Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 29. Februar 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7757 18. Wahlperiode 02.03.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7534 – Proteste und politische Gefangene in der Republik Moldau V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Spätestens seit dem Jahr 2015 befindet sich die Republik Moldau in einer tiefen politischen Krise. Zahlreiche ohne Neuwahlen getätigte Regierungswechsel, kommissarische Regierungen und verschärfte politische Konfrontationen sind zu deren sichtbarsten Ausdrücken geworden (neues-deutschland.de, 6. November 2015, „Staatskrise in der Republik Moldau“). Insbesondere das Gewicht verschiedener Oligarchen hat in diesem Zusammenhang zugenommen (jungewelt .de, 6. Februar 2016, „Tauziehen um Moldau“). Der US-amerikanische Think-Tank „Jamestown Foundation“ sprach im Oktober 2015 gar von einem „Kollaps der Rechtsstaatlichkeit“ in dem osteuropäischen Land (jamestown.org, 19. Oktober 2015, „Moldovan Political Leader Filat Arrested in Intra-Coalition Coup“). Durch einen häufig als „Bankraub des Jahrhunderts“ bezeichneten Korruptionsskandal , bei dem staatliche Kredite an Banken offenbar auf Offshore-Konten umgeleitet wurden, verschwanden Ende 2014 etwa 1,3 Mrd. US-Dollar aus den öffentlichen Kassen (spiegel.de, 24. Oktober 2015, „Milliardenskandal in Republik Moldau: Geplünderter Staat, wütendes Volk“). Diese Summe entspricht über 40 Prozent des moldauischen Staatshaushaltes und etwa 15 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes. Die anhaltende Staatskrise wird von einer wirtschaftlichen Rezession begleitet. Zugleich ist die Macht der Oligarchen in der Republik Moldau ungebrochen und vieles deutet darauf hin, dass der Unternehmer Vladimir Plahotniuc – der Medienberichten zufolge mächtigste Oligarch des Landes – seine Machtposition in Staat und Wirtschaft weiter ausbauen konnte, nachdem der zweitmächtigste Oligarch Vlad Filat inhaftiert wurde (tagesschau.de, 23. Januar 2016, „Ein Mann kauft einen Staat – mit Haut und Haar“). Angesichts dieser Entwicklungen haben sich seit dem Sommer 2015 immer wieder Massenproteste gegen die jeweilige Regierung, aber vor allem auch gegen die Korruption und die sich verschlechternde soziale Situation entwickelt (spiegel .de, 7. September 2015, „Republik Moldau: Protestcamper erhöhen Druck auf Regierung“). In diesem Zusammenhang kam es zu zahlreichen Festnahmen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Proteste. Drucksache 18/7757 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Unter den Festgenommenen ist auch Grigore Petrenco, von 2005 bis 2014 Abgeordneter des Parlaments der Republik Moldau, bis Anfang 2015 Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) und ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Linken (EL). Seit September 2015 befindet er sich in Untersuchungshaft, weil er sich an Protesten vor dem Sitz der Staatsanwaltschaft beteiligt hatte (moldnews.md, 8. September 2015, „Soţia ex-deputatului Petrenco arestat: Este o comandă politică!“). Ihm wird trotz des friedlichen Charakters der Proteste vorgeworfen, „Massenunruhen“ organisiert zu haben, und ihm drohen bis zu acht Jahre Haft. Die Haftbedingungen sind katastrophal, wie der Abgeordnete Andrej Hunko bei einem Besuch im November 2015 feststellen musste. Eigenen Aussagen zufolge ist der inhaftierte Politiker Schikanen ausgesetzt. Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller ist Petrenco als politischer Gefangener zu betrachten. Im Dezember 2015 wurde er in das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags aufgenommen . Vorläufiger Höhepunkt der Proteste waren die Mobilisierungen im Januar dieses Jahres, an denen sich anlässlich einer erneuten Regierungsbildung unter Premierminister Pavel Filip aus dem Lager des Oligarchen Vladimir Plahotniuc zehntausende Menschen beteiligten (tagesschau.de, 21. Januar 2016, „Massenprotest gegen neue Regierung“). Am Tag der Wahl des neuen Regierungschefs durch das Parlament kam es zu Massendemonstrationen, die teilweise in Ausschreitungen umschlugen. Einige Demonstrantinnen und Demonstranten stürmten Medienberichten zufolge das Parlament (rferl.org, 21. Januar 2016, „Protesters Enter Moldovan Parliament Building After Pro-EU Government Approved “). 1. Über welche eigenen Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung zu Ausmaß und Urheber des Korruptionsskandals in der Republik Moldau, bei dem knapp 1 Mrd. Euro veruntreut worden sein soll? 2. Welche Analysen, Studien oder sonstigen Untersuchungen liegen ihr hierzu vor? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des inhaltlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Die Bundesregierung verfügt über keine eigenen Erkenntnisse zu den Betrugsfällen im moldauischen Bankensystem. Es gibt einen vertraulichen Bericht der britischen Audit-Firma Kroll, der am 5. Mai 2015 vom moldauischen Parlamentssprecher Candu im Internet veröffentlicht wurde. Die darin enthaltenen Erkenntnisse bilden lediglich eine erste Stufe der Untersuchungen (sogenannte scoping phase). Wie ihre EU-Partner erwartet die Bundesregierung von den Behörden der Republik Moldau, dass die Betrugsfälle gründlich und unparteiisch untersucht werden, damit die veruntreuten Mittel zurückgeführt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können. 3. Inwieweit und mit welchem Ergebnis haben sich deutsche Behörden oder Behörden der Europäischen Union an Untersuchungen oder Ermittlungen bezüglich des Korruptionsskandals beteiligt? Nach Kenntnisstand der Bundesregierung haben sich deutsche Behörden an Untersuchungen oder Ermittlungen bezüglich des Korruptionsskandals nicht beteiligt , noch sind sie darum gebeten worden. Auch über eine Beteiligung von Behörden der Europäischen Union ist der Bundesregierung nichts bekannt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7757 4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Aufstieg des Oligarchen Vladimir Plahotniuc zur politisch und wirtschaftlich mutmaßlich mächtigsten Person der Republik Moldau? In Öffentlichkeit und Medien wird immer wieder über unregelmäßige Geschäftspraktiken von Vladimir Plahotniuc berichtet. Die Bundesregierung hat darüber hinaus keine gesicherten Erkenntnisse. 5. Welche eigenen Beziehungen hat die Bundesregierung in der Vergangenheit zu Vladimir Plahotniuc unterhalten? Die Bundesregierung hatte zu Vladimir Plahotniuc unter anderem in seiner Eigenschaft als Parlamentarier die mit dieser Funktion einhergehenden üblichen Kontakte. 6. Wie sind nach Kenntnis der Bundesregierung die mit dem Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau eingegangenen Verpflichtungen zur Reform des Rechtssystems in der Republik Moldau umgesetzt worden? Wie ihre EU-Partner ist die Bundesregierung über die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz und der Strafverfolgungsbehörden in der Republik Moldau besorgt. Als besten Weg, die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken, sieht die Bundesregierung die Umsetzung der in den Assoziierungsabkommen mit der Republik Moldau vereinbarten Reformschritte. Bislang sind nicht alle von der Republik Moldau darin eingegangenen Verpflichtungen zur Reform des Rechtssystems umgesetzt worden. Das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau wird seit dem 1. September 2014 vorläufig angewendet, und ist noch nicht in Kraft getreten. Erst ab Inkrafttreten des Assoziierungsabkommens beginnen die Fristen für die Umsetzung der verschiedenen Reformverpflichtungen zu laufen. Je nach Bereich betragen diese Fristen bis zu zehn Jahre. Die