, dass in Verträgen, die die Krankenkassen mit den pharmazeutischen Herstellern zur Versorgung ihrer Versicherten mit Schutzimpfungen nach § 20d Absatz 1 und 2 SGB V schließen, Vereinbarungen zur Sicherstellung einer rechtzeitigen und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten vorzusehen sind. Drucksache 18/753 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Vorteile hinsichtlich der Versorgungssicherheit könnte nach Einschätzung der Bundesregierung eine gesetzliche Verpflichtung der Hersteller zur Vorratshaltung haben? Derzeit besteht bereits auf der Ebene der Handelsstufen des Großhandels und der Apotheken eine ein- bis zweiwöchige Vorratshaltung, die zum Teil gesetzlich vorgesehen ist, zum Teil kraft Selbstverpflichtung erbracht wird. Großhandel und Apotheken sind für diese Aufgabe spezialisiert und tragen so zu einer kostengünstigen und effizienten Distribution und Abgabe der Arzneimittel bei. Fraglich ist, ob eine zusätzliche Vorratshaltung auf der Herstellerebene die in der Regel mehrere Monate andauernden Lieferengpässe spürbar abmildern könnte. Darüber hinaus stellen sich Fragen zur praktischen Umsetzung und der Kostentragung für eine solche längerfristige Lagerhaltung. 2. Besitzen die Bundesregierung und nach Kenntnis der Bundesregierung Länderbehörden oder die zuständigen Institute (BfArM – Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, PEI – Paul-Ehrlich-Institut) Listen derjenigen Medikamente, deren Bereithaltung zur Bekämpfung lebensbedrohlicher Erkrankungen unumgänglich ist, so dass die zuständigen Behörden auf ausreichend große Vorhaltungen für diese Arzneimittel achten können? Wenn nein, ist die Erarbeitung einer solchen Liste geplant und in Vorbereitung ? Derartige Listen existieren nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit nicht. Die medizinischen Fachgesellschaften sind vom BMG gebeten worden, Listen von unverzichtbaren Arzneimitteln, deren mangelnde Verfügbarkeit einen Versorgungsengpass darstellen würde, zu erstellen. 3. Welche Effekte erhofft sich die Bundesregierung aus der Einrichtung des freiwilligen Melderegisters beim BfArM bzw. beim PEI? Das Register dient der Transparenz und einer Verbesserung der Kommunikation der Beteiligten. Wesentliches Ziel des Registers ist es, dass Ärzte und Apotheker durch rechtzeitige Information über Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln agieren und – sofern möglich – auch Therapiealternativen erschließen können. Erfahrungen des BfArM zeigen, dass das Register zunehmend als hilfreiche Informationsquelle genutzt wird. 4. Welche positiven Effekte könnten nach Einschätzung der Bundesregierung verpflichtende Melderegister haben, in denen zudem nicht nur Medikamente gegen lebensbedrohliche und schwere Erkrankungen ohne Therapiealternative gelistet werden, sondern auch weitere Medikamente und Impfstoffe ? Ein verpflichtendes Melderegister könnte den positiven Effekt einer vollständigeren Information haben, wenn es auf freiwilliger Basis nicht in ausreichendem Umfang wahrgenommen wird. Eine Ausweitung auf andere Arzneimittel als solche gegen schwerwiegende Erkrankungen und ohne Therapiealternative kann der Vollständigkeit dienen, aber auch zu Unübersichtlichkeit und somit zu Informationsverlusten sowie zu einem unverhältnismäßigen Aufwand führen, insbesondere in den Fällen, in denen ein Lieferengpass für die Versorgung nicht relevant ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/753 5. Welche positiven Effekte für die Bekämpfung von Arzneimittellieferschwierigkeiten könnten nach Einschätzung der Bundesregierung auftreten, wenn auch absehbare Lieferengpässe schon rechtzeitig im Vorfeld durch die Hersteller und Großhändler gemeldet werden müssten? Das Register sieht bereits eine Mitteilung vorhersehbarer Lieferengpässe im Voraus vor. Da die Großhändler im Regelfall ihre Arzneimittel von den Herstellern beziehen, ist durch die Einbeziehung der Großhändler kein Informationsgewinn zu erwarten. 