Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. April 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/8066 18. Wahlperiode 12.04.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Irene Mihalic, Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7944 – Ausreise gewaltbereiter Islamisten aus Deutschland im Jahr 2015 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundeskriminalamt (BKA) hat Presseberichten zufolge (vgl. DIE WELT, 23. Februar 2016) inzwischen mehr als 800 Islamisten registriert, die in den vergangenen Jahren nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind und sich vor Ort Terrorgruppen wie der Miliz Islamischer Staat (IS) oder der Al-Nusra-Front angeschlossen haben. Etwa ein Drittel dieser ausgereisten Personen soll sich aber derzeit wieder in Deutschland befinden. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen zudem davon aus, dass mehr als 130 Dschihadisten aus der Bundesrepublik Deutschland inzwischen in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind. Davon einige als Selbstmordattentäter. In Fortführung seiner Studie „Radikalisierungshintergründe und -verläufe von aus Deutschland nach Syrien Ausgereisten“ hat das BKA demnach inzwischen auch die Lebensläufe von 677 „Dschihad-Reisenden“ untersucht, die bis Ende Juni 2015 ausgereist waren. Das Ergebnis der Untersuchung: Im Durchschnitt handelt es sich bei den Fanatikern aus Deutschland um Männer im Alter zwischen 22 und 25 Jahren. Mehr als 60 Prozent besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft . Etwa 10 Prozent gingen zum Zeitpunkt der Ausreise noch zur Schule. Rund ein Sechstel der Personen ist zum Islam konvertiert, und zwei Drittel der Ausgereisten hatten bereits Straftaten begangen. Die Präsentation dieser Ergebnisse bietet die Gelegenheit, jetzt die relevanten Daten für das Jahr 2015 abzufragen – auch im Lichte der Mitte 2015 in Kraft getretenen Änderungen im Pass- und im Personalausweisgesetz. In der Presse wurden nun Berichte veröffentlicht über sog. Mitgliederlisten des Islamischen Staates – darunter auch Namen seiner ausländischen Kämpferinnen und Kämpfer und darunter wiederum auch deutsche Staatsangehörige. Der komplette Datensatz soll Namen von über 22 000 IS-Kämpferinnen und -Kämpfern enthalten. Den deutschen Sicherheitsbehörden sollen hieraus bislang aber nur ca. 30 Datenblätter vorliegen. Die Frage ist, ob sich hierunter auch bislang unbekannte aus Deutschland stammende IS-Aktivistinnen und -Aktivisten identifizieren lassen – und ob infolge dessen auch Strafverfahren gegen solche Personen möglich werden, die bislang nicht als aktive IS-Mitglieder bekannt waren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8066 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Diese Dokumente sollen aus Befragungen des IS stammen, welcher neue Rekruten bei der Einreise in das vom IS beherrschte Gebiet in Syrien durchführte. 23 Fragen wurden neu einreisenden Dschihadisten gestellt, darunter solche, ob die Einreisenden beispielsweise als Kämpfer oder Selbstmordattentäter eingesetzt werden wollen. Das Bundeskriminalamt hält diese Unterlagen für authentisch (Quellen: SZ vom 8. März 2016 sowie DIE WELT vom 11. März 2016). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Einblicke in Mitgliederlisten von terroristischen Organisationen bieten den Sicherheitsbehörden wertvolle Ansätze für weitere Ermittlungs- sowie Aufklärungsmaßnahmen . Daher waren und sind die Bundessicherheitsbehörden bestrebt , in den Besitz der Listen zu Mitgliedern des sog. Islamischen Staates (IS) zu kommen. Die Bundessicherheitsbehörden haben verschiedene IS-Mitgliederlisten auf unterschiedlichen Wegen, u. a. von Interpol und anderen Ländern erhalten, darunter auch die in Pressemeldungen erwähnte Liste der „22 000“ Mitglieder. Allerdings wurden keine Datensätze von Medienvertretern bzw. Journalisten an die Bundessicherheitsbehörden übergeben. Der tatsächliche Umfang des Datenbestandes ist bislang nicht eindeutig, eine erste Sichtung hat bereits Hinweise auf Doppelungen ergeben. