Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 16. März 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7927 18. Wahlperiode 18.03.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann (Zwickau), Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7769 – Untersuchungen eines Zusammenhangs des Arzneimittels Duogynon® mit schweren Missbildungen und Erwägungen zu Schadensersatzregelungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Tausende von Missbildung betroffene Personen gehen davon aus, Opfer eines Präparats des Unternehmens Schering AG zu sein, das bis zum Jahr 1973 unter dem Markennamen Duogynon® (bis zum Jahr 1980 Cumorit®, unter anderem in Großbritannien auch Primodos®) als hormoneller Schwangerschaftstest und zur Behandlung von Menstruationsstörungen eingesetzt wurde. Die frühere Schering AG ist heute Teil des Bayer HealthCare-Konzerns. Schon im Jahr 1969 ergaben schwere Schädigungen von Ratten in Tierversuchen , dass ein Zusammenhang mit Duogynon® nicht ausgeschlossen werden könne. (vgl. Bayerisches Fernsehen vom 20. Januar 2016: Die Akte Duogynon – Verzweifelter Kampf um Aufklärung). Bereits im Jahr 1967 hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor den Gefahren des Einsatzes dieser Medikamente bei Frühschwangerschaften gewarnt und Ende der sechziger bzw. Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde selbst von Schering AG-Angestellten ein Verkaufsstopp gefordert (vgl. taz vom 9. Januar 2016). Anders als in mehreren anderen Ländern blieb das Präparat jedoch auf dem deutschen Markt (vgl. www.cbgnetwork.org/3565.html). Nach Angaben der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. gab es für Primodos® noch während des Vertriebs eine Warnung vor der Gefahr von Missbildungen bei Neugeborenen (www.cbgnetwork.org/3428.html), die zu schweren Fehlbildungen am Skelett, Herz, Harnleiter oder den Gliedmaßen führen können. Strafrechtliche Ermittlungen gegen die Schering AG wurden im Jahr 1980 in Berlin eingestellt. Den Betroffenen war der sichere Nachweis des Zusammenhangs mit der Einnahme dieser Präparate damals nicht möglich, nachdem ihnen die Einsicht in viele Unterlagen des Unternehmens verweigert worden war. Eine erneute Klage im Jahr 2012, die mit neueren belastenden Unterlagen untermauert wurde, wurde auf Antrag der Bayer Pharma AG wegen Verjährung, die 30 Jahre nach der Einnahme der Pille durch die Mutter einsetzt, abgewiesen (vgl. www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/kontrovers/duogynonarzneimittelskandal -missbildungen-100.html). Drucksache 18/7927 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bis heute verweigert die Bayer Pharma AG alle Gespräche mit den Betroffenen. Auch der Vorschlag eines Fonds für alle Geschädigten blieb unbeantwortet (vgl. Redebeitrag von André Sommer auf der Bayer Pharma AG-Hauptversammlung im Jahr 2011 und die Antwort des Bayer Pharma AG-Vorstands darauf). Wegen der Verjährung möglicher Schadensersatzansprüche war für die Betroffenen ein Auskunftsrecht nicht mehr einklagbar (Landgericht Berlin, Urteil vom 5. Juli 2012, Az. 1 O 60/11). Eine Akteneinsicht auf freiwilliger Basis verweigert die Schering AG bzw. die Bayer Pharma AG den Betroffenen. Nun dürfen alle Geschädigten aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit (aber auch Medien und Wissenschaftler) seit dem Jahr 2015 im Berliner Landesarchiv Einsicht in die Akten des Duogynon®-Ermittlungsverfahrens zu Beginn der 1980er Jahre nehmen. Hier befinden sich auch Briefwechsel der Schering AG- Rechtsabteilung mit besorgten Ärztinnen und Ärzten (taz vom 9. Januar 2016). Zudem wurde vom britischen Premierminister David Cameron ein Untersuchungsausschuss zu Primodos® bzw. Duogynon® eingerichtet, in dem seit dem 7. Oktober 2015 Repräsentanten der britischen Arzneimittelbehörde Medicines & Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) und Mitglieder des parlamentarischen Gesundheitsausschusses den Fall untersuchen (vgl. www.taz.de/ !5235297/). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Unter der Hauptbezeichnung Duogynon wurden im Jahre 1978 nach Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes (AMG) von 1976 von der Firma Schering AG, Berlin, zwei Fertigarzneimittel angezeigt, die sich zum damaligen Zeitpunkt in Verkehr befanden. Es handelte sich zum einen um Duogynon® Injektionslösung (Zusammensetzung : Estradiolbenzoat 3 mg, Progesteron 50 mg je Spritzampulle 1 ml) sowie zum anderen Duogynon® Dragees (Zusammensetzung: Ethinylestradiol 0,02 mg, Norethisteronacetat 10 mg je Dragee, zwei Dragees je Packung). Diese Arzneimittel befanden sich bereits vor Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes im Verkehr. Die Zulassungen für beide Arzneimittel sind nach schriftlichem Verzicht durch die Firma Schering AG im September 1980 erloschen. Die im Jahre 1978 angezeigten Anwendungsgebiete für beide Duogynon®-Zubereitungen lauteten : „sekundäre Amenorrhoe von kurzer Dauer unter einem Jahr“. Die Bundesregierung geht auf Grundlage der Studie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie , Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité (Universitätsmedizin Berlin) davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Anwendung der genannten hormonhaltigen Arzneimittel und den beobachteten Missbildungen der betroffenen Patientinnen und Patienten weder klar belegt noch widerlegt werden kann. Etwaige Schadensersatzansprüche dürften in der Regel verjährt sein. Das Arzneimittelrecht ist über die Jahre hinweg kontinuierlich verfeinert worden. Die damalige arzneimittelrechtliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Weder das AMG 1961 noch das am 1. Januar 1978 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445) enthielten dem heutigen Regelungsregime entsprechende Pflichten des pharmazeutischen Unternehmers, die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit seines Arzneimittels nachzuweisen. Pharmakovigilanzpflichten, die der heutigen Rechtslage entsprechen , waren in diesen Vorschriften ebenfalls nicht enthalten. Das am 1. Januar 1978 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts verpflichtete den pharmazeutischen Unternehmer für Arzneimittel, die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7927 bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits in Verkehr waren, in Artikel 3 § 7 Absatz 3 und 4 dieses Gesetzes innerhalb einer Übergangsvorschrift mit dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung u. a. bestimmte weitere Unterlagen vorzulegen, begründete für solche Arzneimittel jedoch keine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen zur Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit und diesbezüglich auch noch keine behördliche Prüfungspflicht. In dem am 1. Januar 1978 in Kraft getretenen AMG existierten außerdem noch keine den heutigen Pflichten der pharmazeutischen Unternehmer zur Meldung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder dem heutigen § 29 Absatz la Satz 1 AMG vergleichbare Regelungen. Eine Gefährdungshaftung für pharmazeutische Unternehmer existiert seit 1978. 1. Welche Informationen hat die Bundesregierung darüber, inwieweit die Unternehmensleitung und/oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Schering AG bereits in den 1970er Jahren von einer möglichen Gefahr von Missbildungen nach der Einnahme von Duogynon® bzw. Primodos® wussten? Nach Informationen des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte das pharmazeutische Unternehmen Schering bereits in den 1960er-Jahren Kenntnis von dem in der Literatur geäußerten – und in der Folge in wissenschaftlichen Untersuchungen kontrovers diskutierten – Verdacht auf einen eventuellen Zusammenhang zwischen beobachteten Embryopathien mit der Anwendung von Duogynon®. Spezifische Informationen, welchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens Schering zu welchem Zeitpunkt welche Informationen hinsichtlich des zu jener Zeit kontrovers