Deutscher Bundestag Drucksache 18/863 18. Wahlperiode 18.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Sahra Wagenknecht, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/635 – Möglicher Regime-Change in der Ukraine mit der extremen Rechten Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit dem Jahr 1991 hat die Ukraine regelmäßig mit der NATO kooperiert und auch Soldaten in NATO-Kriege entsandt. Ukrainische Militärs werden auch in EU-Truppen (Battle Groups) und EU-Missionen wie EU NAVFOR ATALANTA (http://ukraine-eu.mfa.gov.ua/en/press-center/news/17313-fregat-vms-ukrajinigetyman -sagajdachnij-v-ramkah-operaciji-jes-atalanta-zavershiv-pershepatrulyuvannya -v-adensykij-zatoci), eingesetzt. Jenseits des Nutzens für deutsch-europäische Kriege weisen US-Spezialisten darauf hin, dass die militärpolitische Anbindung der Ukraine an die EU und die USA sowie die damit einhergehende Loslösung von Russland strategisch hohe Bedeutung hat: „Für Russland ist die Zukunft der Ukraine eng an seine eigene Zukunft gebunden“, hieß es im Stratfor Geopolitical Diary am 10. Dezember 2013. Der Verlust der Ukraine aus seiner Einflusssphäre führe dazu, dass Russland „nicht mehr zu verteidigen“ sei (www.stratfor.com/sample/geopolitical-diary/ukrainesdemonstrations -heat). Bezogen auf die Integration der Ukraine in die EU geht es „unzweifelhaft“ auch um die Integration „in die Sicherheitskomponente der EU“, also die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), wie es bereits im Jahr 2011 in einem Papier des Center for Army, Conversion and Disarmament Studies für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hieß (www.kas.de/wf/ doc/kas_34635-1522-1-30.pdf?130606101639). In diese geostrategische Sicht ist auch das EU-Assoziationsabkommen bzw. die Auseinandersetzung darum eingebettet. Diesem „stinkt“ nach Theo Sommer, langjähriger Herausgeber und Editor at Large der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und ehemaliger Leiter des Planungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung unter dem Bundesminister der Verteidigung, Helmut Schmidt, ein „expansiver Ehrgeiz aus allen Knopflöchern“ (www.zeit.de/politik/ausland/2013-11/ukraine-russland-euDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 14. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. eisernervorhang). Als die ukrainische Regierung Ende November 2013 das Assoziierungsabkommen mit der EU auf Eis legte und im Gegensatz zu Moldau und Georgien in Vilnius kein Assoziierungsabkommen mit der EU abschloss, war das der An- Drucksache 18/863 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode lass für Proteste. Zu den aktuellen Massendemonstrationen, die von der USAdministration genauso unterstützt werden wie von der Bundesregierung, heißt es beim Informationsdienst Stratfor „Für die Vereinigten Staaten ist die Unterstützung für politische Kräfte in der Ukraine der wirksamste Weg, gegen Russland zurückzuschlagen“. Vor dem Hintergrund, dass Russland den USA zuletzt mehrere Niederlagen beigebracht habe, etwa in Syrien oder bezogen auf Edward Snowden, sei die „US-Unterstützung für die Protestbewegungen in der Ukraine […] ein Weg, Russland in seiner eigenen Region zu binden und von der Offensive gegen die USA abzuhalten“, meint Stratfor (www.stratfor.com/ sample/geopolitical-diary/ukraines-demonstrations-heat). Im Magazin „DER SPIEGEL“ heißt es, dass zwar „Regime Change“ „als Begriff wohl zu hoch gegriffen“ wäre, „aber ein bisschen geht es doch darum: Merkels CDU und die europäische konservative Parteienfamilie EVP haben Klitschko auserkoren, das ukrainische Nein von innen aufzuweichen. Er soll die Opposition einen und anführen, auf der Straße, im Parlament und schließlich bei der Präsidentenwahl 2015. ‚Klitschko ist unser Mann‘, heißt es in hohen EVP-Kreisen“ (www.spiegel.de/spiegel/print/d-123744864.html). Bis zum heutigen Tag wird allerdings sowohl seitens der EU als auch der Bundesregierung sowie der westlichen Medien gezielt die Tatsache verschleiert, dass diese zu einende Protestbewegung nicht nur zahlenmäßig, sondern auch qualitativ in einem erheblichen Maße von der extrem rechten Swoboda-Partei, der Ukrainischen Nationalversammlung-Ukrainische Nationale Selbstverteidigung (UNA-UNSO) sowie von Anhängern des Zusammenschlusses „Rechter Sektor “ getragen werden. Insbesondere „Swoboda“ und deren Vertreterinnen und Vertreter wurden und werden verharmlost, obwohl sie sich immer wieder in antisemitischen Verunglimpfungen und anderen Hasstiraden ergingen (www. gatestoneinstitute.org/3570/ukraine-anti-semitism-mila-kunis). „Swoboda“ hat nicht nur Beobachterstatus bei der Europäischen Nationalistischen Bewegung, der die extrem rechten Parteien bzw. Bewegungen Jobbik, Fiamme Tricolore und der British National Party angehören; sie unterhält auch freundschaftliche Kontakte zur deutschen NPD. Trotzdem gibt es umfassende Kontakte zwischen diplomatischen Vertretern Deutschlands bzw. weiterer EU- sowie NATO-Staaten und diesen Kräften (siehe Bundestagsdrucksache 17/14603). 