6. Reichen nach Einschätzung der Bundesregierung die Rechte für die Behörden in den Bundesländern gegenüber Herstellerfirmen aus, damit die Firmen den gesetzlichen Auftrag zur Bereitstellung auch erfüllen, oder sind hierzu Ausweitungen der Rechte der Behörden, insbesondere Sanktionen gegenüber den Herstellern, erforderlich, um mehr Durchsetzungskraft zu erhalten? Der Bereitstellungsauftrag nach § 52b des Arzneimittelgesetzes (AMG) knüpft an das tatsächliche Inverkehrbringen eines zugelassenen Arzneimittels an. Danach muss ein pharmazeutischer Unternehmer, der ein zugelassenes Arzneimittel in Deutschland in den Verkehr bringt, in dem Fall auch für eine bedarfsgerechte Bereitstellung sorgen. Entschließt sich ein pharmazeutischer Unternehmer hingegen, ein Produkt in Deutschland gar nicht auf den Markt zu bringen oder auf die Zulassung ganz zu verzichten, liegt kein Verstoß gegen § 52b AMG vor. Auch Versorgungsmängel, die außerhalb des Verantwortungsbereichs und damit einer Einwirkungsmöglichkeit der Beteiligten liegen, sind kein Verstoß gegen den Bereitstellungsauftrag nach § 52b AMG. Dies gilt beispielsweise bei einer unvorhergesehen Verknappung des für die Arzneimittelherstellung benötigten Rohstoffs oder Wirkstoffs auf dem Weltmarkt oder bei Problemen in der einzig vorhandenen Produktionsstätte. Deshalb bedarf es auch hierzu keiner Ausweitung der Rechte der Behörden. Im Übrigen bestehen nach den §§ 64 ff. AMG Befugnisse der zuständigen Behörden für die Durchführung der Überwachung . Diese Befugnisse können mit den Mitteln des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden; wer einer vollziehbaren Anordnung nach § 64 Absatz 4 Nummer 4 AMG zuwiderhandelt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (vgl. § 97 Absatz 2 Nummer 25 AMG). 7. Welche Eingriffsmöglichkeiten sind der Bundesregierung bekannt, wenn es zu Lieferschwierigkeiten kommt, weil zum Beispiel ein Präparat gegen Krebs vom Markt genommen wird, um später unter einem anderen Namen und zu deutlich erhöhtem Preis wieder angeboten zu werden, dieses Mal zum Beispiel als Mittel gegen Multiple Sklerose? Es wird auf die Vorbemerkung und Antworten der Bundesregierung, insbesondere die Antworten zu den Fragen 1 bis 4, 13, 18 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Beeinträchtigung der Arzneimitteltherapie durch wirtschaftliche Interessen der Pharmaindustrie“, Bundestagsdrucksache 17/11080 vom 18. Oktober 2012, verwiesen. 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Ausmaß der Lieferengpässe bei Impfstoffen? Lieferengpässe oder Lieferunfähigkeiten bei einzelnen Impfstoffen können immer wieder auftreten und sind in der Regel zeitlich begrenzt. Die Ursachen hier- für können vielfältig sein (Probleme der Herstellung, Verunreinigung, erhöhte Drucksache 18/753 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nachfrage z. B. durch veränderte Empfehlungen etc.). Die Hersteller sind verpflichtet , über absehbare Lieferengpässe oder Lieferunfähigkeit und deren Ursache das PEI zu informieren. Nach Kenntnis der Bundesregierung haben die akut aufgetretenen Lieferengpässe bisher nur zur Verzögerung von Impfungen bei einzelnen Personen geführt . Krankheitsausbrüche aufgrund nicht erfolgter Impfung sind bisher nicht aufgetreten. 9. Wie lange werden die Lieferschwierigkeiten für den Varizellen-Einzelimpfstoff sowie für den Vierfachimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken nach Erkenntnissen der Bundesregierung noch andauern? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind die Ursachen für den Engpass bei der Herstellung der Varizellenkomponente beseitigt und die Auslieferung wird voraussichtlich , wie angekündigt, im zweiten Quartal 2014 möglich sein. 10. Von welchen Firmen stehen nach Kenntnis der Bundesregierung Alternativen zur Verfügung? 11. Werden für den gesamten Zeitraum der Impfstofflieferschwierigkeiten entsprechende Alternativen zur Verfügung stehen? Wenn nein, wie groß wird der Fehlbedarf sein? Die Fragen 10 und 11 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Alternative Mono- und Kombinationsimpfstoffe gegen Windpocken sind Varivax und M-M-R-VAXPRO der Firma Sanofi Pasteur MSD. Die aktuellen Lagerbestände und Verkaufszahlen sind nicht bekannt. Weiterhin kann auch Priorix (MMR) von GSK zur Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln verwendet werden. Über bisher ausgefallene oder verspätete Impfungen gegen Windpocken oder gegen Masern-Mumps-Röteln und Windpocken liegen der Bundesregierung keine Hinweise vor. Ein Fehlbedarf ist bisher nicht zu vermerken. 