Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 10. März 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7859 18. Wahlperiode 11.03.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Frank Tempel, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7712 – Kommunikationsüberwachung bei Kontaktpersonen des NSU nach dem Untertauchen im Januar 1998 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das mutmaßliche Kerntrio des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU), Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt, hatte nach der Flucht vor der Polizei am 26. Januar 1998 eine Vielzahl von direkten und indirekten Kontakten zu Mitgliedern der neonazistischen Szene. Dazu gehörten auch Frauen und Männer, gegen die von den Ermittlungsbehörden nicht im Rahmen von Straf- oder Ermittlungsverfahren als Unterstützer bzw. Unterstützerinnen einer terroristischen Vereinigung „Nationalsozialistischer Untergrund“ nach § 129a des Strafgesetzbuches (StGB) ermittelt wird. Dies gilt insbesondere für Neonazi -Aktivistinnen und -Aktivisten wie T. H., J. H., N. E., T. B., C. K., J. W., A. R., S. R., M. D., S. B., M. L., M. B., V. H., M. B., F. S., P. W., K. M., T. R., T. D., M. P., R. H., C. R., H. L., A. F., E. R., T. S., R. M., M. H., M. E., C. W., Rechtsanwalt H.-G. E., R. B, M. S., D. P., A. S., A. P., J. W., T. R., C. S., M. S., A. K., H. G., A. und M. E., T. T., E. T., M. D., F. L., A. S., M. L., M. F. und B. G. Allerdings führten die Strafverfolgungsbehörden im Bund und in den Ländern , insbesondere in Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Berlin, sowohl im Jahr 1998 als auch in den Folgejahren eine größere Anzahl von Strukturermittlungsverfahren gegen die neonazistische Szene und ihre Organisationen, insbesondere gegen Blood&Honour, Hammerskins, die Neonaziband „Landser“, deren Mitglieder und Vertriebsstrukturen sowie gegen Produzenten und Vertreiber neonazistischer Musik, aber auch gegen Aktivistinnen und Aktivisten neonazistischer Kameradschaften. Weiterhin beantragten die Verfassungsschutzbehörden auch Beschränkungsmaßnahmen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses gegen Neonazis auf Grundlage des Artikel 10-Gesetzes. Drucksache 18/7859 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung kann die Kleine Anfrage insgesamt nicht beantworten. I. Nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Aufwand zur Beschaffung der Informationen bei den Fragen, die den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) betreffen, – auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit einer Fristverlängerung – mit zumutbarem Aufwand nicht möglich. Eine Stellungnahme zu etwaigen Kommunikationsüberwachung in allen Strafund Ermittlungsverfahren des GBA gegen Mitglieder und Unterstützer des NSU sowie zu direkten und indirekten Kontaktpersonen im Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 würde die händische Auswertung zumindest des gesamten phänomenbezogenen Aktenbestandes „PMK-rechts“ des GBA ab dem 26. Januar 1998 erfordern. Hierzu gilt im Einzelnen: 1. Der GBA hat die Ermittlungen im NSU-Verfahrenskomplex am 11. November 2011 übernommen. In dem angefragten Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 hat der GBA daher im Zusammenhang mit NSU-bezogenen Ermittlungen selbst keine der in den Fragen 1 bis 4 angesprochenen Ermittlungshandlungen veranlasst oder durchgeführt. Die in den Fragen 5 und 6 angesprochenen Eingriffsmaßnahmen (Kommunikationsüberwachungsmaßnahmen auf Grundlage eines Polizeigesetzes der Länder bzw. des Bundes und G 10 Maßnahmen ) fallen von vorneherein nicht in seine Zuständigkeit. Im Hinblick auf die