Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 23. Juni 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/8937 18. Wahlperiode 24.06.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/8555 – Reformierung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und Alternativen zur Dublin-Verordnung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 6. April 2016 schlug die Europäische Kommission eine Reihe von Änderungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) vor. Dabei wurden fünf Bereiche in den Fokus der aus Kommissionssicht notwendigen strukturellen Verbesserungen gestellt. In diesem Zusammenhang wurde neben der Stärkung des EURODAC-Systems (EURODAC: Europäische Datenbank zur Speicherung von Fingerabdrücken), der Verhinderung sogenannter Sekundärmigration und der Ausweitung des Mandats für das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) die Harmonisierung der Asylverfahren und - standards auf EU-Ebene sowie die „Einführung eines tragfähigen, fairen Systems zur Bestimmung des für die Prüfung von Asylanträgen zuständigen Mitgliedstaates “ genannt (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-1246_de.htm). Als sogenannte langfristige Perspektive wird in dem Vorschlag der Europäischen Kommission auch die Möglichkeit angesprochen, das EASO längerfristig in eine erstinstanzliche Asylentscheidungsbehörde auf EU-Ebene mit nationalen Zweigstellen in jedem EU-Mitgliedstaat auszubauen und eine entsprechende Rechtsbehelfsinstanz auf EU-Ebene einzurichten (https://ec.europa.eu/ transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-197-DE-F1-1.PDF, S. 9 und 10). Hierzu äußerte sich PRO-ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisch. Er bezeichnete diesen Vorschlag der Europäischen Kommission als „politisches Ablenkungsmanöver, um davon abzulenken, dass in Griechenland derzeit das Asylrecht durch Eilverfahren und Abschiebungen in die Türkei ausgehebelt wird“ (www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/694164/pro-asyl-kritisierteu -plane-zu-asylverfahren). Zudem wurde an verschiedener Stelle darauf hingewiesen , dass sich eine solche Kompetenzübertragung auf eine europäische Institution nicht unkompliziert gestalte, da „die Entscheidung darüber, wer als Migrant in ein Land kommen darf und wer nicht, zu den genuinen Rechten souveräner Regierungen“ gehöre (www.welt.de/debatte/kommentare/article15403 2952/Bisheriges-EU-Asylrecht-ist-eine-absurde-Kopfgeburt.html). Selbst die Europäische Kommission räumte in ihrem Vorschlag (https://ec. europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-197-DE-F1-1.PDF) ein, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8937 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dass dies sowohl einen „weitreichenden institutionellen Umbau“ als auch eine Ausstattung der neuen EU-Behörde mit erheblichen, vor allem personellen, Ressourcen voraussetze und daher kurz- oder mittelfristig nur schwer umzusetzen sei. Im Hinblick auf eine Reformierung des Dublin-Systems nennt der Vorschlag der Europäischen Kommission zwei Optionen (a. a. O. S. 7 und 8). Die grundlegende Beibehaltung des bisherigen Zuständigkeitssystems mit einem ergänzenden Korrektiv bzw. Fairness-Mechanismus wird als Option 1 dargestellt. Als Option 2 wurde die Einführung eines neuen Asylsystems vorgeschlagen, in welchem die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates für das Asylverfahren grundsätzlich nicht mehr an den Ort des Erstantrags oder der Einreise anknüpfe, sondern die Asylersuchen nach einem festzulegenden, permanenten Schlüssel auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt würden. Wie viele Asylsuchende von welchem Land aufgenommen werden, solle sich nach dieser Option vor allem an der Größe, der Wirtschaftskraft und der Aufnahmekapazität der Mitgliedstaaten orientieren . Nachdem insbesondere Frankreich und die osteuropäischen Staaten heftige Kritik an einem permanenten