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass nicht zu allen Mitgliedern des IS solche Registrierungsbögen vorliegen bzw. im Umlauf sind. Es handelt sich nach einer ersten Bewertung um eine Teilmenge, die einen eingeschränkten Zeitraum umfasst (überwiegend 2013/2014). Die Bundessicherheitsbehörden nehmen bei den bereits ausgewerteten Dokumenten an, dass diese authentisch sind. Ein Zugriff auf weitere Daten aus dem Gesamtdatenbestand ist derzeit nicht ersichtlich. Im Rahmen der ersten Sichtung der vorliegenden Datensätze ergaben sich Hinweise darauf, dass sich unter ihnen auch Deutsche oder aus Deutschland stammende Personen befinden, unter anderem sind diese als Bürge erwähnt oder gaben sogar an, als Kämpfer eingesetzt werden zu wollen. Einige waren bereits im Zusammenhang mit Ausreisen nach Syrien bekannt. 1. Wie viele Deutsche bzw. aus Deutschland stammende Personen sind im Jahr 2015 bislang ins Ausland ausgereist, um sich – zumindest zeitweilig – auf Seiten gewaltsamer islamistischer Verbände zu engagieren (bitte aufschlüsseln nach folgenden Ländern/Regionen: Syrien, Irak, Iran, Türkei; Libanon, Afghanistan bzw. das afghanisch/pakistanische Grenzgebiet (Waziristan); Jemen; Saudi-Arabien, Katar, Ägypten, Somalia, Kenia, Mali bzw. Nigeria)? Den Bundessicherheitsbehörden liegen derzeit Erkenntnisse zu etwa 150 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die im Jahr 2015 in Richtung Syrien/Irak gereist sind, um dort auf Seiten des sog. IS und anderer terroristischer Gruppierungen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Teilweise liegen keine Ausreisedaten vor oder werden erst im Nachhinein bekannt . Bei der Angabe handelt es sich daher um einen Orientierungswert. Zu Reisen in andere Regionen, um sich dort auf Seiten gewaltsamer islamistischer Verbände i. S. einer Kampfbeteiligung zu engagieren, liegen für das Jahr 2015 keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8066 2. Wie viele dieser Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung dort umgekommen (bitte für das Jahr 2015 sowie auch insgesamt für die Jahre 2007 bis 2015 aufschlüsseln)? Den deutschen Sicherheitsbehörden liegen Hinweise zu ca. 130 Personen vor, dass diese seit Beginn des Konfliktes in Syrien in der Region ums Leben gekommen sind. Hinweise auf Todesfälle im Sinne der Anfrage: 2013: vereinzelt 2014: mehr als 50 2015: ca. 130. Vor 2013 lagen keine Hinweise auf entsprechende Todesfälle vor. Die Todesfälle sind fortlaufend addiert. Darüber hinaus liegen vereinzelt Hinweise zu Todesfällen deutscher Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die bspw. in der Region Afghanistan/Pakistan bzw. in Somalia ums Leben gekommen sind. 3. Wie viele dieser aus Deutschland stammenden Personen sind a) deutsche Staatsangehörige, b) Unionsbürgerinnen/Unionsbürger bzw. c) Drittstaatsangehörige mit einem deutschen Aufenthaltstitel? Bei dem überwiegenden Teil der im Jahr 2015 aus Deutschland ausgereisten Personen handelt es sich um deutsche Staatsangehörige (z. T. doppelte Staatsbürgerschaft ). Vereinzelt wurden im Jahr 2015 Ausreisen von EU-Bürgern aus Deutschland heraus festgestellt. Ferner sind einige Ausreisen von Drittstaatsangehörigen mit deutschem Aufenthaltstitel festgestellt worden. 