Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 18. März 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7980 18. Wahlperiode 22.03.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7576 – Zur aktuellen Situation in Israel und Palästina V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Durch die jüngste Gewalteskalation in Israel und Palästina, die im September/ Oktober dieses Jahres durch eine Verschärfung des Konflikts um den Tempelberg /Haram al-Sharif ausgelöst wurde, haben bislang mehr als 152 Palästinenserinnen und Palästinenser und 23 Israelis ihr Leben verloren (www.spiegel.de/ politik/ausland/nahostkonflikt-zwei-palaestinenser-nach-messerattacken-aufisraelis -erschossen-a-1072117.html). Insbesondere Messerattacken von palästinensischen Jugendlichen und deren Erschießung durch israelische Sicherheitskräfte sind in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Es ist nicht das erste Mal, dass sich an diesem Ort die Spannungen entladen – auch die zweite Intifada hatte hier ihren Ausgangspunkt. Seit langem nehmen die Provokationen nationalreligiöser Jüdinnen und Juden, die den Tempelberg/ Haram al-Sharif für sich reklamieren und die Zerstörung der drittheiligsten Stätte des Islams fordern, zu. Das Credo dieser Nationalreligiösen ist, dass Jerusalem eine rein jüdische Stadt sei. Unter dem Schutz israelischer Sicherheitskräfte erzwingen sie sich den Zugang zum Tempelberg/Haram al-Sharif (DER TAGESSPIEGEL vom 26. Juli 2015). Dennoch sind die aktuellen Auseinandersetzungen kaum als genuin religiöser Konflikt zu verstehen, sondern müssen vielmehr im Kontext der israelischen Besatzung gesehen werden, gegen die sich Palästinenserinnen und Palästinenser auflehnen. Fanatisierte jüdische Siedlerinnen und Siedler in den besetzten Gebieten haben in den letzten Jahren extremen Zulauf gewonnen und genießen auch im Kabinett Benjamin Netanjahus nicht unerhebliche Unterstützung. Immer wieder greifen sie – verstärkt unter dem moralischen und oft militärischen Schutz der israelischen Armee – Palästinenserinnen und Palästinenser an, zerstören ihr Eigentum und schrecken auch vor Mord nicht zurück (www.zeit.de/politik/ausland/2015-07/ israel-siedler-westjordanland-brandanschlag-kleinkind; www.faz.net/aktuell/ politik/ausland/naher-osten/zwei-israelis-wegen-mord-an-palaestinenser-schuldig- 13940177.html). Trotzdem müssen sie in den seltensten Fällen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Infolge der jüngsten Gewalteskalation hat die Regierung Benjamin Netanjahus eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, die völkerrechtlich höchst umstritten Drucksache 18/7980 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode oder nach Auffassung der Fragesteller gar völkerrechtswidrig sind: Die israelische Regierung erlaubt beispielsweise offensichtlich verstärkt außergerichtliche summarische und willkürliche Tötungen (www.amnesty-koeln-gruppe2415.de/ Main/20151119001). Die erst kürzlich vom Sicherheitskabinett Benjamin Netanjahus beschlossenen drakonischen Maßnahmen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung wie die Zerstörung der Häuser vermeintlicher Angreiferinnen und Angreifer als Akt der Kollektivbestrafung ganzer Familien verstoßen aus Sicht der Fragesteller ganz offensichtlich gegen die Genfer Konventionen (www.handelsblatt.com/archiv/genfer-konvention-verbietet-kollektivstrafen-israeldroht -mit-strafkatalog/2187244.html). Insbesondere die katholischen Bischöfe des Heiligen Landes haben die kollektive Bestrafung der palästinensischen Bevölkerung mit klaren Worten verurteilt (www.katholisches.info/2014/07/09/ bischoefe-des-heiligen-landes-fordern-ende-der-gewaltspirale-und-radikalenwandel /). Palästinensische Kinder, die Steine werfen, sollen fortan mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft werden (www.juedische-allgemeine.de/article/ view/id/23402, 25. September 2015). Seit der neusten schrecklichen Welle der Gewalt ist allenthalben von einer dritten Intifada die Rede. Obwohl die Intensität der Gewalt abgenommen zu haben scheint, ist keines der ihr zu Grunde liegenden strukturellen Probleme gelöst. Unter der neuen Radikalität droht außerdem die palästinensische Autonomiebehörde zusammenzubrechen, die eine Intifada vermeiden will. Präsident Mahmut Abbas hat bereits erklärt, die Osloer Abkommen seien tot. Eine Auflösung der Autonomiebehörde scheint für die Palästinenserinnen und Palästinenser zu einer ernsthaften Option geworden zu sein. Zehntausende Israelis haben in Tel Aviv zum Gedenktag der Ermordung des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin demonstriert und die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen gefordert (www.nzz.ch/international/ naher-osten-und-nordafrika/todestag-rabin-gedenkkundgebung-tel-aviv-1.18639 296), um endlich die Zweistaaten-Regelung zu realisieren. Sie fordern statt Gewalt zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen eine gemeinsame jüdisch-arabische Alternative für den Frieden. Aber die Regierung Benjamin Netanjahus beschneidet stattdessen aus Sicht der Fragesteller Stück für Stück die politischen Freiheiten. Ein neues Gesetz grenzt die Rechte von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein – insbesondere solcher, die mit Mitteln der Europäischen Union gefördert werden (www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.694075?utm_ content=Israeli+ministers+pass+contentious+bill+to+%27out%27+foreign-funded+ NGOs+&utm_medium=Most+Popular&utm_source=email&utm_campaign= newsletter). Die Bundesregierung muss deutliche Signale der Unterstützung für die demokratische Zivilgesellschaft in Israel senden, die unsere moralische Unterstützung benötigt. Die Bundesregierung hat auf die neuerliche Eskalation der Gewalt nach Auffassung der Fragesteller ein weiteres Mal extrem einseitig reagiert. Israel hat ein Recht, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen, aber auch die palästinensische Zivilbevölkerung hat einen