Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 16. März 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7928 18. Wahlperiode 18.03.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Katja Keul, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7771 – Auswirkungen der Bestimmung Marokkos zum sicheren Herkunftsstaat auf das Territorium der Westsahara und die sahrauischen Volkszugehörigen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 3. Februar 2016 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten beschlossen. Folge der Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten ist die Beschränkung von Verfahrensrechten , Rechtsschutzmöglichkeiten sowie sozialen und wirtschaftlichen Rechten von Schutzsuchenden aus diesen Staaten. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält das Instrument der „sicheren Herkunftsstaaten“ nach wie vor für falsch. Bei der Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten sind die Vorgaben des Grundgesetzes und der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) einzuhalten. Nach Artikel 16a Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes „können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet“. Nach Anhang I der Richtlinie kann ein Staat nur dann zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt werden, „wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.“ Berichte zahlreicher staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und Organisationen belegen, dass diese Voraussetzungen in Algerien, Marokko und Tunesien nicht erfüllt sind (s. etwa Amnesty International, Stellungnahme vom 2. Februar 2016 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten, S. 10). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7928 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Unabhängig davon wirft die Bestimmung Marokkos zum sicheren Herkunftsstaat , aber auch wegen der seit dem Jahr 1975 fortdauernden Besetzung des Territoriums der Westsahara, Fragen auf, auf die die Bundesregierung bislang keine kohärente, geschweige denn eine überzeugende Antwort geben konnte. Die Mündliche Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln), inwiefern sich die Bestimmung von Marokko zum sicheren Herkunftsstaat auf das Territorium der Westsahara bzw. die sahrauischen Volkszugehörigen erstrecken würde, und eine entsprechende Nachfrage der Abgeordneten Katja Keul konnte die Bundesregierung in der Fragestunde vom 17. Februar 2016 nicht eindeutig beantworten . 1. Würde sich nach Auffassung der Bundesregierung die Bestimmung von Marokko zum sicheren Herkunftsstaat auf das Territorium der Westsahara bzw. die sahrauischen Volkszugehörigen erstrecken? a) Wenn ja: i. Inwiefern sind nach Auffassung der Bundesregierung die Vorgaben des Grundgesetzes und der Verfahrensrichtlinie zur Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten in Bezug auf die menschenrechtliche Lage im Territorium der Westsahara erfüllt? ii. Warum erwähnt die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten nicht, dass sich „sahrauische politische Aktivisten, Protestierende , Menschenrechtsverteidiger und Medienschaffende […] mit einer Reihe von Einschränkungen in ihren Rechten […] konfrontiert [sahen ] und […] häufig festgenommen, gefoltert oder anderweitig misshandelt und strafrechtlich verfolgt [wurden]“ (Amnesty International, Stellungnahme vom 2. Februar 2016, S. 6), und wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Lage von sahrauischen politischen Aktivisten , Protestierenden, Menschenrechtsverteidigern und Medienschaffenden ? b) Wenn nein, wie sollen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und andere mit der Ausführung asyl- und aufenthaltsrechtlicher Vorschriften befasste Behörden nach Auffassung der Bundesregierung zwischen i. sahrauischen Volkszugehörigen und marokkanischen Staatsangehörigen , ii. aus dem Territorium der Westsahara stammenden sahrauischen Volkszugehörigen und marokkanischen Staatsangehörigen, iii. aus dem international anerkannten Hoheitsgebiet Marokkos stammenden Volkszugehörigen und marokkanischen Staatsangehörigen unterscheiden? Die Frage 1 mit ihren Unterfragen wird im Sachzusammenhang gemeinsam beantwortet . Der völkerrechtliche Status der Westsahara ist ungeklärt. Deutschland setzt sich für eine gerechte, dauerhafte und für alle Seiten annehmbare politische Lösung im VN-Rahmen ein. Die geplante Einstufung Marokkos zu einem sicheren Herkunftsstaat hat keinen Einfluss auf die Haltung der Bundesregierung zum völkerrechtlichen Status des Gebietes. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7928 Maßgeblich für die Entscheidung, ob ein Asylbewerber aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, ist grundsätzlich allein die Staatsangehörigkeit des Antragsstellers und nicht das Staatsgebiet eines Landes. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) prüft demnach, welche Staatsangehörigkeit Asylantragsteller aus Westsahara besitzen. Entsprechende Feststellungen erfolgen auf Grundlage vorgelegter Dokumente oder mittels Glaubhaftmachung. Für marokkanische Staatsangehörige, auch aus Westsahara, würden die Bestimmungen in Bezug auf Marokko als sicherer Herkunftsstaat gelten . Anderes würde für Asylbewerber mit gewöhnlichem Aufenthalt in Westsahara (ohne marokkanische Staatsangehörigkeit) gelten. Unabhängig davon hätte auch ein Antragsteller, der die marokkanische Staatsangehörigkeit hat, die Möglichkeit , die Vermutung der Verfolgungsfreiheit zu widerlegen, indem er geltend macht, abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsland ausnahmsweise doch verfolgt zu sein. Eine Dokumentation der Staatsangehörigkeit in der Akte findet grundsätzlich bereits anlässlich der Asylantragstellung statt. Sollten im Verlauf des Verfahrens Korrekturen erforderlich werden, etwa in Folge der Anhörung, sind auch diese dem Akteninhalt zu entnehmen. Die Unterscheidung nach Volkszugehörigkeiten wäre für die Zuordnung zu einem sicheren Herkunftsstaat ohne Belang. 2. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern, Dr. Günter Krings, die er in der Fragestunde vom 17. Februar 2016 in Bezug auf das „Hoheitsgebiet Marokkos “ im Verhältnis zum Territorium der Westsahara wie folgt geäußert hat: „Meines Wissens erstreckt sich der Begriff ,Hoheitsgebiet‘ gerade nicht auf diese Gebiete – dann würden wir ja eine Hoheit über die Gebiete implizit anerkennen –, sondern damit ist das unstrittige marokkanische Territorium gemeint.“ (Plenarprotokoll 18/154 vom 17. Februar 2016, S. 15168)? Die Bundesregierung teilt uneingeschränkt die Auffassung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern Dr. Günter Krings. 3. Wie begegnet die Bundesregierung Befürchtungen, dass die Bestimmung von Marokko zum sicheren Herkunftsstaat einen „enormen diplomatischen Gewinn“ für die marokkanische Regierung und die Quasi-Anerkennung der bislang weltweit bestrittenen Souveränität Marokkos über die Westsahara darstelle (www.libe.ma/L-Europe-se-bunkerise-Le-Maroc-dit-oui-auretour -de-ses-migrants-irreguliers-dans-le-cadre-d-accords-bilateraux_a7122 1.html), und inwiefern hält sie diese möglichen Auswirkungen für außenund menschenrechtspolitisch vertretbar? Die geplante Einstufung Marokkos als sicherer Herkunftsstaat ist eine von mehreren Maßnahmen, um Asylverfahren schneller bearbeiten und dadurch die Aufenthaltsdauer von Asylantragstellern ohne Aussicht auf einen Schutzstatus deutlich verkürzen zu können. Grundlage der geplanten Einstufung ist eine intensive Beobachtung der Menschenrechtslage in Marokko durch die Bundesregierung. Die Bundesregierung wird ihrer Beobachtungspflicht zu Marokko auch weiterhin nachkommen und die Einstufung regelmäßig entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts überprüfen sowie dem Deutschen Bundestag gemäß § 29a Absatz 2a des Asylgesetzes (AsylG) alle zwei Jahre Bericht hierzu erstatten . Auf die Rechtsposition der Bundesregierung zur Westsahara hat die geplante Einstufung als sicherer Herkunftsstaat keinen Einfluss. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7928 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Inwiefern hat die Bundesregierung im Vorfeld zu den flüchtlings-, außenund menschenrechtspolitischen Auswirkungen der Bestimmung Marokkos zum sicheren Herkunftsstaat Gespräche mit den europäischen Partnern (insbesondere der Europäischen Kommission, Frankreich, Schweden und Spanien), der Afrikanischen Union, den Nachbarstaaten Marokkos und der Frente Polisario mit welchem Ergebnis geführt, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie ggf. aus diesen Gesprächen? Die Bundesregierung führt einen regelmäßigen Austausch zur Menschenrechtssituation in Marokko im Kreis der EU-Partner sowie mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren innerhalb und außerhalb Marokkos durch und lässt deren Einschätzungen in ihre Bewertung mit einfließen. 