Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 15. Februar 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7559 18. Wahlperiode 17.02.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7431 – Haftungs- und Entschädigungsaspekte im Falle eines Atomunfalls in Belgien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Trotz diverser internationaler Abkommen – Pariser Übereinkommen, Wiener Übereinkommen und Brüsseler Zusatzübereinkommen sowie jüngerer Revisionsprotokolle – sind Atomhaftung und Deckungsvorsorge in den europäischen Staaten, in denen Atomkraftwerke (AKW) betrieben werden, weiterhin sehr unterschiedlich geregelt. Hinzu kommt, dass die Haftungshöhe des AKW-Betreibers im Falle eines katastrophalen Atomunfalls bei einem Bruchteil des zu erwartenden finanziellen Schadensausmaßes gedeckelt ist. So geht der Schaden der japanischen Atomkatastrophe von Fukushima vom März 2011 laut Medienberichten in dreistellige Milliardenhöhe (in Euro), während die Haftungsobergrenzen überwiegend im unteren bis mittleren dreistelligen Millionenbereich liegen, in einzelnen Fällen sogar im zweistelligen (vgl. Hartmut Gaßner und Dr. Georg Buchholz „Atomhaftung in Europa und Deutschland – Defizite und Empfehlungen zur Fortentwicklung “, Berlin 14. März 2013, Gutachten für die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; im Weiteren kurz „Gaßner, Buchholz 2013“). Angesichts dieser Diskrepanz kritisieren Experten, dass das bestehende Atomhaftungsregime mehr dem Schutz der AKW-Betreiber vor Insolvenz als dem Opferschutz diene (vgl. Gaßner, Buchholz 2013). Die von der Europäischen Kommission nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 angekündigte Atomhaftungsverschärfung und -harmonisierung blieb aus (vgl. Artikel „EU will Haftpflicht für Atomunfälle“ in der Berliner Zeitung vom 5. Oktober 2012 in Verbindung mit bisherigem Ausbleiben einer betreffenden Neuregelung). Noch nicht einmal das Revisionsprotokoll 2004 zum Pariser Übereinkommen, das eine bei weitem nicht ausreichende, aber immerhin kleine Erhöhung der Betreiberhaftungssumme versähe, ist bislang in Kraft getreten. Und das, obwohl dies nach ursprünglichem Plan bereits im Jahr 2006 hätte erfolgen sollen, vgl. Bundestagsdrucksache 17/12156 in Verbindung mit der OECD-Online-Übersicht zum Status der Übereinkommen, www.oecd-nea.org/law/paris-convention-ratification.html. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7559 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Umstand, dass derzeit zwei belgische AKW trotz gravierender Materialprobleme im Leistungsbetrieb sein dürfen (vgl. beispielsweise Bundestagsdrucksache 18/7220), wirft unter anderem auch die Frage auf, mit welchen finanziellen Folgen Geschädigte im Falle eines – insbesondere katastrophalen – Atomunfalls in Belgien zu rechnen hätten und welche Entschädigungsregelungen und -defizite es hierbei gibt. Dies betrifft auch Deutschland, denn das belgische AKW Tihange liegt rund 60 Kilometer von der deutsch-belgischen Grenze entfernt. Für das Rheinland und insbesondere für die Region Aachen/Düren besteht deswegen ein starkes öffentliches Interesse an dieser Anlage . Dass Atomkraft unsicher ist, haben die Reaktorkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima auf tragische Weise gezeigt. Ein Unfall in Belgien beträfe die Menschen in dieser Region mit als Erste. Wie u. a. Untersuchungen der Universität für Bodenkultur Wien ergeben haben, kann ein Super-GAU (GAU: größter anzunehmender Unfall) dazu führen, dass viele Gemeinden in Deutschland und der Euregio Maas-Rhein für Jahrzehnte unbewohnbar werden. Die Stadt Aachen, als Oberzentrum mit 250 000 Einwohnern , wäre auf Dauer unbewohnbar. Die Stadt Fukushima ist wie die Stadt Aachen nur ca. 60 km vom Reaktor entfernt und war nach dem Super-GAU wochenlang mit einer Strahlung belastet, die den in Deutschland für den AKW- Betrieb zulässigen Strahlungsjahreshöchstwert für Einzelpersonen der Bevölkerung von 1 Millisievert um ein Vielfaches überschritten hat (vgl. Onlineinformation des Bundesamtes für Strahlenschutz „Die radiologische Situation in Japan “). 1. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das geschätzte finanzielle Gesamtschadensausmaß der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor zu Schätzungen über das finanzielle Gesamtschadensausmaß des Unfalls von Fukushima. Im Rahmen der Sitzungen des Nuclear Law Committee der OECD Nuclear Energy Agency berichtet Japan regelmäßig über den Fortgang von Entschädigungszahlungen durch TEPCO (Betreiber der havarierten Reaktorblöcke des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi) zugunsten von Geschädigten. Anlässlich der letzten Sitzung des Nuclear Law Committee am 18./19. Juni 2015 wurde mitgeteilt , dass bislang Entschädigungszahlungen in Höhe von 37 Milliarden Euro geleistet worden seien. 2. Welche Erkenntnisse haben die Bundesregierung oder die sie beratende Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH über Abschätzungen , ab wann die von der Atomkatastrophe von Tschernobyl am stärksten radioaktiv belasteten, bislang weiterhin unbewohnbaren Gebiete soweit regeneriert sein werden, dass sie nach deutschen Strahlenschutz-Maßstäben wieder als Wohngebiet zugelassen werden könnten? Falls unklar, welche Erkenntnisse liegen hilfsweise zur geschätzten weiteren Entwicklung der radioaktiven Belastung in diesen am stärksten radioaktiv belasteten Gebieten vor? In Deutschland gibt es keine vorab festgelegten Strahlenschutz-Maßstäbe, ab wann durch einen Unfall radioaktiv belastete Gebiete wieder als Wohngebiet zugelassen werden könnten. Dies würde im Einzelfall aufgrund der Charakteristik der radioaktiven Belastungssituation und unter Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung entschieden werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7559 Die heutige Strahlenbelastung rund um Tschernobyl unter Ausschluss der unmittelbaren Nahzone um den Reaktor ergibt sich praktisch ausschließlich aus der Bodenstrahlung des Radionuklides Cäsium-137. In den am stärksten radioaktiv belasteten Gebieten rund um Tschernobyl ergibt sich gegenwärtig (als Folge der externen Strahlung des Radionuklids Cäsium- 137) eine Strahlenbelastung von 3 700 kBq/m2 ≈ 9 mSv pro Jahr. Diese Einschätzung setzt voraus, dass keine lokal, d.h. in kontaminierten Gebieten, erzeugten landwirtschaftlichen Produkte verzehrt werden. 3. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Partner-Sachverständigenorganisation der GRS, das französische Institut de Radioprotection et de Sûreté Nucléaire (IRSN), den möglichen volkswirtschaftlichen Gesamtschaden bei einer Atomkatastrophe eines französischen AKW in der Analyse „Massive radiological releases profoundly differ from controlled releases“ aus dem Jahr 2012 im mittleren dreistelligen Milliardenbereich beziffert hat? Der Bundesregierung liegt eine Zusammenfassung der Ergebnisse des genannten Gutachtens vor. 4. Wie viele Menschen leben nach den Erkenntnissen der Bundesregierung im Umkreis um das belgische AKW Tihange, wenn man das Maß des hierzulande in der Außenzone genannten Kreises mit einem 100-km-Radius zugrunde legt? Wie viele Menschen leben dabei schätzungsweise auf deutschem Staatsgebiet ? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor zu der Anzahl von Personen, die in einem Umkreis von 100 km um das Kernkraftwerk Tihange auf belgischem bzw. niederländischem Staatsgebiet leben. Nach einer aktuellen Schätzung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) vom 9. Februar 2016 leben auf deutschem Staatsgebiet in einem Umkreis von 100 km um das Kernkraftwerk Tihange ca. 1,2 Millionen Menschen. 5. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass in Belgien aktuell sowohl Haftung als auch Deckungsvorsorge des AKW-Betreibers Electrabel bei etwa 1,2 Milliarden Euro gedeckelt sind (vgl. hierzu das in der Vorbemerkung genannte Gutachten Gaßner, Buchholz 2013)? Falls nein, in welcher Höhe sind sie geregelt? Nach Kenntnis der Bundesregierung haften Betreiber von Kernkraftwerken in Belgien maximal in Höhe von 1,2 Milliarden Euro für aus nuklearen Ereignissen entstandene Drittschäden. Die Verpflichtung zur Deckungsvorsorge belgischer Kernkraftwerksbetreiber beträgt nach Kenntnis der Bundesregierung 1,2 Milliarden Euro. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7559 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Kann die Bundesregierung ggf. weiter bestätigen, dass es aufgrund der in Belgien geltenden Haftungssumme von 1,2 Milliarden Euro auf Basis der von Belgien unterzeichneten internationalen Atomhaftungsabkommen im Rahmen bzw. auf Basis dieser keine weitere staatliche Entschädigungsverpflichtung , im Falle darüber hinausgehender finanzieller Schäden, gäbe (vgl. Gaßner, Buchholz 2013)? Ist die Haftungshöchstsumme des haftenden belgischen Kernkraftwerkbetreibers in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erschöpft, stehen aufgrund Art. 3 b. iii. des Brüsseler Zusatzübereinkommens, dem Belgien angehört, weitere öffentliche Mittel zur Entschädigung von Drittschäden in Höhe von 125 Millionen Sonderziehungsrechten (derzeit rund 155 Millionen Euro) zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um die sogenannte dritte Tranche des Brüsseler Zusatzübereinkommens. Diese ist von der Gesamtheit der Vertragsparteien des Brüsseler Zusatzübereinkommens (einschließlich der Vertragspartei, wo das nukleare Ereignis eingetreten ist) bereitzustellen. Die Verpflichtung zur Bereitstellung der dritten Tranche des Brüsseler Zusatzübereinkommens besteht auch dann, wenn – wie im Falle Belgiens – die Haftungshöchstsumme des haftenden Kernkraftwerkbetreibers höher liegt als die Gesamtsumme der nach dem Brüsseler Zusatzübereinkommen vorgesehenen Entschädigung . Diese Verpflichtung geht auf eine Empfehlung der OECD Nuclear Energy Agency aus dem Jahre 1992 zurück. Die OECD Nuclear Energy Agency empfahl seinerzeit den Vertragsparteien des Brüsseler Zusatzübereinkommens, gegenüber dem Depositar eine Erklärung abzugeben, wonach eine solche Pflicht übernommen werde. Nach Kenntnis der Bundesregierung haben alle Vertragsparteien des Brüsseler Zusatzübereinkommens eine entsprechende Erklärung abgegeben . 7. Hält die Bundesregierung die Höhe der in den bestehenden internationalen Atomhaftungsabkommen geregelten Untergrenzen für a) Betreiberhaftung und b) Deckungsvorsorge angesichts der Erfahrungswerte mit den Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima hinsichtlich des möglichen Gesamtschadens von Atomkatstrophen – insbesondere im Falle eines AKW in Zentraleuropa, das nicht am Meer steht, sondern in einer ringsum dicht besiedelten Region – für ausreichend (dass Staaten davon nach oben abweichende Regelungen treffen können, ist bekannt; die Frage zielt explizit auf die in den Abkommen geregelten Mindestsummen ab)? Falls ja, warum (bitte ausführliche Begründung)? Falls nein, welche Reforminitiativen hat sie seit dem Jahr 2011 auf welcher Ebene ergriffen? 8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass Diskrepanzen zwischen der Haftung des Anlagenbetreibers im Atomkraftbereich und Anlagenbetreibern anderer Industriebereichen mit (Hoch-)Risikoanlagen bestehen (beispielsweise beträgt die Schadensersatzsumme des Ölkonzern BP gegenüber staatlichen Stellen der USA für die durch den Unfall seiner Ölbohrinsel Deepwater Horizon entstandenen Umweltverschmutzung umgerechnet etwa 17 Milliarden Euro, vgl. Agenturmeldungen vom 2. Juli 2015)? Falls nein, warum nicht? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Deutschland ist weltweit einer der wenigen Staaten, in denen Kernkraftwerksbetreiber unbegrenzt für aus nuklearen Ereignissen entstandene Drittschäden haften. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7559 Zudem gehört Deutschland mit einer Deckungsvorsorgeverpflichtung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro weltweit zu den Staaten, die die höchste Deckungsvorsorge von Kernkraftwerksbetreibern fordern. Bereits 1985 – und damit noch vor dem Unfall von Tschernobyl – wurde mit Blick auf das potentiell sehr hohe Schadensausmaß aus einem nuklearen Ereignis in einem Kernkraftwerk die unbegrenzte Betreiberhaftung eingeführt (vgl. § 31 Absatz 1 Satz 1 des Atomgesetzes). Zudem hat Deutschland mit der Regelung in § 31 Absatz 2 Satz 1 des Atomgesetzes einen Anreiz für andere Staaten geschaffen, dort bestehende Haftungsbegrenzungen zu Gunsten einer unbegrenzten Haftung von Kernkraftwerksbetreibern aufzuheben. Demnach haftet der deutsche Inhaber einer Kernanlage für Auslandsschäden nur dann unbegrenzt, wenn in dem Staat, in dem der Schaden eingetreten ist, im Verhältnis zu Deutschland auch eine unbegrenzte Haftung vorgesehen ist. Nur wenige Staaten haben bis zum heutigen Tage eine unbegrenzte Haftung von Kernkraftwerksbetreibern verwirklicht. Auch die völkerrechtlichen Übereinkommen auf dem Gebiet der Atomhaftung wie das Pariser Übereinkommen oder das Wiener Übereinkommen sehen Haftungsbegrenzungen für Kernkraftwerksbetreiber vor. Deutschland ist darum bemüht, im Rahmen der bestehenden völkerrechtlichen Übereinkommen Verbesserungen für den Opferschutz zu erreichen. So setzt sich Deutschland seit vielen Jahren für das schnellstmögliche Inkrafttreten des Protokolls vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens ein, welches für einige seiner Vertragsparteien zu einer deutlichen Anhebung der Haftungshöchstsummen und der Deckungsvorsorgeverpflichtung von Kernkraftwerksbetreibern führen würde. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern und ggf. in welcher Höhe AKW-Betreiber sich bezüglich eigener betriebswirtschaftlichen Schäden wie Verlust der Anlage, Schäden auf der Anlage und entgangene künftige Erlöse aus der Atomstromproduktion für den Fall eines Atomunfalls versichern (falls möglich, bitte auch Erkenntnisse zu AKW-Betreibern in Nachbarstaaten zu Deutschland angeben)? Der Bundesregierung liegen hierzu weder national noch in Bezug auf Nachbarstaaten Erkenntnisse vor. 10. Seit wann hätte die Bundesregierung ihr Ratifizierungsinstrument zum Revisionsprotokoll 2004 zum Pariser Übereinkommen hinterlegen können, wenn die anderen EU-Mitgliedstaaten ebenfalls bereit gewesen wären (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12156)? Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Verabschiedung des Gesetzes zu den Pariser Atomhaftungsprotokollen vom 29. August 2008 und des Gesetzes zur Änderung haftungsrechtlicher Vorschriften des Atomgesetzes und zur Änderung sonstiger Rechtsvorschriften vom 29. August 2008 die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Ratifikation des Protokolls vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens geschaffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7559 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Inwiefern und wie oft war das Revisionsprotokoll 2004 zum Pariser Übereinkommen Gegenstand der Beratungen der Ratsarbeitsgruppe Atomfragen der EU-Mitgliedstaaten? 