diskutierten, potentiellen Missbildungsrisikos von Duogynon® bekannt waren, liegen der Bundesregierung nicht vor. 2. Welche gegenüber dem Einsatz von Duogynon® bzw. Primodos® geäußerten Bedenken sind der Bundesregierung aus welchem Zeitraum bekannt? Insbesondere in den 1970er Jahren gab es eine kontrovers geführte wissenschaftliche Diskussion zu möglichen Missbildungsrisiken bei der Anwendung der Arzneimittel Duogynon®/Cumorit®. Seit 2009 hat zudem eine Reihe von Einzeleinsendern ein weites Spektrum an Bedenken zu diesen Arzneimitteln gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem BfArM geäußert. 3. Wie viele Missbildungsfälle im Zusammenhang mit Duogynon® bzw. Primodos® wurden dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bis zum Jahr 2010 gemeldet? Welche? Nach Informationen des BfArM wurden bis 2010, d. h. bis einschließlich Ende 2009, in der Nebenwirkungsdatenbank des BfArM 18 unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) – Verdachtsfälle aus Deutschland im Zusammenhang mit der Anwendung der Arzneimittel Duogynon® bzw. Cumorit® registriert. Für die weitere Einschränkung auf Verdachtsfälle von Missbildungen oder fötale Schädigungen wurden entsprechende Begriffe aus der für die Codierung von medizinischen Informationen verwendeten MedDRA-Terminologie zugrunde gelegt. Es ergaben sich hier insgesamt acht Verdachtsfälle. Dem BfArM seit 1995 gemeldete Verdachtsfälle aus Deutschland sind in der UAW-Datenbank des BfArM öffentlich einsehbar. Drucksache 18/7927 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Sind der Bundesregierung weitere Fälle sowie Anfragen besorgter Ärztinnen und Ärzte, Patientinnen und Patienten und Betroffenenorganisationen bekannt , die die Schering AG bzw. Bayer Pharma AG, wie zum Teil in den Unterlagen des Berliner Archivs dokumentiert, den zuständigen Behörden mitgeteilt hat? Bis zum Jahr 2010 liegen – soweit bekannt – den zuständigen Bundesbehörden keine weiteren diesbezüglichen Fallmeldungen vor, wobei einschränkend darauf hingewiesen wird, dass das deutsche Arzneimittelgesetz bis 1978 eine Weiterleitung von Meldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen nicht vorsah. Ab 2010 bis August 2011 wurden im Rahmen der Erstellung der Studie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie, Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité (Universitätsmedizin Berlin) insgesamt 411 Verdachts -Fallmeldungen überprüft, die dem BfArM nachträglich gemeldet worden waren. Für die weitere Analyse wurden solche ausgeschlossen, bei denen entweder eine intrauterine Duogynon-Exposition nicht gesichert oder fraglich ist, keinerlei Angaben zum Schwangerschaftsausgang vorliegen oder das Kind als unauffällig beschrieben wurde, so dass die Gesamtstudiengruppe somit insgesamt 296 Kinder bzw. Feten mit irgendeiner Angabe zu Entwicklungsanomalien umfasst . 5. Inwieweit haben Bunderegierung oder Bundesbehörden zur Aufklärung beigetragen ? Soweit bekannt, hat sich das damalige Bundesgesundheitsamt (BGA) in wissenschaftlichem Austausch mit den Fachkreisen (z. B. Expertenanfragen, Anfragen an die Kommission AK Ärzte, Literaturrecherchen) und dem o. g. pharmazeutischen Unternehmer befunden. Das BGA bemühte sich um Klärung der wissenschaftlich kontrovers diskutierten Sachverhalte und darum, gemäß dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse angemessene Schlussfolgerungen zu ziehen. Darüber hinaus hat das BfArM in den Jahren 2010 und 2011 die genannte Studie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ beim Pharmakovigilanzund Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité (Universitätsmedizin Berlin) in Auftrag gegeben . Das Pharmakovigilanz-Zentrum wurde mit der Analyse und Bewertung der dem BfArM nachgemeldeten Verdachtsmeldungen beauftragt; insbesondere sollte die Frage beantwortet werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen angeborener Entwicklungsanomalien und der mütterlichen Duogynon- Exposition in der frühen Schwangerschaft plausibel erscheint. Die Analyse und deren Ergebnisse wurden im Jahr 2012 fertiggestellt und veröffentlicht. 