Verteilungsschlüssel – wie in Option 2 vorgesehen – geäußert haben (Reuters Meldung vom 5. Mai 2016), haben sich der Erste Vizepräsident der Europäischen Kommission Frans Timmermans und der EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 12. Mai 2016 für die grundlegende Beibehaltung des aktuellen Dublin -Systems und die Einführung des sogenannten Fairness-Mechanismus – also Option 1 – ausgesprochen (http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-16- 1726_en.htm). Am 4. Mai 2016 veröffentlichte die Europäische Kommission einen weitergehenden, umfangreichen Vorschlag für eine EU-Verordnung über die Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/policies/european-agendamigration /proposal-implementation-package/docs/20160504/dublin_reform_ proposal_en.pdf). Unter dem Stichpunkt „Sekundärbewegungen innerhalb der EU verhindern“ schlägt die Europäische Kommission Maßnahmen zur Unterbindung eines sogenannten Asylshoppings und der Aus- bzw. Weiterreise von Asylsuchenden vor Abschluss ihres Asylverfahrens vor. Flüchtlinge, die sich aus dem für ihren Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat entfernen, sollen zukünftig mit erheblichen Sanktionen belegt werden. Werden sie etwa in einem nicht zuständigen Mitgliedstaat aufgegriffen, sollen sie in den zuständigen Mitgliedstaat zurückgeschickt und dort einem beschleunigten Verfahren unterzogen werden. Wird ihnen angelastet, sich dem Asylverfahren im zuständigen Land durch Flucht entziehen zu wollen, wird die Möglichkeit vorgeschlagen, sie in bestimmte Gebiete zu verbringen oder in Haft zu nehmen. Auch soll in solchen Fällen eine Versorgung nur noch durch Sachleistungen gewährt werden. Es drohen weitere nachteilige Auswirkungen auf das noch laufende Asylverfahren, zum Beispiel eine negative Bewertung der Glaubwürdigkeit der betroffenen Person. PRO ASYL kritisierte in einer Stellungnahme zu dem Kommissionsvorschlag, es handele „sich um alte Konzepte, die schlussendlich keine tatsächliche Alternative zum dysfunktionalen Dublin-System darstellen“ (auch für die folgenden Zitate: www.proasyl.de/news/neue-blaupausen-aus-bruessel-erste-einschaetzungenvon -pro-asyl/). Letztlich sei „das gesamte Kommissionspapier darauf ausgerichtet , das Dublin-System zu retten – und zwar mittels massiver Sanktionierung von Schutzsuchenden“. So erweise sich das Konzept der Europäischen Kommission als „Programm zur Schwächung von Flüchtlingsrechten in Europa “. Statt einer solidarischen und umfassenden europäischen Lösung hätte man „es bei den Vorschlägen der EU-Kommission nur mit einer kollektiven Beschneidung von Flüchtlingsrechten zu tun“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8937 V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Neufassung der Dublin- und der EURODAC-Verordnung sowie zur Weiterentwicklung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und unterstützt sie in dem Bestreben, die Funktionsfähigkeit des Dublin- Systems zu erhalten und das Gemeinsame Europäische Asylsystem zukunftssicher zu gestalten. Eine abschließende Bewertung der Vorschläge der Kommission wird erst nach einer sorgfältigen Prüfung und intensiven Diskussion möglich sein. 1. Welche der beiden Optionen zur „Einführung eines tragfähigen, fairen Systems zur Bestimmung des für die Prüfung von Asylanträgen zuständigen Mitgliedstaates“ (https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1- 2016-197-DE-F1-1.PDF) wäre nach Einschätzung der Bundesregierung vorzuziehen , und aus welchen konkreten Erwägungen heraus? Falls keine der genannten Optionen als geeignet oder vorzugswürdig angesehen wird, welche Gründe sind hierfür maßgeblich, und welche Lösungsansätze und Voraussetzungen wären aus Sicht der Bundesregierung alternativ möglich und erforderlich für eine funktionierende, europäische Flüchtlingsaufnahme ? Die Bundesregierung befürwortet grundsätzlich einen verbindlichen permanenten Verteilungsschlüssel, um eine faire Verteilung der Lasten auf alle Mitgliedstaaten zu gewährleisten. 