Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 16. März 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7937 18. Wahlperiode 21.03.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Marieluise Beck (Bremen), Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7775 – 30 Jahre Tschernobyl – Aktuelle Situation in der Ukraine V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 26. April 2016 jährt sich die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl zum 30. Mal. Hunderttausende verloren damals ihre Heimat und noch immer sind Regionen in der Ukraine und in Belarus durch die damals freigesetzte Strahlung verseucht. Tschernobyl wird für immer ein Symbol für die unkalkulierbaren Risiken der Atomenergie bleiben. Immer noch gibt es viele Problemfelder auf der Anlage. Die damaligen Sicherungsbauten sind in die Jahre gekommen und brüchig geworden. Seit Jahren bemüht sich deshalb die internationale Gemeinschaft gemeinsam mit der Ukraine darum, die andauernden Risiken nuklearer Verseuchung mit neuen Sicherungsmaßnahmen einzudämmen. Die Finanzierung der Arbeiten in Tschernobyl wird im Rahmen des Chernobyl Shelter Fund (CSF) auch über deutsche Steuergelder geregelt. Tschernobyl wird auch für kommende Generationen eine große Herausforderung darstellen. Seine Sicherung wird erhebliche Finanzmittel in Anspruch nehmen und von dem weiterhin strahlenden Reaktor eine anhaltende Umweltgefährdung ausgehen. Tschernobyl ist damit ein mahnendes Beispiel für die mit der Atomenergie verbundenen Risiken und für die Bürde, die wir mit ihrer Nutzung kommenden Generationen auferlegen. Es ist besorgniserregend, dass die Ukraine trotz dieser Katastrophe und der aktuell unsicheren Lage im Land noch immer an der Atomkraft als wichtigsten Energieträger des Strom-Mix festhält. Ebenso bedenklich ist, dass Belarus ein erstes Kernkraftwerk in unmittelbarer Nachbarschaft und gegen den Widerstand Litauens zu bauen begonnen hat. Da das Land 70 Prozent der Verstrahlung durch Tschernobyl zu erleiden hatte, dürfte auch die Unterstützung in der belarussischen Bevölkerung für die Nutzung der Kernenergie denkbar gering sein. Bei dieser Kleinen Anfrage soll auch das spezifische Wissen der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH abgefragt werden, die bis heute im Auftrag des Bundesumweltministeriums in verschiedenen Projekten in Tschernobyl aktiv ist. Daher sollen insbesondere auch die Erkenntnisse, die der Bundesregierung als Hauptauftraggeberin der GRS vorliegen, mit in die Beantwortung der Kleinen Anfrage einbezogen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7937 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Arbeiten werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit zur Überführung des Unfallstandorts Tschernobyl in ein ökologisch sicheres Gebiet durchgeführt, und wie weit sind die Maßnahmen jeweils fortgeschritten (bitte mit genauer Angabe, um welche einzelnen Maßnahmen es sich handelt und durch wen sie bis wann realisiert werden sollen)? Am Unfallstandort befinden sich technische Anlagen zur zielgerichteten und geordneten Erfassung, Behandlung und Entsorgung von radioaktiven Abfällen und abgebrannten Brennelementen im Bau, im Probebetrieb oder in einer ersten Betriebsphase . Dies betrifft insbesondere folgende mit internationaler Unterstützung errichtete Anlagen: Anlage zur Behandlung flüssiger radioaktiver Abfälle (LRTP) – Anlage ist dem Kraftwerksbetreiber übergeben, Betriebsgenehmigung ist seit Dezember des Jahres 2014 erteilt; Industrieller Komplex zur Behandlung fester radioaktiver Abfälle (ICSRM) – Anlagen sind dem Kraftwerksbetreiber übergeben. Seit April des Jahres 2014 erfolgt der Probebetrieb; Langzeitzwischenlager für abgebrannte Brennelemente (ISF-2) – zuständig ist die US-Firma Holtec. Das Bauende ist für das Jahr 2016, die Inbetriebsetzung ist für das Jahr 2017 geplant. Aktuell erfolgt die Fertigstellung des Prozessgebäudes ; Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle in der Ukraine sind die oberflächennahen Endlager im sogenannten Vektor-Komplex (SRW-1, SRW-2, ENSDF). Der erste Teilbereich des Evaluated Nuclear Structure Data File (ENSDF) wurde für den Einlagerungsbetrieb genehmigt. 