6. Welche Begründungen des Herstellerunternehmens Schering AG sind der Bundesregierung bekannt, das Mittel trotz Warnungen von eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland nicht vom Markt zu nehmen? Valide Informationen, insbesondere Kenntnisse über firmeninterne Warnungen von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern der Fa. Schering, liegen der Bundesregierung nicht vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7927 7. Welche öffentlich verkündeten Bedenken oder Warnungen von Seiten des Herstellerunternehmens wegen unerwünschter Nebenwirkungen und Risiken sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung ist bekannt, dass – gemäß Ausführungen des BGA – 1973 eine Anpassung der Gebrauchsinformationen der oralen Darreichungsform von Duogynon® dahingehend erfolgte, dass der Schwangerschaftstest keine Indikation mehr sei. Im Jahr 1978 wurde im Rahmen einer Änderungsanzeige der Schering AG die Packungsbeilage der Injektionsform geändert und die Indikation „Frühdiagnose der Schwangerschaft“ gestrichen; im selben Jahr wurde zwischen dem BGA und der Schering AG die Aufnahme eines Warnhinweises „Kontraindikation Schwangerschaft“ vereinbart. Es gab außerdem Informationsschreiben an Ärzte in Abstimmung und auf Veranlassung des BGA. 8. Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich der Bayer HealthCare-Konzern als Rechtsnachfolger des ehemaligen Duogynon®-Herstellers Schering AG durch Gewährung von Einsichtnahme in Unternehmensunterlagen um Aufklärung und Transparenz bemüht hätte? Entsprechende Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. 9. Sind der Bundesregierung Klagen von Betroffenen darüber bekannt, dass ihnen von der Schering AG bzw. Bayer Pharma AG stets Einsichtnahme verweigert wurde und sie somit nur sehr aufwändig überhaupt an Unterlagen gelangen, die zur Klarheit beitragen können? Es sind der Bundesregierung in diesem Zusammenhang Anfragen einzelner Bürgerinnen und Bürger bekannt, die sich auch zu dieser Thematik eingelassen haben . Zudem ist der Bundesregierung bekannt, dass in verschiedenen Klageverfahren ein Auskunftsanspruch als unbegründet abgewiesen wurde (s. LG Berlin, Urteil vom 11. Januar 2011, Az. 7 O 271/10 und LG Berlin, Urteil vom 5. Juli 2012, Az. 1 O 60/11). 10. Welche Antwort hat der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen vom Bayer HealthCare-Konzern auf einen Brief vom 21. April 2011 erhalten, in dem die Gewährung von Einsicht in Dokumente sowie ggf. Schaffung von Entschädigungsregelungen durch das Unternehmen angeregt werden? Der Vorsitzende von Bayer HealthCare, Andreas Fibig, hat am 6. Mai 2011 dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen geantwortet . In dem Schreiben wurde dargelegt, dass Bayer HealthCare das Schicksal der Betroffenen bedauere und kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Einnahme von Duogynon® und eingetretenen Missbildungen gesehen werde. Darüber hinaus wurde auf das damals schwebende Gerichtsverfahren verwiesen. 11. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position, wie sie die Parlamentarische Staatssekretärin Ingrid Fischbach am 14. Januar 2016 verkündete (vgl. Antwort auf die Schriftliche Frage 53 auf Bundestagsdrucksache 18/3812), obwohl seit der Studie vom Jahr 2012, auf die sich die Bundesregierung stützt, neue Erkenntnisse zutage getreten sind? Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Frage auf die Schriftliche Frage 53 der Abgeordneten Corinna Rüffer (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und die Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Ingrid Fischbach vom 14. Januar 2015 bezieht. Drucksache 18/7927 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Bundesregierung sind seitdem neue, belastbare Informationen, aus denen sich neue Schlussfolgerungen ableiten ließen, nicht zur Kenntnis gelangt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 12. Hätte die Schering AG nach Ansicht der Bundesregierung zumindest fahrlässig gehandelt, wenn sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten nicht alles unternommen hat, um die Unbedenklichkeit des Medikamentes, auch gegenüber den Gesundheitsbehörden, zu beweisen? Derartige Fragen sind grundsätzlich nach zivil- bzw. strafrechtlichen Maßstäben im Rahmen von zivilrechtlichen Verfahren von den ordentlichen Gerichten bzw. im Rahmen von Strafverfolgungsmaßnahmen von den Strafverfolgungsbehörden der Länder zu beurteilen, falls der Sachverhalt dazu Anlass geben sollte. Die Bundesregierung nimmt nicht zu Einzelfällen Stellung. 13. Kennt die Bundesregierung Beispiele von Pharmaunternehmen, die bei gleicher Rechtslage anders handelten und bei denen die Patientensicherheit folglich einen höheren Stellenwert hatte? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 14. Sind der Bundesregierung Hinweise von Schering AG-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt, dass in diesem Zusammenhang Medizinerinnen und Mediziner bestochen wurden? Nein. 15. Hat die Bundesregierung bislang Unterlagen im Berliner Landesarchiv eingesehen , um weitere Erkenntnisse über Duogynon® bzw. Primodos® zu erhalten ? a) Falls ja, wann, in welchem Umfang, und mit welcher Zielsetzung? Die Fragen 15 und 15a werden gemeinsam beantwortet. Im Landesarchiv Berlin vorhandene Akten zu Duogynon®/Cumorit® wurden vom BfArM im Juni 2013 im Rahmen einer dort durchgeführten Recherche gesichtet . b) Falls ja, welche weiteren Erkenntnisse hat sie gewonnen, und wie beeinflusst dies die Einschätzung der Bundesregierung über das Verhalten von der Schering AG und einem möglichen Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme von Duogynon® bzw. Primodos® und Kindesmissbildungen ? Die Firma Schering hat in den 1960er-, 1970er- und Anfang der 1980er-Jahren Untersuchungen an mehreren Spezies zum embryotoxischen bzw. teratogenen Potential von Duogynon®/Cumorit® bzw. der Einzelkomponenten durchgeführt. Entsprechend einer im Landesarchiv vorgefundenen Stellungnahme vom 20. Februar 1980 aus der Abteilung Pharmakologie und Toxikologie des Institutes für Arzneimittel im Bundesgesundheitsamt, die am 3. März 1980 an die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin gesendet wurde, sind diese Versuche bereits im BGA bewertet worden. Ein neuer Sachstand ergibt sich nach Aussage des BfArM insoweit nicht. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7927 c) Falls nein, gedenkt sie das noch zu tun? Auf die Antworten zu den Fragen 15, 15a und 15b wird verwiesen. d) Falls nein, warum sieht sich die Bundesregierung nicht in der Pflicht, ein mögliches schuldhaftes Verhalten von der Schering AG oder einer Bundesbehörde aufzuklären? Die Aufklärung eines möglichen schuldhaften Handelns hat grundsätzlich im Rahmen von zivil- oder strafrechtlichen Verfahren an den dort geltenden Maßstäben zu erfolgen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 16. Ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass das damalige Bundesgesundheitsamt (BGA) ausreichend und rechtzeitig gehandelt hat? Aufgrund der vorliegenden Unterlagen sowie vor dem Hintergrund des damals geltenden Arzneimittelrechts gibt es nach jetzigem Kenntnisstand keine Anhaltspunkte dafür, dass das BGA seiner Verantwortung im Rahmen seiner Zuständigkeiten nicht gerecht geworden wäre. 17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass es beim Berliner Landesarchiv Unterlagen geben könnte, denen zufolge die Schering AG nach „missdeutigen“ Aussagen im Hinblick auf die Verfahren suchen ließ und ein Wissenschaftler seinen Bericht vorher bei der Schering AG eingereicht habe mit der Frage, ob der Bericht aus Sicht des Unternehmens in Ordnung sei? 18. Hat die Bundesregierung aus den Unterlagen des BGA Erkenntnisse über solche Schriftstücke? Die Fragen 17 und 18 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Dem BMG liegt hierzu das Schreiben eines Bürgers vor. Über weitere Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung nicht. 19. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass der Forschungsleiter des damaligen BfArM Berichtes aus dem Jahr 2012, Prof. Dr. med. Christof Schäfer, während der Studie zeitgleich von der Bayer Schering Pharma AG Zuwendungen bekommen habe, und würde das aus Sicht der Bundesregierung einen problematischen Interessenskonflikt darstellen? Bei der Studie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron -Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ handelt es sich um eine Forschungsstudie des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie, Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité (Universitätsmedizin Berlin), die durch das BfArM in Auftrag gegeben wurde. Der Leiter des o. g. Zentrums, Herr Prof. Dr. med. Christof Schaefer, hat auf der öffentlich zugänglichen Internetseite der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (www.akdae.de/Kommission/Organisation/Mitglieder/OM/ Schaefer.html) eine entsprechende Erklärung abgegeben. Das BfArM sieht keinen Grund für eine Befangenheit von Professor Christof Schaefer. Drucksache 18/7927 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Kann die Bundesregierung angeben, in wie vielen Fällen das BfArM im Rahmen der Erstellung des Berichts bei Betroffenen nachgefragt oder Gespräche mit den Betroffenen geführt hat? Bei der Studie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron -Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ handelt es sich um eine Forschungsstudie des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie, Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité (Universitätsmedizin Berlin), die durch das BfArM in Auftrag gegeben wurde. Somit hatte das BfArM keine Veranlassung, im Rahmen der Erstellung des Berichts bei den Betroffenen nachzufragen oder entsprechende Gespräche zu führen. 21. Hat die Bundesregierung bereits Überlegungen zu möglichen Entschädigungszahlungen angestellt, an denen neben dem Herstellerkonzern auch der Staat beteiligt sein wird? 22. Inwieweit erwägt die Bundesregierung ggf. unbürokratische Hilfen in Form staatlicher Zahlungen an die Betroffenen zu ermöglichen für den Fall, dass den Betroffenen trotz großer Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs der Schädigung mit den Hormonpräparaten ein gerichtsfester Nachweis nicht gelingen sollte? Die Fragen 21 und 22 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung sieht anhand der vorliegenden Daten keine Veranlassung, eine staatliche Unterstützung in Erwägung zu ziehen. 23. Inwiefern plant die Bundesregierung, angesichts des in Großbritannien ins Leben gerufenen Untersuchungsausschusses zu Primodos® bzw. Duogynon ® ebenfalls neue Untersuchungen zu starten, um neu aufgetauchte Unterlagen entsprechend aufnehmen zu können? Derartige Planungen der Bundesregierung bestehen zurzeit nicht. 24. Steht die Bundesregierung mit der britischen Regierung und dem Parlament in Verbindung, um sich über neue Erkenntnisse zu Primodos® bzw. Duogynon ® auszutauschen? 25. Wird die Bundesregierung neue Erkenntnisse zeitnah auch Betroffenen mitteilen ? Die Fragen 24 und 25 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) wurde vom britischen Gesundheitsministerium beauftragt, eine Expertenarbeitsgruppe der Kommission für Humanmedizin (Commission of Human Medicines – CHM) einzuberufen , um die vorliegende wissenschaftliche Evidenz für eine kausale Beziehung zwischen der Nutzung von Hormonschwangerschaftstests und Geburtsfehlern bzw. Missbildungen einer Überprüfung zu unterziehen. Seit Oktober 2014 wurde die Arbeit aufgenommen. Dabei wurden von März bis Juni 2015 auch Einzelpersonen oder Organisationen darum gebeten, dem Expertenteam Informationen zur Verfügung zu stellen, die für die Überprüfung relevant sein könnten. Seit Oktober 2015 wertet die Expertengruppe das vorliegende Material aus und wird voraussichtlich in 2016 der MHRA einen Bericht vorlegen. Das BMG steht über Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/7927 die Auslandsvertretung mit dem Department of Health bzw. mit der MHRA in Kontakt, um frühzeitig nach Veröffentlichung des angekündigten Untersuchungsberichts Informationen auszutauschen. Soweit neue, tragfähige Erkenntnisse in Großbritannien gewonnen werden sollten , wird die Bundesregierung diese dem BfArM zuleiten, eine fachliche Prüfung veranlassen und sie ggf. mit einer entsprechenden Bewertung öffentlich machen. 