Ermittlungen im NSU-Verfahrenskomplex kommt der GBA allerdings als Sekundärverwerter von Erkenntnissen in Betracht, die durch Maßnahmen im Sinne der Fragen 1 bis 6 angefallen sind. Insoweit ist der GBA von den Fragen 7 bis 12, insbesondere 7 bis 8, betroffen. Hinsichtlich der Fragen 1 bis 4 kommt darüber hinaus in Betracht, dass der GBA außerhalb des NSU-Verfahrenskomplexes dort genannte Ermittlungshandlungen selbst veranlasst oder durchgeführt hat (etwa im „Landser“-Verfahren). Ebenso ist es möglich, dass er außerhalb des NSU-Verfahrenskomplexes von Maßnahmen anderer Behörden im Sinne der Fragen 1 bis 6 Kenntnis erlangt hat (Fragen 7 bis 12, insbesondere 7 und 8). 2. Eine statistische oder sonst elektronisch recherchierbare Erfassung personenbezogener Daten im Sinne der Fragestellungen erfolgt beim GBA nicht. Dies gilt uneingeschränkt, soweit der GBA von anderen Behörden über Maßnahmen im Sinne der Fragen 1 bis 6 in Kenntnis gesetzt worden ist. Auch im Übrigen sind die Dateien des GBA hinsichtlich der Fragestellungen unergiebig . Soweit in eigener Zuständigkeit durchgeführte Maßnahmen im Sinne der Fragen 1 bis 4 in Rede stehen gilt, dass personenbezogene Recherchen in dem hier geführten Verfahrensregister zwar einen möglichen (historischen) Beschuldigtenstatus von den in der Fragestellung genannten Personen und damit gegebenenfalls Hinweise auf mögliche Erkenntnisquellen zu diesen Personen ergeben würden. Eine im Sinne der Fragestellung aber auch nur ansatzweise valide oder Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7859 gar vollständige Auskunft durch elektronische Abfragen in Dateien des GBA ist jedoch nicht möglich. Auch die Dateien, die zu den in der Zuständigkeit des GBA durchgeführten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen geführt werden, sind solchen Abfragen nicht zugänglich, die im Sinne der Fragestellung weiterführend wären. Diese TKÜ-Dateien enthalten nicht die von entsprechenden Maßnahmen tatsächlich betroffenen Personen. Recherchefähig sind insoweit lediglich die von Maßnahmen betroffenen Telekommunikationsanschlüsse sowie die Namen der jeweiligen – vom Nutzer regelhaft abweichenden – Anschlussinhaber. Zudem werden die in dieser Datei enthaltenen Daten bereits in dem auf die Abschaltung einer TKÜ-Maßnahme folgenden Kalenderjahr gelöscht. Damit wäre zur Beantwortung der Kleinen Anfrage eine händische Auswertung des gesamten, nach dem 26. Januar 1998 angefallenen Aktenbestandes des GBA zumindest aus dem Phänomenbereich „PMK-rechts“ unerlässlich. 3. Eine auf die Fragestellung bezogene händische Auswertung würde einen unüberschaubaren Aktenbestand betreffen. Allein der gerichtliche Aktenbestand des Strafverfahrens gegen Beate Zschäpe und andere umfasst derzeit mehr als 1 000 Sachaktenordner. Darüber hinaus wären allein aus dem NSU-Verfahrenskomplex mehrere hundert Sachaktenordner der abgetrennten Personenverfahren sowie des Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt auszuwerten. Hinzu käme der Handaktenbestand des GBA. Derzeit nicht quantifizierbar ist der über die NSU-Verfahren hinaus auszuwertende Aktenbestand des GBA. Es ist davon auszugehen, dass Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung auch in anderen Verfahrensakten des GBA (Ermittlungsverfahren und Beobachtungsvorgänge) niedergelegt sind (bspw. „Landser“-Verfahren ; „Feuerball“-Verfahren – geplanter Anschlag auf ein Fahrzeug der Linken- Landtagsabgeordneten Katharina König aus Jena). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass allein der aus Anlass des Offenbarwerdens der Straftaten des NSU erstellte Bericht der „Evaluierungsgruppe ARP des Generalbundesanwalts “ vom 20. Dezember 2011 die Überprüfung von ungefähr 8 000 ARP- Verfahren (Beobachtungsvorgänge) zur Grundlage hatte. 