2. Welchen konkreten Zeitplan gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für die weitere Erarbeitung, Konkretisierung, Abstimmung und die Umsetzung der Vorschläge zur Reform des GEAS bzw. zur Reform des Dublin-Systems ? Die Kommission hat am 4. Mai 2016 Vorschläge für eine Reform der Dublinund EURODAC-Verordnung sowie zur Weiterentwicklung von EASO zu einer EU-Agentur vorgelegt. Die Beratung der Vorschläge zur Reform der Dublin-, EURODAC-Verordnung und des EASO in den Ratsgremien hat bereits begonnen . Die Bundesregierung strebt eine zeitnahe Verständigung auf europäischer Ebene über einen Zeitplan für die Beratung der Vorschläge an. Für die Bundesregierung ist die Beratung der Reformvorschläge von großer Bedeutung. 3. Ist nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung die im Kommissionsvorschlag geäußerte Option 2, also die grundlegende Reform des europäischen Asylsystems und die Einführung eines permanenten Verteilungsschlüssels , eindeutig bzw. endgültig abgelehnt worden, oder inwiefern findet eine solche Reformvariante noch Eingang in die Diskussion um die Neuerung des europäischen Asylsystems? Die Mitgliedstaaten prüfen den Vorschlag derzeit und beraten ihn in den verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen. Das Ergebnis bleibt abzuwarten. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8937 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Ist nach der Kenntnis oder den Einschätzungen der Bundesregierung für den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen „Fairness-Mechanismus “ eine qualifizierte Mehrheit innerhalb der EU-Mitgliedstaaten erkennbar ? Bilden sich nach Erkenntnissen der Bundesregierung innerhalb der Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht gewisse Interessengruppen heraus, und wenn ja, welche Staaten schließen sich zu welchen Interessenlagern zusammen? Die Beratungen sind bislang in einem Stadium, das weder klare Mehrheiten noch Interessengruppen erkennen lässt. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 5. Welche EU-Mitgliedstaaten sprechen sich nach Kenntnis der Bundesregierung für die Beibehaltung des derzeitigen Dublin-Systems aus, und aus welchen jeweiligen Gründen? Die Mitgliedstaaten begrüßen grundsätzlich die Bestrebungen der Kommission, die derzeitige Dublin-Verordnung mit dem Ziel zu überarbeiten, die bisherigen Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu überwinden. 6. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung ausgehend von den vorgeschlagenen Optionen oder alternativ dazu vorsorglich andere Lösungsansätze erarbeitet oder verfolgt, und wenn ja, welche maßgeblichen Inhalte haben diese Ansätze? Derzeit werden die von der Kommission am 4. Mai 2016 vorgelegten Reformvorschläge geprüft und beraten. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 7. Wie soll nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung verfahren werden, wenn sich die Mitgliedstaaten nicht auf die Einführung eines „Fairness -Mechanismus“ einigen, und wird die Bundesregierung im Zweifelsfall eine diesbezügliche Entscheidung im Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit unterstützen? Zu möglichen Verhandlungsverläufen gibt die Bundesregierung keine Prognosen ab. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 8. Wie sollen die Schwellenwerte des „Fairness-Mechanismus“ nach Kenntnis der Bundesregierung konkret berechnet werden, und inwieweit hält die Bundesregierung diesen Berechnungsmodus für ausreichend oder ergänzungsbedürftig (bitte so konkret wie möglich antworten)? Der zu dem jetzigen Zeitpunkt vorliegende Entwurf der Kommission sieht vor, dass der „Fairness-Mechanismus“ greifen soll, wenn ein Mitgliedstaat gemessen an seiner Bevölkerungsgröße und an seiner Wirtschaftskraft überproportional mit Asylanträgen belastet ist. In diesem Fall soll automatisch eine Verteilung auf die weniger belasteten Mitgliedstaaten erfolgen. Der derzeitige Vorschlag der Kommission sieht vor, dass der „Fairness-Mechanismus“ in den Fällen ausgelöst wird, in denen ein Mitgliedstaat mehr als 150 Prozent der Asylanträge erhält, die nach dem entsprechenden Referenzschlüssel für ihn vorgesehen wären. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 und die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8937 9. Für welche Mitgliedstaaten wäre nach Kenntnis der Bundesregierung der Schwellenwert des „Fairness-Mechanismus“ im Jahr 2015 überschritten worden, wie viele Schutzsuchende hätten demnach auf welche Länder umverteilt werden müssen, und was würde aufgrund der bisherigen Entwicklung entsprechend für das Jahr 2016 gelten (bitte Berechnungen darlegen und zumindest Angaben für die Länder Deutschland, Griechenland und Italien machen)? Der Bundesregierung liegen aktuell keine hinreichend konkreten Angaben der Kommission zu den zugrunde zulegenden Quoten und Berechnungsmodellen vor, um die Frage beantworten zu können. 10. Welche europäischen und nationalen Institutionen bzw. Behörden koordinieren und überwachen auf welche Weise die Einhaltung und Umsetzung dieses „Fairness-Mechanismus“ und inwiefern hält die Bundesregierung den vorgesehenen Überwachungsmechanismus für ausreichend oder inwiefern verbesserungswürdig ? Der derzeitige Vorschlag der Kommission sieht die Weiterentwicklung des EASO in eine EU-Asylagentur mit einem erweiterten Mandat und weiter gefassten Aufgaben vor. Eine der Aufgaben der Agentur soll die Handhabung des Schwellenwertes sein, auf dem der vorgesehene Verteilmechanismus beruht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 11. Inwiefern wird nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Verteilung der Flüchtlinge im Rahmen des „Fairness-Mechanismus“ zwischen verschiedenen Flüchtlingsgruppen bzw. Nationalitäten differenziert oder priorisiert werden? Der derzeitige Vorschlag der Kommission sieht im Rahmen des „Fairness-Mechanismus “ lediglich eine Verteilung von Antragstellern, nicht jedoch eine Verteilung von anerkannten Flüchtlingen vor. Welche Antragsteller umverteilt werden , bestimmt sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung. Von der Verteilung ausgenommen sind nach dem Entwurf der Kommission solche Antragsteller, deren Anträge als unzulässig abgelehnt oder – beschränkt auf bestimmte Konstellationen – in einem beschleunigten Verfahren geprüft wurden. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 12. Wie soll zukünftig und auch gerade im Rahmen des „Fairness-Mechanismus “ nach Kenntnis der Bundesregierung das Recht auf Familiennachzug gestärkt werden? Im Rahmen des Vorschlags zur Überarbeitung der Dublin-Verordnung ist vorgesehen , den Begriff des Familienangehörigen auf Geschwister und auf Familien, die sich in Transit-Ländern gebildet haben, auszuweiten. Auch im Rahmen des Verteilmechanismus ist nach dem Verordnungsentwurf der Familienverbund zu beachten. Die beabsichtigten Erweiterungen des Familienbegriffs sollen irregulären Migrationsbewegungen und dem Untertauchen von Asylsuchenden entgegenwirken. Die Auswirkungen dieses Vorschlags werden von den Mitgliedstaaten derzeit geprüft und beraten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8937 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Wie kam es nach Kenntnis der Bundesregierung zu dem Vorschlag, die Nichtbeteiligung am „Fairness-Mechanismus“ mit einer Summe von 250 000 Euro pro nichtaufgenommen Flüchtling zu sanktionieren, und inwiefern und aus welchen Gründen hält die Bundesregierung eine solche Sanktionierung in dieser Höhe für angemessen? a) Wie lautet nach Kenntnis der Bundesregierung die Berechnungsgrundlage für diese Saktionssumme, und welche Annahmen liegen ihr zugrunde? b) Inwiefern entspricht diese Summe nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung den tatsächlichen Kosten im