Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 3. Juni 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/8692 18. Wahlperiode 07.06.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/8194 – Menschenrechtliche Lage in Tunesien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 3. Februar 2016 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Einstufung der Demokratischen Volksrepublik Algerien, des Königreichs Marokko und der Tunesischen Republik als sichere Herkunftsstaaten beschlossen. Folge der Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten ist die Beschränkung von Verfahrensrechten , Rechtsschutzmöglichkeiten sowie sozialen und wirtschaftlichen Rechten von Schutzsuchenden aus diesen Staaten. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält das Instrument der „sicheren Herkunftsstaaten“ nach wie vor für falsch. Bei der Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten sind die Vorgaben des Grundgesetzes und der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juli 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) einzuhalten. Nach Artikel 16a Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes muss „auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet [erscheinen], dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet“. Nach Anhang I der Richtlinie kann ein Staat nur dann zum sicheren Herkunftsstaat bestimmt werden, „wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind“. Berichte zahlreicher staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen und Organisationen belegen, dass diese Voraussetzungen in Tunesien nicht erfüllt sind (s. etwa Amnesty International , Stellungnahme vom 2. Februar 2016 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten , S. 10). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8692 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Menschenrechtliche Lage von religiösen Minderheiten Vorbemerkung der Bundesregierung zu den religiösen Minderheiten in Tunesien 99 Prozent der tunesischen Bevölkerung sind muslimischen Glaubens, davon etwa 99 Prozent Sunniten. Auf der Insel Djerba sowie im südlichen Gebirgsland um Tataouine gibt es kleine Gruppen von Ibaditen. Autochthone Christinnen und Christen gibt es im Gebiet des heutigen Tunesien seit dem 12. Jahrhundert nicht mehr. Die heute in Tunesien lebenden etwa 3 000 Christinnen und Christen sind fast ausschließlich ausländische Residentinnen und Residenten (Experten, Diplomaten und Studenten), Ehepartnerinnen und Ehepartner von muslimischen Tunesiern sowie einige Nachkommen der früheren italienischen und französischen Siedlerinnen und Siedler aus dem 19. Jahrhundert. Die Anzahl der tunesischen Konvertiten dürfte nach Schätzungen wenige Hundert nicht überschreiten. Die überwiegende Mehrzahl der in Tunesien lebenden Christinnen und Christen besitzt nicht die tunesische Staatsangehörigkeit. Bis zur Unabhängigkeit Tunesiens 1956 zählte die teilweise seit der Antike im Lande lebende, teilweise seit dem 16. Jahrhundert aus Spanien und Italien eingewanderte jüdische Bevölkerung Tunesiens einige Zehntausende. Nach großen Auswanderungswellen seither sind nur noch etwa 1 500 Jüdinnen und Juden im Lande verblieben, der größte Teil auf der Insel Djerba. Sie besitzen durchweg die tunesische Staatsangehörigkeit, ein kleiner Teil zusätzlich auch die französische, die ihren Vorfahren in den Jahren vor der Unabhängigkeit von der französischen Protektoratsmacht Frankreich verliehen wurde. Weitere einheimische Religionen, auch Stammesreligionen, gibt es in Tunesien nicht. Artikel 6 der tunesischen Verfassung von 2014 garantiert die „Freiheit des Gewissens und des Glaubens“. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation von Christinnen und Christen in Tunesien aus menschenrechtlicher Perspektive? a) Inwiefern werden gegen Christinnen und Christen christenfeindlich motivierte Straftaten begangen, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solchen Straftaten? Aus religiösen Motiven in Tunesien begangene Straftaten gegen Christinnen und Christen sind der Bundesregierung nicht bekannt. b) Inwiefern kommt es zu Zerstörungen, Beschädigungen und Verunstaltungen von Kirchen und anderen christlichen Einrichtungen, und inwiefern gehen die Behörden präventiv bzw. repressiv gegen solche Handlungen vor? Zerstörungen und andere Beeinträchtigungen von Kirchen und anderen christlichen Einrichtungen in Tunesien sind der Bundesregierung nicht bekannt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8692 c) Inwiefern werden Christinnen und Christen beim Zugang zu öffentlichen Leistungen benachteiligt? Insofern in Tunesien lebende Christinnen und Christen nicht die tunesische Staatsangehörigkeit besitzen, haben sie gegebenenfalls nur eingeschränkten Zugang zu öffentlichen Leistungen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. d) Inwiefern werden Christinnen und Christen beim Zugang zu Arbeit, Bildung , Wohnraum und im