Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. April 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/8141 18. Wahlperiode 15.04.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7838 – Abschiebungen nach Afghanistan vor dem Hintergrund der Sicherheitslage V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung hat mehrfach ihre Absicht kundgetan, ausreisepflichtige Afghaninnen und Afghanen verstärkt nach Afghanistan abzuschieben. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/7169), „Geplante Verstärkung von Abschiebungen nach Afghanistan“ ausgeführt, dass die „urbanen Zentren durch die afghanische Regierung ausreichend kontrollierbar“ seien. Der Begriff „ausreichend kontrollierbar“ bezeichnet allerdings mitnichten ein sicheres Umfeld für die Zivilbevölkerung, sondern wird unter anderem von der Bundeswehr verwendet, um die Sicherheits- und Bedrohungslage zu beschreiben . Für „ausreichend“ wird es dabei bereits gehalten, „wenn bestehende Bedrohungen eine Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit der afghanischen Bevölkerung, afghanischen Regierung und der Vertreter der internationalen Gemeinschaft darstellen. Dies kann eine räumlich und zeitlich begrenzte Verschlechterung der Sicherheitslage einschließen“ (Fortschrittsbericht Afghanistan , Januar 2014, S. 33). Nach Einschätzung der Fragestellerinnen und Fragesteller ist damit einigermaßen euphemistisch die in Kriegsgebieten typische, durch Kriegsereignisse oder Attentate hervorgerufene „Beeinträchtigung der Bewegungs- und Handlungsfreiheit “ beschrieben, die sich jederzeit und überall noch weiter verschlechtern kann. Eine solche akute Verschlechterung war beispielsweise Ende vorigen Jahres bei der zeitweisen Wiedereinnahme von Kunduz durch die Taliban zu verzeichnen . Der Fortschrittsbericht 2014 verwendet die Bezeichnung „ausreichend kontrollierbar“ selbst durchgehend mit Einschränkungen wie „jedoch heterogen “, „lokal begrenzt volatil“ usw. Der Terminus „ausreichend kontrollierbar“ wurde nach Angaben der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/7169, Antwort zu Frage 6) vom Bundesministerium der Verteidigung definiert und ist „Teil der Militärischen Nachrichtenlage “. Was aus militärischer Sicht womöglich noch für „ausreichend kontrollierbar “ gehalten werden mag, muss dies aber noch lange nicht für Zivilisten sein. Die in Afghanistan allgegenwärtige Todesgefahr durch Kampfhandlungen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8141 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode oder Terroranschläge ist aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller jedenfalls keine „ausreichende“ Sicherheit, um Zivilisten dorthin abzuschieben. Es gibt in Afghanistan Gebiete mit unterschiedlich hohem Risikopotential, aber keine sicheren Gebiete. Vielmehr verschlechtert sich die Sicherheitslage in letzter Zeit erheblich. Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) teilte am 14. Februar 2016 mit, dass die Zahl ziviler Opfer im Jahr 2015 den höchsten Stand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2009 erreicht habe. Demnach starben 3 545 Zivilisten und 7 457 wurden verletzt. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass eine zunehmende Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte noch lange keinen Gewinn an Sicherheit mit sich bringt: Zunehmend sind es nämlich offizielle Polizei -, Hilfspolizei- oder Armeeeinheiten, die für zivile Opfer verantwortlich sind (17 Prozent gegenüber 14 Prozent im Vorjahr). Für Verbrechen verantwortliche Kommandeure der offiziellen Sicherheitskräfte müssen nicht ernsthaft mit einer Strafverfolgung rechnen (Human Rights Watch, 16. Februar 2016). Die afghanische Bevölkerung wird sprichwörtlich zwischen Aufständischen, Regierungsund NATO-Truppen zerrieben. Der Afghanistan-Experte Matthias Ruttig vom Afghan Analysts Network spricht davon, dass die Vorstellung sicherer Zonen „nichts mit Afghanistan zu tun“ habe. „Es gibt nur kleine Inseln in einem Meer von Unsicherheit“, und selbst dort könnten sich die Menschen keine langfristige Existenz aufbauen (Die Presse, 20. Februar 2016). 