12. Welche Ursachen tragen nach Erkenntnissen der Bundesregierung zu diesen Lieferschwierigkeiten bei? Zählt sie auch Oligopole und Monopole aufgrund von Exklusivverträgen der Krankenkassen mit einzelnen Herstellern zu diesen Ursachen? Biologische Arzneimittel, wie Impfstoffe, unterliegen komplexen und langfristigen Herstellungsprozessen. Auftretende Qualitätsmängel werden durch herstellerinterne und behördliche Überwachungssysteme erkannt, können aber zu andauernden Lieferausfällen führen. Die Bundesregierung hat aktuell keine Kenntnisse, dass Rabattverträge nach § 130a Absatz 8 SGB V zu gravierenden Veränderungen der Marktstruktur bei den pharmazeutischen Herstellern geführt hat. Bei Impfstoffen ist eine Konzentration der Marktstruktur ausschließlich im Bereich der Nicht-Influenza-Impfstoffe zu erkennen. Diese Situation bestand jedoch bereits weit vor dem Jahr 2010, seit dem die Möglichkeit zum Abschluss von Verträgen der Krankenkassen mit einzelnen pharmazeutischen Unternehmern geschaffen wurde. Lediglich eine Krankenkasse hat bisher von der Vertragsmöglichkeit für andere als für Influenza-Impfstoffe Gebrauch gemacht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/753 13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diese Lieferengpässe bei Impfstoffen abzustellen? Ein genereller Ausschluss von Lieferengpässen ist nicht möglich, da die Herstellung und Kontrolle von Impfstoffen sehr komplex ist. Das für die Zulassung und Chargenprüfung von Impfstoffen zuständige PEI kann bei Lieferengpässen unterstützend bei einer schnellen Behebung mitwirken, z. B. durch verkürzte und priorisiert durchgeführte Genehmigungsverfahren, Übernahme von Chargenprüfungen bei begrenzten Ressourcen anderer Kontolllaboratorien oder priorisierte Durchführung der experimentellen Prüfung. Für Hersteller besteht insoweit ein erhöhtes Ausfallrisiko bei der Herstellung von Impfstoffen. Auf unternehmerische Entscheidungen für eine Herstellung bestimmter Impfstoffe oder Kontingente hat die Bundesregierung keinen Einfluss . 14. Hält die Bundesregierung die Empfehlung des PEI (siehe Frankfurter Rundschau vom 20. Oktober 2013) für zielführend, dass die noch vorhandenen Seren bei Impfstoffengpässen und mangelnder Alternative durch Belieferung über andere Hersteller vor allem für die Erstimpfung eingesetzt werden sollten, obwohl zu befürchten sein könnte, dass durch die Verschiebung der Zweitimpfung Geimpfte – bzw. bei Kindern deren Eltern – eine Zweitimpfung und das Einhalten eines Impfplans generell als unwichtiger einzuschätzen lernen? Das Robert Koch-Institut und das PEI haben in Abstimmung mit der Ständigen Impfkommission (STIKO) die Fachkreise und die Öffentlichkeit am 15. Januar 2014 über den befristeten Lieferengpass mit einem Varizellen-Einzelimpfstoff und dem Masern-Mumps-Röteln-Varizellen-(MMRV)-Kombinationsimpfstoff informiert und Empfehlungen für die impfenden Ärzte/Ärztinnen abgegeben. Empfohlen wird, die vorhandenen Kombinationsimpfstoffe gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) prioritär für die zeitgerechte Erstimpfung zu nutzen, um den zeitweiligen Ausfall des MMRV-Kombinationsimpfstoffes zumindest teilweise aufzufangen. Empfohlen wird auch explizit, verschobene Impfungen möglichst zeitnah nachzuholen. Die STIKO-Impfempfehlungen sehen für Kinder im Alter von 11 bis 14 Monaten die erste Standardimpfung gegen Masern , Mumps, Röteln und Varizellen vor, um zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt einen Impfschutz gegen diese Infektionskrankheiten aufzubauen. Die zweite MMR-Impfung dient vor allem dazu, den Kindern, die nach der ersten Impfung keinen ausreichenden Impfschutz aufgebaut haben, hierfür eine zweite Chance zu geben. In Deutschland wurde für die Zweitimpfung der frühestmögliche Zeitpunkt gewählt, da für nahezu alle Kinder (mehr als 90 Prozent) in den ersten drei Lebensjahren Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch genommen werden , die idealerweise ebenso für Impfungen genutzt werden können. Der Zeitpunkt der zweiten MMR-Impfung wird daher eher von der Erreichbarkeit der Kinder als von immunologischen Gründen bestimmt. In anderen Ländern mit anderen Versorgungsstrukturen wird zum Beispiel die zweite Dreifachimpfung erst im Vorschul- oder Schulalter verabreicht. Vor diesem Hintergrund ist eine mögliche Verzögerung bei der Varizellenimpfung sowie bei der Zweitimpfung gegen MMR kurzzeitig hinnehmbar. Drucksache 18/753 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Inwieweit verfügt die Bundesregierung über Erkenntnisse, ob in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Medikamente, für die es in Deutschland Lieferengpässe gab oder gibt, zum gleichen Zeitpunkt lieferbar waren bzw. sind (bitte nach rabattvertragsfähigen Medikamenten/nichtrabattvertragsfähigen Medikamenten/Impfstoffen aufschlüsseln)? Die Bundesregierung verfügt hierzu über keine Kenntnisse. Unabhängig hiervon ist derzeit für keines der am 26. Februar 2014 auf der Internetseite des BfArM gemeldeten Arzneimittel ein Rabattvertrag geschlossen worden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333