1. Welche Ausrüstungen, die auch militärisch relevant sein könnten und somit in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste – Anhang zur Außenwirtschaftsverordnung – oder in Anhang I der EG-Dual-Use-Verordnung – (EG) Nr. 428/ 2009 – genannt werden, sowie Ausrüstung, die auch zur Folter verwendet werden könnte, wie zum Beispiel bestimmte Hand- und Fußfesseln, und somit in Anhang III der Anti-Folter-Verordnung – (EG) Nr. 1236/2005 – aufgeführt werden, sind seit dem Jahr 2005 in die Ukraine exportiert worden (bitte entsprechend nach Jahren den Umfang und Warenwert der Ausrüstungsgegenstände auflisten)? Die Bundesregierung verfügt über Informationen über die für den Export von ausfuhrgenehmigungspflichtigen Gütern erteilten Ausfuhrgenehmigungen. Sie verfügt jedoch grundsätzlich nicht über alle auf der Grundlage dieser Genehmigungen tatsächlich exportierten Güter. Die von der Bundesregierung genehmigten Ausfuhren von Gütern des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste in die Ukraine für die Jahre 2005 bis 2012 sind nachfolgender Tabelle sowie den von ihr veröffentlichten Rüstungsexportberichten zu entnehmen. Anlage 7 des jeweiligen Rüstungsexportberichts gibt unter Angabe der Warenbezeichnung, Ausfuhrlistenposition und des Anteils Aufschluss über die hauptsächlich ausgeführten Rüstungsgüter (siehe für das Jahr 2012 zum Beispiel www.auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/660348/ publicationFile/186724/ Ruestungsexportbericht2012.pdf). Die Zahlen für den Rüstungsexportbericht für das Jahr 2013 werden derzeit aufbereitet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/863 Seit dem 1. Januar 2005 wurden zur Ausfuhr von Dual-Use-Gütern des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 folgende Einzelausfuhrgenehmigungen erteilt: Eine differenziertere Aufschlüsselung würde deutlich mehr Zeit erfordern als für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung steht. Die von der Bundesregierung genehmigten Ausfuhren von Gütern des Anhangs III der Anti-Folter-Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 sind in den jährlichen Tätigkeitsberichten der Bundesregierung veröffentlicht. Für die Ukraine wurden in dem genannten Zeitraum folgende Ausfuhrgenehmigungen nach der Anti-Folter -Verordnung erteilt: Die Bundesregierung weist darauf hin, dass diese Verordnung erst seit dem 30. Juli 2006 in Kraft ist. Jahr Anzahl der Genehmigungen Wert in Euro 2005 123 1 959 560 2006 180 3 682 437 2007 198 3 663 771 2008 239 14 938 377 2009 138 15 678 563 2010 114 3 573 980 2011 126 3 693 893 2012 165 4 972 995 Jahr Anzahl der Genehmigungen Wert in Euro 2005 75 3 363 078 2006 79 12 821 006 2007 81 7 392 079 2008 92 15 104 730 2009 73 10 528 478 2010 67 13 692 853 2011 86 9 274 933 2012 58 15 620 563 2013 45 14 539 164 Jahr Anzahl der Genehmigungen Wert in Euro 2008 1 37 2013 2 17 320 Drucksache 18/863 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über gelieferte Polizeiausrüstung (Helme und andere Schutzkleidung, Schilder, Handschellen, Funkgeräte, Fahrzeuge, Waffen), so genannte weniger letale Waffen, insbesondere Wasserwerfer, deren Komponenten und chemische Reizstoffe (Tränengas etc.) und IT-Technologie, die sich für die Überwachung des Internets und der Telekommunikation und deren Zensur eignen ? Im Rahmen der polizeilichen Aufbauhilfe hat der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder zwischen den Jahren 2007 und 2011 zur Unterstützung für die Vorbereitung der UEFA-Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2012 194 Einsatzhelme und 430 Sätze leichte Körperschutzausstattung für die Polizei an das Innenministerium der Ukraine übergeben. Darüber hinaus verfügt die Bundesregierung über keine Erkenntnisse, ob in der Frage genannte Güter in die Ukraine geliefert wurden. Die Bundesregierung verfügt lediglich über Informationen zu erteilten Ausfuhrgenehmigungen. Eine Genehmigungspflicht besteht lediglich für Ausrüstung, die auch militärisch relevant sein könnte und somit in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anhang zur Außenwirtschaftsverordnung) oder in Anhang I der Dual-Use-Verordnung (EG) Nr. 428/2009 genannt ist. Dies gilt zudem für Ausrüstung, die auch zur Folter verwendet werden könnte, und somit in Anhang III der Anti-FolterVerordnung (EG) Nr. 1236/2005 aufgeführt wird. Die Ausfuhrgenehmigungen für Güter, die von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anhang zur Außenwirtschaftsverordnung), Anhang I der Dual-Use-Verordnung (EG) Nr. 428/2009 oder Anhang III der Anti-Folter-Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 erfasst werden, sind in der Antwort zu Frage 1 ausgewiesen. 2. In welcher Höhe hat die Ukraine seit dem Jahr 2005 Mittel über das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument (ENPI), das Instrument zur Implementierung der ENP, wofür erhalten (bitte entsprechend nach Jahren auflisten)? Der Ukraine sind aus dem Europäischen Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument bilateral Mittel in Höhe von etwa 922 Mio. Euro für Maßnahmen unter ENPI zugesagt worden (vgl. dazu auch nachfolgende Tabelle der EU-Kommission ). Ergänzend nahm die Ukraine an verschiedenen überregionalen Programmen der Europäischen Union, einschließlich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit , teil. Auszug aus den ENPI-Verpflichtungen der Europäischen Kommission (in Mio. Euro): Ergänzende Informationen können den öffentlich zugänglichen Datenbanken der Europäischen Kommission (http://ec.europa.eu/budget/fts/index_de.htm) entnommen werden. 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Summe 142 138,6 116 126 65 149 186 923 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/863 3. Inwieweit hat die Ukraine Mittel aus der im Jahr 2008 geschaffenen Nachbarschaftsinvestitionsfazilität (NIF) erhalten, und, sofern die Ukraine Mittel erhalten hat bzw. erhält, für welche Projekte sind Mittel in die Ukraine geflossen (bitte nach Jahren ab dem Jahr 2008 auflisten)? Für Projekte in der Ukraine wurden durch die Nachbarschaftsinvestitionsfazilität (NIF) bisher Mittel in Höhe von etwa 23 Mio. Euro bereitgestellt. Eine genaue , projektbezogene Auflistung (einschließlich der NIF-Jahresberichte) kann den öffentlich zugänglichen Informationen der Europäischen Kommission entnommen werden (http://ec.europa.eu/europeaid/where/neighbourhood/regionalcooperation /irc/investment_de.htm). 4. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass Vitali Klitschko einst „von der Konrad-Adenauer-Stiftung damit beauftragt“ worden sei, „in der Ukraine eine christlich-konservative Partei […] zu etablieren“ (www.neues-deutschland.de/artikel/917714.schritt-fuer-schritt-richtungosten .html)? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von einem entsprechenden Auftrag. 5. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass Vitali Klitschko Vertraute der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ausdrücklich um die Hilfe der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung beim Aufbau der Ukrainischen demokratischen Allianz für Reformen (UDAR) gebeten hat (www. spiegel.de/spiegel/print/d-123744864.html)? Über Art und Inhalt ihrer Arbeit entscheiden die politischen Stiftungen im Rahmen ihrer Satzung eigenständig. Wenn Vertreter der Bundesregierung zur Arbeit politischer Stiftungen befragt werden, verweisen sie an diese weiter. 6. Welche Informationen hat die Bundesregierung über die Position der drei Oppositionsparteien „Batkiwschtschyna“ (Vaterland) von Julia Timoschenko bzw. Arseni Jazenjuk, die UDAR von Vitali Klitschko und die extrem rechte Partei „Swoboda“ von Oleg Tjagnibok hinsichtlich einer NATO-Mitgliedschaft und der Rolle der Ukraine bezüglich des US-Raketenabwehrprogramms ? Die Partei „Batkiwschtschyna“ strebt laut Parteiprogramm eine gute Zusammenarbeit mit der NATO an. Die „Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen“ (UDAR) will sich gemäß Parteiprogramm dafür einsetzen, die Rolle der Ukraine in internationalen Organisationen, unter anderem der NATO, zu stärken. Die Partei „Swoboda“ strebt laut Parteiprogramm an, dass die Mitgliedstaaten der NATO der Ukraine günstige Bedingungen und Fristen für einen möglichen Beitritt zur Allianz einräumen. Über Positionen dieser drei Parteien zum Raketenabwehrprogramm der Vereinigten Staaten von Amerika hat die Bundesregierung keine Informationen. 7. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass nachdem nach dem Amtsantritt von Präsident Viktor Janukowitsch die Ukraine ihren blockfreien Status gesetzlich verankert und auf weitere Pläne zum NATOBeitritt verzichtet hatte, die oppositionelle Fraktion „Batkiwschtschyna“ im Juni 2013 ein Gesetz in das Parlament eingebracht hat, dessen Ziel darin besteht, auf die so genannte blockfreie Politik im Bereich der nationalen Drucksache 18/863 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Sicherheit zu verzichten und den Kurs der Ukraine auf eine Vollmitgliedschaft in der NATO zu betreiben (http://de.ria.ru/politics/20130627/ 266385783.html), und wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand des parlamentarischen Verfahrens des Gesetzesvorhabens? Der Bundesregierung ist der Gesetzentwurf der Fraktion der Partei „Batkiwschtschyna “ 2426а vom 26. Juni 2013 bekannt. Er wurde im Parlament abgelehnt und nicht weiter in den Ausschüssen behandelt. 8. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob die im Jahr 2012 gebildete ukrainische Regierung, wie ihre Vorgängerregierung, die „Annäherung von Leitungssystemen, Bemannung, Ausbildungsniveau und Ausrüstung mit Waffen und Rüstungstechnik an die Standards der NATO-Mitglieder “ forcieren und die „gesetzlichen Grundlagen“ für die „Fortsetzung der Teilnahme der Ukraine an der militärischen und militär-technischen Zusammenarbeit mit anderen Staaten“ schaffen will (www.german-foreignpolicy .com/de/fulltext/57321) oder ob die ukrainische Regierung ihre Zusammenarbeit mit der NATO weniger engagiert fortsetzt (Europäisches Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument. Ukraine. Länderstrategiepapier 2007-2013, S. 7)? Nach den Wahlen im Jahr 2010 hat die ukrainische Regierung das Ziel des NATO-Beitritts zurückgestellt und ihre Neutralität gesetzlich verankert. Gleichzeitig etablierte der damalige Präsident Viktor Janukowitsch im Jahr 2010 eine Kommission, die als Koordinierungsstelle für die Zusammenarbeit mit der NATO fungiert. Die praktische Zusammenarbeit erfolgt unverändert im Rahmen der NATOUkraine -Kommission und auf Grundlage eines nationalen Jahresprogramms (Annual National Programme), das die ukrainische Regierung jedes Jahr neu beschließt . Sie besteht vor allem aus Beratungs- und Ausbildungsmaßnahmen. Die letzten Jahresprogramme zielten im Verteidigungssektor auf die Angleichung ukrainischer Standards an NATO-Standards ab. Die Ukraine nimmt an NATO-geführten Operationen teil. Außerdem stellt die Ukraine Kräfte für die schnellen Eingreifkräfte der NATO (NATO Response Force – NRF) bereit. 9. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, mit welchen Land-, Luft-, See- und Spezialkräften (Soldaten und Material) die Ukraine an dem seit sieben Jahren größten multinationalen Manöver der NATO „Steadfast Jazz 2013“ vom 28. Oktober 2013 bis zum 9. November 2013 beteiligt war, das laut General Hans-Lothar Domröse „die Generalprobe für die Zertifizierung jener militärischen Kräfte, die 2014 die Schnelle Eingreiftruppe unseres Bündnisses bilden soll[en]“ (www.bundeswehr-journal.de/2013/ gewachsene-verteidigungsgemeinschaft-uebt-fuer-die-zukunft-steadfastjazz -2013/#more-2377)? Die Ukraine hat mit einer Marineinfanterieeinheit an der Übung „Steadfast Jazz 2013“ teilgenommen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/863 10. Ist der Bundesregierung die Kritik polnischer Verteidigungsexperten bekannt , die „Steadfast Jazz 2013“ mit 6 000 Soldaten als zu klein bezeichneten , um der Polen und der NATO ausgesetzten zunehmenden Gefahr aus dem Osten zu begegnen (http://polen-heute.de/nato-steadfast-jazz-2013/), und wenn ja, ist der Bundesregierung bekannt, von wem konkret diese vermeintlich zunehmende Gefahr ausgehen soll? Die Kritik polnischer Verteidigungsexperten ist der Bundesregierung nicht bekannt . Die Übung „Steadfast Jazz 2013“ war Teil einer Übungsserie der NRF, die der Beübung und der Zertifizierung der wechselnden, in die NRF eingemeldeten Streitkräfte von Alliierten und NATO-Partnernationen dient. Die Übungen finden an wechselnden Orten und mit wechselnden Szenarien statt. An der Vorbereitung und Ausplanung der Übung sind alle Alliierten beteiligt. Das Strategische Konzept der NATO aus dem Jahr 2010 bekräftigt die Verantwortung der Allianz, „unser Gebiet und unsere Bevölkerung vor einem Angriff gemäß Artikel 5 des Washingtoner Vertrags zu verteidigen“. Gleichzeitig stellt das Konzept klar, dass „das Bündnis kein Land als Gegner betrachtet“. 11. Waren oder sind ukrainische Militärangehörige – beispielsweise im Rahmen des Lehrgangs internationaler Generalstabs- und Admiralstabsdienst (LGAI) – an Ausbildungsprogrammen der Bundeswehr seit dem Jahr 2000 beteiligt? Wenn ja, welche und wie viele Angehörige der ukrainischen Streitkräfte waren an welchen Ausbildungsprogrammen beteiligt (bitte nach Jahren auflisten)? Angehörige der ukrainischen Streitkräfte sind und waren an Ausbildungsmaßnahmen der Bundeswehr im Rahmen der „Militärischen Ausbildungshilfe“ beteiligt . Diese zielen darauf ab, das Verständnis für die Rolle von Streitkräften in der Demokratie zu verstärken und vorzuleben. Die Einzelaufstellung ist der Anlage zu entnehmen, die dem Deutschen Bundestag mit der Einstufung „Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch“ gesondert zugeleitet wird.* 12. Inwieweit sieht die Bundesregierung Interessenunterschiede der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der USA im Hinblick auf die verschiedenen Teile des ukrainischen Oppositionsbündnisses, die nach Auffassung der Fragesteller nicht zuletzt in der unterschiedlich bewerteten Eignung von Arseni Jazenjuk und Vitali Klitschko als Präsidentschaftskandidaten angesichts der Äußerungen der US-Diplomatin Victoria Nuland (www.spiegel.de/politik/ausland/diplomatischer-fauxpas-vonobama -beraterin-nuland-fuck-the-eu-a-952005.html) deutlich wurde? Über die Person des ukrainischen Präsidenten entscheidet das ukrainische Wahlvolk auf der Grundlage der ukrainischen Verfassung. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 18/863 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Inwiefern teilt die Bundesregierung die inhaltliche sowie rechtsstaatlichprozedurale Kritik der Venedig-Kommission und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (http://assembly.coe.int/Main.asp?link=/ Documents/AdoptedText/ta04/ERES1364.htm) und des Europäischen Parlaments (http://euobserver.com/7/30970) an den ukrainischen Verfassungsänderungen aus dem Jahr 2004 und die Kritik der Venedig-Kommission vom November 2010 (CDL(2010)116) an der Entscheidung des Verfassungsgerichts , die Änderungen für ungültig zu erklären? Die Bundesregierung kann die erwähnte inhaltliche und rechtsstaatlich-prozedurale Kritik der genannten Institutionen an der ukrainischen Verfassungssituation nachvollziehen. Dies gilt insbesondere auch für die Stellungnahme der Venedig -Kommission Nr. 599/2010, CDL-AD (2010)044 vom 20. Dezember 2010. Die Bundesregierung setzt sich daher dafür ein, dass die in der Vereinbarung vom 21. Februar 2014 zwischen dem ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und den Oppositionsvertretern verabredete Verfassungsreform auch vor dem Hintergrund der neuen politischen Realitäten durchgeführt wird. 14. Inwiefern unterstützt sie vor diesem Hintergrund die Forderung von Elmar Brok, das Inkrafttreten der Verfassung von 2004 müsse eine Bedingung für Hilfsgelder aus der EU sein (www.zeit.de/politik/ausland/2014-02/ kiew-verhandlungen-reformen-brok)? Die Rückkehr zur Verfassung aus dem Jahr 2004 ist mit Beschluss des ukrainischen Parlaments vom 21. Februar 2014 erfolgt. Unabhängig davon spricht sich die Bundesregierung angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Ukraine für schnelle Unterstützungsmaßnahmen der Europäischen Union (EU) im internationalen Verbund aus, um die notwendigen Strukturreformen zu unterstützen. 15. Inwieweit erkennt die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen den Forderungen an Russland, sich nicht in der Ukraine einzumischen und keinen Druck auszuüben (http://de.reuters.com/article/domesticNews/ idDEBEE9AH03I20131118), und den eigenen Bestrebungen, Druck über Sanktionsdrohungen und Sanktionen zu entfalten (www.sueddeutsche.de/ news/politik/parlament-nach-sanktionsdrohung-kiew-mahnt-steinmeierdpa .urn-newsml-dpa-com-20090101-140203-99-07919), und über versprochene EU-Hilfsgelder Einfluss auf die Entwicklung in der Ukraine zu nehmen (www.faz.net/aktuell/politik/bundesregierung-finanzhilfen-nurbei -machtwechsel-12784058.html)? Die Bundesregierung hat sich immer dafür ausgesprochen, dass die Ukraine die Möglichkeit haben sollte, frei von äußerem Druck außenpolitische Entscheidungen treffen zu können. Restriktive Maßnahmen der EU gegen bestimmte Personen , Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in der Ukraine stehen hierzu in keinem Widerspruch. Eine mögliche EU-Unterstützung im Wirtschafts - und Finanzbereich kann einen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung leisten, sofern die Ukraine zu entsprechenden Reformen bereit ist. Diese Hilfen sollten aus Sicht der Bundesregierung in einen internationalen Kontext, der auch die Russische Föderation umfassen sollte, eingebettet werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/863 16. Welche gesicherten Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die möglicherweise gefälschten Bilder, die ukrainische Beamte zeigen sollen, die einen nackten Mann im Schnee misshandeln (http://vremia.ua/rubrics/ zakulisa/5299.php)? Am 23. Januar 2014 hat das ukrainische Innenministerium in einer Erklärung um Entschuldigung für die in den Videoaufnahmen gezeigten „unzulässigen Handlungen“ gebeten. Der Bundesregierung liegen keine weiteren eigenen Erkenntnisse über die Authentizität der Aufnahmen vor. 17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Einfluss von Oligarchen in der ukrainischen Politik unter dem Präsidenten Viktor Janukowitsch, unter dem Präsidenten Viktor Juschtschenko und der Ministerpräsidentin Julia Timoschenko? Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist die Herausbildung eines Oligarchentums in den meisten Ländern des post-sowjetischen Raums in mehr oder weniger großem Umfang zu beobachten. Dabei haben die Oligarchen, insbesondere auch in der Ukraine, von Beginn an nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen Einfluss ausgeübt. 18. Inwiefern sieht die Bundesregierung die wiederholt vom Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierte Oligarchisierung der Politik in der Ukraine als ein grundlegendes Problem unabhängig von der Entscheidung des aktuellen Machtkampfes in der Ukraine (vgl. http://assembly.coe.int/ASP/XRef/X2HDW -XSL.asp?fileid =19213&lang=EN)? Politische Macht bedarf der demokratischen Legitimierung. Dies ist für eine nachhaltige Entwicklung und den Zusammenhalt der Gesellschaft auch in der Ukraine wichtig. 19. Inwieweit sieht die Bundesregierung in einem Referendum in der Ukraine über die Perspektive der wirtschaftlichen Integration der Ukraine (www. kpu.ua/spiridon-kilinkarov-put-integracii-ukrainy-dolzhen-opredelyatsyana -vsenarodnom-referendume/) eine Forderung, die zur Lösung des Konflikts und zur Mehrheitsfindung in dieser zentralen Frage der derzeitigen Auseinandersetzungen beitragen kann? Die Bundesregierung ist der grundsätzlichen Auffassung, dass politische Entscheidungen demokratisch legitimiert sein müssen. In welcher Form dies in der Ukraine geschieht, gibt die dortige Verfassung vor. 20. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Einschätzung, dass zunehmend „Männer, mittlerweile sind es mehrere hundert, viele davon Mitglieder von Nazi-Gruppen oder Hooligan-Trupps […] mehr und mehr die Stimmung im Zentrum des Aufstands“ prägen und „die Masse der Demonstranten im Zentrum Kiews“ längst „vom nationalistischen ‚Rechten Sektor‘ und seinen Trupps“ unterwandert ist (www.spiegel.de/ politik/ausland/protest-in-der-ukraine-klitschkos-gefaehrlichste-runde-a- 945369.html)? Die Bundesregierung geht davon aus, dass der weitaus größte Teil der Protestbewegung und deren Unterstützer Protestierende waren, die ihrem Interesse an einer demokratischen, rechtsstaatlichen Entwicklung der Ukraine Ausdruck ver- Drucksache 18/863 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode leihen wollten. Richtig ist jedoch, dass sich der Protestbewegung Menschen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Richtungen angeschlossen haben. Dazu zählten auch Gruppierungen, die zum „Rechten Sektor“ gehören. 21. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Einschätzung von Oleksandr Feldman, Mitglied des ukrainischen Parlaments und Präsident des ukrainisch-jüdischen Komitees, dass sich Anfang Dezember 2013 die Stimmung zu ändern begann, als die drei Oppositionsparteien „Batkiwschtschyna“ (Vaterland) von Julia Timoschenko bzw. Arseni Jazenjuk , die Ukrainische demokratische Allianz für Reformen (UDAR) von Vitali Klitschko und die extrem rechte „Swoboda“ von Oleg Tjagnibok gemeinsam als Bündnis auftraten (www.huffingtonpost.com/oleksandrfeldman /ukraine-protests-nationalism-anti-semitism_b_4588507.html)? Nach Einschätzung der Bundesregierung waren die überwiegende Mehrheit der Demonstranten auf dem Maidan in Kiew und deren Unterstützer stets friedlich Protestierende, die ihrer Kritik an der politischen Führung der Ukraine Ausdruck verleihen wollten. 22. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass zum Aufstieg von „Swoboda“ nicht zuletzt beigetragen hat, dass eine Kooperation der als demokratisch bezeichneten Parteien „Batkiwschtschyna“ und UDAR mit „Swoboda“ weder im Wahlkampf noch im Parlament oder in der Regierung ausgeschlossen wurde und inzwischen diese drei Parteien eine gemeinsam agierende Oppositionskoalition nicht nur in der Werchowna Rada, sondern auch bei den Protesten gegen die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch bezüglich des EU-Assoziationsabkommens und seiner Person bilden? Der Aufstieg der Partei „Swoboda“ in der Ukraine hat bereits vor den letzten Parlamentswahlen begonnen. Nachdem der Wirkungskreis der Partei zunächst auf Regionen der westlichen Ukraine beschränkt war, hat „Swoboda“ bei den Parlamentswahlen im Oktober 2012 10,44 Prozent der Stimmen erhalten und ist damit als Fraktion in das ukrainische Parlament eingezogen. Die weiteren Oppositionsfraktionen im ukrainischen Parlament setzen Zielen der Partei „Swoboda“ – ungeachtet einer regelmäßigen engen Zusammenarbeit zwischen den Fraktionsvorsitzenden der drei großen Oppositionsfraktionen – eigene politische Zielsetzungen entgegen. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/14603 vom 22. August 2013 verwiesen. 23. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass „Swoboda“ 2004 aus der „Sozial-Nationalistischen Partei“ hervorging, deren Mitglieder gern in schwarzen Uniformen auftraten und als offizielles Symbol eine modifizierte Wolfsangel hatten, wie sie auch von der SS-Division „Das Reich“ verwendet wurde (www.neues-deutschland.de/artikel/918832.ukraine-eubotschafter -sieht-neonazis-als-partner.html), und inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, dass nach Informationen der Fragesteller bei den heutigen Protesten in der Ukraine immer wieder Demonstranten mit der modifizierten schwarzen Wolfsangel auf gelber Armbinde sowie den rot-schwarzen Fahnen der „Ukrainischen Aufstandsarmee“ (UPA), die im Zweiten Weltkrieg unter anderem „gegen Juden und andere Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/863 Nicht-Reine“ gekämpft hat, „welche uns unseren ukrainischen Staat nehmen wollten“, zu sehen sind? Der Bundesregierung ist die Geschichte der Partei „Swoboda“ bekannt. Ebenfalls bekannt ist der Bundesregierung, dass an den jüngsten Protesten in der Ukraine immer wieder auch unterschiedliche radikale, nationalistische, rechtsradikale und gewaltbereite Splittergruppen teilgenommen haben. Dessen ungeachtet waren aber nach Einschätzung der Bundesregierung die überwiegende Mehrheit der Demonstranten auf dem Maidan in Kiew und deren Unterstützer stets friedlich Protestierende, die ihrer Kritik an der politischen Führung der Ukraine Ausdruck verleihen wollten und für einen proeuropäischen, rechtsstaatlichen Kurs der Ukraine eintraten. 24. Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung der verstärkte Zulauf für den von der extrem rechten Partei „Swoboda“ organisierten Gedenkmarsch zum 105. Geburtstag für den Antisemiten und Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera, an dem am 1. Januar 2014 zwischen 10 000 (www.newsru. com/world/02jan2014/bandera.html) bis 20 000 Menschen (http://korrespondent .net/ukraine/events/3282044-svoboda-pryznala-chto-ee-luidypodzhyhaly -premer-palas) teilgenommen hatten, nicht zuletzt Ergebnis der im Zuge der Proteste zugenommenen Akzeptanz von „Swoboda“, trotz ihrer geschichtsrevisionistischen Haltung an die UPA, die SS-Division „Galizien“ und Stepan Bandera? Der Bundesregierung ist kein Zusammenhang zwischen dem genannten Gedenkmarsch und den Protesten in der Ukraine bekannt. Nach verschiedenen Meinungsumfragen sind die Zustimmungswerte für die Partei „Swoboda“ in der Ukraine während der vergangenen Monate in etwa konstant geblieben oder leicht zurückgegangen. 25. Hält die Bundesregierung den Parteivorsitzenden von „Swoboda“, Oleg Tjagnibok, der wie andere prominente Vertreter der Partei durch Rassismus und Antisemitismus bekannt ist, die UPA lobt und von einer „Moskauer jüdische[n] Mafia“ spricht, die die Ukraine regiert (www.youtube. com/watch?v=V3SUDtLP6rk), für einen gleichwertigen Partner für Gespräche mit der Bundesregierung, und wenn ja, teilt die Bundesregierung also die Einschätzung des EU-Botschafters in der Ukraine, Jan Tombinski, dass die extrem rechte Partei „Swoboda“ dann auch ein gleichwertiger Partner für Gespräche mit der EU ist (Interview mit dem EU-Botschafter in der Ukraine, FOCUS vom 21. Dezember 2013)? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Gespräche mit allen Personen notwendig sind, die zur Lösung der derzeitigen Krise in der Ukraine beitragen können . Als gewählter Fraktionsvorsitzender im ukrainischen Parlament gehört Oleh Tjahnybok zu diesem Personenkreis. In entsprechenden Gesprächen thematisiert die Bundesregierung auch die Verantwortung, die den im ukrainischen Parlament vertretenen Fraktionen für die Achtung der Menschenwürde, die Einhaltung der Menschenrechte und das Eintreten gegen Antisemitismus zukommt. Drucksache 18/863 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 26. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass der Parteivorsitzende von „Swoboda“, Oleg Tjagnibok, im Jahr 2010 in Kanada aus den Händen eines SS-Veteranen der SS-Division „Galizien“ das „Goldene Kreuz“ – die höchste militärische Auszeichnung der UPA – für seine „Verdienste um die Ukraine“ erhielt (http://korrespondent.net/ukraine/politics/ 1081226)? Die Bundesregierung hat Kenntnis von einer Meldung der Partei „Swoboda“ vom 28. Mai 2010, wonach Veteranen der „Division Galizien“ dem Vorsitzenden der Partei „Swoboda“, Oleh Tjahnybok, am 26. Mai 2010 das „Goldene Kreuz für Verdienste um die Ukraine“ überreicht haben. 27. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass Oleg Tjagnibok ein geschichtsrevisionistisches Buch über die SS-Division „Galizien“ veröffentlicht hat (http://tsn.ua/ukrayina/tyagnibok-vvazhaye-diviziyu-ss-galichinanaivishchoyu -duhovnoyu-tsinnistyu.html)? Der Bundesregierung ist bekannt, dass der Vorsitzende der Partei „Swoboda“, Oleh Tjahnybok, das im genannten Artikel erwähnte Buch veröffentlicht hat. 28. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass Oleksandr Feldman, Mitglied des ukrainischen Parlaments und Präsident des Ukrainisch-Jüdischen Komitees, bereits am 4. Februar 2013 vor der „rechtsextremistischen Svbododa-Partei, die bekannt dafür ist, ihre Reden und öffentlichen Mitteilungen regelmässig mit Antisemitismus zu injizieren“ warnte und an „alle friedvollen und besorgten Führer weltweit“ appellierte, „sich dem Kampf gegen Svoboda und allem wofür steht, anzuschliessen“ (www. gatestoneinstitute.org/3570/ukraine-anti-semitism-mila-kunis)? Ukrainische Nichtregierungsorganisationen und Vertreter jüdischer Organisationen haben auch gegenüber der Bundesregierung ihre Sorge über Äußerungen von Angehörigen der Partei „Swoboda“, die die gemeinsamen Grundwerte der Europäischen Union missachten, zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/14603 vom 22. August 2013 verwiesen. 29. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Kritik von Oleksandr Feldman an Vitali Klitschko und Arseni Jazenjuk, die an „Swoboda“ und ihren Führer als „essenziellen Partner in der Koalition zum Sturz Janukowitschs“ festhalten , obwohl sie sich wiederholt „den Bitten von mir und vielen weiteren Demokratieunterstützern verweigert [haben], die einen Bruch des Oppositionsbündnisses mit Swoboda forderten“, und die ukrainische Protestbewegung damit eine „traurige Entwicklung“ vom Demokratiestreben zu „Ultranationalismus und Antisemitismus“ eingeschlagen habe (www. huffingtonpost.com/oleksandr-feldman/ukraine-protests-nationalism-antisemitism _b_4588507.html)? Nach Einschätzung der Bundesregierung waren die überwiegende Mehrheit der Demonstranten auf dem Maidan in Kiew und deren Unterstützer stets friedlich Protestierende, die ihrer Kritik an der politischen Führung der Ukraine Ausdruck verleihen wollten und für einen proeuropäischen, rechtsstaatlichen Kurs der Ukraine sowie gute Regierungsführung eintraten. Antisemitische Ausfälle in der Protestbewegung verurteilt die Bundesregierung. Zur Bedeutung der Partei „Swoboda“ und ihres Vorsitzenden Oleh Tjahnybok im Hinblick auf eine Lösung der innenpolitischen Krise wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/863 30. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass im Zuge der Proteste in der Ukraine, die Zahl antisemitischer Übergriffe und antisemitischer Propaganda zugenommen hat (http://eajc.org/page34/news42755. html), so dass sich Sam Kliger vom American Jewish Committee (AJC) besorgt äußerte (www.jns.org/news-briefs/2014/1/20/two-violent-antisemitic -attacks-frighten-ukraines-jewish-community)? Der Bundesregierung sind Fälle tätlicher Gewalt gegen Juden in Kiew im Januar 2014 bekannt. Von einer in direktem Zusammenhang mit den Protesten stehenden Zunahme antisemitischer Propaganda in den vergangenen Monaten in der Ukraine hat die Bundesregierung keine Kenntnis. 31. Inwieweit teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Einschätzung, dass z. B. die Auszeichnung des ukrainischen Blogs von Olena Bilozerska (http://bilozerska.livejournal.com) als „Best Blog Ukrainisch“ durch die Deutsche Welle, die erst nach öffentlichen Protesten zurückgenommen wurde (http://thebobs.com/deutsch/2013/debatte-uber-user-preis-bei-thebobs /), einem Blog, dessen Hintergrundgrafik vor allem Fahnen der UNAUNSO zeigt und auf dem Olena Bilozerska begeistert vom Gedenkmarsch zum 105. Geburtstag für den Antisemiten und Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera berichtet (http://bilozerska.livejournal.com/793583.html), symbolhaft für den unkritischen und undifferenzierten Umgang mit der vermeintlich demokratischen Opposition in der Ukraine steht, wie er nach Auffassung der Fragesteller bereits länger, mindestens im Zuge der sog. Orangenen Revolution zum Ausdruck kommt? Die Bundesregierung sieht in dem Fall der Nominierung des Blogs von Olena Bilozerska für einen Preis der Deutschen Welle kein Beispiel für einen unkritischen oder undifferenzierten Umgang mit der Opposition in der Ukraine, da die Deutsche Welle, nachdem ihr der in der Frage genannte Sachverhalt bekannt wurde, die entsprechenden Konsequenzen gezogen hat. Die Bundesregierung analysiert die wichtigen politischen Strömungen in der Ukraine, wozu auch die politischen Ansichten und Hintergründe der Hauptakteure der Protestbewegung gehören, genau und zieht aus diesen Analysen die notwendigen operativen Schlüsse. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen. 32. Inwieweit hatte die Bundesregierung gegenüber dem einstigen ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko im Jahr 2010, als dieser dem Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera den Titel „Held der Ukraine“ verlieh, den der derzeitige Präsident Viktor Janukowitsch wieder aberkannte (www. tagesschau.de/ausland/ukraine-nationalisten100.html), die Verantwortung Viktor Juschtschenkos für die Achtung der Menschenwürde, die Einhaltung der Menschenrechte und das Eintreten gegen Antisemitismus thematisiert? Die Bundesregierung setzt sich sowohl bilateral als auch im multilateralen und EU-Rahmen für die Einhaltung von Menschen- und Freiheitsrechten ein. Dies gilt auch für ihre Gespräche mit den bisherigen Amtsträgern in der Ukraine, darunter auch der frühere Präsident Viktor Juschtschenko. Drucksache 18/863 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 33. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch am 17. Januar 2014 unter anderem das Gesetz Nr. 734-VІІ „Über Änderungen des Art. 297 im Strafgesetzbuch der Ukraine bezüglich der Verantwortlichkeit für Schändung und Zerstörung von Denkmälern für Kämpfer gegen Nazismus während des Zweiten Weltkrieges – sowjetische Befreier, Partisanen, Opfer des Nazismus sowie internationale Kämpfer und Friedenssoldaten“ sowie das Gesetz Nr. 735- VІІ „Über Änderungen im Strafgesetzbuch der Ukraine bezüglich der Verantwortlichkeit für Leugnung oder Rechtfertigung faschistischer Verbrechen “ unterzeichnet hat, die zuvor am 16. Januar 2014 vom ukrainischen Parlament verabschiedet wurden (www.unian.ua/politics/879104-yanukovich -pidpisav-chotiri-zakoni-priynyati-parlamentom-28-sichnya.html)? Der Bundesregierung ist bekannt, dass das ukrainische Parlament die genannten Gesetze am 16. Januar 2014 in einem Paket zusammen mit Gesetzen zur Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit angenommen hat. Der ehemalige Staatspräsident Janukowitsch unterzeichnete sie am 17. Januar 2014. Am 28. Januar 2014 hob das ukrainische Parlament die Gültigkeit dieses Gesetzespakets wieder auf. Über die Gesetze 734-VII und 735-VII stimmte es am selben Tag einzeln erneut ab und nahm sie an. Der ehemalige Staatspräsident Viktor Janukowitsch unterzeichnete sie am 31. Januar 2014. 