1. Wann und von wem wurde die Definition der Sicherheitslage mit Verwendung unterschiedlicher Sicherheitsstufen in der heutigen Form festgelegt? Im Rahmen einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe wurde im Jahr 2013 diese Form der qualitativen Bewertungsmethode der Sicherheitslage in Afghanistan erarbeitet (siehe Unterrichtung des Parlaments über die Auslandseinsätze der Bundeswehr (UdP) 22/13, 25/13, 33/13 und 34/13). Kommuniziert und erstmalig angewandt wurde diese Methode in der UdP 42/13 vom 16. Oktober 2013. 2. Welchen konkreten Zweck hat die Beschreibung der Sicherheitslage in den Einsatzgebieten der Bundeswehr? Wer ist im wesentlichen Adressat dieser Beschreibung? Die Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan und den anderen Einsatz- und Missionsgebieten der Bundeswehr auf Grundlage einer standardisierten Methode dient einem einheitlichen Verständnis mit der Möglichkeit zur vergleichenden Betrachtung. Diese findet primär Anwendung auf allen Ebenen der Bundeswehr und des Bundesministeriums der Verteidigung, wie auch der ressortübergreifenden Kommunikation und der Unterrichtung des Parlaments. 3. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine aus Sicht von Berufsmilitärs „ausreichend kontrollierbare“ Lage zugleich eine Lage ist, die aus Sicht in der Region wohnhafter Zivilisten als „sicher“ zu bezeichnen wäre? Inwiefern grenzt die Bundesregierung den militärischen Terminus „ausreichend kontrollierbar“ vom zivilen Terminus „sicher“ ab? Die Definition der Kontrollierbarkeit der Sicherheitslage erfolgte ressortübergreifend auf der Basis der o. g. Bewertungsmethode. Hierbei wird, wenn bekannt, die Perzeption der Sicherheitslage durch die afghanische Bevölkerung mit berücksichtigt . Eine Definition des genannten zivilen Terminus „sicher“, insbesondere im Sinne der Fragestellung, ist hier nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8141 4. Welche Kriterien sind aus Sicht der Bundesregierung an eine für Abzuschiebende ausreichend sichere Lage zu stellen? In jedem Einzelfall wird vor einer Rückführung geprüft, ob die betroffene Person in eine Region nach den gemeinsam beschlossenen Maßgaben des Beschlusses der Innenministerkonferenz (IMK) vom 3./4. Dezember 2015 abgeschoben werden kann. 5. In welchen afghanischen Städten herrscht nach Einschätzung der Bundesregierung nicht durchgehend die Gefahr terroristischer Attentate, denen auch Zivilisten zum Opfer fallen können, wie ist die Sicherheitslage dort zu beurteilen , und auf welcher Grundlage erfolgt diese Einschätzung? Der vorliegend genannte Begriff einer „durchgehenden“ Gefahr terroristischer Attentate ist hier nicht bekannt. Nach hiesigen Erkenntnissen besteht in ganz Afghanistan eine mindestens abstrakte Gefahr von Attentaten, denen auch Zivilisten zum Opfer fallen können. 6. Inwiefern kann nach dem überraschenden Einmarsch der Taliban in Kunduz nach Einschätzung der Bundesregierung ausgeschlossen werden, dass ähnliche Ereignisse auch in anderen afghanischen urbanen Zentren geschehen (bitte begründen)? Eine künftige Entwicklung wie in der Fragestellung dargestellt, kann generell grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Eine tatsächliche dauerhafte Einnahme von Provinzhauptstädten durch die Taliban zeichnet sich bei den derzeitigen Rahmenbedingungen aufgrund der schwerpunktmäßigen Präsenz der afghanischen Sicherheitskräfte in diesen urbanen Zentren bisher nicht ab. 7. Gibt es derzeit in Afghanistan nach Einschätzung der Bundesregierung Regionen , bei denen mit mehr als kurzfristiger Prognose davon ausgegangen werden kann, dass sie unbeeinträchtigt von kriegerischen Ereignissen oder terroristischen Attentaten bleiben (bitte ggf. diese Regionen benennen und die Einschätzung begründen)? Nach hiesigen Erkenntnissen besteht in ganz Afghanistan eine mindestens abstrakte Gefahr von Kampfhandlungen oder Attentaten. 