4. Wie viele dieser aus Deutschland stammenden Personen sind Frauen und wie viele sind Männer? Etwa ein Fünftel der aus Deutschland ausgereisten Islamisten ist weiblich. 5. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Teilnahme an nichtinternationalen bewaffneten Konflikten für deutsche Staatsangehörige von der Möglichkeit a) der Passversagung (§ 7 Absatz 1 des Passgesetzes – PassG), b) der Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs eines Passes (§ 7 Absatz 2 Alternative 1 PassG), c) der Beschränkung der Gültigkeitsdauer eines Passes (§ 7 Absatz 2 Alternative 2 PassG), d) der Passentziehung (§ 8 PassG) Gebrauch gemacht (bitte für das Jahr 2015 sowie jeweils nach den Staaten aufschlüsseln, in denen der bewaffnete Konflikt stattfand)? 6. In wie vielen Fällen wurde von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 6 Absatz 7 des Personalausweisgesetzes (PAuswG) anzuordnen, dass der Ausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt (bitte für das Jahr 2015 jeweils nach Gründen und den Staaten aufschlüsseln, in denen der bewaffnete Konflikt stattfand)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8066 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode a) Wie oft wurde im Jahr 2015 die angeordnete Ausstellung eines Ersatzausweises nach Kenntnis der Bundesregierung vollzogen? b) In wie vielen Fällen wurde im Jahr 2015 die angeordnete Ausstellung eines Ersatzausweises nach Kenntnis der Bundesregierung nicht vollzogen und dies jeweils aus welchem Grund (bitte tabellarisch aufschlüsseln)? c) In wie vielen Fällen wurde im Jahr 2015 von Personen, für die der Austausch des Personalausweises gegen ein räumlich auf die Bundesrepublik Deutschland beschränktes Ersatzdokument angeordnet wurde, angegeben , dass der Personalausweis verloren gegangen oder gestohlen worden sei? d) Bei wie vielen Grenzkontrollen wurden im Jahr 2015 Personen festgestellt , die ausschließlich ein räumlich auf die Bundesrepublik Deutschland beschränktes Ersatzdokument mitführten? Die Fragen 5 und 6 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Zuständig für Maßnahmen im Zusammenhang mit Ausreiseuntersagungen bzw. Pass- und Personalausweisangelegenheiten sind die von den Ländern bestimmten Ordnungsbehörden. Nach Maßgabe von § 10 Absatz 1 des Paßgesetzes (PaßG) können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden ebenfalls die Ausreise untersagen. Die Sicherheitsbehörden des Bundes sind auf die Meldungen der Sicherheitsbehörden der Länder angewiesen . Nach Kenntnis der Bundesregierung werden in den Ländern Maßnahmen der Passbehörden sicherheitsbehördlich nicht statisch nachgehalten und können retrograd auch nicht erhoben werden. Abschließende und vollumfängliche Aussagen zu Maßnahmen der Länder sind der Bundesregierung daher nicht möglich. Die Bundessicherheitsbehörden haben Kenntnis von behördlich verhängten Ausreiseverbotsverfügungen der Länder im Zusammenhang mit Ausreisen in Richtung Syrien/Irak über den gesamten Zeitraum im niedrigen dreistelligen Bereich. Darüber hinaus sind 30 Ausreiseuntersagungen einhergehend mit dem Entzug des Reisepasses sowie der Beschränkung des Personalausweises auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2015 bekannt. Eine weitere Differenzierung ist aus den genannten Gründen nicht möglich. Auf Grund dessen werden sich die Länder voraussichtlich in Vorbereitung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren mit dem Thema befassen. Ziel ist es, sowohl die Ausstellungspraxis in Bezug auf Ersatzpersonalausweise als auch die Erhebungspraxis deutlich zu verbessern. Die Erhebung soll monatsscharfe Fallzahlen zu erfolgten Personalausweisversagungen , Personalausweisentziehungen, ausgestellten Ersatzpersonalausweisen, Passversagungen und Passentziehungen enthalten. 