4. Die erforderliche händische Auswertung des Aktenbestandes des GBA ist praktisch undurchführbar. Die Komplexität dieser Aufgabe allein im Zusammenhang mit dem NSU-Verfahrenskomplex wird durch den quantitativen Umfang der Akten nur unzulänglich beschrieben (vgl. I.3.). Der Informationsbedarf der Fragesteller umfasst die Kenntniserlangung des GBA von Ermittlungsmaßnahmen dritter Behörden, die in der strafrechtlichen Praxis und insbesondere in den zu erwartenden Verfahrenszusammenhängen zum Teil sehr häufig vorkommen (vgl. Frage 6). Darüber hinaus umfasst die Frage 7 die Mitteilung, zu welchen der zur Kenntnis gebrachten Maßnahmen Unterlagen unter anderem in Form von Auswertungen und Vermerken vorliegen. Hierzu ist zu bemerken, dass der GBA über Ermittlungsmaßnahmen anderer Behörden regelmäßig durch die Übersendung von (Auswerte-) Vermerken unterrichtet wird, die in unterschiedlicher Form auch stets aktenkundig gemacht werden. Hinzu kommt, dass die Fragestellung ferner allein 53 namentlich genannte Personen umfasst. Drucksache 18/7859 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Allein der gerichtliche Aktenbestand im NSU-Verfahren enthält nach Wissen der Beamten des zuständigen Ermittlungsreferats des GBA eine Vielzahl von Erkenntnissen zu zahlreichen der in der Kleinen Anfrage bezeichneten Personen, die aus Maßnahmen im Sinne der Fragen 1 bis 6 herrühren. Der Aktenbestand wäre daher im Einzelnen („Blatt für Blatt“) im Hinblick auf Erkenntnisse, die aus derartigen Maßnahmen (anderer) Bundes- und Landesbehörden stammen, zu sichten, inhaltlich auszuwerten und im Hinblick auf die in den Fragen 1 bis 6 enthaltenen Spezifizierungsanforderungen zu katalogisieren. Derartige Erkenntnisse können nahezu in allen Teilen dieser Akten aufzufinden und auch außerhalb förmlicher Mitteilungen entsprechender Drittbehörden in Form von Erkenntnismitteilungen niedergelegt sein, etwa in originär für das Verfahren entstandenen polizeilichen (Auswerte-) Vermerken oder in übermittelten Aktenauszügen anderer Behörden. Auch kommt eine nur „kursorische“ oder auf bestimmte Suchbegriffe gestützte Durchsicht der Akten – jedenfalls in ihrem ganz überwiegenden Teil – nicht in Betracht. Vielmehr müssen insbesondere Primärerkenntnisse anderer Behörden (Aktenauszüge) sowie polizeiliche Auswerte- und Erkenntnisvermerke dezidiert durchgearbeitet werden, um mitunter nicht ausdrücklich formulierte Bezugnahmen auf Erkenntnisquellen im Sinne der Fragestellung zu identifizieren . Auch eine im gerichtlichen Aktenbestand des NSU-Verfahrens mögliche softwaregestützte Fundstellensuche zur Identifizierung potenziell aussagekräftiger Aktenteile führt – unbeschadet des Umstands, dass diese schon aus technischen Gründen letztlich nicht belastbar ist (Computerlesbarkeit des Papierdokuments ) – nicht zu nennenswerter Zeitersparnis. Vom GBA durchgeführte Probeläufe haben ergeben, dass etwa hinsichtlich des in der Kleinen Anfrage genannten A.K. das elektronische Recherchesystem des GBA die Fundstellensuche im gerichtlichen Aktenbestand nach 1 000 Treffern abgebrochen hat. Die darüber hinaus zu Testzwecken abgefragten Personen A.P. und E.T. kamen auf 520 und 900 zu überprüfende Fundstellentreffer allein im gerichtlichen Aktenbestand. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Erkenntnisse zu einzelnen personenbezogenen Ermittlungsmaßnahmen in der Sachakte gerade nicht notwendigerweise in einem unmittelbaren lokalen Zusammenhang mit der Benennung einer bestimmten Maßnahme oder des von einer bestimmten Maßnahme Betroffenen stehen müssen, was aber für eine erfolgreiche elektronisch gestützte Fundstellenrecherche erforderlich wäre. Schon aus diesem Grund würde eine händische Durchsicht des vollständigen Aktenbestandes notwendig. Selbst bei einem Recherchetreffer wäre die inhaltliche Auswertung des Aktenfundstücks unentbehrlich. Eine im Sinne der Fragestellung hinreichend verlässliche Stellungnahme des GBA würde daher einen aus Sicht der Bundesregierung nicht realisierbaren Personalbedarf auslösen. Hierzu gilt, dass die am 22. November 2011 eingesetzte „Evaluierungsgruppe ARP“ ihren Bericht nach Sichtung von 8 000 ARP-Vorgängen am 20. Dezember 2011 vorgelegt hat. Mit der Sichtung der ARP-Aktenbestände waren vier Beamte des höheren Dienstes sowie zwei Geschäftsstellen über einen Zeitraum von 26 Arbeitstagen (ohne Wochenendarbeit) befasst. Dies ergibt allein im Bereich des höheren Dienstes einen Gesamtarbeitsanfall von 104 Tagen. Mit einer Auswertung der relevanten Aktenbestände des GBA im Sinne der hier gegebenen Fragestellung würde – selbst bei einer Beschränkung auf Akten aus dem Phänomenbereich „PMK-rechts“ – eine ganz erheblich höhere Personalbelastung einhergehen. Die „ARP-Evaluierungsgruppe“ hat – abgesehen von einer materiellen Evaluierung einzelner Vorgänge – ihre Sichtung bei der ganz überwiegenden Anzahl der Vorgänge darauf beschränken können, festzustellen, ob 21 namentlich näher bestimmte Personen jeweils aktenkundig geworden sind. Für eine Stellungnahme zu der Kleinen Anfrage würde sich die Aktenauswertung auf Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7859 53 namentlich genannte Personen beziehen, die – jedenfalls im NSU-Verfahrenskomplex – in teils ganz erheblichem Umfang von Ermittlungen tatsächlich unmittelbar oder mittelbar betroffen waren und zu denen entsprechend umfängliche Akteninhalte vorliegen. Es ist ferner davon auszugehen, dass im Sinne der Fragestellung auch in erheblichem Umfang Positivmitteilungen zu berichten wären. Vor allem wären die Akten auch inhaltlich eingehend zu prüfen, um valide Angaben im Sinne der Fragestellung berichten zu können. In diesem Zusammenhang ist ferner von Belang, dass die von der Auswertung mitumfassten Ermittlungsakten einen ganz erheblich größeren Umfang als ARP-Vorgänge haben. Angesichts der Erfahrungen der „ARP-Evaluierungsgruppe“ und der Aktenkenntnis der für den NSU-Verfahrenskomplex zuständigen Beamten des GBA dürfte nur für die Auswertung der NSU-Akten ein Arbeitsaufwand von mindestens 150 Arbeitstagen allein im Bereich des höheren Dienstes zu erwarten sein. Damit würde im Bereich dieses Referats die gesamte sonstige Arbeit – einschließlich der Sitzungsvertretung im Strafverfahren gegen Beate Zschäpe und andere – bezogen auf einen Mitarbeiter im höheren Dienst für einen Zeitraum von mindestens 7,5 Monaten (Urlaub und Erkrankungen nicht eingerechnet) ruhen. Hinzu käme der Arbeitsaufwand für die im Übrigen relevanten Akten in Ermittlungsverfahren und Beobachtungsvorgängen. II. Es besteht grundsätzlich ein verfassungsmäßiger Anspruch auf Informationsgewährung durch die Bundesregierung. Aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Pflicht der Bundesregierung zur unverzüglichen, vollständigen und wahrheitsgemäßen Antwort korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161, Beschluss vom 1. Juli 2009 – 2 BvE 5/06). Die Antwortpflicht der Bundesregierung unterliegt aber Grenzen. Für deren grundsätzliche Bestimmung gibt die verfassungsrechtliche Verteilung der Staatsfunktionen auf Parlament und Regierung wichtige Anhaltspunkte. Die nähere Grenzziehung bedarf jeweils der Würdigung im Einzelfall (BVerfG, a. a. O.). Jedenfalls steht die Antwortpflicht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt (BVerfG, a. a. O., S. 197): „Es sind alle Informationen mitzuteilen, über die die Regierung verfügt oder die sie mit zumutbarem Aufwand in Erfahrung bringen kann. Da sich der parlamentarische Informationsanspruch im Hinblick auf die mögliche politische Bedeutung auch länger zurückliegender Vorgänge auf Fragen erstreckt, die den Verantwortungsbereich früherer Bundesregierungen betreffen, können die Bundesregierung zudem im Rahmen des Zumutbaren Rekonstruktionspflichten treffen.“ III. In Anwendung dieses verfassungsmäßig vorgegebenen Maßstabs überschreitet der erforderliche Aufwand zur Beantwortung der Mehrzahl der Fragen in der Kleinen Anfrage vom 23. Februar 2016 die Grenzen der Zumutbarkeit. In der vorzunehmenden Abwägung kommt dem parlamentarischen Informationsanspruch grundsätzlich ein besonders hohes Gewicht zu, da er im verfassungsmäßi- Drucksache 18/7859 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gen Gefüge der Gewaltenteilung erforderlich ist, um die Aufgabe einer parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns effektiv wahrnehmen zu können. Die Bundesregierung erkennt an, dass die durch Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG garantierte Freiheit des Abgeordnetenmandats grundsätzlich keine thematische Beschränkung des parlamentarischen Frage- und Informationsrechts erlaubt. Dem parlamentarischen Informationsinteresse steht jedoch das schutzwürdige Interesse der Regierung an der Wahrnehmung der ihr zugewiesenen Aufgaben und am effektiven Einsatz eigener Ressourcen und denen nachgeordneter Behörden gegenüber. Eine entscheidende Rolle bei der Abwägung im Einzelfall spielt, welche Art von Informationen erstrebt wird. Die Kleine Anfrage erbittet detaillierte Angaben zu Kommunikationsüberwachung bei sog. „Kontaktpersonen des NSU“ von Januar 1998 bis zum 8. November 2011, der Übernahme der Ermittlungen durch den GBA. Das Kommunikationsverhalten der mutmaßlichen Mitglieder des NSU, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt, waren und sind Gegenstand von Straf- und Ermittlungsverfahren sowie mehrerer parlamentarischer Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern. Zwar wird das parlamentarische Fragerecht nicht durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verdrängt. Auch wenn Effizienzgesichtspunkte für die Auffassung sprechen, dass das Parlament in diesem Fall seine Kontrollkompetenz ausschließlich auf den Untersuchungsausschuss konzentrieren will (vgl. hierzu VerfGH NRW, Urteil vom 4. Oktober 1993 – VerfGH 15/92, DVBl 1994, S. 48, S. 51 f.), so kann daraus grundsätzlich keine Beschränkung des Informationsanspruchs der einzelnen Abgeordneten und der Fraktionen hergeleitet werden. Zwar handelt es sich bei Kleinen Anfragen um Anfragen des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung (vgl. § 104 GO-BT), dies ändert aber nichts daran, dass sie einem Informationsinteresse von Abgeordneten oder einer Fraktion dienen, das nicht mit demjenigen übereinzustimmen braucht, das mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses verfolgt wird. Inwieweit die Bundesregierung bei ihren Antworten auf die Aufklärung eines Sachverhalts im Untersuchungsausschuss verweisen darf, hat das Bundesverfassungsgericht aber ausdrücklich offen gelassen (vgl. BVerfGE vom 1. Juli 2009 – 2 BvE 5/06, Rn. 129). Da schon aus Gründen der Zumutbarkeit eine Beantwortung der den GBA betreffenden Fragen nicht erfolgt, kann es dahinstehen, ob etwaigen Auskünften Grundrechte Dritter entgegenstehen. Bei den von den Antragstellern als Kontaktpersonen