8. Was meint die Bundesregierung konkret mit der Angabe, es gebe in Afghanistan Gebiete, in denen die Lage „vergleichsweise“ stabil sei (Bundestagsdrucksache 18/7169)? a) Auf welche Gebiete oder Situationen bezieht sich dieser Vergleich? b) Um welche Gebiete handelt es sich? c) Inwiefern muss die Sicherheitslage in einer Region nicht nur als „vergleichsweise “, sondern anhand welcher festen Kriterien als stabil erachtet werden, um Abschiebungen vornehmen zu können? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8141 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode d) Welche Prognose über das längerfristige Andauern dieser „angeblich“ stabilen Lage liegt der Bundesregierung vor, und auf welcher Grundlage wurde diese erstellt? e) Wie sicher ist die Lage in diesen „vergleichsweise“ stabilen Regionen für die dort lebenden Menschen? Die Frage 8 wird in ihrer Gesamtheit beantwortet. Insgesamt ist die Sicherheitslage in Afghanistan regional unterschiedlich ausgeprägt , wobei diese aktuell in den meisten urbanen Zentren, darunter fällt die Mehrzahl der Provinzhauptstädte, durch die afghanischen Sicherheitskräfte als „ausreichend kontrollierbar“ gilt. Insgesamt leben dort schätzungsweise zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Die Bedrohung afghanischer, zentralstaatlicher administrativer Einrichtungen und der Sicherheitsorgane des Landes sowie westlicher Staatsangehöriger, deutscher und verbündeter Truppen, Personal und Einrichtungen der Vereinten Nationen oder Hilfsorganisationen (Regierungs-/Nichtregierungsorganisationen) ist am höchsten, da diese die erklärten Hauptziele der Militanz darstellen. Für die zivile Bevölkerung in den Gebieten unter militantem Einfluss ist die Bedrohung dagegen geringer, da die Talibanführung ihre Kämpfer wiederholt glaubhaft und eindeutig angewiesen hat, zivile Opfer zu vermeiden und zivile Infrastruktur zu schonen. Zudem sympathisieren oder kollaborieren auch Teile der Bevölkerung mit der Militanz. Obwohl schätzungsweise die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung damit über Bewegungs- und Handlungsfähigkeit zur Existenzsicherung verfügt, sind gleichwohl Teile der Bevölkerung gezwungen, mit der Militanz zu kooperieren oder umzusiedeln. 9. Wie kommt die Bundesregierung zur Einschätzung, „voraussichtlich“ blieben „die meisten“ urbanen Zentren Afghanistans auch in Zukunft „ausreichend “ kontrollierbar? a) Ist die Schlussfolgerung richtig, dass diese Prognose („die meisten“) eben nicht für sämtliche urbanen Zentren gilt? b) Inwiefern hat die Bundesregierung eine Prognose darüber, welche urbanen Zentren nicht zu „den meisten“ gehören? c) Was bedeutet „voraussichtlich“ in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund , dass die vorübergehende Wiedereinnahme von Kunduz durch die Taliban auch nicht „vorausgesehen“ worden ist? d) Inwiefern ist aus Sicht der Bundesregierung das Risiko, nur „vorübergehend “ von Taliban überrannt, nach einer Woche aber wieder von offiziellen Sicherheitskräften befreit zu werden (wie in Kunduz geschehen), für Abzuschiebende zumutbar angesichts des Umstandes, dass dieser vorübergehenden Taliban-Rückkehr in Kunduz einige Hundert Menschen zum Opfer fielen? Die Frage 9 wird in ihrer Gesamtheit beantwortet. Unter Berücksichtigung der Kategorien