Bundesregierung rechnet mit einem baldigen Inkrafttreten des Assoziierungsabkommens. Inzwischen haben alle EU-Mitgliedstaaten ihre Ratifikationsurkunden hinterlegt. Es fehlt nur noch die Hinterlegung des Ratifikationsinstruments durch die EU selbst. Die Umsetzung des Assoziierungsabkommens und der darin festgelegten Reformverpflichtungen Moldaus werden durch den Assoziationsrat und den Assoziationsausschuss überwacht. Beide tagen mindestens einmal jährlich, der Assoziationsrat auf Ministerebene. Der Assoziationsrat tagte zum ersten Mal am 16. März 2015, der Assoziationsausschuss am 19. Oktober 2015. Dort berichtete Moldau von Verzögerungen bei der Justizreform gegenüber dem selbst gesetzten anspruchsvollen Zeitplan. Eine erneute Gelegenheit, den Umsetzungsstand der Reformen im Justizbereich zu evaluieren, wird der für den 14. März 2016 geplante nächste Assoziationsrat bieten. Drucksache 18/7757 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Haftbedingungen von Grigore Petrenco? Stimmen diese nach ihrer Ansicht mit den einschlägigen internationalen Normen, insbesondere der Europäischen Menschenrechtskonvention, überein , zu denen sich die Republik Moldau verpflichtet hat? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse zu den individuellen Haftbedingungen des moldauischen Staatsangehörigen Petrenco vor. Nach Kenntnisstand der Bundesregierung verfügt die Republik Moldau bislang nicht über Haftanstalten, welche den Anforderungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen/Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen vom 11. Januar 2006 entsprechen. Der Bundesregierung ist bekannt, dass das „Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ (CPT) des Europarates im Rahmen seiner routinemäßigen Berichterstattung vom 14. bis 25. September 2015 einige moldauische Haftanstalten besucht hat. Ein Bericht dazu wurde dazu bislang nicht veröffentlicht. 8. Inwieweit ist die Inhaftierung von Grigore Petrenco Gegenstand von Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der moldauischen Regierung gewesen ? Die deutsche Botschaft in Chișinău beobachtet gemeinsam mit EU-Partnern das Verfahren gegen Grigore Petrenco. Sie hat den Fall Petrenco gegenüber der moldauischen Regierung angesprochen. Über die genauen Inhalte der Gespräche können aus Gründen des Vertrauensschutzes keine weiteren Angaben gemacht werden . 9. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragestellerinnen und Fragesteller, dass Grigore Petrenco als politischer Gefangener zu betrachten ist, und wenn nein, bitte begründen? Die Bundesregierung ist besorgt über Verstöße gegen rechtsstaatliche Standards im Fall Grigore Petrenco, insbesondere die mehrfache Verlängerung der Untersuchungshaft . Aus Sicht zahlreicher Beobachter gibt es Anhaltspunkte, die auf eine politische Motivation für die fortgesetzte Inhaftierung bzw. den Hausarrest von Grigore Petrenco hindeuten. 10. In welcher Form wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Haftbedingungen von Grigore Petrenco verbessert werden, ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert ist und er aus der Untersuchungshaft entlassen wird? Die Bundesregierung wird die moldauische Regierung weiterhin zur Einhaltung rechtsstaatlicher Standards im Fall Grigore Petrenco auffordern. Die Umwandlung der Untersuchungshaft von Grigore Petrenco in Hausarrest stellt unter humanitären Gesichtspunkten eine gewisse Erleichterung dar. 11. Welche politischen Organisationen stehen nach Kenntnis der Bundesregierung hinter den Massenprotesten, die sich insbesondere seit dem Sommer 2015 in der Republik Moldau entwickelt haben? Das oppositionelle Protestbündnis ist ein loser Zusammenschluss der Protestbewegung „Würde und Wahrheit“ („Demnitate și Adevăr“) unter Führung von Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7757 Andrei Năstase, der Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM) von Igor Dodon und der Partidul Nostru („Unsere Partei“) von Renato Usatîi. 