2. Müssen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit spezielle Stabilisierungsmaßnahmen auf dem Gelände durchgeführt werden? Nein. Nach Kenntnis der Bundesregierung werden die am Sarkophag vorgenommenen Stabilisierungsarbeiten bis zur Inbetriebnahme des New Safe Confinements (NSC) sowie bis zum zeitnah anschließenden Abbau der instabilen Teile ausreichen. 3. An welchen baulichen Maßnahmen ist die Bundesregierung mit Kosten direkt bzw. über den Chernobyl Shelter Fund beteiligt? Die Bundesregierung finanziert keine baulichen Maßnahmen in Tschornobyl1direkt . Sie ist als Geber am Chernobyl Shelter Fund (CSF) an allen baulichen Maßnahmen beteiligt, die aus diesem Fonds finanziert werden. Hierzu zählen insbesondere die Stabilisierung des Sarkophags und der Bau des NSC. 4. Welche Messungen zur Radioaktivität werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Tschernobyl durchgeführt? Die regelmäßige Beprobung und Analyse der Radionuklidgehalte des Grundwassers und radioaktiver Aerosole am Standort und bis in die 30-km-Zone sowie des Kühlteiches und seiner Sedimente erfolgt durch die zuständigen Stellen in der Ukraine. Unter der Internet-Adresse http://srp.ecocentre.mns.gov.ua/MEDO-PS/ 1 Im Rahmen der Beantwortung dieser Kleinen Anfrage wird die ukrainische Schreibweise „Tschornobyl“ anstelle der bislang geläufigeren russischen Schreibweise „Tschernobyl“ verwendet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7937 sind Messwerte zur Ortsdosisleistung in 1 m Höhe an verschiedenen Messpunkten am KKW-Standort selbst sowie innerhalb und teilweise außerhalb der 30-km- Zone zeitnah online abrufbar. Auf der Webseite www.cgo.kiev.ua/index.php? fn=rch&f=rad_chernobul&p=1 des Zentralen Geophysikalischen Observatoriums der Ukraine werden ebenfalls die Ortsdosisleistungs-Messwerte der Wetterstation in Tschornobyl tagesaktuell veröffentlicht. 5. Welche Messdaten zu Freisetzungen von Radioaktivität liegen nach Kenntnis der Bundesregierung vor (insbesondere zu Radioaktivitätsmessungen innerhalb und in der unmittelbaren Umgebung des Sarkophags)? Bereits im Jahr 1987 wurden Systeme zur Messung des Neutronenflusses und zur Radioaktivitätsüberwachung im Sarkophag und am Standort installiert. Vom Jahr 2000 an wurden diese Systeme im Rahmen des Shelter Implementation Plan (SIP) zur besseren aktuellen Überwachung und zur Langzeiterfassung modernisiert. Die GRS befasste sich in der Deutsch-Französischen Initiative (DFI) mit der Erfassung von Daten zur radioökologischen Situation. In Fortsetzung der DFI entwickelte die GRS und pflegt zusammen mit ukrainischen Wissenschaftlern die „Shelter Safety Status Database“. Dort werden Daten zu den brennstoffhaltigen Massen (FCM), radioaktiven Wässern und radioaktiven Aerosolen innerhalb und in unmittelbarer Umgebung des Sarkophags systematisch zusammengefasst. 6. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Zustand des Sarkophags? Die Stahl- und Betonkonstruktion des alten Sarkophags wurde durch ein im Jahr 2008 abgeschlossenes Stabilisierungsprogramm für weitere 15 Jahre in einen vorübergehend sicheren Zustand gebracht. Vor Ablauf dieser Zeit müssen entweder die einsturzgefährdeten Bauteile demontiert sein oder durch weitere Maßnahmen rechtzeitig stabilisiert werden. 7. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Probleme beim Sarkophag, die für einen schnelleren Verfall der Gebäudestruktur sorgen könnten (wie z. B. eindringendes Wasser oder anderweitige Feuchtigkeit)? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, dass die Menge eindringenden Wassers zu einem nicht einkalkulierten schnelleren Verfall des stabilisierten Sarkophags führen würde. 8. Wie viel Wasser oder andere Feuchtigkeit dringt nach Kenntnis der Bundesregierung in das Reaktorgebäude 4 ein, und welche Probleme ergeben sich dadurch? Das Volumen sogenannter nicht organisierter kontaminierter Wässer im Sarkophag betrug im Jahr 2014 insgesamt ca. 326 m3. Die Wässer stammen aus eindringendem Niederschlag, Kondensation sowie dem Staubunterdrückungssystem und sind bis auf letztere witterungsabhängig. Auf ihrem Weg in die unteren Stockwerke haben eindringende Wässer Kontakt zu verschiedenen Modifikationen kernbrennstoffhaltiger Massen. Als Resultat sammeln sich in den unteren Stockwerken des Sarkophags kontaminierte, mittelaktive Lösungen mit einer komplexen chemischen Zusammensetzung an. Ihr Gehalt an langlebigen Transuranen macht sie zu einer möglichen Quelle spontaner Kernspaltungen mit Neutronenfreisetzung . Die Möglichkeit eines Kritikalitätsstörfalls durch das eindringende Wasser wird allerdings als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7937 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum unterirdischen Lehmwall , der den Fluss Prypjat vor radioaktivem Wasser schützen soll, und wie wirksam ist die Maßnahme nach ihrer Kenntnis? Der Bundesregierung liegen zu einem unterirdischen Lehmwall keine Informationen vor. Im Internet (unter der Adresse http://chornobyl.in.ua/chaes-stena-v-grunte.html) wird eine unterirdische Wand aus Stahlbeton beschrieben, bei deren Bau zum Teil offenbar auch Lehm verwendet wurde. Über die Wirksamkeit dieser unterirdischen Wand zur Reduzierung des Eintrags von radioaktivem Wasser in den Fluss Prypjat liegen keine belastbaren Informationen vor. Die Errichtung einer unterirdischen Wand war Bestandteil eines Maßnahmenpakets zur Verhinderung einer Kontamination des Flusses Prypiat, das in den ersten Monaten nach dem Unfall durchgeführt wurde. 10. Wie weit sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Arbeiten an der Errichtung der neuen Schutzhülle, dem sogenannten New Safe Confinement (NSC) vorangeschritten, und wie weit hat sich die offizielle Fertigstellung mittlerweile verzögert? Die Arbeiten am NSC gehen zügig voran, so dass der Fertigstellungstermin Ende des Jahres 2017 nach derzeitigem Erkenntnisstand eingehalten werden kann. Inbetriebnahme und Betriebsgenehmigung folgen im Anschluss. 11. Woran wird nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit gearbeitet bzw. woran muss noch gearbeitet werden? Außer der Innenausstattung des NSC selbst müssen vor allem die sogenannten „End Walls“ zur Abschottung des NSC von angrenzenden baulichen Bereichen und das Technologiegebäude fertig gestellt werden. Im Anschluss wird das NSC in seine endgültige Position geschoben. 12. Welche baulichen und finanziellen Probleme gab und gibt es bei der Errichtung des NSC? Die Konzipierung, Auslegung und Errichtung des NSC zeigte, dass solch ein komplexes internationales Vorhaben mit z. T. erheblichen Herausforderungen behaftet ist. Diese sind technischer und organisatorischer, aber auch finanzieller Art. Andererseits gab es aufgrund der Einzigartigkeit und Größe des Projektes auch keine Alternative, da die Ukraine zu keiner Zeit wirtschaftlich in der Lage war, diese Aufgabe am Standort Tschornobyl aus eigener Kraft zu lösen. 