Bedrohung, Schutz und Perzeption der Sicherheitslage sowie mehrerer nachgeordneter Einflussfaktoren wie zum Beispiel politischen Institutionen, Sozioökonomie oder externe Einflüsse sind nur Wahrscheinlichkeitsaussagen zur künftigen Sicherheitslage möglich. Daher lassen sich abweichende Entwicklungen für einzelne urbane Zentren Afghanistans wie Kunduz ebenso wenig mit Sicherheit ausschließen wie für andere Orte der Welt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8141 Welche Risiken für Abzuschiebende die Schwelle zu einer „erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit“ im Sinne des § 60 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) überschreiten, obliegt in jedem Einzelfall der Beurteilung der zuständigen Behörden der Bundesländer, die gerichtlich überprüfbar ist. 10. Inwiefern sind aus Sicht der Bundesregierung an die Abschiebung alleinstehender Frauen besondere Kriterien zu legen, und welchen besonderen Risiken unterliegen alleinstehende Frauen nach einer Abschiebung in Afghanistan ? Das Aufenthaltsbeendigungsrecht differenziert in rechtlicher Hinsicht nicht nach dem Merkmal „alleinstehende Frau“. Nach vorliegenden Erkenntnissen sind keine Fälle von Abschiebung alleinstehender Frauen bekannt. 11. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Ausmaß von Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen bzw. jungen Erwachsenen in Afghanistan durch die verschiedenen bewaffneten Gruppen (staatliche, Pro-Regierungstruppen und regierungsfeindliche) sowie Misshandlungen von Angehörigen dieser Gruppen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus in Bezug auf einen besonderen Abschiebeschutz für Jugendliche bzw. Männer im wehrfähigen Alter? Am 5. Juni 2015 berichtete der Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN) unter der Überschrift „Children and armed conflict“, dass die VN im Zeitraum Januar bis Dezember 2014 Hinweise auf 68 Zwangsrekrutierungen von Kindern in Afghanistan erhalten hätten, von denen 22 verifiziert werden konnten; je ein Fall bei der afghanischen Polizei (ANP) und der afghanischen Polizeiunterstützungstruppe (ALP) sowie 20 Fälle bei Taliban zugeordneten Gruppen. Im Jahr 2013 waren es 97 Fälle. Für 2015 liegen gemäß der Vereinten Nationen UN Country Task Force on Monitoring and Reporting (CTFMR) im Rahmen der ANDSF (Afghan National Defense and Security Forces) fünf Fälle von Rekrutierung von Minderjährigen bei der ALP vor. CTFMR betont jedoch, dass es sich dabei um Freiwillige gehandelt haben soll. Hinweise auf ein signifikantes generelles Risiko für afghanische Jugendliche und junge Erwachsene in Afghanistan, Opfer zwangsweiser Rekrutierung für staatliche Sicherheitskräfte oder bewaffnete Gruppen zu werden, liegen der Bundesregierung nicht vor. 12. Da die Bundesregierung selbst davon ausgeht, dass die Taliban weiterhin versuchen werden, „staatliche Strukturen und Infrastruktur anzugreifen“ (Bundestagsdrucksache 18/7169), stimmt sie mit den Fragestellerinnen und Fragestellern darin überein, dass auch Anschläge gegen staatliche Ziele für die Zivilbevölkerung eine tödliche Gefahr sind, und wenn ja, inwiefern kann dann die Sicherheitslage in diesen Städten als „sicher“ bezeichnet werden? Nach hiesigen Erkenntnissen besteht in ganz Afghanistan eine abstrakte Gefahr von Attentaten, denen auch Zivilisten zum Opfer fallen können. Die Bevölkerung ist insbesondere immer dann gefährdet, wenn sie bei Kämpfen „zwischen die Fronten“ gerät oder Opfer improvisierter Sprengsätze wird, die von der Militanz primär für andere Ziele gedacht waren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8141 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem im UNAMA-Bericht festgehaltenen Umstand, dass die afghanischen Sicherheitskräfte , obwohl