des NSU benannten Personen gehen die Antragsteller selbst davon aus, dass gegen diese nicht als Unterstützer einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird, also insoweit kein Anfangsverdacht besteht. Auskünfte zu den genannten Personen im Zusammenhang mit Kommunikationsüberwachungen und ihren Inhalten könnten deren Grundrechte entgegenstehen, die bei einer Bekanntgabe durch die Bundesregierung verletzt würden (BVerfGE vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, Rn. 132). Ein mit einer Auskunftserteilung verbundener Grundrechtseingriff ist nur zulässig, wenn er in überwiegendem Allgemeininteresse erfolgt und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfGE vom 17. Juni 2009 – 2 BvE 3/07, Rn. 133). Dem parlamentarischen Informationsinteresse steht jedenfalls eine sehr erhebliche Bindung von Arbeitskraft bei der Bundesanwaltschaft sowie in den beteiligten Bundesministerien gegenüber. Der GBA hat den voraussichtlich erforderlichen Zeitaufwand nachvollziehbar beziffert. Hinzu käme der Aufwand, der zur Bewertung und eventuellen weiteren Aufbereitung des Datenmaterials im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz anfallen würde. Die Bear- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7859 beitung der Kleinen Anfrage würde eine erhebliche und nicht vertretbare Schwächung der Funktionsfähigkeit des GBA verursachen. Die Beantwortung parlamentarischer Anfragen darf nicht dazu führen, dass der GBA als Organ der Rechtspflege seinem verfassungsrechtlichen Auftrag in der Strafrechtspflege nicht mehr nachkommen kann und eine dem Rechtsstaatsprinzip widersprechende Verzögerung bei der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Strafverfolgungsaufgaben , hier namentlich bei Verfahren im Zusammenhang mit dem „NSU“-Komplex und wegen rechtsterroristischer Vereinigungen in Deutschland, eintritt. Die obigen Ausführungen betreffen gelten auch für den Beantwortungsaufwand beim BKA für Ermittlungsverfahren außerhalb der Zuständigkeit des GBA. IV. Zu den Fragen 6 bis 12 gilt Folgendes: Die Bundesregierung kann zu Ländersachverhalten aufgrund der vom Grundgesetz vorgegeben Kompetenzordnung keine Aussagen treffen. Auch darüber hinaus erteilt die Bundesregierung zu Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10- Gesetz – G 10) des Bundes keine Auskunft. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. Durch die Beantwortung der Fragestellungen würden die Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörden , der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel und mögliche operative Belang offen gelegt. Das würde zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden und damit zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führen. Aus der Offenlegung, gegen welche der abgefragten Personen sich mögliche Beschränkungsmaßnahmen nach G10 richteten, würde zum einen erkennbar in welchem Umfang die Verfassungsschutzbehörden derartige Beschränkungen durchführen. Zum anderen würde deutlich, wo der Ressourceneinsatz sowie inhaltliche, operative Arbeits- und Aufklärungsschwerpunkte der Nachrichtendienste – hier im rechtsextremistischen Kontext – lägen. Der Schutz von Details zu Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes stellt für deren Aufgabenerfüllung einen überragend wichtigen Grundsatz dar. Von seiner Einhaltung hängt die Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung ab. Der Einsatz spezifischer Fähigkeiten ist evident geheimhaltungsbedürftig, da im Übrigen die nachrichtendienstliche Aufgabenerfüllung nicht möglich wäre. Das Bekanntwerden der Arbeitsweise und Methodik der Verfassungsschutzbehörden des Bundes