13. Wie belastbar ist nach Kenntnis der Bundesregierung eine Fertigstellung bis 2017? Auf Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 14. Welche Gefahren sieht die Bundesregierung bezüglich der späten Fertigstellung des NSC (unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dem bisherigen Betonschutz lediglich eine Standfestigkeit von maximal 25 Jahren, also bis 2011, bescheinigt wurde)? Aus Sicht der Bundesregierung stellt die nun vorgesehene Fertigstellung des NSC im Jahr 2017 keine aktuell erkennbare besondere Gefährdung dar. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7937 15. Konnten nach Kenntnis der Bundesregierung alle Finanzierungslücken geschlossen werden bzw. wie viel Geld fehlt ihrer Kenntnis nach derzeit noch, um den NSC fertigzustellen? Die Weiterfinanzierung des Projekts konnte im Jahr 2015 unter deutscher G7 Präsidentschaft sichergestellt werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist die Höhe der finanziellen Beitragszusagen für die Fertigstellung des NSC ausreichend. 16. Welche Optionen hat die Bundesregierung mit ihren Partnern entwickelt, um die Finanzierung für den NSC dauerhaft zu gewährleisten? Die Entwicklung von Optionen für die Finanzierung der Fertigstellung des NSC ist derzeit nicht erforderlich. Auf die Antwort zu Frage 15 wird verwiesen. 17. Welche Auswirkungen hat laut Einschätzung der Bundesregierung der Ausschluss Russlands aus der Gruppe der G8 auf die Finanzierung sowie Arbeiten in Tschernobyl? Russland hat sich auch aufgrund der Bemühungen Deutschlands während seiner G7-Präsidentschaft weiterhin an der Finanzierung des Fonds für die Fertigstellung des NSC beteiligt. 18. Wie genau sollen nach Kenntnis der Bundesregierung Korrosionen im NSC verhindert werden? Für das Einhalten der vorgesehenen Standzeit von 100 Jahren sorgen vor allem die Auswahl der verarbeiteten Stahlsorten, eine geeignete Beschichtung und eine aktive Belüftung im Zwischenraum der tragenden Stahlrohrkonstruktion des NSC mit äußerer und innerer Abdeckung. Auch das Materialverhalten zwischen Komponenten aus unterschiedlichen Metallen fand beim Design entsprechende Berücksichtigung . 19. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung einen Plan für den Rückbau des alten Sarkophags, und wenn ja, welche Phasen und welchen Zeitplan umfasst dieser? Derzeit gibt es noch keinen entsprechenden Plan, da zunächst die instabilen Teile des alten Sarkophags demontiert werden müssen. 20. Welche weiteren Problemfelder gibt es nach Einschätzung der Bundesregierung auf der Anlage in Tschernobyl? Die Ukraine bewältigt am Standort Tschornobyl wichtige Aufgaben zur Aufrechterhaltung des sicheren Nachbetriebs der Blöcke 1-3 und zur Gewährleistung der Sicherheit des havarierten Reaktors von Block 4 sowie der existierenden Entsorgungsanlagen für radioaktiven Abfall und für die abgebrannten Brennelemente. Ebenso erfolgen Arbeiten zur Gewährleistung der Sicherheit und Sicherung in der 30-km-Sperrzone und am Kraftwerksstandort selbst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7937 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 21. Gibt es bei diesen Maßnahmen nach Kenntnis der Bundesregierung ebenfalls bekannte Verzögerungen, und wenn ja, welche und welche Kosten ziehen sie nach sich? Die Aufrechterhaltung eines sicheren Zustandes aller Anlagen am Standort Tschornobyl und in der 30km-Zone ist und bleibt eine langfristige Herausforderung für die Ukraine. Auf Grund der angespannten Lage in der Ukraine kam es während der Wintermonate Ende des Jahres 2015 zu Finanzierungsschwierigkeiten und zu Problemen mit der Wärmeversorgung am Standort Tschornobyl. Diese konnten zwischenzeitlich behoben werden. Der Bundesregierung liegen aktuell keine weiteren eigenen Erkenntnisse vor. 22. Wie weit sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Planung und der Bau des Langzeitzwischenlagers für abgebrannte Brennelemente Interim Spent Fuel Storage Facility (ISF-2) fortgeschritten? Nach Kenntnis der Bundesregierung gehen Planung und Fertigstellung des ISF-2 mittlerweile gut voran, so dass mit Fertigstellung des Prozessgebäudes Mitte des Jahres 2016 gerechnet wird. Nach entsprechender Genehmigung ist mit Aufnahme des Probebetriebs im Jahr 2017 zu rechnen. 