Zusammenhang mit der Aufnahme und Versorgung eines Flüchtlings, und inwieweit ist dies damit vereinbar, dass selbst im bundesdeutschen Kontext von weitaus geringeren Kosten ausgegangen wird (z. B. von Pauschalen in Höhe von 1 000 Euro pro Monat/asylsuchender Person)? c) Inwiefern wird diese einheitliche Sanktionssumme nach Auffassung der Bundesregierung den unterschiedlichen Lebensstanddards, Unterhaltskosten und wirtschaftlichen Verhältnissen in den verschiedenen Mitgliedstaaten gerecht? d) Wie soll oder kann nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung diese Sanktionierung durchgesetzt werden? Die Fragen 13 bis 13d werden im Zusammenhang beantwortet. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, welche Gründe und welche Berechnungsgrundlage für die Höhe des von der Kommission vorgeschlagenen Solidarbeitrags zugrunde lagen. Der derzeitige Vorschlag der Kommission beinhaltet zudem noch keine näheren Ausführungen im Hinblick auf die praktischen Einzelheiten zur Implementierung eines Solidarbeitrags. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. e) Entspricht die Äußerung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister des Innern in der Sitzung des Innenausschusses vom 11. Mai 2016 zum Tagesordnungspunkt 8, wonach der Vorschlag einer Ausgleichszahlung in Höhe von 250 000 Euro unterstützt würde und den realen Kosten entspreche, der Position der gesamten Bundesregierung? Die Vorschläge der Kommission werden derzeit noch beraten; die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Dementsprechend lag auch zum Zeitpunkt der Äußerung am 11. Mai 2016 noch keine gemeinsame Position vor. Ergänzend wird auf die Antwort zu den Fragen 13a bis 13d verwiesen. f) Wie bewertet die Bundesregierung die Idee eines positiven Sanktionsmechanismus , der die Mitgliedstaaten (gegebenenfalls auch Städte oder Kommunen), die zu einer (überdurchschnittlichen) Aufnahme von Asylsuchenden bereit sind, entsprechend unterstützt, etwa durch Mittel eines entsprechenden EU-Fonds, in den alle Mitgliedstaaten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten einzahlen müssen (bitte darlegen), und würde sie solch ein Modell angesichts der bisherigen Ablehnung des Negativ -Sanktionsvorschlags insbesondere durch die Visegrád-Staaten unterstützen (bitte begründen)? Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung ist derzeit noch nicht abgeschlossen . Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8937 14. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine stärkere Sanktionierung der sogenannten sekundären Migration und damit verbundene Maßnahmen (Sanktionierung, Inhaftierung etc.) zu einer Illegalisierung und Kriminalisierung der Schutzsuchenden führen könnte, und inwiefern hält sie dieses Vorgehen und dessen Folgen für völker-, menschen- und europarechtlich bedenklich? Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Zu einer fairen Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten, die mit der Aufnahme von Asylsuchenden einhergeht , gehört auch, dass angemessene Regelungen getroffen werden, die Sekundärmigration entgegen wirken. Die Bundesregierung begrüßt daher, dass die Kommission Vorschläge hierzu vorgelegt hat, die im Einzelnen noch geprüft werden müssen. 15. Wie definiert die Bundesregierung bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung die Europäische Kommission den Begriff des „Asylshoppings“? Wann und durch wen wurde dieser Begriff nach Kenntnis der Bundesregierung eingeführt und geprägt? Erkenntnisse, wann der Begriff eingeführt wurde, liegen der Bundesregierung nicht vor. Die Europäische Kommission verwendet den Begriff „Asylum Shopping “ im Zusammenhang mit der Konstellation, dass ein Asylsuchender verschiedene EU-Länder aufsucht. Dieses Phänomen ist nach Auffassung der Kommission hauptsächlich auf die Vielfalt der anwendbaren Regeln der Mitgliedstaaten zurückzuführen. Es wird insofern auf die Pressemitteilung der Kommission vom 6. Juni 2007 (IP/07/768) verwiesen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 16. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu der Möglichkeit von Rücküberstellungen ohne die Möglichkeit eines Rechtsschutzes mit aufschiebender Wirkung, wie sie im Zuge der aktuellen Dublin-Reformvorschläge diskutiert werden? a) Inwiefern wären solche Rücküberstellungen mit dem Grundgesetz und dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar, zumal es im Regelfall um drohende Menschenrechtsverletzungen und erhebliche Gefährdungen für die Betroffenen im jeweiligen Zielstaat der Überstellung geht? b) Inwiefern ließen sich solche Rücküberstellungen mit der Tatsache vereinbaren , dass Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Dublin- Überstellungen derzeit bei diversen Ländern hohe Erfolgsquoten haben, etwa 45,5 Prozent in Bezug auf Ungarn und 25,9 Prozent in Bezug auf Italien (Bundestagsdrucksache 18/8450, Frage 11)? Die Fragen 16 bis 16b werden im Zusammenhang beantwortet. Bei den Verfahren , in denen es darum geht, einen Asylantragsteller in den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, ist eine Verfahrensbeschleunigung – auch im Hinblick auf den Rechtsschutz – erforderlich. Die konkrete Ausgestaltung des Rechtsschutzes, insbesondere die Frage einer möglichen Einschränkung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln, ist unter europa- und verfassungsrechtlichen Aspekten zu prüfen. Dem Grundsatz auf effektiven Rechtschutz muss in jedem Fall hinreichend Rechnung getragen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8937 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine weitere Umverteilung von Flüchtlingen aus Griechenland und Italien eine notwendige Maßnahme zur Entlastung der am stärksten betroffenen EU-Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen ist, und in welcher Größenordnung und in welchem Zeitraum müsste diese Umverteilung nach Auffassung der Bundesregierung vorgenommen werden? a) Inwiefern könnte in diesem Zusammenhang eine gezielte Aufnahme von Flüchtlingen aus dem inoffiziellen Flüchtlingscamp bei Idomeni zu einer Entlastung beitragen? b) Wie positioniert sich die Bundesregierung zu Forderungen von Bürgerinitiativen , die eine solche Aufnahme – auch auf kommunaler Ebene und Landesebene – anregen (https://cars-of-hope.org/2016/04/19/offener-briefmenschen -aus-idomeni-in-wuppertal-aufnehmen/ oder http://50ausidomeni. de/), und inwiefern unterstützt sie solche Forderungen? Die Fragen 17 bis 17b werden im Zusammenhang beantwortet. Deutschland steht zu seiner Verpflichtung zu einer Umsiedlung aus Griechenland und Italien und hat seit Oktober 37 Personen aus Griechenland und 20 Personen aus Italien nach Deutschland umgesiedelt. Die Umsiedlung von weiteren 200 Personen aus Griechenland nach Deutschland wird aktuell vorbereitet. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt zudem, dass die Aufnahme und Unterbringung von Schutzsuchenden und Integration von Flüchtlingen eine gesamtstaatliche Aufgabe sind, die nur im Zusammenwirken aller staatlichen Ebenen zu bewältigen sind. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 18. Welche Überlegungen und Bestrebungen der Bundesregierung gibt es derzeit zur Umsetzung der EU-Asylverfahrensrichtlinie und der EU-Aufnahmerichtlinie (Zeitpläne, Gesetzesvorhaben etc.)