Deutscher Bundestag Drucksache 18/779 18. Wahlperiode 12.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/654 – Schutz von Beschäftigten vor Mobbing Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der bisher einzige Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat im Jahr 2002 bestätigt, dass mit einer Million eine relevante Zahl von Beschäftigten in Deutschland von Mobbing betroffen sind. Obwohl die weitreichenden Folgen und Gesundheitsrisiken von Mobbing am Arbeitsplatz aufgezeigt wurden, gab es bisher keine weiteren Berichte. 1. Wie definiert die Bundesregierung Mobbing am Arbeitsplatz, und wird diese Definition nach Kenntnis der Bundesregierung auch von den Gerichten anerkannt und verwendet? Der Begriff „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff, daher gibt es keine feststehende Definition. Die Rechtsprechung versteht unter Mobbing das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte (Bundesarbeitsgericht vom 15. Januar 1997 – 7 ABR 14/96 und vom 16. Mai 2007 – 8 AZR 709/06). 2. Liegen der Bundesregierung aktuelle Daten zu Mobbing vor? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Der Bundesregierung liegen keine aktuellen Daten zu Mobbing vor. Eine verlässliche Erhebung ist in der Regel schon aus Gründen der Anonymität (MobDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 10. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. bing-Betroffene wollen häufig nicht genannt oder erkannt werden) oder auch des Datenschutzes kaum möglich. Drucksache 18/779 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass Mobbing am Arbeitsplatz relevante Probleme bei den Opfern auslöst und in der Folge hohe volkswirtschaftliche Kosten verursacht? Wenn nein, warum nicht? Mobbing am Arbeitsplatz stellt ein ernstes gesellschaftliches Problem mit negativen Auswirkungen dar. Mobbing kann zu Erkrankungen der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dadurch zu kostenintensiven Arbeitsausfällen für Unternehmen und Belastungen der Sozialversicherungen führen. Die Bundesregierung ist sich dieser Problematik bewusst und nimmt sie ernst. 4. Was wurde durch die Bundesregierung seit dem Jahr 2002 zum Schutz der Beschäftigten vor Mobbing auf den Weg gebracht? Im Jahr 2006 wurden die Rechte der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erweitert. Mobbing kann eine unzulässige Benachteiligung aus den im Gesetz aufgeführten Diskriminierungsgründen darstellen. Auch der zum 31. März 2007 in das Strafgesetzbuch eingefügte Straftatbestand der „Nachstellung“ kann einschlägig sein. 5. Wie bewertet die Bundesregierung die unterschiedlichen Formen von Mobbing, und wo sieht sie hier besonderen Handlungsbedarf? Mobbing hat vielfältige Erscheinungsformen. Deshalb erscheint die Schaffung spezieller Regelungen nicht zielführend. 6. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung ausreichende gesetzliche Regelungen, um Beschäftigte vor Mobbing durch Kolleginnen und Kollegen zu schützen? a) Welche Regelungen sind das? b) In welchem Umfang werden sie nach Kenntnis der Bundesregierung wahrgenommen? 7. Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung ausreichende gesetzliche Regelungen, um Beschäftigte vor strategischem Mobbing durch ihre Vorgesetzten zu schützen? a) Welche Regelungen sind das? b) In welchem Umfang werden sie nach Kenntnis der Bundesregierung wahrgenommen? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Antwort zu den Fragen 6a und 7a Mobbing ist als Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre und die Gesundheit anzusehen. Je nach Art und Schwere des Eingriffs können sich Fürsorgepflichten des Arbeitgebers und der Arbeitnehmervertretung sowie Unterlassungsansprüche der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergeben . So kann der Arbeitgeber gehalten sein, Gegenmaßnahmen (beispielsweise Ermahnungen oder Umsetzungen) zu ergreifen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann Mobbing auch Straftatbestände verwirklichen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/779 Antwort zu den Fragen 6b und 7b Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. 8. Reichen die gesetzlichen Regelungen nach Ansicht der Bundesregierung aus, um Mobbing-Opfer ausreichend für das erlittene Unrecht zu entschädigen ? Liegt in dem Mobbing eine Diskriminierung, eine andere Persönlichkeitsrechtsverletzung oder eine andere unerlaubte Handlung, stehen dem Betroffenen die gleichen Rechte auf Entschädigung zu, wie anderen durch eine Diskriminierung, Persönlichkeitsrechtsverletzung oder unerlaubte Handlung Betroffenen. 9. Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung ausreichende Hilfsangebote für Mobbing-Opfer? Wenn ja, welche, und in welchem Umfang werden sie nach Kenntnis der Bundesregierung angenommen? Es gibt unterschiedliche Unterstützungsinstrumente für Mobbing-Betroffene, insbesondere auf betrieblicher und regionaler Ebene. Zur Unterstützung der Betriebe und der Betroffenen hat unter anderem die Initiative neue Qualität der Arbeit (INQA) und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin einen Ratgeber zum Umgang mit Mobbing herausgegeben („Wenn aus Kollegen Feinde werden“), der im Oktober 2011 bereits in 6. Auflage erschienen ist. 10. Welche Maßnahmen zur Prävention, also zur Vorsorge, Verhütung, Vorbeugung oder Risikominimierung, werden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Betrieben und den Verwaltungen gegen Mobbing angewandt, und wie erfolgversprechend sind sie? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Es ist jedoch allgemein bekannt, dass zum Thema „Mobbing“ Seminare und In-House-Schulungen für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsräte angeboten werden. Zudem können Betriebe im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung unterstützende Angebote der Krankenkassen erhalten, um auch Mobbing präventiv zu begegnen, etwa mit Maßnahmen zur Verminderung von belastenden Arbeitssituationen und zur Förderung der individuellen Kompetenzen der Beschäftigten zur Konfliktbewältigung beitragen. 11. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die Gesellschaft ausreichend stark für das Problem Mobbing sensibilisiert ist? Wenn ja, warum? Wenn nein, was wird die Bundesregierung unternehmen? Mobbing ist ein gesellschaftspolitisches Thema, das in den vergangenen Jahren Gegenstand von Presseberichten war und auch in arbeitsrechtlichen und arbeitsmedizinischen Fachpublikationen aufgegriffen worden ist. Drucksache 18/779 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass eine Anti-Stress-Verordnung mit konkreten Hinweisen zu psychosozialen Belastungen für Betriebe und Verwaltungen hilfreich sein könnte? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung hält nichtlegislative Maßnahmen sowie klarstellende Regelungen in den Arbeitsschutzfachverordnungen für vorrangig. Auch sollen vor einer Entscheidung über eine Verordnung zu arbeitsbedingten psychischen Belastungen noch weitere wissenschaftliche Erkenntnisse erhoben werden. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat dazu bereits ein entsprechendes Forschungsprojekt konzipiert. Auf dieser Grundlage schließt die Bundesregierung auch verbindliche Regelungen in Form einer eigenständigen Verordnung nicht aus. 13. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, um die Beschäftigten vor Mobbing zu schützen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was wird die Bundesregierung auf den Weg bringen? Das geltende Recht enthält bereits einen angemessenen Schutz für MobbingOpfer . Es wird insoweit auf die Antworten zu den Fragen 4, 6, 7, 8 und 9 verwiesen . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333