23. Wie viele schwach- und mittelaktive Abfälle werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit im Endlager Buryakovka gelagert, das sich 13 Kilometer entfernt vom AKW-Standort befindet, und sollen dort weitere Einlagerungen stattfinden, was möglicherweise eine Erweiterung des Lagers erforderlich machen würde? Das Lager Buryakovka für schwach- und mittelradioaktive Abfälle besteht aus 30 Parzellen mit einer Kapazität von je ca. 15 000 bis 23 000 m3, die mit einer Versiegelung gegenüber dem Grundwasser versehen sind. Die konzipierte Kapazität ist nahezu ausgeschöpft. Es gibt nach Kenntnis der Bundesregierung erste Überlegungen zu einer flächenmäßigen Erweiterung, u. a. für die Lagerung von Abfällen aus dem Bau- und späteren Betriebsprozess des NSC. Detaillierte Informationen zu einer möglichen Erweiterung des Lagers sind der Bundesregierung nicht bekannt. 24. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Endlager im Komplex „Vektor“, das einen großen Teil der kurzlebigen mittel- und schwachradioaktiven Abfälle aus dem Betrieb und Rückbau von Tschernobyl aufnehmen soll, mittlerweile in Betrieb? Für den Endlagerbereich für schwach- und mittelaktive Abfälle im Vektor-Komplex (ENSDF), der Abfälle aus dem Betrieb und Rückbau von Tschornobyl aufnehmen soll, wurde der Probebetrieb mit der Auflage genehmigt, dass zunächst nur der erste Abschnitt mit zwei Kammern gefüllt werden darf. 25. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über weitere Deponien mit radioaktiven Materialien aus den Aufräumarbeiten direkt nach dem Unfall, die sich nicht auf dem Gelände befinden? Im Rahmen von Sofortmaßnahmen zur Eindämmung der Unfallfolgen musste vor allem der nähere Bereich um den zerstörten Block 4 so schnell wie möglich dekontaminiert werden. Hierzu schaffte man außer temporären Lagerstätten drei Oberflächenlager mit ausreichenden Kapazitäten (Buryakovka, Podlesnyi, Kom- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7937 pleksnyi). Lediglich Buryakovka soll als Endlager weiter qualifiziert werden. Podlesnyi und Kompleksnyi enthalten ausschließlich radioaktive Abfälle aus dem Unfall. Außer den genannten drei Anlagen wurden innerhalb der 30-km- Sperrzone ca. 800 Flächen zu Lagerstätten für die spontane und temporäre Lagerung von radioaktiven Abfällen deklariert. 26. Auf welchem Stand ist nach Kenntnis der Bundesregierung die ukrainische Suche nach einem Endlager für schwach-, mittel- und hochradioaktiven Atommüll? Die Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle (SRW-1, SRW-2, ENSDF) sind in der Ukraine als oberflächennahe Endlager konzipiert und befinden sich im sogenannten Vektor-Komplex innerhalb der 30-km-Sperrzone. Der erste Bauabschnitt des ENSDF wurde für den probeweisen Einlagerungsbetrieb genehmigt. Darin sollen konditionierte radioaktive Abfälle aus dem KKW Tschornobyl endgelagert werden. In den Endlagern SRW-1 und SRW-2 sollen auch die radioaktiven Abfälle aus anderen nuklearen Anlagen in der Ukraine (z. B. KKW, Zwischenlager ) endgelagert werden. Im Rahmen eines EU-finanzierten INSC-Projektes (Instrument for Nuclear Safety Cooperation) sollen künftig europäische Experten die Entwicklung des ukrainischen Programmes für tiefe geologische Endlagerung von hochradioaktiven Abfällen sowie von langlebigen Radionukliden unterstützen. 