könnte den Gegner in die Lage versetzen, sich auf die Beobachtung einzustellen oder Gegenmaßnahmen zu treffen. Die sich daraus ergebenden negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden , die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland müssen mit den verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechten des Deutschen Bundestages und Drucksache 18/7859 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode seiner Abgeordneten abgewogen werden. Daraus folgt, dass grundsätzlich eine Beantwortung der entsprechenden Fragen auch unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Übrigen wird auf die Kontrollfunktion der G10-Kommission verwiesen, die gemäß § 15 G10 für die Gesamtkontrolle der Anordnung und Umsetzung von Beschränkungsmaßnahmen nach G10 zuständig ist. 1. Zu welchen Personen des so genannten mutmaßlichen Kerntrios des NSU, also Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, zu welchen Beschuldigten in allen Straf- und Ermittlungsverfahren des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Generalbundesanwaltschaft (GBA) gegen Mitglieder und Unterstützer des NSU sowie zu welchen direkten und indirekten Kontaktpersonen wurden im Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 Kommunikationsbeschränkungen auf der Grundlage von § 100a der Strafprozessordnung (StPO) beantragt bzw. ausgeführt (bitte unter Angabe der beantragenden Behörde, des Straftatvorwurfs, des/der Kommunikationsmittel /s – Brief, Festnetz, mobil, Fax –, das beschränkt wurde, dem Zeitraum der Maßnahme und der die Maßnahme ausführenden Behörde); diese wie alle folgenden Fragen bis Nummer 6 gelten insbesondere zu den Personen: T. H., J. H., N. E., T. B., C. K., J. W., A. R., S. R., M. D., S. B., M. L., M. B., V. H., M. B., F. S., P. W., K. M., T. R., T. D., M. P., R. H., C. R., H. L., A. F., E. R., T. S., R. M., M. H., M. E., C. W., Rechtsanwalt H.-G. E., R. B., M. S., D. P., A. S., A. P., J. W., T. R., C. S., M. S., M. F. B., M. D., A. K., H. G., A. und M. E., T. T., E. T., F. L., A. S., M. L., M. F., B. G.? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 2. Zu welchen Personen des so genannten mutmaßlichen Kerntrios des NSU, zu welchen Beschuldigten in allen Verfahren des Bundeskriminalamtes und der Generalbundesanwaltschaft gegen Mitglieder und Unterstützer des NSU, zu welchen direkten und indirekten Kontaktpersonen wurde im Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 eine Wohnraumüberwachung nach § 100f StPO beantragt bzw. ausgeführt (bitte unter Angabe der beschränkenden Behörde, des Straftatvorwurfs, des Zeitraums der Maßnahme , der ausführenden Behörde der Maßnahme)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 3. Zu welchen Personen des so genannten mutmaßlichen Kerntrios des NSU, zu welchen Beschuldigten in allen Verfahren des Bundeskriminalamtes und der Generalbundesanwaltschaft gegen Mitglieder und Unterstützer des NSU, zu welchen direkten und indirekten Kontaktpersonen wurde im Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 eine Standortermittlung des Mobiltelefons nach § 100i StPO beantragt bzw. durchgeführt (bitte unter Angabe der beantragenden und durchführenden Behörde, des Straftatvorwurfs und der Dauer der Maßnahme)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/7859 4. Zu welchen Personen des so genannten Kerntrios des NSU, zu welchen Beschuldigten in allen Verfahren des Bundeskriminalamtes und der Generalbundesanwaltschaft gegen Mitglieder und Unterstützer des NSU, zu welchen direkten und indirekten Kontaktpersonen wurde im Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 eine Überwachung der Finanztransaktionen