12. Welche EU-Mitgliedstaaten haben in der Ratsarbeitsgruppe Atomfragen erläutert , dass sie ihre Ratifizierungsinstrumente zum Revisionsprotokoll 2004 zum Pariser Übereinkommen noch nicht hinterlegen können? Wurden dabei auch die spezifischen innerstaatlichen Gründe genannt, und falls ja, jeweils welche? Die Fragen 11 und 12 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Beratungen zum Protokoll vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens finden vornehmlich im Rahmen gemeinsamer Treffen der Vertragsparteien zum Pariser Übereinkommen statt. In der Ratsarbeitsgruppe Atomfragen der EU-Mitgliedstaaten ist das Änderungsprotokoll in den vergangenen Jahren nicht beraten worden. 13. Welche EU-Mitgliedstaaten sehen sich auch heute noch nicht in der Lage, ihre Ratifizierungsinstrumente zum Revisionsprotokoll 2004 zum Pariser Übereinkommen zu hinterlegen, und wie aktuell ist der diesbezügliche Erkenntnisstand der Bundesregierung? Nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Bundesregierung sind Großbritannien und Italien noch nicht in der Lage, das Protokoll vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens zu ratifizieren. 14. Wann, auf welcher Ebene und mit welchem (ggf. vorläufigen) Ergebnis hat die Bundesregierung in dieser Wahlperiode Initiativen ergriffen, damit es zu der eigentlich bereits für das Jahr 2006 geplanten gemeinsamen Hinterlegung der EU-Mitgliedstaaten ihrer Ratifizierungsinstrumente zum Revisionsprotokoll 2004 kommt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12156)? In regelmäßigen Abständen finden gemeinsame Treffen der Vertragsparteien zum Pariser Übereinkommen statt. Die Bundesregierung hat in diesem Rahmen wiederholt gegenüber den Vertragsparteien auf die Notwendigkeit des schnellstmöglichen Inkrafttretens des Protokolls vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens hingewiesen. Da die EU-Mitgliedstaaten gemäß der Entscheidung des Rates 2004/294/EG vom 8. März 2004 ihre Ratifikationsurkunden gemeinsam zu hinterlegen haben, setzt dies voraus, dass jeder EU-Mitgliedstaat schnellstmöglich die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Ratifikation des Änderungsprotokolls schafft. Auch in der gegenwärtigen Legislaturperiode haben gemeinsame Treffen der Vertragsparteien stattgefunden, an denen die Bundesregierung teilgenommen hat. 15. Wann, auf welcher Ebene und mit welchem (ggf. vorläufigen) Ergebnis hat die Bundesregierung in dieser Wahlperiode etwaige Initiativen ergriffen, damit es zu einer Verschärfung und Harmonisierung EU-rechtlicher Atomhaftungsregelegungen kommt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/12156)? EU-rechtliche Atomhaftungsregelungen bestehen derzeit nicht. Allein die Europäische Kommission kann eine Initiative für einen Unionsrechtsakt auf dem Gebiet der Atomhaftung ergreifen. Bislang hat die Europäische Kommission eine solche Initiative nicht ergriffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7559 16. In welchem Verfahren und in welcher Höhe (voll oder inwiefern anteilig) würden in Deutschland lebenden Geschädigten Eigentumsschäden bzw. -verluste bei einem Atomunfall im belgischen AKW Tihange entschädigt, beispielsweise privaten Immobilienbesitzern? 17. An wen müssten die Geschädigten dabei ihre Ansprüche richten, in welchem Staat wäre im Streitfall der Gerichtsstand? Die Fragen 16 und 17 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Gemäß Artikel 13 des Pariser Übereinkommens sind für Klagen die Gerichte derjenigen Vertragspartei zuständig, in deren Hoheitsgebiet das nukleare Ereignis eingetreten ist. Im Falle eines nuklearen Ereignisses im belgischen Kernkraftwerk Tihange wären demnach Gerichte in Belgien zuständig für Klagen von in Deutschland lebenden Geschädigten. Aufgrund von Artikel 3 des Pariser Übereinkommens haftet der Inhaber einer Kernanlage „für Schaden an Leben oder Gesundheit von Menschen und Schaden an oder Verlust von Vermögenswerten“, wenn bewiesen wird, dass dieser Schaden oder Verlust durch ein nukleares Ereignis