27. Unterstützt die Bundesregierung, auch im Rahmen der G7, die Ukraine bei der Konzeptionierung zur Entnahme der kontaminierten Materialien, und wenn nein, wieso nicht (bitte mit Erläuterung)? Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen des Chernobyl Shelter Funds (CSF) die Ukraine auch bei der Entwicklung einer Strategie zur Entsorgung der kontaminierten Materialien aus dem Sarkophag. 28. Wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit einer Entnahme der kontaminierten Materialien in Tschernobyl zu rechnen? Die Entnahme der kontaminierten Materialien aus dem Sarkophag kann erst nach Fertigstellung des NSC und dem Rückbau des Sarkophags in Angriff genommen werden. Genaue Zeitpläne existieren noch nicht. 29. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Ukraine bei der Beseitigung der in Block 4 enthaltenen radioaktiven Abfälle unterstützt wird (wenn nein, bitte begründen)? Auf die Antwort zu Frage 27 wird verwiesen. Die Bundesregierung beabsichtigt, diese Frage mit der G7 und anderen Gebern zu beraten und dabei die wirtschaftliche Situation der Ukraine zu berücksichtigen. Allerdings gingen alle Geber seinerzeit noch davon aus, dass der Betrieb des NSC von der Ukraine selbst finanziert werden würde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7937 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 30. Für wann und mit welchem Inhalt sind im vierten Quartal 2015 und ersten sowie zweiten Quartal 2016 Besprechungen mit den G7-Partnern, der Europäischen Kommission und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) zu den Arbeiten/der Finanzierung in Tschernobyl geplant (bitte mit Angabe von Daten, Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmern und Tagesordnung)? Am 11. Dezember 2015 fand eine Geberkonferenz bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) zu den Arbeiten/der Finanzierung in Tschornobyl statt (Chernobyl Shelter Fund sowie Nuclear Safety Account (NSA)). Dort wurden die Geldgeber zum aktuellen Projektverlauf und zur finanziellen Situation informiert. Am 10. Dezember 2015 fand diesbezüglich eine Vorbesprechung im Rahmen einer Untergruppe der G7 Nuclear Safety and Security Group (NSSG) statt. Auch in diesem Rahmen wurde über den Projektverlauf und die finanzielle Situation informiert. Die nächste Geberkonferenz des NSA ist für den 25. April 2016 geplant. Unter deutscher G7-Präsidentschaft ist es gelungen, die Finanzierung für die Fertigstellung der Schutzhülle für den Tschornobyl Reaktor sicherzustellen. Die G7 hat auf ihrem Gipfel in Schloss Elmau erklärt, der Fertigstellung auch weiterhin verpflichtet zu bleiben. Die G7 hat Projektverläufe und finanzielle Situation der o. g. Tschornobyl-Projekte bei folgenden Terminen thematisiert: Sherpa-Treffen am 7./8. Dezember 2015 sowie am 28./29. Januar 2016, Foreign Affairs Sous Sherpa (FASS)-Treffen am 14./15. Januar 2016 sowie am 3./4. März 2016, Sitzung der G7 Nuclear Safety and Security Group am 2. bis 4. Februar 2016. Die G7 werden diese Frage, soweit erforderlich, auch bei ihren nächsten Treffen am 7./8. April 2016 und 2./3. Mai 2016 wieder aufgreifen. 31. Welche Gespräche hat die Bundesregierung in der letzten Zeit zur Sicherheitslage an den ukrainischen Atomanlagen geführt, und falls sie welche geführt hat, mit welchem Ergebnis? Im Rahmen der Global Partnership Working Group der G7 (GPWG) hat die Ukraine Mitte des Jahres 2014 um Unterstützung im Kampf gegen Risiken im chemischen , biologischen, nuklearen und radiologischen Bereich (sog. CBNR-Risiken ) gebeten, darunter auch im Bereich der nuklearen Sicherung. Hierzu hat die ukrainische Regierung konkrete Projektvorschläge unterbreitet. Dies hat, was die Bundesregierung anbelangt, in zwei Fällen zu nuklearen Sicherungsprojekten geführt , die von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit im Auftrag und mit Mitteln des Auswärtigen Amts in den Kernkraftwerken Rivne und Süd- Ukraine durchgeführt werden. 