Anspruch auf Schutz vor den fanatisierten Siedlerinnen und Siedlern. Israel, das als Besatzungsmacht dazu verpflichtet wäre, gewährt diesen Schutz nicht und verstößt somit nach Auffassung der Fragesteller gegen internationales Recht (Haager Landkriegsordnung, IV. Genfer Konvention). Ohne Beendigung der Besatzung und die Einhaltung internationalen Rechts wird es nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller keine Deeskalation geben. Nach vielen leeren Versprechungen und des Hinhaltens auch durch die internationale Gemeinschaft geht der palästinensischen Gesellschaft die Geduld aus. Eine Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses kann dazu beitragen, die jetzige zugespitzte Lage zu deeskalieren. Dafür müssen sich EU, das Quartett, die UN und die Bundesregierung mit Nachdruck einsetzen. Ziel dieser Verhandlungen zwischen Israel und Palästina müssen das Ende der Besatzung und die Fest- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7980 legung von Grenzen sein. Die Bundesregierung muss auch den Resolutionsvorschlag , den die Palästinensische Autonomiebehörde und Jordanien mit Unterstützung Frankreichs in die Vereinten Nationen einbringen werden (vgl. Frage 7), unterstützen. Dieser fordert einen neuen Verhandlungsprozess und die Beendigung der Besatzung mit einer klaren Zeitregelung des Rückzugs der israelischen Besatzungsmacht. 1. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Ursachen des jüngsten Aufstandes palästinensischer Jugendlicher vor? 2. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Stimmungslage der palästinensischen Bevölkerung bezüglich des Friedensprozesses und der Perspektiven ihrer Eigenstaatlichkeit vor? Die Fragen 1 und 2 werden zusammengefasst beantwortet. Nach Ansicht der Bundesregierung ist der Begriff „Aufstand palästinensischer Jugendlicher“ zur Beschreibung der derzeitigen Gewaltwelle irreführend. Es handelt sich um meist spontane Angriffe von Einzeltätern, die nicht von politischen oder terroristischen Gruppierungen gesteuert werden. Die Täter sind in ihrer großen Mehrheit jung, männlich, alleinstehend und zuvor in keiner Weise auffällig gewesen. Der modus operandi weist in den meisten Fällen nicht auf eine besondere Ausbildung, Vorbereitung, Anleitung oder Koordination hin. Die Beweggründe der palästinensischen Jugendlichen sind dabei individueller Natur. Nach Einschätzung der Bundesregierung beruhen sie vielfach auf einem weit verbreiteten Gefühl der politischen Perspektivlosigkeit verbunden mit persönlicher Hoffnungslosigkeit angesichts mangelnder wirtschaftlicher und sozialer Entwicklungsaussichten einhergehend mit einer Mobilisierung in sozialen Medien . Einer Umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research vom 14. Dezember 2015 zufolge halten 78 Prozent der befragten Palästinenser die Chance auf einen eigenen Staat in den kommenden fünf Jahren für gering bis nicht vorhanden. Ferner sind 51 Prozent der Meinung, die laufenden Konfrontationen dienten der „palästinensischen Sache“ mehr als Verhandlungen. 3. Welche konkreten Kenntnisse liegen der Bundesregierung in Bezug auf eine mögliche Verschiebung des Status quo auf dem Tempelberg/Haram al-Sharif durch die israelische Seite vor? Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bekräftigt regelmäßig das Bekenntnis der israelischen Regierung zum Status quo. So erklärte er auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen um den Tempelberg/Haram al-Sharif am 24. Oktober 2015 „Israel bestätigt sein Bekenntnis zur unveränderten Aufrechterhaltung des Status quo des Tempelbergs in Wort und Tat.“ 4. Welche konkreten Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Gewalt israelischer Siedlerinnen und Siedler gegen die palästinensische Zivilbevölkerung vor (bitte für die letzten zehn Jahre sowohl nach Anzahl und Art der Übergriffe pro Jahr als auch die jeweilige Anzahl der Opfer auflisten)? Die Bundesregierung beobachtet sowohl die Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser als auch von Palästinensern an israelischen Siedlern in den besetzten Gebieten. Das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) hat in den letzten zehn Jahren folgende Übergriffe dokumentiert: Drucksache 18/7980 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Jahr 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Übergriffe gegen Palästinenser 116 111 207 168 312 411 368 399 326 221 Davon mit Todesopfern/ Verletzten 56 53 102 56 69 121 99 93 105 89 Davon mit Sachbeschädigung 60 58 105 112 243 290 269 306 221 132 Übergriffe gegen Israelis 131 53 74 50 229 Davon mit Todesopfern/ Verletzten 54 49 48 36 48 40 59 38 89 Davon mit Sachbeschädigung k.A. k.A. k.A. k.A. 83 13 15 12 140 GESAMT 441 464 440 449 560 5. Inwiefern hat die Bundesregierung gegenüber ihren israelischen Partnerinnen und Partnern Kritik wegen der mangelnden Verhinderung und Strafverfolgung von Übergriffen israelischer Siedlerinnen und Siedler gegen die palästinensische Zivilbevölkerung durch die israelischen Sicherheitskräfte geäußert ? Die Bundesregierung hat gegenüber der israelischen Seite auf unterschiedlichen Ebenen ihrer Erwartung Ausdruck verliehen, dass Straftaten im Rahmen der Siedlergewalt zügig verfolgt und vor die zuständigen Gerichte gebracht werden. Die Bundesregierung hat zudem mehrere Resolutionen des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen unterstützt, die deutliche Kritik am israelischen Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten üben und große Besorgnis über Gewalt und Zerstörungen durch israelische Siedler ausdrücken. 6. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des US-Außenministers John Kerry, dass Auslöser der jüngsten Gewalt vonseiten junger Palästinenserinnen und Palästinenser der israelische Siedlungsbau in den palästinensischen Gebieten und das Fehlen einer Lösung in der Zweistaaten-Regelung seien (www.timesofisrael.com/kerry-links-increase-in-violence-to-settlementactivity /, 14. Oktober 2015)? Die Bundesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass nur eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung den Konflikt nachhaltig befrieden kann. Die Bundesregierung hat ebenfalls wiederholt deutlich gemacht, dass der israelische Siedlungsbau in den von Israel seit dem 4. Juni 1967 besetzten Gebieten völkerrechtswidrig und ein Friedenshindernis ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7980 7. Gedenkt die Bundesregierung, in absehbarer Zeit selbst Initiativen zu ergreifen , um die Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses zwischen Israel und Palästina zu befördern? Welche konkreten Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, dass die palästinensische Führung einen weiteren Resolutionsentwurf für ein Ende der israelischen Besatzung in den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen einbringen will, nachdem ein erster im Dezember 2014 gescheitert ist (www.zeit.de/politik/ausland/2014-12/un-sicherheitsrat-palaestina-israelresolution ), und welchen Inhalts wäre ein solcher neuerlicher Resolutionsentwurf nach Kenntnis der Bundesregierung? Die Bundesregierung unterstützt gemeinsam mit den Partnern der Europäischen Union die internationalen Bemühungen zur Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Seite. Der Bundesregierung liegen keine konkreten Kenntnisse über einen möglichen Resolutionsentwurf des Weltsicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Ende der israelischen Besatzung vor. 8. Beabsichtigt die Bundesregierung, einen Resolutionsentwurf für den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen zu unterstützen, der neben der Forderung nach Wiederaufnahme des Verhandlungsprozesses zwischen Israel und Palästina auch eine klare Zeitangabe für das Ende der Besatzung fordert? Es wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. Ferner ist es bekannte Position der Bundesregierung, dass die Zwei-Staaten-Lösung im Weg der Verhandlungen erfolgen muss. 9. Inwiefern hat sich die Bundesregierung neben ihrer Feststellung, Israel habe das Recht auf Verteidigung seiner Bürgerinnen und Bürger, in Bezug auf die jüngste Gewalteskalation auch zum Recht der palästinensischen Bevölkerung auf Schutz vor Übergriffen von Siedlerinnen und Siedlern geäußert? a) Wenn ja, in welcher Erklärung kommt dies zum Ausdruck? Das Auswärtige Amt erklärte am 31. Juli 2015 zu dem von Siedlern verübten Brandanschlag auf Wohnhäuser im Westjordanland, bei denen ein Kind ums Leben gekommen war: „Die Bundesregierung verurteilt diesen unmenschlichen Terrorakt in aller Schärfe. Die Brutalität, mit der die Familien in ihren Wohnhäusern mit Brandsätzen angegriffen wurden, ist schockierend. Wir trauern mit den Familien um den Tod des kleinen Kindes. Wir begrüßen es, dass die israelische Regierung diese Tat mit unmissverständlichen Worten verurteilt hat und der Verfolgung der Täter höchste Priorität einräumt.“ Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. b) Wenn nein, aus welchen Gründen ist dies unterlassen worden? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. 10. Welche konkreten Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Situation der arabischen Minderheit in Israel vor? Hat sich deren Lage (sowohl in der Praxis als auch in Bezug auf Gesetze) nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren verschlechtert (bitte begründen)? Die Bundesregierung beobachtet die Lage der arabischen Israelis sehr genau und unterstützt Projekte zur Förderung der Koexistenz von jüdischen und nichtjüdischen Staatsangehörigen Israels. Drucksache 18/7980 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Durch die Bildung der Vereinigten Arabischen Liste, die bei den letzten Wahlen zur Knesset (17. März 2015) 13 Mandate erzielte, haben sich die politischen Einflussmöglichkeiten der arabischen Staatsangehörigen Israels auf nationaler Ebene verbessert. Nachdem die Wahlbeteiligung in diesem Sektor zuvor kontinuierlich gesunken war, stieg sie 2015 auf 63,5 Prozent deutlich an (zum Vergleich 2013: 56,5 Prozent). Arbeitslosigkeit und (Kinder-)Armut liegen in der arabischen Bevölkerung über dem Durchschnitt. Arabische Israelis sind im öffentlichen Dienst unterrepräsentiert . Die israelische Regierung hat am 30. Dezember 2015 einen Arbeitsplan verabschiedet , der die Mechanismen zur Budgetallokation reformiert und somit Gelder für die arabische Bevölkerung in Israel freimacht. Zudem bildet sich seit einigen Jahren in Israel eine arabische Mittelschicht heraus, die Bildungsangebote stärker wahrnehmen kann, höhere Gehälter erzielt und sich weniger eindeutig von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzt. Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin hat sich vom ersten Tag seiner Amtsübernahme für den Ausgleich zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere zwischen jüdischen und arabischen Israelis, eingesetzt und auch deutliche Worte zu weiterbestehenden Defiziten gefunden. 11. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Äußerungen des stellvertretenden israelischen Verteidigungsministers Eli Ben Daha vor, der die Palästinenserinnen und Palästinenser als Tiere und nicht menschlich bezeichnet hat (Gideon Levy, Haaretz, 10. Mai 2015)? Nach Kenntnis der Bundesregierung liegt keine Bestätigung dieser Äußerungen vor, die Eli Ben Daha vor seiner Amtsübernahme als stellvertretender Verteidigungsminister gemacht haben soll. 12. In welcher Form beabsichtigt die Bundesregierung, solche für hiesige politische Normen inakzeptablen Äußerungen bei den nächsten gemeinsamen Konsultationen mit der israelischen Regierung zu thematisieren (sofern die Bundesregierung nicht beabsichtigt, dies zu thematisieren, bitte Gründe benennen )? Ein Termin für die nächsten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen steht noch nicht fest. Themen, die gegenüber der israelischen Regierung besprochen werden sollen, werden zeitnah und in Abhängigkeit von der aktuellen Lage festgelegt . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Behauptung Benjamin Netanjahus vor dem 37. Zionistischen Kongress in Jerusalem, „der palästinensische Großmufti Amin al-Husseini habe Hitler 1941 zum Holocaust angestiftet. Dabei habe der deutsche Diktator zunächst nur geplant, die Juden aus Europa zu vertreiben“ (21. Oktober 2015, www.zeit.de/politik/ausland/2015-10/israelbenjamin -netanjahu-adolf-hitler-holocaust-mufti)? Die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat sich hierzu während des Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu am 21. Oktober 2015 bei der Pressebegegnung folgendermaßen geäußert: „Für die Bundesregierung, aber auch für mich kann ich sagen, dass wir die Verantwortung kennen – die Verantwortung der Nationalsozialisten für den Zivilisationsbruch der Schoah. Wir sind davon überzeugt, dass dies auch immer und immer wieder an zukünftige Generationen weitergegeben werden muss, zum Beispiel in der Schulbildung. Deshalb Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7980 sehen wir von uns aus keinerlei Grund, unser Bild von der Geschichte insbesondere in dieser Frage zu ändern. Wir stehen zu der deutschen Verantwortung des Holocaust und der Schoah.“ 14. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung über die neue israelische Gesetzesinitiative vor, welche die Rechte von israelischen NGOs, die sich durch Gelder aus dem Ausland finanzieren, gravierend beschneiden soll (www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.683524)? Am 1. November 2015 legte die israelische Justizministerin Ayelet Shaked (Jüdisches Heim) einen Änderungsentwurf zum israelischen NGO-Transparenz-Gesetz vom 21. Februar 2011 (Bill on disclosure requirements for recipients of support from a foreign political entity) vor. Über die bislang schon bestehenden Transparenzpflichten hinaus sollen Nichtregierungsorganisationen, die über 50 Prozent ihres Budgets durch Zuwendungen von ausländischen Regierungseinrichtungen erhalten, in allen Publikationen auf die ausländische Finanzierung hinweisen sowie in Briefen an Abgeordnete und Amtsträger sowie bei mündlichen Anhörungen, an denen gewählte oder nichtgewählte Amtsträger teilnehmen, die Finanzierungsquellen benennen. Ein Verstoß würde mit einer Geldbuße von ca. 30 000 Schekel (NIS) (ca. 6 500 Euro) geahndet werden. Der Entwurf wurde am 8. Februar 2015 in erster Lesung mit 50 zu 43 Stimmen angenommen und wird nun im Justizausschuss behandelt. Anschließend wird er der Knesset zur zweiten und dritten Lesung zugeleitet. 15. Inwiefern wären nach Kenntnis der Bundesregierung durch ein solches Gesetz auch NGOs betroffen, die sich entweder ganz oder teilweise aus Mitteln der EU finanzieren? Von diesem Gesetz wären auch von der Bundesregierung oder aus Mitteln der EU unterstützte Nichtregierungsorganisationen betroffen. Darunter fallen unter anderem auch die israelischen Partnerorganisationen der deutschen politischen Stiftungen, von kirchlichen Trägern und des zivilen Friedensdienstes, sofern die Gesamtsumme ausländischer finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln über 50 Prozent des Gesamtbudgets der jeweiligen Nichtregierungsorganisation darstellt. 16. Wird die Bundesregierung, die ja im Fall Russlands die Beschneidung der Rechte von aus dem Westen finanzierten NGOs scharf kritisiert hat, in diesem Fall auch gegenüber der israelischen Regierung öffentlich Kritik äußern ? Die Bundesregierung hat mehrfach und hochrangig in bilateralen Gesprächen ihre Sorge und Kritik hierzu zum Ausdruck gebracht. Dies geschah zuletzt anlässlich der sechsten deutsch-israelischen Regierungskonsultation am 16. Februar 2016 in Berlin. 17. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Pläne der israelischen Justizministerin Ayelet Shaked vor, die angekündigt hat, die Gewaltenteilung in Israel aufzuweichen und die Macht des Obersten Gerichtshofs einzuschränken (www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.682962)? Die israelische Justizministerin Ayelet Shaked (Jüdisches Heim) setzt sich für einen stärkeren Einfluss der Politik auf die Benennung von Richtern (vor allem am Drucksache 18/7980 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Obersten Gerichtshof) sowie für eine Einschränkung des Normenkontrollverfahrens ein, das der Oberste Gerichtshof praktiziert. Für solche Absichten gibt es nach jetzigem Stand in der Regierungskoalition keine Mehrheit. 18. Inwieweit müssen nach Kenntnis der Bundesregierung die israelische Friedensbewegung , linke Gruppen und Parteien, israelische Araber sowie Homosexuelle in Israel inzwischen regelmäßig Angst vor Übergriffen konservativer Gruppen und Kreise haben (bitte ausführen)? 19. Werden die genannten Gruppen und Kräfte nach Ansicht der Bundesregierung in ausreichendem Maß durch die israelische Regierung und Sicherheitskräfte vor Übergriffen geschützt? 20. Werden solche Gruppen und Kräfte, die Übergriffe gegen friedensbewegte und linke Gruppen oder gegen Homosexuelle begehen, von der israelischen Justiz in einem Ausmaß verfolgt, das die Bundesregierung für angemessen hält (bitte begründen)? Die Fragen 18 bis 20 werden zusammengefasst beantwortet. Die Bundesregierung beobachtet eine gesellschaftliche Polarisierung in Israel, die zu einer Verschärfung des Umgangs führt und einen Einfluss auf die Bedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement hat. Strafrechtlich relevante Übergriffe kommen im Einzelfall vor. Dabei werden die Betroffenen nach Kenntnis der Bundesregierung durch die israelische Regierung und ihre Sicherheitskräfte geschützt und die israelische Justiz verfolgt Straftaten im Rahmen des israelischen Strafrechts. So wurde gegen den ultraorthodoxen israelischen Staatsangehörigen, der am 30. Juli 2015 eine Teilnehmerin des „Jerusalem Gay Pride“ erstach, Anklage wegen Mordes, sechsfachen Mordversuchs und schwerer Körperverletzung erhoben. Der Anschlag wurde vom gesamten Spektrum der israelischen Politik und Gesellschaft verurteilt. 21. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Pläne Benjamin Netanjahus zur Einführung sogenannter Special Terror Courts vor (Times of Israel, 29. Oktober 2015, www.timesofisrael.com/pm-said-to-mullestablishing -a-special-terror-court/?utm_source=The+Times+of+Israel+ Daily+Edition&utm_campaign=ef30a40d41-2015_10_29&utm_medium= email&utm_term=0_adb46cec92-ef30a40d41-54451749)? Der Bundesregierung sind entsprechende Überlegungen von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bekannt. Es liegen der Bundesregierung derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die israelische Regierung die Einrichtung sogenannter Special Terror Courts vorantreibt. 22. Inwieweit hat die von der Europäischen Kommission am 11. November 2015 erlassene „Interpretative Notice on indication of origin of goods from the territories occupied by Israel since June 1967“ gemäß den Äußerungen eines Sprechers des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft tatsächlich keinerlei Auswirkungen in Deutschland, da die europäische Rechtsnorm in Deutschland bereits erfüllt sei (www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/ keine-aenderungen-in-deutschland-fuer-waren-aus-israelischen-siedlungena -1062753.html)? Die Interpretationsnote vom 11. November 2015 schafft für sich genommen kein neues Recht, sondern erläutert lediglich, wie die Europäische Kommission das Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/7980 einschlägige Unionsrecht und dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs versteht (siehe Paragraph 3 der Note). Für die Bundesregierung ergibt sich somit kein neuer Implementierungsbedarf. Es entspricht geltendem europäischem Verbraucherschutzrecht, dass die Hersteller und Importeure für eine korrekte Kennzeichnung der Produkte Sorge zu tragen haben. Die nachgelagerte Überwachung der Einhaltung dieser Kennzeichnungsvorschriften und die Sanktionierung von Verstößen obliegen staatlichen Stellen. 23. Auf welche Art von Produkten soll die „Interpretative Notice“ nach Kenntnis der Bundesregierung Anwendung finden (bitte detailliert auflisten)? Diejenigen Produktkategorien, für die sich nach EU-Recht eine Pflicht zur Kennzeichnung der Herkunft ergibt, sind in Paragraph 3 der Note und der begleitenden Fußnote 7 unter Verweis auf die einschlägige EU-Rechtsgrundlage genannt. Darunter fallen in die Europäischen Union importierte Kosmetika, frisches Obst und Gemüse, Fisch, Wein, Honig, Olivenöl, Rind- und Kalbfleisch, Geflügelfleisch in Fertigpackungen aus Drittländern, frisches, gekühltes oder gefrorenes Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch. Das allgemeine EU-Lebensmittelkennzeichnungsrecht sieht demgegenüber keine generelle Verpflichtung zur Herkunftskennzeichnung vor. Nach Artikel 26 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 ist die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts nur verpflichtend, wenn ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher über das tatsächliche Ursprungsland oder den tatsächlichen Herkunftsort des Lebensmittels möglich wäre. 24. Für welche dieser Produkte besteht in Deutschland bereits eine Kennzeichnungspflicht im Sinne genannter „Interpretative Notice“ (bitte detailliert auflisten )? Für die in der Antwort zu Frage 23 genannten Produktkategorien ergibt sich – außer für Honig – die Pflicht zur Herkunftskennzeichnung aus einschlägigen EU- Verordnungen, die in jedem Mitgliedstaat unmittelbare Wirkung entfalten (Artikel 288 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV). Die Herkunftskennzeichnung von Honig ist in der Honigverordnung geregelt , mit der die Richtlinie 2001/110/EG über Honig in deutsches Recht umgesetzt wurde. 25. Stehen die EU-Mitgliedstaaten in der Pflicht, Händlerinnen und Händler /Verkäuferinnen und Verkäufer etc. dazu anzuhalten, sich an die Kennzeichnungspflicht im Sinne der „Interpretative Notice“ zu halten, und sind sie auch verpflichtet, diese Einhaltung zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden ? Die Durchsetzung der EU-Kennzeichnungsvorschriften liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Ihnen obliegt die Festlegung von Sanktionen für Verstöße gegen unionsrechtliche Bestimmungen. Diese müssen sich als wirksam, angemessen und abschreckend darstellen (siehe Paragraph 3 der Note). Aufgrund der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union ist die Interpretationsnote der Europäischen Kommission den deutschen Kontrollstellen bekannt. Drucksache 18/7980 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 26. Wenn ja, fallen diese Kontrolle und gegebenenfalls Ahndung in die Zuständigkeit der Bundesbehörden oder der Länderbehörden? Beim Markteintritt bestimmter Drittlandswaren, insbesondere von Obst und Gemüse , in den freien Zollverkehr nimmt mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung eine Bundesbehörde Prüf- und Überwachungsaufgaben in Bezug auf die korrekte Herkunftskennzeichnung wahr. In der Phase nach dem Markteintritt , bei anderen Produktgruppen als Obst und Gemüse sowie im Bereich des allgemeinen Lebensmittelkennzeichnungsrechts sind ausschließlich die Überwachungsbehörden der Bundesländer zuständig. 27. Inwiefern besteht nach Kenntnis der Bundesregierung für EU-Mitgliedstaaten , in denen die „Interpretative Notice“ nicht zur vollen Anwendung kommt, die Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens (vgl. http://eeas.europa.eu/ delegations/israel/documents/news/20151111_interpretative_notice_indication _of_origin_of_goods_en.pdf, Punkt 3)? Ein Vertragsverletzungsverfahren setzt einen Verstoß gegen Unionsrecht, im hiesigen Fall also einen Verstoß gegen das fachspezifische Unionsrecht, voraus. Die Europäische Kommission trägt als Hüterin der Verträge dafür Sorge, dass die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen zur korrekten Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts nachkommen. Gemäß Artikel 258 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union muss die Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat dann einleiten, wenn sie der Auffassung ist, dass ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Der Bundesregierung liegen keine Hinweise darauf vor, dass die Europäische Kommission sich bereits eine gesicherte Rechtsauffassung für einen potentiellen Einzelfall, wie von den Fragestellern skizziert, gebildet hätte. 28. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung zur Beteiligung der Firmengruppe Max Bögl Bauservice GmbH und Co. KG an einem Teilprojekt der sich im Bau befindlichen Hochgeschwindigkeitsstrecke A1 von Tel Aviv nach Jerusalem vor (www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/ Trade/Maerkte/suche,t=aktuelle-trends-aus-israel,did=1182630.html)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Beteiligung der erwähnten Firma im Rahmen eines Konsortiums vor. 29. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Beteiligung am Bau einer Eisenbahnstrecke, die wie die A1 teilweise außerhalb der Grünen Linie liegt und sich so in Teilen auf palästinensischem Gebiet befindet, die aber ausschließlich durch israelische Bürgerinnen und Bürger benutzt werden darf, einen Verstoß gegen die IV. Genfer Konvention darstellt? Die Bundesregierung bezieht zu hypothetischen Fragen keine Stellung. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/7980 30. Wie gedenkt die Bundesregierung mit diesem Sachverhalt insbesondere vor dem Hintergrund umzugehen, dass sich ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG bereits aus demselben Projekt zurückgezogen hat und das damalige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits im März 2011 erklärt hat, „dass es sich bei dem Projekt der israelischen Staatsbahn durch von Israel besetztes Gebiet um ein außenpolitisch problematisches und potentiell völkerrechtswidriges Vorhaben handelt, bei dem Statusfragen berührt sind“ (www.inge-hoeger.de/start/regionalesnrw/ detail/browse/64/kategorie/inge-hoeger-1/zurueck/regionalesnrw/artikel/ bundesregierung-findet-israelisches-bahnprojekt-politisch-sensibel/suchen/)? Auf die Antwort zu Frage 29 wird verwiesen. 31. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung zu Plänen vor, Teile Ostjerusalems der zivilen Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde zu unterstellen und sie zu B-Gebieten zu erklären, und wie steht nach Kenntnis der Bundesregierung die israelische Regierung dazu (www.haaretz.com/israel-news/premium-1.686452)? Die Bundesregierung hat Kenntnis von der Berichterstattung über Vorschläge des ehemaligen Ministers und jetzigen Oppositionspolitikers Haim Ramon, Teile Ostjerusalems der zivilen Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde zu unterstellen. Sie hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Überlegungen umgesetzt werden sollen. 32. Welche konkreten Informationen liegen der Bundesregierung zu Plänen der Palästinensischen Autonomiebehörde vor, ihre Regierungsinstitutionen nach Jerusalem zu verlegen, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Pläne (www.middleeastmonitor.com/news/middle-east/22277-palestinian-authorityto -move-institutions-to-jerusalem)? Es ist erklärtes Ziel der palästinensischen Führung, Ostjerusalem zur Hauptstadt Palästinas zu machen. Dazu gehört auch die Verlegung von Regierungsinstitutionen . Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von konkreten Planungen zu einer Verlegung von Regierungsinstitutionen nach Jerusalem. 33. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung zu Plänen der israelischen Regierung vor, zunehmend Palästinenserinnen und Palästinensern in Ostjerusalem ihr Aufenthaltsrecht in der Stadt (East Jerusalem Residency) zu entziehen (www.haaretz.com/opinion/premium-1.682543)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über konkrete Pläne der israelischen Regierung vor, zunehmend Palästinensern in Ostjerusalem das Aufenthaltsrecht zu entziehen. Nach Angaben des israelischen Innenministeriums wurde von 1967 bis 2014 das Aufenthaltsrecht von insgesamt 14 416 Palästinensern in Ostjerusalem entzogen. Im Jahr 2014 wurden 107, im Jahr 2013 wurden 106 Entzugsfälle registriert. Die Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor. Gründe für diese Entscheidungen werden in der Regel nicht veröffentlicht. 34. Wie beurteilt die Bundesregierung solche Pläne und im Allgemeinen die Praxis , Palästinenserinnen und Palästinensern aus Ostjerusalem ihr Aufenthaltsrecht zu entziehen? Die Frage nach dem Status Jerusalems zählt zu den sogenannten Endstatusfragen, die nach Überzeugung der Bundesregierung nur im Rahmen von Verhandlungen Drucksache 18/7980 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode für eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen der israelischen und der palästinensischen Seite zu lösen sind. Entsprechend sehen auch die im Rahmen des Oslo- Prozesses 1993 bis 1995 zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen vor, die Jerusalemfrage im Rahmen von Friedensverhandlungen zu lösen. Einseitige Veränderungen des Status quo – etwa durch Veränderungen der Demographie – sind im Licht dieser Vereinbarungen nicht akzeptabel. Ein Entzug des Aufenthaltsrechts kann ferner schwerwiegende soziale und wirtschaftliche Konsequenzen für die Betroffenen und ihre Angehörigen nach sich ziehen. Im Einzelfall kann der Entzug des Aufenthaltsrechts völkerrechtlich zulässig sein. Das humanitäre Völkerrecht geht von dem Grundsatz aus, dass die in einem besetzten Gebiet ansässige Zivilbevölkerung ihren Aufenthalt dort behält. Jedoch kann die Besatzungsmacht die Bevölkerung des besetzten Gebietes Bestimmungen unterwerfen , die ihr unerlässlich erscheinen zur Erfüllung der ihr durch das IV. Genfer Abkommen von 1949 auferlegten Verpflichtungen, zur Aufrechterhaltung einer ordentlichen Verwaltung des Gebietes und zur Gewährleistung der Sicherheit. Hierzu können Bestimmungen gehören, die zu einer Änderung des Aufenthaltsstatus im Einzelfall führen. 