sie seit Jahren von Angehörigen der EU, NATO, Bundeswehr und/oder deutscher Polizeien ausgebildet werden, in zunehmendem Maß für den Tod von Zivilisten verantwortlich sind? Der Anstieg ziviler Opfer in der Nordregion Afghanistans ist insbesondere durch die Kämpfe in und um Kunduz Ende September/Anfang Oktober 2015 begründet. Die Vermeidung von zivilen Opfern bleibt auch weiterhin ein fester Bestandteil im Rahmen der Beratung der in der Verantwortung stehenden afghanischen Sicherheitskräfte . Darüber hinaus liegen keine Erkenntnisse vor, die über die bereits öffentlich zugängliche Berichterstattung von Medien und anderen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen hinausgehen. Die nationale und internationale Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte berücksichtigt dies. 14. Inwiefern hat die Bundesregierung für ihre Einschätzung, Afghanistan sei sicher genug, um Abschiebungen dorthin vorzunehmen, Einschätzungen von Menschenrechtsorganisationen oder unabhängigen Expertenmeinungen eingeholt (bitte genau angeben)? Die Bundesregierung holt für ihre regelmäßige Berichterstattung zur asyl- und abschieberelevanten Lage in Herkunftsländern – inklusive Afghanistan – stets auch Erkenntnisse der vor Ort aktiven Menschenrechtsgruppen und -organisationen ein. 15. Wie viele ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige leben derzeit in Deutschland, und welchen Duldungsstatus haben diese jeweils (bitte Angaben machen zu Bundesländern, Geschlecht, Alter, Aufenthaltsdauer, Aufenthaltsstatus )? Die Angaben ausweislich des Ausländerzentralregisters (AZR) zum 31. Januar 2016 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8141 nach Bundesländern Ausreisepflichtige Gesamt 11.122 davon: Baden-Württemberg 2.583 Bayern 1.759 Berlin 172 Brandenburg 182 Bremen 112 Hamburg 536 Hessen 970 Mecklenburg-Vorpommern 303 Niedersachsen 639 Nordrhein-Westfalen 911 Rheinland-Pfalz 1.394 Saarland 209 Sachsen 232 Sachsen-Anhalt 93 Schleswig-Holstein 869 Thüringen 158 nach Geschlecht männlich weiblich unbekannt Ausreisepflichtige 9.257 1.828 37 nach Alter unter 18 Jahre 18 Jahre und älter Ausreisepflichtige 4.667 6.455 nach Aufenthaltsdauer unter 1 Jahr 1 bis 2 Jahre 3 bis 4 Jahre 5 bis 6 Jahre 7 bis 10 Jahre 11 Jahre und länger Ausreisepflichtige insgesamt 6.576 1.656 1.424 858 61 327 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8141 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nach Status/Duldungsstatus Ausreisepflichtige insgesamt 11.122 davon ohne Duldung 705 davon mit Duldung insgesamt 10.417 Duldung nach § 60a Abs. 1 AufenthG 660 Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG 54 Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wg. familiärer Bindungen zu Duldungsinhabern 38 Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus medizinischen Gründen 7 Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente 1.578 Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus sonstigen Gründen 7.787 Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 2 AufenthG 23 Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG 170 Duldung nach § 60a Abs. 2b AufenthG 9 Duldung nach § 60a AufenthG (alt) 91 16. Soweit es ausreisepflichtige afghanische Staatsangehörige ohne Duldung gibt, wie ist das zu erklären, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Duldung solange erteilt werden muss, wie eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und Abschiebungen nach Afghanistan ausweislich der Zahlen (2015 insgesamt neun Abschiebungen, vgl. Bundestagsdrucksache 18/7588, Antwort zu Frage 1) offenkundig im Regelfall unmöglich sind? Zum Stichtag 31. Januar 2016 waren im AZR 705 aufhältige afghanische Staatsangehörige als ausreisepflichtig ohne Duldung erfasst. Für die Erteilung von Duldungen und auch für die Richtigkeit und Aktualität der im AZR gespeicherten Daten ist die jeweils zuständige Ausländerbehörde verantwortlich . Zur grundsächlichen Problematik der Erfassung von Ausreisepflichtigen ohne Duldung im AZR wird ergänzend auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 22 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/6860 vom 30. November 2015 hingewiesen. 