34. Inwieweit hat nach Kenntnis der Bundesregierung die ukrainische Gesellschaft bezogen auf die Interpretation der kollaborierenden Rolle der OUN-UPA mit der faschistischen Wehrmacht, ihrer Rolle bei den ethnischen Säuberungen gegen die polnische Bevölkerung von März 1943 bis Ende 1944, bei denen rund 100 000 Polinnen und Polen in Wolhynien und Ostgalizien von der OUN-UPA ermordet wurden (www.presseurop.eu/de/ content/news-brief/3922371-wolhynien-versoehnung) und deren aktiven Rolle bei Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, die „notwendigen historischen Lehren des zwanzigsten Jahrhunderts“ noch nicht gezogen und steht „weiterhin unter dem Einfluss von veralteten Stereotypen“ (http:// globalist.org.ua/novosti/society-news/klichko-2014-jj-dolzhen-statgodom -istoricheskogo-primireniya-no111623.html)? Ukrainische Historiker und die ukrainische Öffentlichkeit beteiligen sich mit vielfältigen Beiträgen an der Diskussion über die Rolle der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Ukrainischen Aufständischen Armee (OUN/UPA) während des Zweiten Weltkriegs. 35. Inwieweit hält es die Bundesregierung nach eigener Kenntnis und Auffassung für geschichtsrevisionistisch, wenn unter Vernachlässigung der Ursache -Wirkung-Kausalität, Handlungen von Angehörigen der Wehrmacht, der UPA und der Roten Armee gleichgesetzt werden, obwohl die beiden ersteren an einem verbrecherischen Angriffs- und Vernichtungsfeldzug und die anderen an einem Verteidigungskrieg beteiligt waren? Die Bundesregierung nimmt keine vergleichende Wertung der Handlungen von Angehörigen der Wehrmacht, der UPA und der Roten Armee vor. 36. Inwieweit negiert nach Kenntnis der Bundesregierung die Aussage, die UPA-Kommandeure seien Verbrecher und Verräter gewesen, vor den einfachen UPA-Soldaten müsse man aber Respekt haben, da diese nur Befehle ausgeführt hätten (http://vlasti.net/news/184085), die zweifellos vorhandenen Handlungsspielräume für UPA-Angehörige, sich den Verbre- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/863 chen im Rahmen des von ihnen mitgeführten Vernichtungsfeldzuges zu entziehen? Die Aussage ist der Bundesregierung nicht bekannt. Grundsätzlich ist die Bundesregierung jedoch der Auffassung, dass Handlungen Einzelner auch einzelfallbezogen zu beurteilen sind. 37. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, dass im Juli 2013 148 Abgeordnete der Ukraine den Sejm der Republik Polen ersuchten, die Entscheidung des polnischen Senats zu unterstützen, die Massaker der UPA in Wolhynien als Genozid gegen das polnische Volk anzuerkennen und die verbrecherischen Handlungen der ukrainischen Nationalisten zu verurteilen, nicht zuletzt deshalb, weil die Ukrainer wegen der neonazistischen Stimmungen der Möglichkeit entzogen seien, die Wahrheit über die Wolhynien-Tragödie zu erfahren (www.ukrinform.ua/deu/news/ 148_ukrainische_abgeordnete_ersuchen_den_sejm_polens_wolhynien_ tragdie_als_genozid_ der_polen_anzuerkennen_dokument)? Der Bundesregierung ist das genannte Ersuchen bekannt. 38. Welche Parteien, Organisation und Gruppen in der Ukraine sind nach Kenntnis der Bundesregierung der extrem rechten Szene zuzurechnen? Die Landschaft politischer Parteien, Organisationen und Gruppen in der Ukraine ist heterogen und volatil. Eine abschließende Aufzählung von Parteien, Organisationen und Gruppen, die der extrem rechten Szene in der Ukraine zuzurechnen sind, ist daher nicht möglich. Nach Kenntnis der Bundesregierung gehören jedoch u. a. die Partei Ukrainische Nationalversammlung/Ukrainische Selbstverteidigung (UNA/UNSO) sowie die Gruppen „Dreizack“, „Ukrainischer Patriot“ und „Weißer Hammer“ dazu. 39. Inwieweit ist es der Bundesregierung bekannt, dass EU-Amtsträger russischen Journalisten, unter anderem einem Reporter der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti, den Zugang zu einer Pressekonferenz der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton verwehrt haben, die am 29. Januar 2014 zu einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew weilte, obwohl der Akkreditierungsantrag rechtzeitig gestellt worden war (http:// de.ria.ru/society/20140129/267735509.html)? Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es den Eindruck einer Einschränkung der Pressefreiheit erweckt, obwohl die Pressefreiheit von der EU als zentrales Rechtsgut betrachtet wird, wenn der Sprecher der EU-Delegation , David Stulik, Journalisten mitteilte, die Pressekonferenz finde in „begrenztem Format“ statt und „Eintritt nur gegen Vorlage der Einladung“ möglich sei, und dann auf die Frage, nach welchem Prinzip der Auswahl der Medien, antwortet „Nach unserem Ermessen“ (http://de.ria.ru/society/ 20140129/267735509.html)? Nach Kenntnis der Bundesregierung handelte es sich bei dem geschilderten Vorgang nicht um eine Pressekonferenz, sondern lediglich um eine kurze Begegnung mit der Presse, die kurzfristig zustande kam. Wegen beschränkter Raumverhältnisse konnten nur die Journalisten zugelassen werden, die sich zuerst angemeldet hatten. Eine für alle zugängliche Live-Übertragung hat stattgefunden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333