32. Wie viele Gelder wurden nach Kenntnis der Bundesregierung der Ukraine bis dato zur Instandhaltung ihrer Atomanlagen bewilligt, und durch wen (bitte detaillierte Auflistung)? In den fünfzehn ukrainischen Kernkraftwerksblöcken wird nach Kenntnis der Bundesregierung im Zeitraum von 2012 bis 2017 ein Modernisierungsprogramm umgesetzt, um das Sicherheitsniveau zu erhöhen. Die Gesamtkosten der Modernisierungen belaufen sich nach vorliegenden Informationen auf etwa 1,4 Mrd. Euro. Durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie Euratom wurden hierfür Kredite von jeweils bis zu 300 Mio. Euro zugesagt. Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, dass internationale Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/7937 Gelder für Instandhaltung und Betrieb ukrainischer Kernkraftwerke bereitgestellt wurden. 33. Welche Modernisierungsarbeiten werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit an den weiteren ukrainischen Atomanlagen durchgeführt? Der staatliche Betreiberkonzern Energoatom hat für alle in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke ein umfangreiches Programm zur Erhöhung der Sicherheit (Complex Consolidated Safety Upgrade Program – CCSUP) erstellt, dessen Umsetzung für den Zeitraum 2011 bis 2020 vorgesehen ist. Unter Berücksichtigung der Lehren des Unfalls von Fukushima-Daiichi wurden Maßnahmen zur Beherrschung schwerer Störfälle ergänzt. Hierzu gehören vor allem: Zusätzliche Sicherung der Energieversorgung und Schaffung von zusätzlichen Kühlmöglichkeiten bei lang anhaltendem Stromausfall am Standort, zusätzliche Überwachung der Anlagen und des Strahlenschutzes unter den Bedingungen schwerer Störfälle, katalytische Wasserstoffverbrennung durch Rekombinatoren sowie gefilterte Druckentlastung des Containments bei schweren Störfällen, Qualifizierung der Ausrüstungen auf harsche Umgebungsbedingungen und seismische Ertüchtigung der Anlagen, Erstellung von Vorschriften zum Management bei schweren Störfällen. 34. Welche Auswirkungen hat nach Einschätzung der Bundesregierung der aktuelle Konflikt zwischen Russland und der Ukraine (insbesondere in Bezug auf die Wartung ukrainischer Anlagen, die mit russischer Technologie betrieben werden, z. B. die verbliebenen Reaktoren des Typs RBMK-1000)? Anlagen vom Typ RBMK sind in der Ukraine nicht mehr im Betrieb. In der Ukraine werden derzeit 15 Blöcke mit Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart vom Typ WWER betrieben. Signifikante Probleme mit Ersatzteillieferungen und anderen Fragen, die die Wartung der Anlagen betreffen und aus dem aktuellen Konflikt resultieren, sind der Bundesregierung bisher nicht bekannt geworden. Grundsätzlich ist die Ukraine bemüht, vorhandene Abhängigkeiten von Russland abzubauen und Lieferungen, insbesondere von Brennelementen, zu diversifizieren . 35. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über die Umsetzung des Espoo-Beschlusses (EIA/IC/CI/4) bezüglich einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung für die im Fall des AKW Rivne erteilte Laufzeitverlängerung ? Der Bundesregierung liegen keine neuen Informationen über die Umsetzung des Espoo-Beschlusses EIA/IC/CI/4 vor. 36. In welchem Rahmen hat die Bundesregierung bereits mit der ukrainischen Regierung über die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung in diesem Fall gesprochen (wenn nein, bitte erläutern)? Bundesumweltministerin Dr. Hendricks ist mit dem