7. In wie vielen Fällen wurde einer/einem Deutschen gegen die/den eine Maßnahme nach § 7 Absatz 1, § 8 Absatz 2 PassG oder § 6 Absatz 7 PAuswG getroffen wurde, gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 PassG die Ausreise in das Ausland untersagt (bitte für das Jahr 2015 sowie nach dem jeweiligen Ziel-/ Transitland der beabsichtigten Reise aufschlüsseln)? Im Jahr 2015 untersagte die Bundespolizei sechs deutschen Staatsangehörigen die Ausreise. Zielländer waren in drei Fällen die Tschechische Republik, in zwei Fällen Österreich und in einem Fall die Türkei. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8066 8. In wie vielen Fällen wurde einer/einem Deutschen die Ausreise ins Ausland in der Annahme untersagt, dass die Voraussetzungen für eine Passversagung bzw. Passbeschränkung vorliegen (§ 10 Absatz 1 Satz 2 und 3 i. V. m. § 7 Absatz 1 bzw. 2 PassG) (bitte für das Jahr 2015 sowie nach dem jeweiligen Ziel-/Transitland der beabsichtigten Reise aufschlüsseln)? 9. In wie vielen Fällen wurde Drittstaatsangehörigen nach § 46 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) i. V. m. § 10 Absatz 1 und 2 PassG die Ausreise untersagt (bitte für das Jahr 2015 jeweils nach den Staaten aufschlüsseln , in denen der bewaffnete Konflikt stattfand)? 10. Wie viele Personen haben Deutschland verlassen, um sich im Zielland – zumindest zeitweilig – auf Seiten gewaltsamer islamistischer Verbände zu engagieren , a) obwohl ihnen pass- bzw. personalausweis- oder aufenthaltsrechtlich das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland untersagt worden war, b) obwohl sie zum Zeitpunkt der Ausreise per Haftbefehl gesucht wurden, c) obwohl sie zum Zeitpunkt der Ausreise unter Bewährungsauflagen standen bzw. d) obwohl sie zum Zeitpunkt ihrer Ausreise Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG unterlagen (bitte jeweils für das Jahr 2015 sowie auch insgesamt für die Jahre 2007 bis 2015 aufschlüsseln)? Die Fragen 8 bis 10 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 verwiesen 11. Wie viele Personen sind (zumindest zeitweilig) aus ihrem islamistischen Auslandseinsatz nach Deutschland zurückgekehrt (bitte für das Jahr 2015 und auch insgesamt für die Jahre 2007 bis 2015 sowie nach den in Frage 1 aufgeführten Ländern aufschlüsseln)? Etwa ein Drittel der seit 2012 in Richtung Syrien/Irak gereisten Personen befindet sich derzeit wieder in Deutschland. Als Ergebnis der kontinuierlichen Aus- und Bewertung der Erkenntnislage zu zurückgekehrten Personen liegen den Sicherheitsbehörden aktuell zu über 70 Personen Erkenntnisse vor, wonach sie sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder hierfür eine Ausbildung absolviert haben. Hinweise auf Rückkehrer im Sinne der Anfrage: 2013: vereinzelte Hinweise bezogen auf ca. 240 Ausreisen 2014: etwa 1/3 bezogen auf ca. 550 Ausreisen 2015: etwa 1/3 bezogen auf ca. 780 Ausreisen. Vor 2013 lagen keine Hinweise auf entsprechende Rückkehrer vor. Die Ausreisen sind fortlaufend addiert. Rückreisen von Kämpfern aus anderen Regionen konnten im Jahr 2015 nicht festgestellt werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8066 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Bei wie vielen dieser Personen hat die Bundesregierung Erkenntnisse dahingehend , dass sie a) den bewaffneten Kampf (zumindest in Deutschland bzw. in Europa) nicht weiter fortführen wollen bzw. können (z. B. aufgrund von Verletzungen bzw. Traumatisierungen bzw. eines entsprechenden Sinneswandels), b) nach Deutschland zurückkehren wollen? Entsprechende