12. Inwieweit bestehen oder bestanden Kontakte der Bundesregierung oder ihr unterstehender Stellen zu Organisatoren der Proteste? Vertreter des Auswärtigen Amtes, einschließlich der deutschen Botschaft in Chișinău, hatten und haben im Rahmen ihrer üblichen Dienstgeschäfte Kontakte zu allen wichtigen gesellschaftlichen und politischen Gruppen in Moldau. 13. Welche – auch nachrichtendienstlichen – Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur ausländischen (vor allem aus Deutschland getätigten) Finanzierung der derzeitigen politischen und sozialen Proteste in der Republik Moldau (detektor.fm, 25. Januar 2016, „Oligarchie unter europäischem Deckmantel “)? Die Bundesregierung verfügt über keine Erkenntnisse zu einer Finanzierung der Proteste aus dem Ausland. 14. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass es sich bei dem Transnistrienkonflikt um „hybride Kriegführung“ Russlands gehandelt hat (FAZ, 8. Februar 2016, „Moskaus hybride Machtspiele“)? a) Welche Gründe hat die Bundesregierung für ihre Einschätzung? b) Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass es sich beim Transnistrienkonflikt um einen ethnisch aufgeladenen politischen Konflikt zwischen der ukrainischen und russischen Minderheit im Dnjestr-Tal und der moldauischen Mehrheitsbevölkerung im Rest der Republik Moldau handelt (Kolstø, Pål & Andrei Malgin: „The Transnistrian Republic: A Case of Politicized Regionalism“, Nationalities Papers, Jahrgang 26, 1998, S. 103 bis 128)? Die Fragen 14a und 14b werden wegen des inhaltlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Das Phänomen der „hybriden Kriegsführung“ lässt sich nur schwer eindeutig von anderen Konfliktformen abgrenzen und manifestiert sich auf unterschiedliche Weise, siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/6989 vom 10. Dezember 2015, Antwort zu Frage 28. Der Transnistrienkonflikt eskalierte 1992 zu einem offenen Bürgerkrieg, der mit der Waffenstillstandsvereinbarung zwischen der Republik Moldau und der Russischen Föderation vom 21. Juli 1992 beendet wurde. Er unterscheidet sich darin von anderen Fällen, in denen von hybrider Kriegführung gesprochen wird. Der Konflikt gilt seither als ungelöst, bis heute sind russische Truppen in der Region stationiert, siehe auch die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage der Abgeordneten Marieluise Beck auf Bundestagsdrucksache 18/2671 vom 22. September 2014. Im Rahmen des deutschen OSZE-Vorsitzes im Jahr 2016 ist es das Ziel der Bundesregierung , den 5+2-Verhandlungsprozess zur Lösung des Transnistrienkonflikts wiederzubeleben. Ziel der Bemühungen ist eine umfassende, gerechte und dauerhafte Lösung des Transnistrienkonflikts – auf Grundlage der Souveränität und territorialen Integrität der Republik Moldau, mit einem besonderen Status für Transnistrien, der die Menschenrechte wie die politischen, wirtschaftlichen und Drucksache 18/7757 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sozialen Rechte der Bevölkerung in vollem Umfang garantiert. Dazu hat Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier einen deutschen Diplomaten zum Beauftragten des OSZE-Vorsitzes für die Lösung des Transnistrienkonflikts benannt . Bei der Entstehung des Konflikts bildeten Ängste der verschiedenen ethnischen Minderheiten in der Republik Moldau und der moldauischen Mehrheitsbevölkerung einen Faktor, der die Eskalation beförderte. Der Umgang der Bevölkerung aller Ethnien in der Republik Moldau, auf beiden Seiten des Dnjestr, vollzieht sich im Alltag aber weitgehend unbelastet vom Konflikt um Transnistrien. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333