35. Wie viele Jerusalem-IDs (Jerusalem-Ausweise) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren entzogen (bitte nach Jahren auflisten , angeben, wie viele Jerusalem-IDs im jeweiligen Jahr entzogen wurden und welche Gründe hierfür angegeben wurden)? Folgende Zahlen liegen der Bundesregierung vor: 2005: 222 Entziehungen; 2006: 1 363 Entziehungen; 2007: 229 Entziehungen; 2008: 4 577 Entziehungen; 2009: 720 Entziehungen; 2010: 191 Entziehungen; 2011: 101 Entziehungen; 2012: 116 Entziehungen; 2013: 106 Entziehungen; 2014: 107 Entziehungen (Quelle: Israelische Nichtregierungsorganisation HaMoked). 36. In welchen militärischen Bereichen genau trainierten die Bundeswehr und die israelische Armee im Oktober 2015 in Israel (bitte auflisten, was genau trainiert wurde und welche Einheiten auf beiden Seiten daran beteiligt waren (www.haaretz.com/israel-news/.premium-1.682675))? Kräfte der 1. Panzerdivision wurden im Rahmen der Ausbildung am Urban Warfare Training Center (UWTC) in TZE`ELIM in den Bereichen Pioniere, Sanitätskräfte und leichte Infanterie durch fachlich entsprechende israelische Kräfte ausgebildet. 37. Welche konkreten Szenarien wurden dabei eingeübt? Im Schwerpunkt der Ausbildung stand der Kampf im bebauten Gelände einschließlich des Zusammenwirkens mit Unterstützungskräften wie Pionieren und Sanitätskräften. 38. Inwiefern hat die Bundeswehr bei diesem Training auch von konkreten Erfahrungen , die auf Seiten der israelischen Streitkräfte in den besetzten palästinensischen Gebieten gemacht wurden, profitiert? Die Ausbildung beschränkte sich auf die Ausbildung von allgemeinen deutschen und israelischen Techniken und Praktiken im Kampf im bebauten Gelände. Eine Verbindung zu konkreten Erfahrungen in den palästinensischen Gebieten wurde bereits im Zuge der Planungen der Ausbildung ausgeschlossen und gegenüber Israel auch so kommuniziert. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/7980 39. Aus welchem Grund hat die Bundeswehr dieses Training ausgerechnet mit der israelischen Armee und nicht mit der Armee eines anderen befreundeten Staates vollzogen? Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden weltweit in den unterschiedlichsten Terrains, häufig auch im bebauten Gelände, eingesetzt. Deshalb hat die Bundeswehr ein sehr hohes Interesse daran, von den Kompetenzen der israelischen Streitkräfte zu lernen. Es dient dem Schutz des Lebens der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz. 40. Welche für das gemeinsam mit der israelischen Armee vollzogene Training notwendigen Vorrichtungen sind in Deutschland nicht verfügbar? Für die Ausbildungsthematik Kampf im bebauten Gelände wird zurzeit am Gefechtsübungszentrum Heer der urbane Ballungsraum SCHNÖGGERSBURG errichtet . Eine vollumfängliche ausbildungsbezogene Nutzung dieser Ausbildungsanlage ist nicht vor 2018 zu erwarten. Darüber hinaus kann die Ausbildung in heißem und trockenem Klima stattfinden, wie es am Rande der Negev-Wüste vorherrscht . 41. Wie viel hat das gemeinsame Training mit der israelischen Armee die Bundesrepublik Deutschland gekostet? Die Ausbildung der deutschen Kräfte ist kostenbezogen mit der Ausbildung an einer deutschen Ausbildungseinrichtung in diesem Umfang vergleichbar. 42. Welche gemeinsamen Übungen mit der israelischen Armee sind für wann und unter Beteiligung welcher Einheiten geplant (bitte auflisten)? Nach heutigem Sachstand sind keine weiteren Übungen mit der israelischen Armee geplant. 43. Wie weit ist der Wiederaufbau des Gazastreifens nach dem Krieg vom Sommer 2014 nach Kenntnis der Bundesregierung vorangeschritten (bitte angeben , wie viel Prozent der zerstörten Gebäude und Infrastruktur bereits wieder aufgebaut worden sind)? Detaillierte Angaben zum aktuellen Stand des Wiederaufbaus gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung nicht. Die palästinensische Seite hatte im August 2015 Wiederaufbaubedarfe und -prioritäten identifiziert; eine Zwischenbilanz steht jedoch aus. Der Wiederaufbau kam in der ersten Jahreshälfte 2015 schleppend voran , stieg jedoch nach einer israelisch-palästinensischen Einigung über die Einfuhr von Baumaterial im Juni 2015 kontinuierlich (78 Prozent Zunahme der Einfuhr ). Nach Angaben des Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) gibt es Fortschritte bei der Reparatur von rund 160 000 Wohneinheiten, die geringfügig beschädigt worden waren. Bis Ende Januar dieses Jahres konnten rund 15 Prozent der obdachlos gewordenen Familien in wiederaufgebaute Wohnungen zurückkehren; zudem ist der Wiederaufbau der Wohnungen von weiteren 11 Prozent im Gange. Der Wiederaufbau der Wohnungen der restlichen 74 Prozent der Familien hat noch nicht begonnen. Drucksache 18/7980 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 44. Wie viele Menschen sind nach Kenntnis der Bundesregierung infolge des Gazakrieges vom Sommer 2014 bis heute obdachlos? Laut den Angaben des Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) konnten über 16 000 Familien (über 90 000 Menschen) infolge des Gazakonflikts 2014 bislang noch nicht in ihre Wohnungen zurückkehren und gelten somit weiterhin als binnenvertrieben. 45. Wie viele Menschen bedürfen nach Kenntnis der Bundesregierung infolge des Gazakrieges bis heute medizinischer Hilfe, und inwieweit kann diese im Gazastreifen geleistet werden? Über 11 200 Menschen wurden laut den Angaben der Vereinten Nationen während des Gazakonflikts im Sommer 2014 verletzt, davon ca. 3 400 Kinder. Laut OCHA benötigen ca. 300 000 Kinder psycho-soziale Unterstützung. Das von der palästinensischen Seite vorgelegte „Detailed Needs Assessment (DNA) and Recovery Framework for Gaza Reconstruction“ geht davon aus, dass ca. 10 Prozent der im Gazakonflikt Verletzten langfristig oder dauerhaft gesundheitlich beeinträchtigt sein werden. Dazu zählen sowohl psychische als auch physische Beeinträchtigungen . Das Gesundheitssystem im Gazastreifen ist derzeit nur bedingt in der Lage, die erforderliche medizinische Hilfe zu leisten, da während des Konfliktes nach Angaben des palästinensischen „Needs Assessment“ 18 Krankenhäuser sowie 60 Gesundheitszentren in Gaza beschädigt und ein Krankenhaus und drei Gesundheitsstationen komplett zerstört wurden. Zudem ist der Betrieb der bestehenden Krankenhäuser und Gesundheitsstationen aufgrund der mangelhaften Stromversorgung in Gaza stark eingeschränkt. 