5. Inwiefern zieht die Bundesregierung eine Anerkennung der Westsahara als unabhängiger Staat bzw. eine Anerkennung der Frente Polisario als Vertreter des sahrauischen Volkes in Betracht, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus einem entsprechenden Vorhaben der schwedischen Regierung (www.tagesspiegel.de/weltspiegel/schweden-willbefreiungsbewegung -frente-polisario-anerkennen-marokko-verbietet-in-letztersekunde -eroeffnung-von-ikea/12388414.html)? Die Haltung der Bundesregierung zur Westsahara ist unverändert. Die Bundesregierung setzt sich für eine im Konsens mit allen Beteiligten zu findende Lösung im Rahmen des von den Vereinten Nationen geführten Vermittlungs- und Verhandlungsprozesses ein. Der Bundesregierung liegen keine Informationen über eine geplante Anerkennung der Westsahara als unabhängigen Staat durch die schwedische Regierung vor, Mitte Januar 2016 hat die schwedische Regierung ein derartiges Vorhaben dementiert. 6. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung des Gerichts der Europäischen Union, dass die Frente Polisario die legitime völkerrechtliche Vertretung des Territoriums der Westsahara und seiner Einwohnerinnen und Einwohner sei und dass Marokko kein Recht habe, das Gebiet der Westsahara zum eigenen Staatsgebiet zu erklären und über die dort und in den Küstengewässern verfügbaren Ressourcen zu verfügen (EuG, Urteil vom 10. Dezember 2015, Rs. T-512/12)? Das Gericht der Europäischen Union vertritt nicht die Auffassung, dass die Frente Polisario die legitime völkerrechtliche Vertretung des Territoriums der Westsahara und seiner Einwohner sei. Es referiert in den Absätzen 61, 73 und 128 des Urteils vom 10. Dezember 2015 in der Rechtssache T-512/12 lediglich den Anspruch der Klägerseite, diesen völkerrechtlichen Status zu haben; in seiner Entscheidung nimmt das Gericht hierzu nicht Stellung. Auch die Aussage, „dass Marokko kein Recht habe, das Gebiet der Westsahara zum eigenen Staatsgebiet zu erklären und über die dort und in den Küstengewässern verfügbaren Ressourcen zu verfügen“, ist nicht Gegenstand der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union, sondern lediglich eine Wiedergabe des klägerischen Antrags und Vorbringens; siehe unter anderem Absatz 190 des Urteils vom 10. Dezember 2015 in der Rechtssache T-512/12. Zu diesen völkerrechtlichen Fragestellungen nimmt das Gericht in seiner Entscheidung keine Stellung . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7928 7. In welchen Staat, auf welchem Wege und mit welchen Papieren könnten deutsche Behörden nach Auffassung der Bundesregierung vollziehbar ausreisepflichtige sahrauische Volkszugehörige zurückführen? Vollziehbar ausreisepflichtige Personen können in ihr Heimatland, in ein Transitland , über das sie nach Deutschland eingereist sind sowie in ein Drittland, das zu ihrer Aufnahme bereit ist, zurückgeführt werden. Die Möglichkeit der Rückführung ergibt sich also im Einzelfall insbesondere aus der Staatsangehörigkeit des Ausreisepflichtigen sowie aus dessen Reiseweg. Wenn die Person über ein gültiges Reisedokument verfügt, wird die Rückführung regelmäßig in den Staat erfolgen , der dieses Dokument ausgestellt hat. Ansonsten wird auf der Basis vorliegender Unterlagen und der Angaben des Ausreisepflichtigen ermittelt, welche Staatsangehörigkeit die Person besitzt. Sollte sich im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung ergeben, dass ausweislich der marokkanischen Personenstandsregister die betreffende Person im Besitz eines marokkanischen Passes oder eines marokkanischen Personalausweises war, kann die Rückführung unter Nutzung eines marokkanischen Passersatzpapiers erfolgen, sofern die Prüfung im Einzelfall ergeben hat, dass keine Abschiebungshindernisse vorliegen. 8. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen seit dem Jahr 1975 im Territorium der Westsahara für die Unabhängigkeit der Westsahara demonstriert wurde, ohne dass die Polizei bzw. andere Sicherheitsbehörden gegen die Demonstrierenden vorgegangen ist, und wenn ja, welche? Der Bundesregierung liegen keine systematischen Erkenntnisse über alle Demonstrationen in der Westsahara seit 1975 vor. Die marokkanischen Sicherheitsbehörden sind gehalten, bei Demonstrationen deeskalierend vorzugehen. Der nationale Menschenrechtsrat Marokkos führt seit einigen Jahren Menschenrechtsschulungen auch in der Westsahara durch. 9. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen seit dem Jahr 1975 Journalistinnen und Journalisten kritisch über die Westsahara-Politik der marokkanischen Regierung berichtet haben, ohne dass gegen sie polizeiliche oder justizielle Maßnahmen ergriffen worden sind, und wenn ja, welche? Eine systematische Auswertung aller Berichterstattungen über die Westsahara seit 1975 liegt der Bundesregierung nicht vor. In den letzten Jahren erscheint regelmäßig kritische Berichterstattung zur Westsaharapolitik der marokkanischen Regierung in den marokkanischen Medien ohne Konsequenzen durch die marokkanischen Sicherheits- oder Justizbehörden. Journalisten, die offen für die Unabhängigkeit der Westsahara eintreten, müssen in Marokko grundsätzlich mit starkem Widerstand in der marokkanischen Öffentlichkeit und mit behördlichen Maßnahmen auf Grundlage der bestehenden verfassungs- und strafrechtlichen Bestimmungen rechnen. 