Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 26. April 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/8249 18. Wahlperiode 27.04.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/8071 – Türkisch-nationalistische Aufzüge V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Türkisch-nationalistische Vereinigungen in Deutschland führen vor dem Hintergrund des Krieges in den mehrheitlich kurdisch bewohnten Gebieten der Türkei auch hierzulande eine Reihe von Aufzügen zur Unterstützung der türkischen Regierungspolitik gegen kurdische Autonomiebestrebungen durch. Darüber hinaus fanden Kundgebungen türkischer Nationalisten vor dem Hintergrund erneuter kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Enklave Bergkarabach statt, in der die aserbaidschanische Seite unterstützt wurde. Ein „Deutsches Neue Türken Komitee“ in Deutschland (Almanya Yeni Turk Komitesi AYTK) hat für den 10. April 2016 in München, Nürnberg, Köln, Frankfurt am Main, Hamburg und Hannover zu einem „Friedensmarsch für die Türkei und die EU“ aufgerufen. Während das deutsche Motto der Aufzüge „Protest gegen den Terror der PKK und des IS“ lautete, wurde auf Türkisch mit der sich nur noch auf vermeintlich kurdischen Separatismus beziehenden Losung „Alles für das Vaterland – Märtyrer sterben nicht, das Vaterland kann nicht geteilt werden“ mobilisiert. Auch Gruppierungen aus dem rechtsextremen Graue- Wölfe-/Ülkücü-Milieu wie die Rockergruppe Turkos MC riefen zu den Aufmärschen auf. Zumindest in Stuttgart rief auch der im Rockermilieu zu verortende Boxclub Osmanen Germania auf seiner Facebookseite zur Teilnahme an der Demonstration auf (https://linksunten.indymedia.org/de/node/174803; https://facebook.com/Osmanen-Germania-Stuttgart-780463712076422/). Der Erdogan-Vertraute und Sicherheitsunternehmer Timur Yüksek, dessen Unternehmen unter anderem die Personenschützer für den türkischen Präsidenten und Ministerpräsidenten stellt, unterstützte die Aufzüge ebenfalls. Er hatte angekündigt, die Aufzüge durch sein professionelles Sicherheitspersonal zu schützen (www.tagesspiegel.de/politik/kundgebungen-fuer-und-gegenerdogan -in-deutschland-rechte-tuerken-demonstrieren-linke-kurden-protestieren/ 13428054.html). Während die Veranstalter ursprünglich mit mehreren Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerechnet hatte, bewegten sich die Teilnehmerzahlen letztlich in den einzelnen Städten im dreistelligen Bereich (www.spiegel.de/politik/ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8249 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode deutschland/kurden-und-tuerken-auseinandersetzungen-bei-demos-in-deutschlanda -1086443.html). In mehreren anderen Städten kam es im März und April 2016 ebenfalls zu Aufzügen türkischer Nationalisten. So demonstrierten am 26. März 2016 nach Polizeiangaben mehrere Hundert Anhängerinnen und Anhänger des Vereins Turan e. V., die aus dem Bundesgebiet und den Niederlanden angereist waren, in Duisburg (www.presseportal.de/blaulicht/pm/50510/3286432). Die Mitglieder des offenbar ursprünglich aus den Niederlanden stammenden Vereins, der bereits in seinem Namen für ein Großreich aller Turkvölker – Turan – eintritt, waren laut Presseberichten mit einheitlichen Kutten wie Rocker gekleidet und zeigten das Handzeichen der Grauen Wölfe. Am 27. März 2016 kam es bei einer türkisch -nationalistischen Demonstration in Aschaffenburg zu Auseinandersetzungen mit kurdischen Gegendemonstrantinnen und -demonstranten (www. derwesten.de/staedte/duisburg/konflikt-zwischen-tuerken-und-kurden-erreichtduisburg -id11688764.html; www.focus.de/politik/deutschland/schlimme-szenenin -aschaffenburg-wird-eskalieren-tobt-der-tuerkisch-kurdische-konflikt-bald-auchin -deutschland_id_5401757.html). Ein Bündnis alevitischer, kurdischer und linker türkischer Migrantenvereinigungen , darunter die Alevitische Gemeinde Deutschland e. V. (AABF) und der kurdische Dachverband NAV-DEM e. V., werfen der türkischen Regierung vor, „die Versammlungsfreiheit in Deutschland für ihre nationalistische Propaganda und Demagogie“ zu instrumentalisieren und ihren „schmutzigen Krieg nach Deutschland zu übertragen und hier die öffentliche Ordnung und Sicherheit für ihre Zwecke zu gefährden“ (https://isku.blackblogs.org/2060/kein-fussbreit-dentuerkischen -faschisten/). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die von den Fragestellern angeführten Aufzüge und Aktionen werden von den deutschen Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten verfolgt. Diese Zuständigkeiten liegen aufgrund der Kompetenzordnung des Grundgesetzes in aller Regel bei den Ländern. Lediglich bei einer Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz liegen der Bundesregierung eigene Erkenntnisse vor. Hierzu wird auf den jährlichen Verfassungsschutzbericht verwiesen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung Erkenntnisse aus der laufenden Zusammenarbeit mit den Ländern vor, aus denen sich nachstehende Antwort der Bundesregierung im Wesentlichen speist. Die der Anfrage gegenständlichen Strömungen im Ganzen werden einer laufenden Überprüfung auf extremistische Bezüge und eventuelle Handlungserfordernisse durch die Bundessicherheitsbehörden unterzogen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8249 1. Welche und wie viele Aufzüge türkischer Nationalistinnen und Nationalisten fanden nach Kenntnis der Bundesregierung wann und wo seit Jahresbeginn in Deutschland statt (bitte Ort, Datum, Veranstalter, Teilnehmerzahl, Thematik , mögliche Beteiligung rechtsextremer Gruppierungen und einschlägige Straftaten durch Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Aufzüge angeben )? Ort Datum Veranstalter TN- Zahl Thematik Beteiligung von Ülkücü- Gruppen Straftaten Duisburg 26.03.16 Einzelperson 400 "Solidaritätsmarsch zur Unterstützung des türkischen Anti-Terrorkampfes – Ihr seid nicht allein" Turan e. V. Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und Gegendemonstranten . Polizeiliche Meldung zu Straftaten steht noch aus. Aschaffenburg 27.03.16 Einzelperson 600 „Demo gegen PKK & ISIS“ Keine Erkenntnisse Keine Erkenntnisse zu Straftaten durch Teilnehmer . Freiburg 02.04.16 keine Erkenntnisse 50 „Türken und Kurden für Frieden in der Türkei“ Keine Erkenntnisse Auseinandersetzungen zwischen Teilnehmern und Gegendemonstranten . Mönchengladbach 08.04.16 Deutsch-türkischer Kulturverein 400 „Solidaritätsmarsch für Frieden in der Türkei“ Verein gehört zur Ülkücü- Bewegung Keine Straftaten Zu der Gruppierung „Turan e. V.“ wird ergänzend auf die Antworten zu den Fragen 3 und 3a verwiesen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über ein „Deutsches Neue Türken Komitee“ (Almanya Yeni Turk Komitesi AYTK) als Veranstalter eines in mehreren deutschen Städten am 10. April 2016 stattfindenden sogenannten Friedensmarsches für die Türkei und die EU? a) Wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus welchen politischen Spektren beteiligten sich jeweils an den Aufzügen des AYTK vom 10. April 2016? Die Fragen 2 und 2a werden im Zusammenhang beantwortet. Türkische Nationalisten demonstrierten am 10. April 2016 bei sogenannten „Friedensmärschen“ in rund einem Dutzend deutschen Städten. Anmelder war das „Almanya Yeni Türk Komitisi“ (AYTK) – „Neues türkisches Komitee Deutschland“. An den Kundgebungen beteiligten sich zwischen 300 und 2 500 Personen. Kurdische und linke Gruppen