46. Inwieweit sind die von der internationalen Gemeinschaft zugesagten Hilfsgelder (5,4 Milliarden US-Dollar) inzwischen bezahlt worden? Wie viel Prozent der Gelder stehen weiterhin aus (bitte nach Geberländern auflisten)? Die Weltbank wurde mit dem Monitoring der Einhaltung der Geberzusagen bei der Gaza-Wiederaufbaukonferenz in Kairo beauftragt. Mit Stand vom 31. August 2015 sind laut Weltbank 35 Prozent der zugesagten Mittel zur Unterstützung von Gaza ausgezahlt worden. Die Ergebnisse der Weltbank können unter folgendem Link eingesehen werden: www.worldbank.org/en/programs/rebuilding-gaza-donorpledges . 47. Wie viel Prozent der von Deutschland für den Wiederaufbau des Gazastreifens zugesagten Gelder sind inzwischen bezahlt worden? Sofern noch nicht die gesamte zugesagte Summe gezahlt wurde, wann soll der restliche Betrag gezahlt werden? Die Gesamtzusage der Bundesregierung bei der Gaza-Wiederaufbaukonferenz betrug 50 Mio. Euro. Alle von Deutschland bei der Gaza-Wiederaufbaukonferenz in Kairo zugesagten Vorhaben für den Wiederaufbau des Gazastreifens sind in Umsetzung bzw. zum Teil bereits abgeschlossen. Mit Stand vom 29. Februar 2016 sind 43,27 Mio. Euro ausgezahlt worden. Die noch ausstehenden Mittel sollen nach gegenwärtiger Planung abhängig von konkreten Baufortschritten bis Ende 2016 abfließen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/7980 48. An wen werden die Gelder auf palästinensischer Seite bezahlt? Im Rahmen der deutsch-palästinensischen Entwicklungszusammenarbeit erfolgt die Zusammenarbeit mit der palästinensischen Behörde in Ramallah. Umgesetzt werden die Vorhaben durch die deutschen Durchführungsorganisationen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), durch Nichtregierungsorganisationen und multilaterale Organisationen wie zum Beispiel das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina -Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), an die auch die Zahlungen erfolgen. 49. Inwieweit lassen die israelische Regierung und die israelischen Sicherheitsbehörden nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen die für den Wiederaufbau benötigten Hilfsgüter in den Gazastreifen? Die israelische Regierung kategorisiert Materialien, die auch für nichtzivile Zwecke verwendet werden können, als so genannte Dual-Use-Materialien. Die Listen mit diesen Materialien sind über die Website des israelischen Verteidigungsministeriums abrufbar: www.exportctrl.mod.gov.il/ExportCtrl/Hakika/ Hazaat_hok/. Diese Materialien bedürfen einer gesonderten Koordinierung zur Einfuhr in den Gazastreifen sowie einer Nachverfolgung ihrer Nutzung. Zu diesem Zweck haben sich die palästinensische und die israelische Seite nach dem Gaza-konflikt 2014 auf einen temporären Mechanismus zur Einfuhr und Nachverfolgung der Dual-Use-Materialien in den Gazastreifen geeinigt. Über diesen Mechanismus ist die Einfuhr der für den Wiederaufbau benötigten Hilfsgüter im Wesentlichen möglich, wenn auch Verzögerungen und Komplikationen die Planbarkeit und Vorhersehbarkeit der Einfuhr bisweilen beeinträchtigen. Die Dual- Use-Liste unterliegt zudem Veränderungen. Seit Oktober 2014 ist für den Wiederaufbau benötigtes Baumaterial in Höhe von 607 706 Tonnen Stahl und Beton eingeführt worden (Stand Januar 2016, Quelle: Shelter Cluster Palestine). 50. Welche für den Wiederaufbau benötigten Hilfsgüter werden von der israelischen Regierung und den israelischen Sicherheitsbehörden bislang nicht in den Gazastreifen gelassen (bitte einzeln auflisten)? Auf die Antwort zu Frage 49 wird verwiesen. 51. Ist die Bundesregierung grundsätzlich gegen eine Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen und in Organisationen der Vereinten Nationen, bevor ein Abkommen zwischen Israelis und Palästinenserinnen und Palästinensern erzielt wurde? 52. Welche konkreten Vorbedingungen müssen nach Ansicht der Bundesregierung erfüllt sein, damit sie einer Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der Vereinten Nationen zustimmt? Die Fragen 51 und 52 werden zusammengefasst beantwortet. Gemäß der Charta der Vereinten Nationen können alle friedliebenden Staaten, welche die Verpflichtungen aus dieser Charta übernehmen und nach dem Urteil der Organisation fähig und willens sind, diese Verpflichtungen zu erfüllen, den Vereinten Nationen beitreten. Dies erfolgt auf Empfehlung des Sicherheitsrats durch Beschluss der Generalversammlung. Die Bundesregierung würde sich wünschen, im Rahmen einer Friedenslösung Palästina zu gegebener Zeit als Mitglied der Vereinten Nationen begrüßen zu können. Drucksache 18/7980 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 53. Welche Vorbedingungen müssen nach Ansicht der Bundesregierung erfüllt sein, damit sie der palästinensischen Vertretung in Deutschland den Rang einer Botschaft zuerkennt? Voraussetzung für die Zuerkennung des Ranges einer Botschaft ist die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. 54. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Stopp des Exportes jeglicher Rüstungsgüter in den Nahen Osten zur Befriedung der Lage dort beizutragen geeignet wäre? Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive Rüstungsexportpolitik. Entscheidungen werden jeweils im Einzelfall getroffen. Dies gilt auch für die Staaten des Nahen Ostens. Dabei werden alle Aspekte des jeweiligen Falls berücksichtigt, gewichtet und abgewogen. Grundlage sind unter anderem die Politischen Grundsätze der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 und der Gemeinsame Standpunkt der EU aus dem Jahr 2008. Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333