sonstigen privatrechtlichen Rechtsverkehr benachteiligt , und welchen Schutz bieten die Behörden vor solcher Benachteiligung ? Religiös begründete Benachteiligungen in Tunesien lebender Christinnen und Christen beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnraum sowie im privatrechtlichen Rechtsverkehr sind der Bundesregierung nicht bekannt. e) Inwiefern werden Missionierung und die Konversion zum Christentum strafrechtlich bzw. anderweitig geahndet? Eine Sanktionierung von Missionierung oder Konversion zum Christentum ist im tunesischen Strafrecht nicht vorgesehen. Konversion kann aber durchaus gesellschaftliche Ausgrenzung zur Folge haben. Strafbar sind gemäß der Paragrafen 165 und 166 des tunesischen Strafgesetzbuchs die Störung religiöser Handlungen und die Anwendung von Zwang in Form von Gewalt oder Drohungen bei der Ausübung oder Nichtausübung einer Religion. 2. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation von Jüdinnen und Juden in Tunesien aus menschenrechtlicher Perspektive? a) Inwiefern werden gegen Jüdinnen und Juden antisemitisch motivierte Straftaten begangen, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solchen Straftaten? Antisemitisch motivierte Straftaten gegen Jüdinnen und Juden sind der Bundesregierung in jüngerer Zeit nicht bekannt geworden. Sie hat jedoch Kenntnis vom Fall des Betreibers eines jüdischen Restaurants in La Goulette, der 2015 nach eigenen Angaben von den tunesischen Sicherheitsbehörden vor möglichen Übergriffen gewarnt worden und dem deshalb Personenschutz angeboten worden war. b) Inwiefern kommt es zu Zerstörungen, Beschädigungen und Verunstaltungen von jüdischen Einrichtungen, und inwiefern gehen die Behörden präventiv bzw. repressiv gegen solche Handlungen vor? Am 11. April 2002 verübte ein Selbstmord-Attentäter einen Sprengstoff-Anschlag auf den Innenraum der jüdischen Synagoge „Al-Ghriba“ auf der Insel Djerba, bei dem 19 ausländische Touristen getötet wurden. In der Nacht vom 11. auf den 12. April 2002 verwüsteten offenbar politisch motivierte Täter die Synagoge „Keren Yechoua“ in La Marsa, einem Vorort von Tunis. Die tunesische Regierung hat die Übergriffe verurteilt und Unterstützung beim Wiederaufbau der Synagogen geleistet. Die tunesischen Sicherheitsbehörden bewachen die noch in Betrieb befindlichen Synagogen des Landes. Zur alljährlichen Pilgerfahrt zur Synagoge auf Djerba werden hohe Sicherheitsvorkehrungen seitens der tunesischen Behörden getroffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8692 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Inwiefern werden Jüdinnen und Juden beim Zugang zu öffentlichen Leistungen benachteiligt? Benachteiligungen von Jüdinnen und Juden mit tunesischer Staatsangehörigkeit beim Zugang zu öffentlichen Leistungen sind der Bundesregierung nicht bekannt. d) Inwiefern werden Jüdinnen und Juden beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnraum und im sonstigen privatrechtlichen Rechtsverkehr benachteiligt , und welchen Schutz bieten die Behörden vor solcher Benachteiligung ? Religiös motivierte Benachteiligungen in Tunesien lebender Jüdinnen und Juden beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnraum sowie im privatrechtlichen Rechtsverkehr sind der Bundesregierung nicht bekannt. e) Inwiefern wird die Konversion zum Judentum strafrechtlich bzw. anderweitig geahndet? Eine Sanktion der Konversion zum Judentum ist im tunesischen Strafrecht nicht vorgesehen. Auch anderweitige Ahndungen sind der Bundesregierung nicht bekannt . 3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation von Angehörigen anderer nichtislamischer Religionsgemeinschaften in Tunesien aus menschenrechtlicher Perspektive? a) Inwiefern werden gegen Angehörige anderer Religionsgemeinschaften durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit motivierte Straftaten begangen , und welchen Schutz bieten die Behörden vor solchen Straftaten? b) Inwiefern werden Angehörige anderer Religionsgemeinschaften beim Zugang zu öffentlichen Leistungen benachteiligt? c) Inwiefern werden Angehörige anderer Religionsgemeinschaften beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnraum und im sonstigen privatrechtlichen Rechtsverkehr benachteiligt, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solcher Benachteiligung? d) Inwiefern wird Religionsfreiheit von Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften gewährleistet, und inwiefern werden Angehörige anderer Religionsgemeinschaften wegen ihres Glaubens bzw. wegen der Ausübung ihrer Religion strafrechtlich bzw. anderweitig belangt? e) Inwiefern werden Missionierung und die Konversion zu einem anderen Glauben strafrechtlich bzw. anderweitig geahndet? Die Fragen 3 und 3a bis 3e werden zusammengefasst beantwortet. Andere nicht-islamische Religionsgemeinschaften sind in Tunesien nicht verbreitet . Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 4. Inwiefern ist die interreligiöse bzw. interkonfessionelle Eheschließung in Tunesien, insbesondere zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, nach Kenntnis der Bundesregierung rechtlich möglich? Die Eheschließung zwischen einem muslimischen Mann und einer nicht-muslimischen Frau, die einer anderen Buchreligion angehört, ist nach dem tunesischen Gesetz ohne besondere, die Religion betreffende Maßnahmen möglich. Eine muslimische Frau kann dagegen nur einen Muslim heiraten, wenngleich es für dieses eherne Gewohnheitsrecht keine formelle Regelung im Personenstandsrecht gibt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8692 Falls ein nicht-muslimischer Partner nicht bereit ist, zum Islam überzutreten, ist eine Eheschließung praktisch nicht möglich. Im Ausland nach Ortsrecht geschlossene Ehen von tunesischen Staatsangehörigen müssen binnen drei Monaten beim nächstgelegenen tunesischen Konsulat im dortigen Heiratsregister registriert werden. Gemäß Verwaltungsverordnung des tunesischen Außenministeriums dürfen allerdings die im Ausland geschlossenen Ehen zwischen Ausländern und Tunesierinnen nur dann registriert werden, wenn eine Bescheinigung über die Konversion des Ehemannes zum Islam vorgelegt wird. 5. Inwiefern ist nach Kenntnis der Bundesregierung Gotteslästerung bzw. Blasphemie in Tunesien strafbar, welche Handlungen werden von dem Straftatbestand erfasst, und in wie vielen Fällen kam es seit dem Jahr 2012 zu rechtskräftigen Verurteilungen? Einen Blasphemie-Paragraphen gibt es im tunesischen Strafrecht nicht. Nach Artikel 6 der tunesischen Verfassung schützt der Staat die Religionen und alles in diesem Sinne Heilige („le Sacré“). Unter der Beschuldigung der „Störung der Öffentlichen Ordnung“ kommt es zu Blasphemie-Anklagen und Verurteilungen, so zuletzt 2014 wegen einer Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen auf Facebook . Zu der Anzahl von rechtskräftigen Verurteilungen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Menschenrechtliche Lage von Frauen, Jugendlichen und Kindern 6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation von Frauen und Mädchen in Tunesien aus menschenrechtlicher Perspektive? a) Inwiefern werden Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt geschützt? b) Inwiefern werden Frauen beim Zugang zu öffentlichen Ämtern rechtlich oder tatsächlich benachteiligt? c) Inwiefern werden Frauen und Mädchen beim Zugang zu öffentlichen Leistungen rechtlich oder tatsächlich benachteiligt? d) Inwiefern werden Frauen und Mädchen beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnraum und im sonstigen privatrechtlichen Rechtsverkehr rechtlich oder tatsächlich benachteiligt, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solcher Benachteiligung? Die Fragen 6 bis 6d werden zusammengefasst beantwortet. Männer und Frauen sind seit dem Personalstatut von 1956, das durch die neue tunesische Verfassung anerkannt wurde, gleichberechtigt (Artikel 21). Artikel 46 verpflichtet den Staat, Frauen vor Gewalt zu schützen. Das Wahlgesetz sieht eine Listenaufstellung bei allen kandidierenden Parteien vor, bei der sich männliche und weibliche Kandidaten abwechseln müssen, was zu einer Quote von 31 Prozent weiblicher Parlamentarierinnen geführt hat, die über dem arabischen (17,8 Prozent) und auch europäischen Durchschnitt (25,3 Prozent) liegt. Dennoch sind Frauen in der Regierung nur wenig vertreten. Kein Gouverneursposten wird von einer Frau besetzt. Eine rechtliche Benachteiligung von Frauen beim Zugang zu öffentlichen Leistungen oder Arbeit, Bildung, Wohnraum liegt nach Kenntnis der Bundesregierung nicht vor. Auf dem Land sehen sich Frauen oft starken patriarchalen Traditionen gegenüber, was ihre Teilhabe am öffentlichen Leben erschwert. Ebenso Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8692 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode verbreitet sind Erfahrungen von Frauen mit Gewalt und Belästigung im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz. Das tunesische Ministerium für Frauen, Familie und Kinder arbeitet an einem Gesetzentwurf, der Gewalt gegen Frauen, auch in der Ehe, sanktionieren soll. Dem zugrunde liegt eine nationale Strategie, die im Jahr 2008 in Zusammenarbeit mit diversen VN-Organisationen ausgearbeitet worden war. e) Welche Ungleichbehandlungen von Frauen und Mädchen einerseits und Männern und Jungen andererseits sind nach Kenntnis der Bundesregierung im tunesischen Verfassungsrecht, Vertragsrecht, Familienrecht, Erbrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Prozessrecht vorgesehen? Die Fragen 6e i. bis vii. werden zusammengefasst beantwortet. Die tunesische Regierung arbeitet daran, die verschiedenen Rechtsbereiche in Einklang mit der neuen Verfassung aus dem Jahr 2014 zu bringen. Diese enthält umfangreiche Garantien bürgerlicher und politischer sowie wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Grundrechte. Handlungsbedarf besteht im Straf-, Zivil-, Erb- und Familienrecht. Im tunesischen Erbrecht gilt nach wie vor das aus dem islamischen Recht stammende Prinzip, bei dem weibliche Nachkommen nur die Hälfte des Anteils ihrer männlichen Geschwister erhalten. Bereits geändert wurde die Rechtsvorschrift bei Ausreisen eines Elternteils mit Kindern: Musste bis vor kurzem immer die Zustimmung des Vaters vorliegen, gilt nun die Zustimmung eines sorgeberechtigten Elternteils als ausreichend. 7. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Kinder in Tunesien hinreichend vor Gewalt geschützt, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Situation? Artikel 47 der tunesischen Verfassung garantiert Würde, Gesundheit, Pflege sowie Bildung und Ausbildung von Kindern und verpflichtet den Staat, allen Kindern ohne Diskriminierung und in ihrem besten Interesse umfassenden Schutz zukommen zu lassen. Zur praktischen Umsetzung dieser Norm liegen der Bundesregierung keine aktuellen Erkenntnisse vor. Der nächste Staatenbericht zur Umsetzung der Verpflichtungen Tunesiens aus der VN-Konvention über die Rechte des Kindes ist am 28. August 2017 fällig. 8. Wie viele Fälle der Zwangsverheiratung in Tunesien sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden, und inwiefern wurden diese Fälle von den tunesischen Behörden strafrechtlich oder anderweitig verfolgt? Belastbare Informationen zu Zwangsverheiratungen in Tunesien liegen der Bundesregierung nicht vor. Tunesische Nichtregierungsorganisationen weisen auf Fälle von „arrangierten Hochzeiten“ oder „Heiraten unter sozialem Druck“ hin. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8692 Der für eine strafrechtliche Verfolgung erforderliche Nachweis, dass es sich um eine Zwangsheirat handelt, wird in der Praxis nur schwer zu erbringen sein. 9. In wie vielen Fällen wurden Minderjährige in Tunesien seit dem Jahr 2012 verheiratet, und in wie vielen dieser Fälle waren beide Betroffenen minderjährig ? Laut geltendem Personenstandsrecht müssen beide Verlobte bei der Eheschließung volljährig sein (Artikel 5 Absatz I des tunesischen Personenstandsgesetzes). Vor Vollendung der Volljährigkeit kann die Ehe nur mit richterlicher Erlaubnis und bei Vorliegen besonders schwerwiegender Gründe im Interesse zukünftiger beider Ehegatten geschlossen werden. Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) betrug der Anteil der im Zeitraum 2005 bis 2013 verheirateten Minderjährigen in Tunesien zwei Prozent. 10. In wie vielen Fällen sind tunesische Staatsangehörige nach Kenntnis der Bundesregierung Opfer von Menschenhandel geworden (bitte nach Geschlecht und Zweck des Menschenhandels – sexuelle Ausbeutung, Arbeitsausbeutung , Zwangsbettelei, Zwangskriminalität, Organraub usw. – aufschlüsseln ), und inwiefern wurden diese Fälle von den Behörden strafrechtlich oder anderweitig verfolgt? Laut einer Pressemitteilung vom 14. April 2016 hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) seit 2012 67 Fälle von internationalem Menschenhandel in Tunesien aufgedeckt und die Opfer betreut. Dabei soll es sich meist um ivorische Staatsangehörige gehandelt haben, die im Umfeld der zeitweilig nach Tunis verlegten Afrikanischen Entwicklungsbank nach Tunesien gekommen waren. Die Dunkelziffer dürfte nach Einschätzung der Bundesregierung höher liegen. Mit Unterstützung der IOM plant die tunesische Regierung eine umfassende Gesetzesinitiative zur Bekämpfung des Menschenhandels in Tunesien. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll demnächst fertiggestellt und im Parlament beraten werden. Im Rahmen der Vorarbeiten wurde 2013 eine umfangreiche Studie zum Menschenhandel in Tunesien veröffentlicht, die auf der Internetseite von IOM Tunis zu finden ist (http://tunisia.iom.int/content/etude-exploratoire-sur-la-traitedes -personnes-en-tunisie). 11. In wie vielen Fällen mussten Minderjährige in Tunesien seit dem Jahr 2012 entgegen völkerrechtlichen Vorgaben Kinderarbeit leisten, und in wie vielen dieser Fälle waren die Betroffenen unter 14 Jahren alt? Nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) betrug der Anteil der von Kinderarbeit betroffenen Kinder in Tunesien im Zeitraum 2005 bis 2013 zwei Prozent. Weitere Statistiken liegen der Bundesregierung zu diesem Sachverhalt nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8692 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Menschenrechtliche Lage von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LSBTTI) 12. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation von LSBTTI in Tunesien? a) Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen unter Erwachsenen seit dem Jahr 2012 verurteilt? Der Bundesregierung sind keine amtlichen Statistiken dazu bekannt, wie viele Menschen in Tunesien seit 2012 wegen einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen auf der Grundlage des Artikels 230 des tunesischen Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Sie geht von einer mindestens zweistelligen Ziffer aus. Von den Medien sowie Menschenrechtsorganisationen aufgegriffen wurden jüngst der Fall „Marwan“ (September 2015) sowie der Fall von sechs Studierenden aus Kairouan (Dezember 2015). In beiden Fällen reduzierte das Berufungsgericht die verhängten Haftstrafen jeweils auf die Zeit der Untersuchungshaft. Die EU-Delegation in Tunis nahm diese Fälle in Abstimmung mit den Botschaften der örtlichen vertretenen EU-Mitgliedstaaten zum Anlass für Demarchen im tunesischen Außenministerium. Auf Einladung des Auswärtigen Amts fand am 3. November 2015 eine Konferenz mit 16 Aktivistinnen und Aktivisten für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LSBTTI) aus Ägypten, Algerien, Bahrain, Libanon, Libyen, Marokko , Oman, Tunesien und Syrien statt. Auf der Konferenz berichteten sie über ihre persönlichen Erfahrungen und ihre Arbeit. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Reise waren jeweils zwei LSBTTI-Aktivisten aus Marokko, Algerien und Tunesien. b) Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe) gegen LSBTTI sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? c) Inwiefern werden LSBTTI beim Zugang zu öffentlichen Ämtern rechtlich oder tatsächlich benachteiligt? d) Inwiefern werden LSBTTI beim Zugang zu öffentlichen Leistungen rechtlich oder tatsächlich benachteiligt? e) Inwiefern haben LSBTTI tatsächlich Zugang zu gesundheitlicher Versorgung bei akutem Behandlungsbedarf einerseits und chronischen Leiden andererseits, inwiefern ist die gesundheitliche Versorgung der Angehörigen dieser Gruppe kostenlos, und inwiefern wird bei der gesundheitlichen Versorgung der Angehörigen dieser Gruppe die ärztliche Schweigepflicht gewahrt? f) Inwiefern werden LSBTTI beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Wohnraum und im sonstigen privatrechtlichen Rechtsverkehr rechtlich oder tatsächlich benachteiligt, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solcher Benachteiligung? Die Fragen 12b bis 12f werden zusammengefasst beantwortet. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die in diesen Fragen angesprochenen Benachteiligungen und Diskriminierungen von LSBTTI in Tunesien häufig vorkommen . Angaben zu Einzelfällen oder Statistiken liegen der Bundesregierung hierzu nicht vor. Gezielte Maßnahmen der tunesischen Regierung zur Beseitigung dieser gruppenspezifischen Nachteile sind nicht bekannt. Der Themenbereich ist mit starken gesellschaftlichen Tabus belegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/8692 g) Welche Medien sind in Tunesien öffentlich verfügbar, die LSBTTI-Themen ansprechen, und inwiefern sind der Bundesregierung Maßnahmen bzw. Gesetze bekannt, die geeignet bzw. bestimmt sind, die Redaktion bzw. den Vertrieb solcher Medien zu unterbinden? Die in der Antwort zu Frage 12a genannten Fälle von Verurteilungen junger Tunesier zu Haft- und Geldstrafen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen , die Kritik von Nichtregierungsorganisationen an der Diskriminierung von LSBTTI und die dadurch ausgelöste, begrenzte öffentliche Debatte werden vor allem von tunesischen Onlinemedien, aber auch in den sozialen Netzwerken relativ ausführlich dargestellt. Spezifische Maßnahmen oder Gesetze, die die Redaktion oder den Vertrieb von Medien, die LSBTTI-Themen ansprechen, in Tunesien einschränken würden, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Menschenrechtliche Lage von weiteren sozialen Gruppen 13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation von Wohnungslosen in Tunesien und insbesondere von minderjährigen Wohnungslosen aus menschenrechtlicher Perspektive? a) Inwiefern werden gegen Wohnungslose durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit motivierte Straftaten begangen, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solchen Straftaten? b) Inwiefern werden Wohnungslose beim Zugang zu öffentlichen Leistungen rechtlich oder tatsächlich benachteiligt? c) Inwiefern werden Wohnungslose beim Zugang zu Arbeit, Bildung und im sonstigen privatrechtlichen Rechtsverkehr rechtlich oder tatsächlich benachteiligt, und welchen Schutz bieten die Behörden vor solcher Benachteiligung ?# Die Fragen 13 bis13c werden zusammengefasst beantwortet: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Lage von Wohnungslosen in Tunesien vor. Die tunesische Familienministerin erklärte kürzlich gegenüber den Medien, verstärkt gegen die Obdachlosigkeit von Kindern und Jugendlichen vorzugehen. 