gesicherte Erkenntnisse im Sinne der Anfrage liegen der Bundesregierung nicht vor. Die eingangs zitierte und im Auftrag der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren erstellte „Analyse der Radikalisierungshintergründe und -verläufe der Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland in Richtung Syrien oder Irak ausgereist sind“ kommt zu dem Ergebnis , dass elf Prozent aufgrund von Desillusion und/oder Frustration zurückgekehrt sind, neun Prozent sind aufgrund des Drucks der Familie oder anderer Personen aus dem sozialen Nahraum zurückgekehrt. Äußerer Zwang seitens islamistischjihadistischer Gruppen wurde in zehn Prozent der Fälle als Motiv für die Rückkehr vermutet. Bei sieben Prozent gehen die Behörden von einer taktisch motivierten Rückkehr aus, etwa um sich zu erholen oder um neue Ausrüstung oder Geld zu besorgen, mit dem der Kampf in Syrien oder dem Irak weitergeführt oder unterstützt werden soll. 13. Gegen wie viele Personen wurden Ermittlungsverfahren wegen staatsgefährdender Gewalttaten (§§ 89a, 89b des Strafgesetzbuchs – StGB), wegen des Anwerbens für einen fremden Wehrdienst (§ 109h StGB), wegen der Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen im Ausland (§ 129b StGB) oder wegen sonstiger Gewalttaten eingeleitet, bevor oder nachdem gegen sie eine oder mehrere der in den Fragen 5 bis 10 aufgeführten Maßnahmen getroffen wurden (bitte für das Jahr 2015 und danach aufschlüsseln, ob das Verfahren vor oder nach der ordnungsrechtlichen Maßnahme eingeleitet wurde)? Angesichts der Vielzahl der offenen Verfahren und der Tatsache, dass ordnungsbehördliche Maßnahmen zur Verhinderung von Ausreisen nicht zwingend in den Ermittlungsakten abgebildet werden, können keine belastbaren Auskünfte dahin erteilt werden, ob Ermittlungsverfahren vor oder nach solchen Maßnahmen eingeleitet wurden. Mit Stand vom 24. März 2016 sind dem Bundeskriminalamt (BKA) insgesamt 611 Personen bekannt, die Beschuldigte in Ermittlungsverfahren gemäß den §§ 89a, 89b, 109h oder §§ 129a, 129b des Strafgesetzbuches (StGB) im Kontext von Ausreisen aus Deutschland in Richtung Syrien/Irak sind. Die Anzahl der Beschuldigten in laufenden Ermittlungsverfahren stellt sich demnach wie folgt dar: Ermittlungsverfahren gemäß §§ 129a, 129b StGB: 202 Beschuldigte Ermittlungsverfahren gemäß § 89a StGB: 387 Beschuldigte Ermittlungsverfahren gemäß § 89b StGB: 13 Beschuldigte Ermittlungsverfahren gemäß § 109h StGB: 9 Beschuldigte. Sofern ein Ermittlungsverfahren mehrere Strafnormen umfasst, wurde das schwerwiegendere Delikt gezählt. Gegen 119 der insgesamt 611 Personen wurden in der Vergangenheit ordnungsbehördliche Ausreiseverbotsverfügungen erteilt. Davon sind 78 aktuell noch gültig . Die übrigen 51 Verfügungen sind zwischenzeitlich ausgelaufen oder wurden aufgehoben bzw. zurückgenommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8066 14. Wie viele Deutsche haben seit dem Jahr 2007 ihre deutsche Staatsangehörigkeit wegen des unerlaubten Eintritts in einen ausländischen militärischen Verband gemäß § 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) verloren? a) Wie viele diese Fälle betrafen welchen militärischen Verband (bitte nach Jahren und nach den einzelnen Verbänden aufschlüsseln)? b) Welche andere Staatsangehörigkeit besaßen diese ehemaligen Deutschen jeweils? Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) tritt automatisch kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines vorherigen Verfahrens bedarf. Eine statistische Erfassung ist deshalb nicht möglich. Im Entscheidungsregister EStA (Register der Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten ) werden derartige Verlustfälle nur erfasst, wenn es im Rahmen eines Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahrens zu einer Verlustfeststellung gekommen ist. Seit 2007 sind in EStA 33 derartige Verlustfälle eingetragen . Welche sonstigen Staatsangehörigkeiten die Betroffenen besaßen und in welche militärischen Verbände sie eingetreten sind, wird in EStA nicht erfasst. Da in derartigen Fällen Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren nur selten durchgeführt werden, ist von einer höheren Dunkelziffer auszugehen. Das Bundesverwaltungsamt hat seit 2011 insgesamt 452 Personen nach einem Verlust nach § 28 StAG wiedereingebürgert. Der Verlust der Staatsangehörigkeit kann in diesen Fällen auch vor dem Jahr 2007 liegen oder die Wiedereinbürgerung kann ohne vorheriges förmliches Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren erfolgt sein. Bei diesen Wiedereinbürgerungsfällen war stets der Eintritt in militärische Verbände befreundeter Staaten (schwerpunktmäßig Israels) vorausgegangen, für den eine Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung möglich gewesen wäre. 15. Für wie viele Personen, die dem Bereich „gewaltbereiter Islamismus“ zugerechnet werden können, liegen derzeit insgesamt wie viele nicht vollstreckte Haftbefehle vor (mit der Bitte um tabellarische Darstellung, die die Entwicklung bis in Jahr 2001 nachzeichnet)? Mit Stand 23. September 2015 sind im BKA bundesweit im Phänomenbereich der religiös motivierten politischen Ausländerkriminalität (PMAK -religiös motiviert -) gegen 76 Personen offene Haftbefehle bekannt. Eine Aufschlüsselung nach Jahren ist in diesen Fällen nicht erfasst und daher nicht möglich. Bei allen offenen Haftbefehlen im Bereich PMAK -religiös motiviert- befinden sich die Personen entweder an einem bekannten Aufenthaltsort im Ausland oder an einem unbekannten Aufenthaltsort. In Verfahren des Generalbundesanwalts bestehen folgende nicht vollstreckte Haftbefehle, die sich auf Ausreisesachverhalte bei gewaltbereiten Islamisten (Haftbefehle wurden nach Ausreise, insbesondere nach Afghanistan, Irak oder Syrien, beantragt; in diesen Ländern wurden die Taten begangen, derer die Beschuldigten dringend verdächtig sind) beziehen: 2008: 3 2009: 1 2010: 5 2012: 1 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8066 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2013: 3 2014: 6 2015: 16. 16. In wie vielen Fällen haben die deutschen Sicherheitsbehörden (in Umsetzung des Beschlusses der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2009 in Bremerhaven ) eine („ergebnisoffene“) „Entscheidung über die Verhinderung einer Ausreise“ eines gewaltbereiten Islamisten mit welchem Ergebnis durchgeführt (bitte nach den Jahren 2009 bis 2015 aufschlüsseln; vgl. Bundestagsdrucksache 18/3629)? Zahlenangaben im Sinne der Anfrage sind nicht bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 verwiesen. Zu den sog. Mitgliederlisten des Islamischen Staates 17. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass sie zumindest über einen Teil dieser 22 000 Namen umfassenden sog. Mitgliederlisten des Islamischen Staates verfügt? 18. Wenn ja, über wie viele Datenblätter oder Datensätze von wie vielen IS-Mitgliedern verfügt die Bundesregierung? 19. Wie viele dieser IS-Mitglieder sind (zumindest auch) deutsche Staatsangehörige bzw. lebten zuvor mit ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit rechtmäßig in Deutschland (bitte nach der jeweiligen Staatsangehörigkeit – also auch nach möglichen doppelten Staatsangehörigkeiten – sowie bitte auch nach dem jeweiligen Geschlecht aufschlüsseln)? 