und Bündnisse hatten zu Gegendemonstrationen aufgerufen. Trotz eines massiven Polizeiaufgebots kam es an vielen Veranstaltungsorten zu gewaltsamem Aufeinandertreffen der beiden Lager. Diese Eskalationen stehen im Kontext einer sich verschärfenden Konfliktsituation in der Türkei , die auch nach Deutschland ausstrahlt und zu Stellvertreterauseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Seiten im Bundesgebiet führt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8249 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode An den Demonstrationen am 10. April 2016 nahmen auch Anhänger der rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung teil, der „Ülkücü“-typische „Wolfsgruß“ war vielerorts zu sehen. Eine unmittelbare Verbindung des AYTK zur rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung ist derzeit nicht feststellbar. An der protürkischen Demonstration in Stuttgart beteiligten sich auch Mitglieder der rockerähnlichen türkischen Gruppierung „Osmanen Germania“. Die Gruppierung AYTK trat erstmals im Spätsommer 2015 im Zusammenhang mit türkischen nationalistischen Demonstrationen auf. Auch damals war das Komitee an der Organisation von Kundgebungen gegen die PKK beteiligt. Seinerzeit wurden „Friedensmärsche“ unter anderem in Augsburg, Berlin, Bielefeld, Braunschweig , Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Ingolstadt, Köln, Mannheim und München beworben. Den Bundessicherheitsbehörden ist das AYTK bislang lediglich im Zusammenhang mit der Mobilisierung für Anti-PKK-Kundgebungen aufgefallen. Das AYTK bezeichnet sich selbst als unpolitische und parteiunabhängige Organisation. Im Vorfeld der „Friedensmärsche“ schien die Organisation um eine möglichst breite Ausrichtung innerhalb des türkisch-nationalen Spektrums bemüht. Gleichwohl deuten die Gesamtumstände darauf hin, dass es sich bei dem AYTK um einen Zusammenschluss national eingestellter Türken / Türkischstämmiger handelt. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor, auf die Vorbemerkung wird verwiesen. b) Inwieweit wurden auf welchen dieser Aufzüge rassistische oder sonst wie volksverhetzende Beiträge, Reden, Transparentsprüche etc. registriert? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. c) Inwieweit und an welchen Orten wurden im Zusammenhang mit diesen Aufzügen welche und wie viele einschlägige Straf- und Gewalttaten registriert , von wem gingen diese jeweils aus, wie viele Personen (Demonstranten und Gegendemonstranten, Polizistinnen und Polizisten, unbeteiligte Dritte etc.) wurden dabei gegebenenfalls verletzt, und wie viele Personen von welcher Seite (Demonstranten und Gegendemonstranten) wurden gegebenenfalls festgenommen? Die nachfolgend dargestellten Sachverhalte sind Gegenstand noch laufender Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden der Länder. Weitergehende Angaben sind derzeit nicht möglich. In Stuttgart kam es aus den Reihen der kurdischen Gegendemonstration zu Steinwürfen in Richtung des AYTK-Aufzugs und eingesetzter Polizeikräfte sowie zum Zünden von Pyrotechnik. Durch kurdische Kleingruppen wurden in der Innenstadt darüber hinaus Polizeibeamte angegriffen und verschiedene Sachbeschädigungen begangen. Insgesamt wurden zahlreiche Polizeibeamte, mehrere Demonstranten und ein Unbeteiligter verletzt. Zahlreiche Personen meist kurdischer Abstammung wurden wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, der Körperverletzung , der Sachbeschädigung, des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Raubstraftaten vorläufig festgenommen. In Köln versuchten Teilnehmer der kurdischen Gegendemonstration zum störungsfrei verlaufenen Aufzug des AYTK zu gelangen. Dies wurde durch Einsatzkräfte