14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation von drogenabhängigen Menschen in Tunesien aus menschenrechtlicher Perspektive, und inwiefern sind diese Menschen wegen bzw. im Zusammenhang mit ihrer Krankheit straf- und ordnungsrechtlichen Maßnahmen ausgesetzt? In Tunesien werden Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, also Drogenkonsum und Besitz, streng geahndet. Unabhängig von der festgestellten Menge ist in jedem Fall mit Haftstrafen zu rechnen. Die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen wurden vor Beginn der Demokratisierung 2011 häufig zur Verfolgung von politisch aktiven Personen genutzt und gelten bis heute als Hauptursache für die Überlastung tunesischer Haftanstalten. Die tunesische Regierung hat den Reformbedarf in diesem Bereich erkannt und eine entsprechende Gesetzesinitiative ergriffen, wonach insbesondere Ersttäter bei Drogenkonsum oder Drogenbesitz für den Eigenbedarf künftig straffrei ausgehen sollen, sofern sie sich freiwillig in medizinische, psychische oder soziale Behandlung begeben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8692 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Menschenrechtliche Lage von politisch aktiven Menschen 15. Welche Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Menschen in Tunesien wegen ihrer politischen Arbeit polizeilichen oder justiziellen Maßnahmen unterworfen wurden, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Situation? Der Bundesregierung liegen hierzu keine entsprechenden statistischen Angaben vor. 16. Inwiefern sind Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung gewährleistet, welche Maßnahmen, die die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit beschränken, sind der Bundesregierung bekannt, und wie beurteilt sie diese Situation? Die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit ist in Tunesien seit der Revolution vom Januar 2011 gewährleistet und in der Verfassung verankert. Medienvertreter und Nichtregierungsorganisationen wie „Reporter ohne Grenzen“ befürchten eine Instrumentalisierung des im Juli 2015 verabschiedeten Anti-Terrorgesetzes . Die Bundesregierung beobachtet die Situation aufmerksam, teilt insgesamt jedoch die Einschätzung von „Reporter ohne Grenzen“, dass Tunesien innerhalb der Region „Mittlerer Osten – Nordafrika“ mit deutlichem Abstand zu anderen Ländern über das größte Maß an Meinungs-, Presse und Informationsfreiheit verfügt . 17. Inwiefern droht die verfassungsrechtliche Vorschrift zu „Angriffen auf das Heilige“ (Amnesty-Stellungnahme, S. 13) nach Auffassung der Bundesregierung Verletzungen der völkerrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit zu legitimieren ? Artikel 31 der Verfassung von 2014 garantiert die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit in Tunesien. Artikel 6 der Verfassung stellt den Schutz vor Angriffen auf alles, was im Sinne der gewährten Religionsfreiheit heilig ist (siehe auch die Antwort zu Frage 5), als Verpflichtung des Staates auf eine Stufe mit der Verbreitung der Werte von Toleranz und Mäßigung. 18. In wie vielen Fällen kam es in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 zu Strafverfahren und Verurteilungen wegen Äußerungen und Handlungen, die nach ihrer Einschätzung unter Berücksichtigung völkerrechtlicher Vorgaben Ausübung der Meinungs-, Presse oder Informationsfreiheit waren (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine entsprechenden statistischen Angaben vor. 19. Inwiefern wird die Vereinigungsfreiheit in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung gewährleistet? Die Vereinigungsfreiheit einschließlich der Gründung von politischen Parteien ist in Tunesien seit der Revolution von 2011 gewährleistet und in Artikel 35 der Verfassung verankert. Seit der Revolution wurden über 100 neue Parteien sowie unzählige Nichtregierungsorganisationen gegründet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/8692 20. Sind der Bundesregierung Behinderungen der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen in Tunesien durch Gesetze bzw. hoheitliche Maßnahmen bekannt ? Politisch motivierte Behinderungen der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen in Tunesien durch Gesetze oder hoheitliche Maßnahmen sind der Bundesregierung nicht bekannt. 21. In wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Sanktionen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen bzw. zivilgesellschaftlichen Initiativen in Tunesien wegen der fehlenden Registrierung der Organisation? Die Gründung von Nichtregierungsorganisationen in Tunesien richtet sich nach den Bestimmungen der Verordnung Nr. 88 vom 24. September 2011. Bei Verstößen gegen ausgewählte Bestimmungen dieser Verordnung sieht Artikel 45 folgende Sanktionen vor: Aufforderung zur Abstellung des Missstands, Suspendierung oder als letzte Stufe Auflösung der betreffenden Nichtregierungsorganisation . Der Bundesregierung ist nicht bekannt, in wie vielen Fällen Nichtregierungsorganisationen seit Inkrafttreten der genannten Verordnung entsprechend sanktioniert worden sind. Auf die Antwort zu Frage 19 wird verwiesen. 22. Sind der Bundesregierung Behinderungen der Arbeit von unabhängigen Gewerkschaften in Tunesien durch Gesetze bzw. hoheitliche Maßnahmen bekannt ? Behinderungen der Arbeit von unabhängigen Gewerkschaften in Tunesien durch Gesetze oder hoheitliche Maßnahmen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Der Gewerkschaftsbund UGTT nimmt in aller Freiheit seine Aufgaben war und engagierte sich ferner im Rahmen des „Nationalen Dialog-Quartetts“ erfolgreich bei der Überwindung der politischen Krise von 2013, wofür er im Jahr 2015 mit dem Nobelpreis für Frieden ausgezeichnet wurde. Daneben gibt es einige kleinere Gewerkschaften, die ebenfalls ungehindert arbeiten können. 23. Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe ) gegen Journalistinnen und Journalisten in Tunesien sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln ), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln )? Zu Übergriffen gegen Journalisten gibt es keine offiziellen Zahlen. Erhebungen des tunesischen Zentrums für Pressefreiheit und der tunesischen Journalistengewerkschaft für die Zeit ab 2012 sprechen von einigen hundert Fällen im Jahr. Die Übergriffe erfolgten von Seiten der Sicherheitskräfte und auch von Bürgern. Zu möglichen Strafverfahren hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse. 24. Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe ) gegen Oppositionspolitikerinnen und -politiker in Tunesien sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)? Seit der Revolution von 2011 gab es bis auf eine Ausnahme in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung keine staatlichen Übergriffe mehr gegen Politiker Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8692 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der Opposition. Im Jahr 2013 kam es zu einer Welle von Angriffen gegen Oppositionspolitiker in deren Folge es zu zwei Ermordungen kam. Die Mordanschläge gegen die Oppositionspolitiker Schukri Belaid und Mohamed Brahmi konnten bis heute nicht aufgeklärt werden, ihre Urheber werden in islamistischen Kreisen vermutet . 25. Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe ) gegen Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten in Tunesien sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)? Seit der Revolution von 2011 gab in Tunesien es nach Kenntnis der Bundesregierung keine politisch motivierten staatlichen Übergriffe, Strafverfahren oder Verurteilungen gegen Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten mehr. 26. Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe ) gegen Anwältinnen und Anwälte in Tunesien sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)? Seit der Revolution von 2011 gab es in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung keine politisch motivierten staatlichen Übergriffe, Strafverfahren oder Verurteilungen gegen Anwältinnen und Anwälte mehr. 27. Wie viele Übergriffe (Einschüchterungen, Bedrohungen, gewalttätige Übergriffe ) gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in Tunesien sind der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 bekannt geworden (bitte nach Jahren aufschlüsseln), und in wie vielen Fällen kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Strafverfahren und Verurteilungen (bitte jeweils nach Jahren aufschlüsseln)? Seit der Revolution von 2011 gab es in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung keine politisch motivierten staatlichen Übergriffe gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mehr. 28. Inwiefern ist die Versammlungsfreiheit in Tunesien nach Auffassung der Bundesregierung gewährleistet, und wie viele friedliche öffentliche Versammlungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 nicht genehmigt oder aufgelöst? Artikel 37 der Verfassung garantiert die Freiheit zu Versammlung und friedlicher Demonstration. Davon hat die tunesische Zivilgesellschaft in den letzten Jahren ausgiebig Gebrauch gemacht. Zu Einschränkungen der Versammlungsfreiheit kam es im Rahmen des nach den drei Terroranschlägen im März, Juni und November 2015 verhängten Ausnahmezustandes. Anlässlich der sozialen Unruhen im Januar 2016 bekräftigte die Staats- und Regierungsführung ausdrücklich die Legitimität friedlicher öffentlicher Versammlungen und Proteste und erteilte den Sicherheitskräften Weisungen zu deeskalierendem Verhalten. Die Befürchtung einiger Nichtregierungsorganisationen, dass das neue Anti-Terrorgesetz vom Juli 2015 aufgrund der vagen Definition des Begriffs „Terrorismus“ zur Verhinderung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/8692 politischer Demonstrationen genutzt werden könnte, hat sich bisher nicht bestätigt . 29. In wie vielen Fällen kam es in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 zu Strafverfahren und Verurteilungen wegen der Teilnahme an friedlichen öffentlichen Versammlungen (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? Strafverfahren und Verurteilungen wegen der Teilnahme an friedlichen öffentlichen Versammlungen seit 2012 in Tunesien sind der Bundesregierung nicht bekannt . Weitere Aspekte der menschenrechtlichen Lage in Tunesien 30. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2012 die Todesstrafe in Tunesien verhängt? Das tunesische Strafgesetzbuch sieht die Todesstrafe für Mord, Vergewaltigung mit Todesfolge sowie Landesverrat vor. Neue Straftatbestände, für die eine Sanktionierung mit der Todesstrafe vorgesehen ist, wurden durch das am 7. August 2015 in Kraft getretene Gesetz gegen Terrorismus und Geldwäsche geschaffen. Eine verfassungsrechtliche oder gesetzliche Aufhebung der Todesstrafe wurde in der Phase des demokratischen Übergangs seit 2011 diskutiert, jedoch nie beschlossen . Die Todesstrafe wird de jure weiterhin verhängt, de facto jedoch nicht vollstreckt. Nach Schätzungen von Amnesty International wurde die Todesstrafe 2012 neunmal verhängt, 2013 fünfmal, 2014 zweimal und 2015 elfmal. Eine amtliche Statistik ist der Bundesregierung hierzu nicht bekannt. Die letzte Vollstreckung fand 1991 statt. 31. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass Amnesty International und andere Organisationen den tunesischen Behörden Folter bzw. unmenschliche und erniedrigende Behandlung, insbesondere in Polizeigewahrsam und Justizvollzugsanstalten, vorwirft (Amnesty-Stellungnahme , S. 13 und 14; Deutsches Institut für Menschenrechte e. V., Stellungnahme zum Referentenentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten “ (Bundestagsdrucksache 18/8039) vom 2. Februar 2016)? Das Ausmaß von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung durch tunesische Behörden ist nach einhelliger Einschätzung von Experten stark zurückgegangen. Die Bundesregierung setzt sich gegenüber der tunesischen Regierung gemeinsam mit anderen europäischen Partnern für die vollständige Beendigung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ein und mahnt zur Einhaltung der Menschenrechte auch im Rahmen der Terrorabwehr. Die Bundesregierung unterstützt im Rahmen der Projektförderung Nichtregierungsorganisationen , die sich gegen Folter und unmenschliche und erniedrigende Behandlung in Tunesien einsetzen. Die tunesische Regierung erkennt das Problem an, auch indem sie bekräftigt, gegen die Straflosigkeit in diesem Bereich entschlossen vorzugehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8692 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 32. Was ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Ermittlungen im Fall Mohamed Ali Snoussi, der nach Angaben von Amnesty International (Stellungnahme, S. 14) im Jahr 2014 an den Folgen von Verletzungen starb, die ihm möglicherweise durch die Polizei zugefügt wurden, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus diesem Fall? Die Bundesregierung zieht aus dem Fall Ali Snoussi und weiteren Fällen die Schlussfolgerung, ihre Bemühungen zur Unterstützung des Vorgehens gegen Folter und unmenschliche und erniedrigende Behandlung sowie andere Menschenrechtsverletzungen in Tunesien entschlossen fortzusetzen. 33. Inwiefern kommt es nach Kenntnis der Bundesregierung zu unzulässiger politischer Einflussnahme auf die Arbeit der Gerichte und Strafverfolgungsbehörden in Tunesien? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. 34. Inwiefern werden die Rechte von Beschuldigten in Strafverfahren in Tunesien gewahrt? Kapitel V der tunesischen Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz sowie wesentliche Justizgrundrechte. Unter anderem garantiert Artikel 108 jeder Person einen fairen Prozess, freien Zugang zur Justiz sowie Zugang zu Prozesskostenhilfe für Bedürftige. In der Praxis stellt jedoch insbesondere Letzteres laut Beobachtung von im Justizbereich tätigen Nichtregierungsorganisationen ein Problem dar. Insbesondere im Rahmen der polizeilichen Untersuchungshaft, welche aktuell maximal neun, in Straftaten mit Verdacht auf Terrorismusbezug durch das am 7. August 2015 in Kraft getretene Antiterrorgesetz sogar bis zu 15 Tagen betragen kann, ist der Zugang von Beschuldigten in einem Strafverfahren zu rechtlichem Beistand problematisch. In dieser Zeit haben weder Anwalt noch Familie Zugang zu den Verdächtigen. Eine Reform der tunesischen Strafprozessordnung reduziert die polizeiliche Untersuchungshaft auf maximal vier Tage für Fälle außerhalb des Terrorismusverdachts. 35. Ist die „illegale“ Ausreise in Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung weiterhin strafbar, und inwiefern ist dies nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland mit Artikel 13 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und anderen völkerrechtlichen Vorgaben vereinbar? Die Ein- und Ausreise nach oder aus Tunesien muss laut Gesetz Nr. 75-40 vom 14. Mai 1975 über die hierfür vom Innenministerium vorgesehenen Grenzübergangsstellen erfolgen. Die illegale Ausreise tunesischer Staatsangehöriger ist strafbar und wird gemäß Artikel 35 des Gesetzes mit einer Haftstrafe von 15 Tagen bis sechs Monaten und/oder mit einer Geldstrafe belegt. Gemäß Artikel 29 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte kann das Recht auf Ausreise Einschränkungen unterworfen werden, soweit diese bestimmten Kriterien genügen und insbesondere verhältnismäßig sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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