20. Wie viele dieser deutschen Staatsangehörigen bzw. in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer waren der Bundesregierung zuvor bereits als Personen bekannt, die in das syrisch-irakische Kriegsgebiet ausgereist waren , um dort auf Seiten des IS zu kämpfen bzw. waren den deutschen Sicherheitsbehörden als Rückkehrer bekannt? 21. Wie viele Personen wurden in den, den deutschen Behörden vorliegenden, Mitgliederlisten als „Bürgen“ aufgeführt? 22. Wie viele dieser „Bürgen“ konnten als deutsche Staatsangehörige bzw. rechtmäßig in Deutschland lebende Ausländerinnen und Ausländer identifiziert werden? 23. Wie viele dieser vermeintlichen „Bürgen“ von neuen IS-Mitgliedern waren der Bundesregierung zuvor bereits als Aktivistinnen und Aktivisten bzw. als Unterstützerinnen/Unterstützer eines gewaltbereiten Islamismus bekannt? Die Fragen 17 bis 23 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/8066 24. Ergibt sich aus dem Umstand, dass eine Person in diesen Mitgliederlisten als „Bürge“ aufgeführt wird, der strafrechtlich relevante Anfangsverdacht, und wenn ja, in welche Richtung? Vorbehaltlich der abschließenden Aus- und Bewertung der vorliegenden Fragebögen durch die Sicherheitsbehörden kommen grundsätzlich mehrere Straftatbestände in Betracht, soweit jemand als „Bürge“ für eine Person aufgeführt oder als solcher bezeichnet wurde, die sich der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat Irak und Großsyrien“ – ISIG / „Islamischer Staat“ – IS anschließen wollte. Soweit der benannte „Bürge“ kein Mitglied des ISIG / IS ist oder war, kann der Tatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 2, Absatz 5 Satz 1 StGB erfüllt sein. Sollte der „Bürge“ Mitglied dieser Organisation gewesen sein, so wäre die Vermittlung neuer Mitglieder oder die Gewährsübernahme für diese Personen als mitgliedschaftliche Beteiligungshandlung nach § 129a Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 2 StGB strafbar. Voraussetzung für eine Strafverfolgung und damit auch für die Frage des Vorliegens eines Anfangsverdachts ist aber ferner ein „Deutschlandbezug “, beispielsweise über die Staatsangehörigkeit oder den Handlungsort des „Bürgen“. Die Tatsache, dass jemand als „Bürge“ in einem „IS-Fragebogen“ bezeichnet wird, kann deshalb nicht pauschal zur Annahme eines Anfangsverdachts im Sinne des § 152 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) führen, da die Annahme eines solchen Anfangsverdachts eine wertende Gesamtbetrachtung aller bis dahin bekannt gewordenen Umstände des Einzelfalles erfordert. Die Bezeichnung als „Bürge“ dürfte allerdings bei dieser Bewertung eine erhebliche Rolle spielen. 25. Waren gegen einzelne in diesen Mitgliederlisten genannte Personen zuvor bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet worden (sei es wegen Täterschaft oder auch wegen Beihilfe), und wenn ja, gegen wie viele Personen wurden solche Ermittlungsverfahren wegen welcher Straftatbestände eingeleitet, und in wie vielen dieser Ermittlungsvorgänge hat die Generalbundesanwaltschaft die Zuständigkeit an sich gezogen? Zu noch verdeckt geführten Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts können keine Angaben gemacht werden, auch soweit nur die Anzahl entsprechender Verfahren im Zusammenhang mit den thematisierten Fragebögen angefragt ist. Trotz der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, tritt hier nach Abwägung der betroffenen Belange das Informationsinteresse des Parlaments hinter den berechtigten Geheimhaltungsinteressen zurück. Schon bei der Nennung der Anzahl der Verfahren wären Rückschlüsse auf weitere, verdeckt geführte Verfahren möglich, zumal ein Teil der Mitgliederfragebögen bereits in den Medien thematisiert und bewertet