Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 23. Februar 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7755 18. Wahlperiode 02.03.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Alexander Ulrich, Dr. Diether Dehm, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7348 – Wettbewerbsausschüsse in den Euroländern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Fünf-Präsidenten-Bericht zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion vom Juni 2015 wird u. a. die Einführung sogenannter Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit in den Euroländern vorgeschlagen. Im Oktober 2015 hat die Europäische Kommission diesen Vorschlag konkretisiert (COM(2015) 601 final). Der Europäische Rat hat die „wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit“ im Dezember 2015 zu einer der Prioritäten im Rahmen der Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion erklärt und den Rat aufgefordert, den Vorschlag der Kommission zügig zu prüfen. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Europäische Kommission hat am 21. Oktober 2015 eine „Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit im Euro-Währungsgebiet“ (COM (2015) 601 final) vorgelegt. Nach ersten allgemeinen Aussprachen auf Arbeitsebene der Europäischen Union obliegt es der niederländischen Präsidentschaft zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Form sie den Vorschlag weiter verfolgt. Die Fragen nach der Interpretation bestimmter Begriffe und Konzepte können daher nur mit dem Verweis auf die Empfehlung der Europäischen Kommission beantwortet werden, die sich die Bundesregierung ausdrücklich nicht zu eigen macht. Drucksache 18/7755 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Bereiche umfasst nach Kenntnis der Bundesregierung die weitgefasste Definition des Begriffs „Wettbewerbsfähigkeit“, die der Arbeit der Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit laut der Europäischen Kommission zugrunde gelegt werden soll? Welche Bereiche sollten nach Ansicht der Bundesregierung von der Arbeit der Ausschüsse erfasst werden? Erwägungsziffer (4) des Kommissionsdokuments lautet: „Bei der Abgrenzung des Tätigkeitsbereichs der Ausschüsse sollte eine weitgefasste Definition des Begriffs Wettbewerbsfähigkeit zugrunde gelegt werden. Vom Mandat der Ausschüsse abgedeckt werden sollten Themen wie die Lohndynamik, nicht lohnbezogene Faktoren, Produktivitätstreiber und dynamische Überlegungen im Zusammenhang mit Investitionen, Innovationen und der Attraktivität einer Volkswirtschaft als Unternehmensstandort“. Die Bundesregierung begrüßt die Absicht der Europäischen Kommission, Wettbewerbsfähigkeit und nationale Ownership bei der Reformumsetzung zu stärken. Sie hat jedoch Zweifel, ob die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Ausschüsse in der aktuellen Form der geeignete Weg dafür sind. Die Bundesregierung hat daher signalisiert, dass sie den Vorschlag in der von der Kommission vorgeschlagenen Form ablehnt. Sie setzt sich dafür ein, dass Eingriffe in die Tarifautonomie in jedem Fall ausgeschlossen und dass bürokratische Doppelstrukturen und neue Berichtspflichten vermieden werden. 2. Wie kann nach Einschätzung der Bundesregierung angesichts der vorgesehenen Unabhängigkeit der Wettbewerbsausschüsse demokratische Kontrolle über selbige hergestellt werden? 3. Welche Kompetenzen sind der Europäischen Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung im Zuge der vorgesehenen Konsultationen und Vor- Ort-Überprüfungen zugedacht? 4. Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung angesichts dessen, dass die Wettbewerbsausschüsse von nationalen Behörden unabhängig seien, aber zugleich von der Europäischen Kommission überprüft werden sollen, gewährleistet werden, dass in diesen auch nationale wirtschafts-, sozial- und arbeitsmarktpolitische Interessen angemessen berücksichtigt werden? Die Fragen 2 bis 4 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Etwaige Ausschüsse könnten nur beratend tätig sein. Aus Sicht der Bundesregierung müsste in einer möglichen Empfehlung des Rates gleichwohl gewährleistet sein, dass die Ausschüsse unabhängig von politischer Einflussnahme nationaler und europäischer Institutionen (einschließlich der Europäischen Kommission) handeln. 5. Wie kann nach Einschätzung der Bundesregierung verhindert werden, dass im Regelfall die niedrigere Lohnentwicklung als die bessere angesehen wird, wenn die Lohnentwicklung hauptsächlich nach dem Kriterium der Wettbewerbsfähigkeit bewertet wird? 6. Unter welchen Umständen ist die Bundesregierung der Meinung, dass eine sinnvolle, gleichgewichtige Lohnentwicklung nicht durch die Summe aus Produktivitätssteigerung in einer Volkswirtschaft und Zielinflationsrate definiert werden sollte? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7755 7. Sieht die Bundesregierung angesichts dessen, dass die Europäische Kommission sich bezüglich der Lohnentwicklung ausschließlich auf die Produktivitätsentwicklung bezieht, die Zielinflationsrate aber unerwähnt lässt, die Gefahr , dass die Umsetzung künftiger Empfehlungen im Bereich der Lohnpolitik zu einer Umverteilung zu Lasten des Faktors Arbeit führen könnte? Die Fragen 5 bis 7 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Die Lohnfindung in Deutschland ist Aufgabe der Tarifpartner. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. im Dezember 2015 (Bundestagsdrucksache 18/7171) verwiesen. 