17. Inwieweit ist die Zahl geduldeter afghanischer Personen zu erklären vor dem Hintergrund zuletzt einstelliger Abschiebungszahlen im Jahr und dass nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, wenn die Abschiebung über 18 Monate hinweg ausgesetzt wurde? Die ausländerbehördliche Praxis entscheidet darüber, ob im jeweiligen Einzelfall eine Duldung oder ein Aufenthaltstitel nach § 25 Absatz 5 AufenthG erteilt wird. Dem Bund liegen zur Erteilungspraxis keine weiteren Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/8141 18. Wie ist die Aufenthaltsdauer der geduldeten Afghanen in Deutschland (bitte unterteilen in die Zeiträume ein bis zwei Jahre, drei bis vier Jahre, fünf bis sechs Jahre, sieben bis zehn Jahre, länger als zehn Jahre)? Die Angaben ausweislich des AZR zum 31. Januar 2016 können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Aufenthaltsdauer Gesamt unter 1 Jahr 1 bis 2 Jahre 3 bis 4 Jahre 5 bis 6 Jahre 7 bis 10 Jahre 11 Jahre und länger geduldet 6.466 1.577 1.318 842 48 166 10.417 19. Wie ist es aus Sicht der Bundesregierung zu rechtfertigen, dass Asylverfahren afghanischer Asylsuchender trotz einer bereinigten Schutzquote in Höhe von 77,6 Prozent im Jahr 2015 im Durchschnitt 14 Monate dauern (zuzüglich einer derzeit mindestens dreimonatigen Wartezeit bis zur Asylantragstellung )? Inwiefern hält die Bundesregierung vor diesem Hintergrund eine unkomplizierte Bleiberechtsregelung für die knapp 10 000 seit mehr als einem Jahr anhängigen Asylverfahren afghanischer Asylsuchender für angebracht, um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie die Betroffenen zu entlasten (vgl. Bundestagsdrucksache 18/7625)? Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bearbeitet prioritär derzeit Asylanträge aus dem Westbalkan, den Maghreb-Staaten, Syrien, Eritrea und dem Irak. Daraus ergibt sich eine längere Verfahrensdauer für Antragsteller aus anderen Herkunftsländern. Mit dem flächendeckenden Ausbau der Ankunftszentren und damit verbunden der Einführung des Integrierten Flüchtlingsmanagements in allen Bundesländern sowie der Verstärkung des Personals auf 7 300 Kräfte im ersten Halbjahr 2016 kann das BAMF die Dauer der Asylverfahren stark verkürzen. Ziel für 2016 ist die Verkürzung der Verfahrensdauer auf drei Monate bei neu ankommenden Asylsuchenden und fünf Monaten bei Altverfahren . Eine Bleiberechtsregelung für Asylsuchende, die in besonders langjährigen Asylverfahren stecken, würde das BAMF wegen der geringen Fallzahlen nur begrenzt entlasten. Eine Lösung des Problems der anhängigen Altverfahren sieht die Bundesregierung vielmehr in den in jüngster Zeit getroffenen personellen und organisatorischen Maßnahmen, die nunmehr konsequent umgesetzt werden. So hat das BAMF ab Oktober 2015 rund 173 sogenannte mobile Teams eingesetzt, die vor Ort wichtige administrative Arbeiten leisten. Mit der Einrichtung von Erprobungs - sowie vier Entscheidungszentren, von Warteräumen in Feldkirchen und Erding und der Eröffnung zahlreicher neuer Außenstellen sind wichtige Schritte zur Aufarbeitung der Altverfahren angegangen worden. In allen Bundesländern werden bis April 2016 Ankunftszentren eingerichtet, in denen primär Neuanträge aus sicheren und besonders unsicheren Herkunftsländern in kurzer Zeit bearbeitet werden. Diese Maßnahme entlasten die bestehenden Außenstellen des BAMF vom