10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verurteilung von 24 sahrauischen Volkszugehörigen, die bei der gewalttätigen Räumung des Protestcamps Gdim Izik im November 2010 festgenommen wurden, zu langen Haftstrafen durch ein marokkanisches Militärgericht (www.amnesty.de/jahresbericht/2013/ marokko-und-westsahara#unterdrckungandersdenkendersahrauischeaktivisten)? Bei der Räumung des Camps Gdim Izik im November 2010 sind insgesamt 13 Personen, darunter 11 marokkanische Sicherheitskräfte, ums Leben gekommen . Die juristische Aufarbeitung der Räumung war ein Auslöser für die Reform Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7928 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der marokkanischen Militärgerichtsbarkeit. Seit dem 1. Juli 2015 können Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr vor Militärgerichten stattfinden. Im Prozess gegen die Beschuldigten von Gdim Izik vor einem Militärgericht in Rabat kam es insgesamt zu 25 Verurteilungen. Der Strafvorwurf lautete auf Bildung einer verbrecherischen Bande und vorsätzliche Gewaltanwendungen gegen Sicherheitskräfte mit Todesfolge. Gemäß dem marokkanischen Menschenrechtsrat soll der Prozess ordnungsgemäß verlaufen sein. Ausländische Beobachter waren in allen Phasen des Prozesses zugelassen. Laut der Gefängnisverwaltung wurden die Beschuldigten in Untersuchungshaft regelmäßig medizinisch untersucht und von ihren Familienmitgliedern besucht. Angaben von marokkanischen Menschenrechtsaktivisten , wonach einige der Verurteilten in Polizeigewahrsam bzw. in der Haft misshandelt worden seien, konnten von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden. 11. Wie beurteilt die Bundesregierung, dass Marokko nicht der Ottawa-Konvention beigetreten ist, und dass weiterhin in großen Bereichen des Sandwalls auf der von Marokko besetzten Seite des Gebiets der Westsahara Landminen verlegt sind (www.the-monitor.org/en-gb/MonitorSearch?year=0&report= §ion=&country=Morocco)? Die Bundesregierung bedauert, dass Marokko dem Übereinkommen vom 18. September 1997 über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (sog. Ottawa-Übereinkommen) bisher nicht beigetreten ist. Am 7. Dezember 2015 stimmte Marokko der Resolution 70/55 „Durchführung des Übereinkommens über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung“ in der VN-Generalversammlung in New York zu. Die Bundesregierung setzt sich entschlossen für die Universalisierung dieses völkerrechtlichen Vertrags ein und fordert in bilateralen Gesprächen Nichtvertragsstaaten – darunter auch Marokko – weiterhin regelmäßig auf, dem Übereinkommen beizutreten bzw. es zu ratifizieren. Nach Angaben des NGO-Verbands „International Campaign to Ban Landmines“, dessen Arbeit im vergangenen Jahr mit Mitteln der Bundesregierung in Höhe von 250 000 Euro gefördert wurde (Publikation „Landmine Monitor 2015“, Internetseite www.the-monitor.org), soll Marokko keine Antipersonenminen mehr verlegen, über keine Lagerbestände an Antipersonenminen mehr verfügen und damit begonnen haben, Minen und Kampfmittel zu räumen und Maßnahmen zur Risikoaufklärung der Bevölkerung und zur Fürsorge von Minenopfern zu ergreifen. Marokko hat sich am 19. März 2002 mit der Ratifikation des Protokolls über das Verbot oder die Beschränkung des Einsatzes von Minen, Sprengfallen und anderen Vorrichtungen in der am 3. Mai 1996 geänderten Fassung (sog. Geändertes Protokoll II) des VN-Waffenübereinkommens bereits den darin festgelegten Verboten angeschlossen, die u. a. den unterschiedslosen Einsatz von Landminen und nicht aufspürbarer Antipersonenminen umfassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7928 12. In welchen konkreten Einrichtungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die von ihr dem Regionalbüro des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Tunis im Jahr 2015 zur Verfügung gestellten 800 000 Euro für den Bereich der Minenopferfürsorge eingebracht (Bundestagsdrucksache 18/4750, S. 3)? Mit den durch das Auswärtige Amt im Rahmen der humanitären Hilfe bereitgestellten Mitteln in Höhe von 650 000 Euro wurden 2015 orthopädische Maßnahmen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) gefördert, auf der Basis des Hilfsaufrufs des IKRK (Special Appeal on Disability & Mine Action). Diese Maßnahmen wurden im entsprechenden medizinischen Zentrum, das sich innerhalb des Krankenhauses von Rabouni (Algerien) befindet, umgesetzt. 13. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand des Verfahrens gegen Mbarek Daoudi (Amnesty International, Stellungnahme vom 2. Februar 2016, S. 7), und inwiefern verletzt dieses Verfahren nach Auffassung der Bundesregierung die Menschenrechte des Betroffenen? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat das Berufungsgericht in Agadair am 8. Februar 2016 das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts vom 3. Dezember 2015 bestätigt. Mbarek Daoudi wurde zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt. Er wurde beschuldigt, Schrotpatronen besessen und versucht zu haben, ein Gewehr herzustellen. Während der Verhandlung am 8. Februar 2016 forderte der Angeklagte vor Gericht das Recht zur Selbstbestimmung des sahrauischen Volkes und die Unabhängigkeit der Westsahara. 14. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen im Fall Mohamed Ali Saidi, der angegeben hat, im Jahr 2013 in Polizeigewahrsam gefoltert worden zu sein (Amnesty International, Stellungnahme vom 2. Februar 2016, S. 18), und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus diesem Fall? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde Mohamed Ali Saidi vorläufig festgenommen und im Gefängnis von Laayoune festgehalten. Danach wurde er auf freien Fuß gesetzt. Zu den Foltervorwürfen liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 15. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen im Fall Abdelaziz Redaouia, der angegeben hat, im Jahr 2013 von Sicherheitskräften gefoltert worden zu sein (Amnesty International, Stellungnahme vom 2. Februar 2016, S. 19), und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus diesem Fall? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde Abdeaziz Raddauois zu einer Haftstrafe von zwei Jahren wegen Drogenhandels verurteilt. Zu den Foltervorwürfen liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 16. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen im Fall Abderrazak Jkaou, der angegeben hat, von der Polizei am Vorabend einer Demonstration in Kenitra auf dem Universitätsgelände bewusstlos geschlagen worden zu sein (Amnesty International, Stellungnahme vom 2. Februar 2016, S. 19), und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus diesem Fall? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über den Stand der Ermittlungen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7928 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass die Audiencia Nacional de España im vergangenen Jahr internationalen Haftbefehl gegen sieben hochrangige marokkanische Beamte wegen Verdachts des Völkermordes aufgrund von Handlungen im Territorium der Westsahara erlassen hat (http://derstandard.at/2000014297668/ Voelkermordanklage-stoert-Verhaeltnis-zwischen-Spanien-und-Marokko)? Die Bundesregierung kommentiert Ermittlungen der unabhängigen spanischen Gerichtsbarkeit nicht. 18. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Dezember 2015 zu dem Jahresbericht 2014 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt 2014 und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich (2015/2229(INI)), in der das Europäische Parlament „fordert, dass die Grundrechte der Bevölkerung der Westsahara, einschließlich der Vereinigungsfreiheit , der Meinungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit, geachtet werden; fordert die Freilassung von allen saharauischen politischen Gefangenen ; fordert, dass Mitgliedern des Parlaments, unabhängigen Beobachtern, nichtstaatlichen Organisationen und den Medien Zugang zu den Gebieten in der Westsahara gewährt wird; fordert die Vereinten Nationen mit Nachdruck auf, die MINURSO wie alle anderen Missionen der Vereinten Nationen zur Friedenssicherung in der Welt mit einem Mandat im Bereich Menschenrechte auszustatten; unterstützt eine gerechte und dauerhafte Beilegung des Westsahara-Konflikts auf der Grundlage des Rechts auf Selbstbestimmung des saharauischen Volkes im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen“? Die Bundesregierung setzt sich für eine im Konsens mit allen Beteiligten zu findende Lösung des Westsaharakonflikts im Rahmen des von den Vereinten Nationen geführten Vermittlungs- und Verhandlungsprozesses ein. Die Bundesregierung engagiert sich ebenfalls für eine Verbesserung der Menschenrechtslage in der Westsahara und in Marokko. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333