verhindert. Zahlreiche Personen wurden anschließend in Gewahrsam genommen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8249 In der Nähe des Kundgebungsortes kam es während und nach der AYTK-Versammlung zu weiteren Freiheitsentziehungen nach Durchbruchversuchen kurdischer Gegendemonstranten und Steinwürfen zwischen türkischen und kurdischen Personen. Ein Polizeibeamter wurde verletzt. Konkrete Angaben zu begangenen Straftaten sind zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund laufender Ermittlungen nicht möglich. Nach der kurdischen Gegenversammlung verhinderten Polizeikräfte in Hamburg, dass kurdische Gegendemonstranten zu der AYTK-Demonstration gelangen konnten. Daraufhin wurden aus einer kurdischen Menschenmenge Flaschen, Pyrotechnik und später auch Steine auf Einsatzkräfte geworfen; eine Polizeibeamtin wurde verletzt. Mehrere Personen wurden vorläufig festgenommen. Im Nachgang zu den Kundgebungen kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen nationalistischen Türken einerseits und einer Personengruppe aus dem linken Spektrum bzw. einer Personengruppe kurdischer Abstammung andererseits . Es wurden ebenfalls mehrere Personen vorläufig festgenommen. Nach Ende der AYTK-Kundgebung und der Gegenkundgebung in Frankfurt am Main wurde durch Polizeikräfte ein Aufeinandertreffen der gegnerischen Parteien verhindert. Im Nachgang zu den Versammlungen kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Angehörigen der gegnerischen Parteien. Insgesamt wurden drei Zivilisten und ein Polizeibeamter verletzt. Es kam zu mehreren vorläufigen Festnahmen, u. a. wegen des Verdachts der Körperverletzung, des Landfriedensbruchs, der Gefangenenbefreiung und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz bzw. das Vereinsgesetz. In Hannover kam es zu zahlreichen verbalen Provokationen und vereinzelten Steinwürfen in Richtung der türkischen Veranstaltung durch kurdische Kleingruppen . Hierbei wurde ein türkischer Versammlungsteilnehmer durch einen Steinwurf verletzt. Am Rande der Kundgebung in Nürnberg kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe türkischer und kurdischer Personen. Dabei kam es zu mehreren Körperverletzungen. d) Wann wurde das AYTK nach Kenntnis der Bundesregierung gegründet, und was sind seine Ziele? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. e) Inwieweit ist das AYTK bislang nach Kenntnis der Bundesregierung an deutsche Behörden oder Regierungsstellen mit Forderungen herangetreten ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. f) Aus welchen Gruppierungen und Einzelpersonen aus welchen politischen Milieus setzt sich das AYTK nach Kenntnis der Bundesregierung zusammen ? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. g) In welcher Verbindung steht das AYTK zur türkischen Regierungspartei für Gerechtigkeit und Entwicklung AKP? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8249 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode h) Welche Gruppierungen im Einzelnen beteiligten sich nach Kenntnis der Bundesregierung an der Mobilisierung zu den Aufzügen des AYTK vom 10. April 2016? Welche dieser Gruppierungen können dem Ülkücü-Spektrum zugerechnet werden? Der Bundesregierung liegen Hinweise vor, dass sich der Turkos MC an der Mobilisierung für AYTK-Veranstaltungen beteiligte. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. i) Welche Gruppierungen des Ülkücü-Spektrums und anderer türkischer Rechtsextremisten und Nationalisten im Einzelnen beteiligten sich mit wie vielen Anhängerinnen und Anhängern nach Kenntnis der Bundesregierung an welchen Aufzügen des AYTK vom 10. April 2016? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. j) Inwieweit beteiligten sich Mitgliedsvereine der Föderation Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (DITIB) an den Aufzügen vom 10. April 2016? k) Inwieweit beteiligte sich die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) mobilisierend oder mitwirkend an den Aufzügen vom 10. April 2016? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. l) Inwieweit riefen Gruppen des Boxclubs Osmanen Germania zu den Aufzügen vom 10. April 2016 auf, und inwieweit, und in welchen Orten beteiligten sich erkennbare Mitglieder der Osmanen Germania als Teilnehmer oder Ordner daran? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. m) Inwieweit wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der „IS-Terror“ bzw. generell der sogenannte Islamische Staat (IS) in der Mobilisierung und in Kundgebungsbeiträgen bzw. auf Plakaten und Transparenten auf welchen der vom AYTK veranstalteten Aufzüge thematisiert, und welchen Stellenwert nahm die IS-Thematik im Vergleich zur Thematik „PKK“ auf diesen Veranstaltungen ein? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. n) Welche Rolle bei der Organisierung und Mobilisierung der Aufzüge spielte nach Kenntnis der Bundesregierung der Erdogan-Vertraute Timur Yüksek, und inwieweit wurde professionelles Sicherheitspersonal aus dessen Unternehmen bei den Aufzügen eingesetzt? Der Bundesregierung liegen Informationen vor, wonach auf der Facebook-Seite des AYTK folgendes mitgeteilt wird: „Der Personenschutz-Unternehmer Timur Yüksek hat angekündigt, die Protestzüge professionell mit mehreren Sicherheitspersonal begleiten und bewachen zu lassen“ (sic). Über die Beteiligung professionellen Sicherheitspersonals bei den Versammlungen selbst liegen keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8249 o) Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über mögliche Differenzen innerhalb des türkisch-nationalistischen Spektrums bezüglich der Aufzüge vom 10. April 2016? Der Bundesregierung ist bekannt, dass auf der Facebook-Seite des Stuttgarter ADÜTDF-Vereins am 10. April 2016 eine Erklärung abgegeben wurde, in der sich dieser Verein klar von der AYTK und ihren Veranstaltungen distanziert, da er sie mit der türkischen Regierungspartei AKP bzw. der UETD in Verbindung bringt. p) In wie vielen und welchen Städten waren nach Kenntnis der Bundesregierung für den 10. April 2016 – unabhängig vom AYTK – Aufzüge aus dem türkisch-nationalistischen Spektrum angekündigt oder angemeldet, die dann nicht stattfanden (bitte Gründe für das Nichtstattfinden angeben, wenn bekannt)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 3. Welche allgemeinen und verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Verein Turan e. V. (bitte Gründungsdatum und Gründungsort, Mitgliederzahl, Ortsgruppen und Verbreitung sowie Ideologie angeben)? Der Verein „Turan e. V.“ wurde vermutlich im April 2015 gegründet, eine Eintragung im Vereinsregister liegt nicht vor. Die Gruppierung hat ihren Aktivitätsschwerpunkt in Deutschland in Nordrhein-Westfalen. Nach eigenen Angaben gibt es Ortsgruppen/Chapter in Duisburg (gegründet November 2015), Gevelsberg , Köln, Dortmund, Wuppertal, Moers (in Vorbereitung) sowie in Hannover, Pforzheim, Stuttgart, Bruchsal und Schleswig-Holstein. Über die Mitgliederzahlen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Anhänger des „Turan e. V.“ orientieren sich an den Bekleidungs- und Ordnungsregeln von Rockern. Ideologisch orientiert sich „Turan e.V.