Neugeschäft, so dass diese sich auf die Abarbeitung der anhängigen Verfahren konzentrieren können. Das BAMF arbeitet derzeit mit Nachdruck an dem Abbau der anhängigen Asylverfahren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8141 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Welche Bundesländer haben nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit erklärt , keine Abschiebungen nach Afghanistan durchzuführen? Nach § 60a Absatz 1 AufenthG können die obersten Landesbehörden anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Eine entsprechende Statistik darüber, welche Länder eine entsprechende Anordnung erlassen haben, wird im Bundesministerium des Innern (BMI) nicht geführt. Für einen Zeitraum von länger als drei Monaten bedarf die Aussetzungsanordnung zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit des Einvernehmens mit dem BMI. Dem BMI liegt aktuell keine entsprechende Bitte eines Landes um Erteilung des Einvernehmens bezüglich Afghanistan vor. 21. Wie ist das im Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 5. Februar 2016 an den Vorsitzenden der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder und die Länderinnenminister benannte „bekannte Verfahren“ zur „Rückkehr/Rückführung“ gestaltet (bitte im Detail darlegen und insbesondere auf den Unterschied „Rückkehr/Rückführung“ eingehen)? Die freiwillige Rückkehr kann über das Bund-Länder-Programm zur Förderung der freiwilligen Rückkehr (REAG/GARP) flankierend begleitet werden, wenn die Antragsteller z. B. über die Rückkehrberatungsstellen entsprechende Anträge stellen, die zentral über Internationale Organisation für Migration (IOM) bearbeitet und umgesetzt werden. Für die Durchführung der Rückführung sind die Länder in eigener Zuständigkeit verantwortlich. 22. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zur „Rückkehr /Rückführung“ angemeldet, und was lässt sich Näheres über diese Personen sagen (Geschlecht, Alter, Familienstand, Herkunftsort usw.)? Die Durchführung der Rückführung liegt in der Zuständigkeit der Länder. Detaillierte Angaben liegen dem Bund nicht vor. Hinsichtlich der freiwilligen Ausreise nach Afghanistan landete am 24. Februar 2016 ein Charterflug mit 125 ausreisepflichtigen afghanischen Staatsangehörigen , die sich zu einer freiwilligen Ausreise mit Unterstützung der IOM und des in der Antwort zu Frage 21 angeführten REAG/GARP-Programms entschlossen hatten, in Kabul. Die Pressemitteilung des BMI hierzu kann unter www. bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/02/freiwillige-rueckkehrvon -afghanen.html abgerufen werden. 23. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung hinsichtlich in diesem Jahr bereits vollzogener Flüge mit ausreisepflichtigen Personen nach Afghanistan über a) die Zahl der Abgeschobenen bzw. Rückkehrer, b) die Zahl der freiwillig Zurückgekehrten bzw. der Abgeschobenen, c) die Bundesländer, aus denen diese Personen stammten, d) das Geschlecht und das Alter? Die Frage 23 wird in ihrer Gesamtheit beantwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung erfolgten im Januar 2016 keine Abschiebungen von afghanischen Staatsangehörigen in ihr Heimatland. Über den Zeitraum danach liegen noch keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/8141 Mittels des Förderprogramms REAG/GARP reisten bis Ende Februar 2016 419 Personen freiwillig nach Afghanistan aus. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen. 24. Wie viele Flüge mit ausreisepflichtigen Personen nach Afghanistan sind derzeit für welche Zeiträume geplant? Für April 2016 ist die Rückführung von fünf ausreisepflichtigen Personen nach Afghanistan vorgesehen (Stand: 15. März 2016). Weitergehende Planungen sind derzeit nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333