auf einem Bankkonto beantragt bzw. durchgeführt (bitte unter Angabe der beschränkenden Behörde, des Anlasses, der Dauer der Maßnahme und der durchführenden Behörde)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 5. Zu welchen Personen des so genannten mutmaßlichen Kerntrios des NSU, zu welchen Beschuldigten in allen Verfahren des Bundeskriminalamtes und der Generalbundesanwaltschaft gegen Mitglieder und Unterstützer des NSU, zu welchen direkten und indirekten Kontaktpersonen wurde im Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 auf Grundlage eines Polizeigesetzes der Länder bzw. des Bundes eine Kommunikationsüberwachungsmaßnahme beantragt bzw. durchgeführt (bitte unter Angabe der beschränkenden Behörde, des Anlasses, welches Kommunikationsmittel wurde beschränkt – Brief, Festnetz, mobil, Fax –, dem Zeitraum der Maßnahme , der ausführenden Behörde der Maßnahme)? Das BKA ist im Bereich der Gefahrenabwehr gemäß § 4a BKAG ausschließlich für Sachverhalte mit Bezug zum „Internationalen Terrorismus“ zuständig. Zu Sachverhalten der Länder kann die Bundesregierung aufgrund der vom Grundgesetz vorgegeben Kompetenzordnung keine Aussagen treffen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 6. Zu welchen Personen des so genannten mutmaßlichen Kerntrios des NSU, zu welchen Beschuldigten in allen Verfahren des Bundeskriminalamtes und der Generalbundesanwaltschaft gegen Mitglieder und Unterstützer des NSU, zu welchen direkten und indirekten Kontaktpersonen wurde im Zeitraum vom 26. Januar 1998 bis zum 8. November 2011 bei einer G10-Kommission der Länder bzw. des Bundes durch eine Verfassungsschutzbehörde eine Beschränkungsmaßnahme der Kommunikation beantragt bzw. durchgeführt (bitte unter Angabe der beantragenden Verfassungsschutzbehörde, der zuständigen G10-Kommission, des Anlasses, der Dauer der Maßnahme, der ausführenden Behörde)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 7. Von welchen der in den Fragen 1 bis 6 durchgeführten Maßnahmen haben die Bundesregierung und/oder der Generalbundesanwalt, das Bundesamt für Verfassungsschutz sowie das Bundeskriminalamt Kenntnis erlangt? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 8. Zu welchen der in den Fragen 1 bis 6 durchgeführten Maßnahmen liegen nach Kenntnis der Bundesregierung Unterlagen in Form von Anordnungen, Protokollen, Auswertungen, Vermerken etc. vor? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. Drucksache 18/7859 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Über welche der in den Fragen 1 bis 6 durchgeführten Maßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU-Komplex welcher Länder bzw. des Bundes informiert (bitte Maßnahme und jeweiligen Untersuchungsausschuss angeben)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 10. Zu welchen der in Frage 8 erfragten Unterlagen wurden welche Untersuchungsausschüsse der Länder bzw. des Bundes informiert bzw. die Unterlagen vorgelegt (bitte Maßnahme, Unterlagen und jeweiligen Untersuchungsausschuss angeben)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 11. Zu welchen der in Frage 8 erfragten Unterlagen wurde das BKA bzw. der GBA informiert bzw. wurden die Unterlagen vorgelegt? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. 12. Zu welchen der in Frage 8 erfragten Unterlagen erfolgte eine Löschung/Vernichtung vor dem 4. November 2011 (bitte unter Angabe des Datums der Löschung/Vernichtung und der Begründung für Löschung/Vernichtung bzw. Nennung der anordnenden Behörde für Löschung/Vernichtung)? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung Bezug genommen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333