8. Welche Informationen hat die Bundesregierung zur Frage, was unter „angemessenen Ressourcen“ zu verstehen ist, über die die Wettbewerbsausschüsse laut der Europäischen Kommission verfügen sollen? Erwägungsgrund (5) der Empfehlung der Europäischen Kommission lautet: „Die Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit sollten über die erforderlichen Kapazitäten verfügen, um wirtschaftliche Analysen hoher Qualität durchzuführen, die als Grundlage für die Erfüllung ihrer Beratungsaufgabe dienen können“. Laut Absatz 8 der Empfehlung sollten die Ausschüsse „in der Lage sein, wirtschaftliche und statistische Analysen durchzuführen, die sich durch eine hohe Qualität auszeichnen und beispielsweise auch in Wissenschaftskreisen anerkannt werden“. Der Bundesregierung liegen keine darüber hinausgehenden Informationen vor. 9. Welche Überlegungen zur institutionellen Verankerung eines Wettbewerbsausschusses in Deutschland gibt es in der Bundesregierung? a) Wie sollte sich der deutsche Wettbewerbsausschuss nach der Vorstellung der Bundesregierung personell zusammensetzen? b) Gibt es Überlegungen, diesen Ausschuss in Deutschland mit dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen zu verbinden? Überlegungen zur Umsetzung einer etwaigen Empfehlung des Rates wären zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, da dessen konkrete Ausgestaltung offen ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 10. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine Verknüpfung der Umsetzung der Empfehlungen der Wettbewerbsausschüsse mit der in Stufe 2 des Fünf- Präsidenten-Plans vorgesehenen Fiskalkapazität des Euroraums vorgesehen? Würde die Bundesregierung eine solche Verknüpfung begrüßen (bitte begründen )? Zur Frage der Verknüpfung der Umsetzung der Empfehlungen der Wettbewerbsausschüsse mit der in Stufe 2 des Fünf-Präsidentenberichts vorgesehenen Fiskalkapazität liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Drucksache 18/7755 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Inwiefern wird die Umsetzung der Empfehlungen der Wettbewerbsausschüsse durch die Einbindung in das reformierte Europäische Semester und das Verfahren gegen makroökonomische Ungleichgewichte verbindlich gemacht ? Laut Absatz 9 der Empfehlung der Europäischen Kommission soll „das unabhängige Fachwissen der Ausschüsse … von den Mitgliedstaaten und der Kommission bei den Analysen für das Europäische Semester und das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten genutzt“ werden. Bereits heute fließen existierende Studien und Berichte in die Analysen für das Europäische Semester ein. Der Charakter der länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des europäischen Semesters (einschließlich des Ungleichgewichteverfahrens) bliebe unverändert . 12. Wo verlaufen in Bezug auf die Wettbewerbsausschüsse nach Kenntnis der Bundesregierung Konfliktlinien zwischen den Regierungen der Euroländer? Wer vertritt welche Positionen? Über den Wortlaut der Empfehlung der Europäischen Kommission wurde auf europäischer Ebene bislang noch nicht diskutiert. Erste Aussprachen in ratsvorbereitenden Gremien dienten lediglich der allgemeinen Diskussion der wirtschaftspolitischen Begründung des Vorschlags. Dabei wurde deutlich, dass die Mitgliedstaaten zwar die Zielsetzung des Vorschlags teilen, die Umsetzung von Strukturreformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstumspotentials zu stärken. Sie hinterfragten allerdings mehrheitlich kritisch, inwiefern die Einrichtung nationaler Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit in der von der Europäischen Kommission empfohlenen Form hierzu beitragen kann. 13. Welche Informationen hat die Bundesregierung bezüglich des vorgesehenen zeitlichen Ablaufs des politischen Prozesses hin zur Einsetzung der Wettbewerbsausschüsse ? Die Entscheidung über eine mögliche Befassung des Rates mit der konkreten Empfehlung der Europäischen Kommission obliegt der niederländischen Ratspräsidentschaft . 14. Findet in Hinblick auf die Wettbewerbsausschüsse eine spezifische politische Koordination zwischen Deutschland und Frankreich statt? Welche Impulse gehen von dieser Koordination aus? Die Bundesregierung steht mit Frankreich wie mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einem ständigen fachlichen Austausch. 15. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung bezüglich des zeitlichen Ablaufs des politischen Prozesses bis zur Einsetzung der Wettbewerbsausschüsse in den Euroländern? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7755 16. Welche Signale hat die Bundesregierung seitens der Tarifpartner bezüglich der Wettbewerbsausschüsse erhalten? Welche Erwartungen, Befürchtungen und Forderungen wurden formuliert? Die Tarifpartner haben in einem gemeinsamen Schreiben des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände vom 9. Juli 2015 an den Präsidenten der Europäischen Kommission die Besorgnis geäußert, nationale Ausschüsse für Wettbewerbsfähigkeit könnten in die Tarifautonomie eingreifen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat diese Befürchtung mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und vom 19. November 2015 an Bundesminister Sigmar Gabriel bekräftigt und darum gebeten, die vorliegende Ratsempfehlung zurückzuweisen. 17. Teilt die Bundesregierung die u. a. vom Deutschen Gewerkschaftsbund vertretene Einschätzung, dass die Wettbewerbsausschüsse einen Angriff auf die deutsche Tarifautonomie darstellen? a) Wenn ja, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung der Europäischen Kommission und im Rat vorschlagen, um die Tarifautonomie zu schützen? b) Wenn nein, warum nicht (bitte begründen)? Die Bundesregierung vertritt die Position, dass mögliche Eingriffe in die Tarifautonomie unmissverständlich ausgeschlossen werden müssen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333