wurde und ferner Namen von Personen bekannt geworden sind, von denen Mitgliederbögen vorliegen. Antworten zu diesen Personen könnten deshalb die weiteren Ermittlungen erheblich gefährden oder jedenfalls erschweren . Das Interesse der Allgemeinheit an der Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und Strafverfolgung leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab und hat damit ebenfalls Verfassungsrang (vgl. dazu BVerfGE 51, 324 [343 f.]). Allerdings kann bestätigt werden, dass zu mehreren Personen solche Fragebögen vorliegen, gegen die Ermittlungsverfahren geführt wurden und die im Kampf für die terroristische Vereinigung ISIG / IS zu Tode gekommen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8066 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 26. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es sich bei diesen Mitgliederlisten um authentische Unterlagen des IS handelt, und wenn ja, hält sie die in diesen Mitgliederlisten enthaltenen Informationen darüber hinaus grundsätzlich auch für glaubwürdig? 27. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass zumindest in den ihr vorliegenden Mitgliederlisten „alle bis auf einen“ der deutschen IS-Freiweilligen sich als „Kämpfer“ angeboten haben, und wenn ja, wie viele (bitte auch nach dem jeweiligen Geschlecht aufschlüsseln)? 28. Wie viele Datensätze/Datenblätter umfassen nach Kenntnis der Bundesregierung diese Mitgliederlisten des IS insgesamt (von denen der Bundesregierung ja – wie zu vermuten – ein Teil vorliegt)? Die Fragen 26 bis 28 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 29. Sicherheitsbehörden welcher Mitgliedstaaten der EU bzw. der NATO (hier insbesondere auch der Türkei) haben nach Kenntnis der Bundesregierung Zugriff auf den Gesamtbestand der IS-Mitgliederlisten, auf die Listen der 22 000 IS-Mitglieder, auf Teilmengen dieser Mitgliederlisten? INTERPOL hat allen teilnehmenden Mitgliedstaaten eine Liste mit Daten von 5 185 sogenannten Registrierungsbögen zur Verfügung gestellt. Demnach haben alle Mitgliedstaaten der EU, der NATO sowie die Türkei Zugriff auf diese Daten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 30. Wenn ja, findet hierüber nach Kenntnis der Bundesregierung ein Datenaustausch statt, der den jeweiligen Interessen der Sicherheitsbehörden dieser Länder dient? Ein Informationsaustausch im Sinne der Anfrage mit ausländischen Sicherheitsbehörden findet unter Wahrung der Übermittlungsvorschriften statt. 31. a) Was hat die Bundesregierung unternommen, um den kompletten Datenbestand der IS-Mitgliederlisten zu erhalten? b) Wann ist damit zu rechnen, dass die Bundesregierung auf zusätzliche Daten bzw. den gesamten Datenbestand zugreifen kann? 32. Auf welchem Weg genau ist die Bundesregierung in den Besitz dieser Mitgliederlisten gekommen (z. B. per Überlassung durch Medien oder durch andere Sicherheitsbehörden, durch Abschöpfen eigener Quellen oder durch eine Form des aktiven „Ankaufs“)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/8066 33. Falls sie die Mitgliederlisten von Medien bzw. Journalisten erhalten hat, a) von welchen, b) auf wessen Initiative, c) aufgrund welcher vorherigen Absprachen mit welchen Sicherheitsbehörden , d) welche rechtlichen sowie praktischen Grenzen beachten die Sicherheitsbehörden bei solcher Zusammenarbeit, um angesichts einschlägiger Presserats -Richtlinien (etwa die Nummern 5.2 und 6.1: Verbot von nachrichtendienstlicher Tätigkeit und Doppelfunktionen) die Unabhängigkeit solcher Journalisten sowie der sie beschäftigenden Medien nicht zu kompromittieren ? Die Fragen 31 bis 33 werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333