ukrainischen Umweltminister in Kontakt getreten und hat um Durchführung von grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfungen , gegebenenfalls auch auf freiwilliger Basis, für Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7937 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Projekte am Standort Rivne sowie anderen geplanten Projekten zur Laufzeitverlängerung gebeten. In seiner Antwort hat der ehemals amtierende Umweltminister Kurikin auf den Einzelfallcharakter der Entscheidung unter der Espoo-Konvention zu den Blöcken 1 und 2 von Rivne hingewiesen. 37. Sind der Bundesregierung weitere geplante Laufzeitverlängerungen an den ukrainischen Atomkraftwerken bekannt (wenn ja, bitte einzeln auflisten)? Alle 15 in der Ukraine in Betrieb befindlichen KKW-Blöcke haben eine genehmigte Betriebsdauer von 30 Jahren. Entsprechend der ukrainischen Energiestrategie plant der Betreiber für alle Anlagen eine Betriebsdauerverlängerung. Dazu ist eine entsprechende Nachweisführung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens erforderlich. Die Blöcke 1 und 2 des KKW Saporoshja befinden sich in einer längerfristigen Revision. Der Betreiber plant auch hier eine Betriebsdauerverlängerung und ist dabei die erforderliche Nachweisführung zu erbringen. Gegebenenfalls werden auch erforderliche Nachrüstungen realisiert. Für die folgenden Blöcke wird die genehmigte Betriebsdauer von 30 Jahren wie folgt erreicht: 2017: Rivne-3, Saporishshja-3; 2018: Chmelnyzkyj-1, Saporishshja-4; 2019: Südukraine-3, Saporishshja-5; 2025: Saporishshja-6; 2034: Chmelnyzkyj-2, Rivne-4. 38. Wenn ja, wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass ähnlich wie im Fall AKW Rivne eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss (wenn nein, bitte begründen)? Ja, auf die Antwort zu Frage 36 wird verwiesen. 39. Wie bewertet die Bundesregierung den Zustand der Atomanlagen in der Russischen Föderation und weiteren Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die solche Anlagen aus dem vorhergehenden Staatenbund erbten, und in welcher Weise kooperiert sie mit den betroffenen Staaten im Interesse höherer Sicherheit mit dem Ziel, die Atomanlagen zu modernisieren oder diese möglichst zeitig stillzulegen? Die Bundesregierung verfolgt die kerntechnische Entwicklung und die nukleare Sicherheit der Kernkraftwerke mit sowjetischer Reaktortechnik stetig. Durch umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen konnte in den letzten Jahren das Sicherheitsniveau dieser Kernkraftwerke deutlich verbessert werden. Trotz des russischen Verhaltens in der Ukraine-Krise und der daraufhin verhängten EU-Sanktionen bleibt für die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen eine internationale Abstimmung auch mit Russland unverzichtbar. Dazu zählen auch Fragen der Nuklearsicherheit, der Nichtverbreitung und der Verringerung von Umweltrisiken. Die Bundesregierung hält daher – in engem Kontakt mit ihren europäischen und transatlantischen Partnern – die Gesprächskanäle mit Russland auch zu solchen Fragen von gemeinsamem Interesse auf angemessener Ebene offen. Im Rahmen der deutsch-russischen wissenschaftlich-technischen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/7937 Zusammenarbeit kooperieren Forschungsstellen beider Staaten in den Bereichen Reaktorsicherheitsforschung sowie Endlagerforschung. Die Bundesregierung unterstützt die EU-Bemühungen zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit der ukrainischen Kernkraftwerke und setzt sich nachdrücklich für die Überführung des Standortes Tschornobyl in einen ökologisch sicheren Zustand ein – dies war ein Schwerpunkt der deutschen G7-Präsidentschaft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333