verursacht worden ist, das in der Kernanlage eingetreten ist. Käme es zu einem nuklearen Ereignis, obliegt es den für Klagen zuständigen Gerichten zu bestimmen, welche Schäden von dem Schadensbegriff in Artikel 3 des Pariser Übereinkommens erfasst sind. 18. Auf welcher Rechtsgrundlage und wem gegenüber könnten Geschädigte Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn die in Belgien geltende Höchstgrenze der AKW-Betreiberhaftung durch die Summe der dann ggf. bereits vorliegenden Schadensersatzansprüche bereits überschritten ist? Ist die Haftungshöchstsumme des haftenden belgischen Kernkraftwerkbetreibers in Höhe von 1,2 Milliarden Euro erschöpft und sind die Mittel der dritten Tranche des Brüsseler Zusatzübereinkommens verbraucht, so haben in Deutschland Geschädigte für ihren erlittenen Schaden gegenüber dem Bund aufgrund von § 38 Absatz 1 Nr. 6 des Atomgesetzes einen Anspruch auf Ausgleich bis zum Höchstbetrag der staatlichen Freistellungsverpflichtung (derzeit 2,5 Milliarden Euro). 19. In welchem Verfahren und in welcher Höhe (voll oder inwiefern anteilig) würden bei einer Evakuierung und Umsiedelung beispielsweise Mietausfälle für Vermieter entschädigt? 20. In welchem Verfahren und in welcher Höhe (voll oder inwiefern anteilig) würden beispielsweise durch einen Atomunfall im AKW Tihange bedingte Schäden an industriellen und mittelständischen Gewerbeimmobilen entschädigt ? 21. In welchem Verfahren und in welcher Höhe würden analog Privathaushalte im Falle langfristiger Umsiedlung entschädigt? 22. In welchem Verfahren und in welcher Höhe würden analog Gehalts- bzw. Einkommensausfälle entschädigt? 23. Würden Einkommensnachteile in einem neuen Arbeitsverhältnis entschädigt , falls dieses aufgrund einer Evakuierung und Umsiedlung nötig würde? Zur Beantwortung der Fragen 19 bis 23 wird auf die Antworten zu den Fragen 16 und 17 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7559 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 24. Inwiefern würde die Bundesregierung deutsche Geschädigte bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen unterstützen und ggf. auf welcher Rechtsgrundlage? Ansprüche in Deutschland lebender Geschädigter aufgrund des Pariser Übereinkommens können allein von den Geschädigten selbst geltend gemacht werden. 25. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass die Beweislast die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen bei einem Atomunfall im AKW Tihange erheblich erschweren kann? Artikel 3 des Pariser Übereinkommens ordnet die Gefährdungshaftung des Inhabers der Kernanlage an. Diese Regelung befreit den Geschädigten von der Notwendigkeit , ein Verschulden des Schädigers nachzuweisen und vereinfacht insoweit die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Den nach Artikel 13 des Pariser Übereinkommens für die Klagen zuständigen Gericht obliegt die Entscheidung, ob und welche Beweiserleichterungen Geschädigten für den Nachweis der Kausalität zwischen nuklearem Ereignis und Schaden zugutekommen. 26. Genügen die bestehenden Regelungen des Atomhaftungsregimes in Deutschland und Belgien aus Sicht der Bundesregierung der hierzulande geltenden staatlichen Pflicht zur bestmöglichen Schadensvorsorge für die Bevölkerung ? Falls ja, warum (bitte ausführlich Begründung)? Falls nein, welche Konsequenzen gedenkt die Bundesregierung daraus zu ziehen? Die Regelungen des Atomhaftungsrechts dienen dazu, Schäden auszugleichen, die infolge eines nuklearen Ereignisses entstanden sind. Zu der Beurteilung von Regelungen des deutschen Atomhaftungsrechts (unbegrenzte Betreiberhaftung, weltweit eine der höchsten Deckungsvorsorgeverpflichtungen ) auch im internationalen Vergleich wird auf die Antworten zu den Fragen 7 und 8 verwiesen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333