26. Gibt es bei der Bundesregierung Überlegungen, weitere Untersuchungen zu veranlassen, in deren Rahmen der Herstellerkonzern auch in Deutschland zur Einsichtnahme in belastende Unternehmensunterlagen gezwungen werden könnte? Solche Überlegungen gibt es nicht. 27. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Warnhinweise bezüglich der Einnahme während der Schwangerschaft, die auf den Packungen von Duogynon® bzw. Primodos® zu lesen waren (www.cbgnetwork.org/ 3428.html)? 28. Aufgrund welcher medizinischen Erkenntnisse wurden gegebenenfalls solche Warnhinweise nach Kenntnis der Bundesregierung auf den Packungen angebracht? Die Fragen 27 und 28 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Dem BfArM liegt ein Ausdruck der äußeren Verpackung des Arzneimittels Cumorit® (gedruckt im August 1978) mit dem Hinweis „Nicht bei Schwangerschaft oder Schwangerschaftsverdacht anzuwenden“ für die Injektionsform sowie „Cumorit® darf nur angewendet werden, wenn eine Schwangerschaft ausgeschlossen wurde“ für die orale Darreichungsform vor. Auslöser waren die vom BGA eingeforderten Warnhinweise als Auflage an Schering im Hinblick auf das diskutierte Missbildungsrisiko im Zusammenhang mit der Anwendung von Duogynon ® in der Frühschwangerschaft. Ferner gab es auf Veranlassung des BGA zwischen 1978 und 1980 mehrere Arztinformationen durch die Fa. Schering sowie eine Publikation des BGA im Deutschen Ärzteblatt (44/1978) zur diskutierten Problematik kongenitaler Anomalien und der Anwendung von Duogynon®/ Cumorit® in der Schwangerschaft. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 29. Inwiefern gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland oder in anderen Staaten behördliche Anweisungen zum Anbringen dieser Warnhinweise ? Zum Vorgehen bezüglich des Anbringens von Warnhinweisen und zu diesbezüglichen zeitlichen Abläufen in anderen Staaten liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 27 und 28 verwiesen . Drucksache 18/7927 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 30. Seit wann standen Schwangerschaftstests mittels Bestimmung des Hormons Humanes Choriongonadotropin im Urin auf dem bundesdeutschen Markt zur Verfügung, und inwiefern waren hormonelle Schwangerschaftstests nach Ansicht der Bundesregierung ab diesem Zeitpunkt überflüssig? Schwangerschaftstests mittels Bestimmung von humanem Choriongonadotropin (hCG) im Urin wurden seit den 1960er-Jahren verfügbar. Aus heutiger Sicht ist ein medizinisches Erfordernis, einen hormonellen Schwangerschaftstest durchzuführen, wenn alternativ auch ein Schwangerschaftstest auf Basis der hCG-Bestimmung zur Verfügung steht, nicht zu erkennen. Seitens der Bundesregierung kann allerdings nicht beurteilt werden, ob und inwieweit zum damaligen Zeitpunkt und nach dem damaligen Erkenntnisstand gegebenenfalls im Einzelfall ein medizinisches Erfordernis gesehen wurde, einen hormonellen Schwangerschaftstest durchzuführen. 31. Ist Duogynon® oder eine vergleichbare Hormonkombination in der DDR nach Kenntnis der Bundesregierung ebenfalls auf dem Markt gewesen? Falls nein, inwiefern ist der Bundesregierung bekannt, dass dies auch an Vorbehalten der zuständigen Behörde bezüglich der Sicherheit des Wirkstoffgemischs lag? Einschlägige Informationen zu gleichartigen Arzneimitteln in der DDR liegen der Bundesregierung nicht vor. 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