“ an der rassistischnationalistischen , rechtsextremistischen „Ülkücü“-Ideologie, die das Türkentum als überlegene Rasse versteht und alles Türkische überhöht. Der Begriff „Turan“ ist ein zentraler Terminus der „Ülkücü“-Ideologie und bezeichnet ein fiktives Land, in dem alle Türken und Turkvölker zusammenleben sollen. Je nach Auslegung umfasst dieses Land „Turan“ ein Gebiet vom Balkan über den Kaukasus bis nach China oder sogar Japan. a) In welcher Verbindung steht Turan e. V. nach Kenntnis der Bundesregierung zur Ülkücü-Szene? Die Gruppierung „Turan e.V.“ orientiert sich ideologisch an der „Ülkücü“-Ideologie . Dies zeigte sich zuletzt im Zusammenhang mit einer Demonstration am 26. März 2016 in Duisburg. Dort demonstrierten rund 400 Personen im Stadtteil Hochfeld unter dem Motto „Wir unterstützen den Anti-Terrorkampf der türkischen Sicherheitsbehörden“. Organisiert wurde die Demonstration von dem „Turan e.V.“, der zuvor nicht als Organisator solcher Veranstaltungen in Erscheinung getreten ist. Die Teilnehmer waren aus dem gesamten Bundesgebiet angereist , etwa 100 auch aus den benachbarten Niederlanden. Die Demonstrationsteilnehmer skandierten Parolen wie „Die Märtyrer sind unsterblich, das Heimatland ist unteilbar“, „Nieder mit der PKK“ und „Unser Ziel ist Turan“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8249 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Im Demonstrationszug wurden Fahnen der Türkei, „Turans“ und „Ostturkistans“ (im Sprachgebrauch türkischer Rechtsextremisten umfasst dieses Gebiet das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang in der Volksrepublik China) geschwenkt, immer wieder wurde auch der „Wolfsgruß“ gezeigt, das Erkennungszeichen der rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung. b) Über welche Verbindungen verfügt Turan e. V. nach Kenntnis der Bundesregierung zu welchen türkisch-nationalistischen Vereinigungen wo im Ausland? Neben den deutschen Ortsgruppen soll es – eigenen Angaben zufolge – auch Ortsgruppen des „Turan e. V.“ in den Niederlanden, in Dänemark und in der Türkei geben. Erkenntnisse über mögliche Verbindungen der Ortsgruppen untereinander oder über Verbindungen zu türkisch-nationalistischen Vereinigungen im Ausland liegen nicht vor. 4. Über welche allgemeinen und verfassungsschutzrelevanten Kenntnisse verfügt die Bundesregierung bezüglich des Rockerclubs Turkos MC (bitte Mitgliederzahl , Ortsgruppen und Aktivitäten sowie Beteiligung an einschlägigen Straftaten benennen)? Derzeit sind der Bundesregierung zehn Vereinsgründungen in Augsburg, Berlin, Düsseldorf, München, Tegernsee, Dachau, Stuttgart, Frankfurt, Hamburg und Bremen bekannt. Weitere Erkenntnisse, etwa zu Mitgliederzahlen oder einschlägigen Straftaten, liegen nicht vor. 5. Inwieweit sieht die Bundesregierung in den Aufzügen türkisch-nationalistischer Gruppierungen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie für das friedliche Zusammenleben der Völker? Die Frage verschließt sich aus Gründen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Versammlungsfreiheit einer pauschalen Beantwortung. Auch türkisch-nationalistische Gruppierungen haben – wie türkisch linksorientierte Gruppen – das Recht, sich in Deutschland frei zu versammeln. Die Frage einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist in jedem Einzelfall durch die Versammlungsbehörde (Landesbehörde) nach den konkret dort vorliegenden Informationen aus der Anmeldung, eventuellen Gesprächen mit dem Anmelder und anhand einer Verlaufsprognose zu beurteilen. Die Bundesregierung kann einer solchen Beurteilung nicht durch pauschale Aussagen vorgreifen. Ebenso ist die Frage einer Gefahr für die Völkerverständigung nicht pauschal zu beurteilen. Soweit diese im Einzelfall gegeben ist, was ebenso nicht pauschal ausgeschlossen werden kann, wird die Versammlungsbehörde durch geeignete Auflagen reagieren . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333