? a) Inwiefern ist geplant, an den hierzu bereits ausgearbeiteten Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ vom 30. September 2015 anzuknüpfen (wenn nein, bitte begründen)? b) Wie rechtfertigt die Bundesregierung die mangelnde Umsetzung der vorgenannten EU-Richtlinien, auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Frist hierzu bereits im Juni 2015 abgelaufen ist und die Bundesregierung seitens der Europäischen Kommission bereits mehrfach angemahnt (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-16-270_de.htm) wurde? c) Wie ist der aktuelle Stand des diesbezüglichen Vertragsverletzungsverfahrens , was waren die letzten Schritte, welcher Schritt folgt als nächstes, und in welchen wesentlichen Punkten bestehen weiterhin inhaltlich unterschiedliche Auffassungen der Europäischen Kommission bzw. der Bundesregierung (bitte konkret im Einzelnen mit Daten und so ausführlich und nachvollziehbar wie möglich ausführen)? Die Fragen 18, 18a bis 18c werden im Zusammenhang beantwortet. Die Bundesregierung hat der Kommission am 11. April 2016 unter Bezugnahme auf die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission vom 10. Februar 2016 innerhalb der von der Europäischen Kommission gesetzten Frist ausführlich dargelegt, wie die Richtlinien 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) und 2013/33/EU (Aufnahmerichtlinie) in das Recht der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt wurden. Unbeschadet dessen prüft die Bundesregierung derzeit, ob noch weiterer bundesrechtlicher Regelungsbedarf besteht, etwa im Hinblick auf die einheitliche Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/8937 Umsetzung der Richtlinienvorgaben in den Ländern. Es ist aber derzeit nicht geplant , den am 30. September 2015 vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ weiter zu verfolgen. d) Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem im EU-Komissionsvorschlag (https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016- 197-DE-F1-1.PDF) geäußerten Vorschlag, die Anerkennungsrichtlinie durch eine entsprechende Verordnung zu ersetzen? Inwieweit hält die Bundesregierung diesen Schritt für notwendig? die Asylverfahrensrichtlinie durch eine entsprechende Verordnung zu ersetzen? Inwieweit hält die Bundesregierung diesen Schritt für notwendig? die EU-Richtlinie über die Aufnahmebedingungen zu ändern, um eine EU-weite Harmonisierung zu erreichen? Inwieweit hält die Bundesregierung diesen Schritt für notwendig? die Richtlinie über den langfristigen Aufenthalt dahingehend zu ändern , dass die Berechnung des Zeitraumes von fünf Jahren, nach dem Personen, die internationalen Schutz genießen, Anspruch auf die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten hätten, jedes Mal wieder von vorn beginnt, wenn die betreffenden Personen das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, der ihnen Schutz gewährt, ohne Genehmigung verlassen haben? Die Bundesregierung begrüßt die Bestrebungen der Kommission, die Asylverfahrens -, die Qualifikations- sowie die Aufnahmerichtlinie zu überarbeiten und sieht entsprechenden Vorschlägen der Kommission mit Interesse entgegen. Anzustreben ist nach Auffassung der Bundesregierung eine umfassende Überarbeitung dieser Richtlinien im Sinne einfacher, zeitnaher, effektiver und ressourcenschonender Verfahren – unter Beachtung völker- und unionsrechtlicher Vorgaben (Genfer Flüchtlingskommission [GFK], Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK], Charta der Grundrechte der Europäischen Union [EUGrCH]). Da die Vorschläge jedoch noch nicht vorliegen, ist eine weitere Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. 19. Inwiefern hält die Bundesregierung einen Ausbau der Kompetenzen des EASO, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen (https://ec. europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/1-2016-197-DE-F1-1.PDF), für möglich und unterstützenswert, welche Probleme können sich nach Einschätzung der Bundesregierung aus der vorgeschlagenen Erweiterung der Kompetenzen ergeben, und inwieweit wäre die angedachte Kompetenz einer EU-Behörde für inhaltliche Asylentscheidungen (inklusive einer gerichtlichen Überprüfung auf EU-Ebene) mit dem Grundsatz der Subsidiarität vereinbar und in der Praxis realisierbar (bitte ausführen)? Die Bundesregierung begrüßt grundsätzlich eine Weiterentwicklung von EASO zu einer Agentur mit weitreichenderen Befugnissen im Hinblick auf eine stärkere Vereinheitlichung des europäischen Asylverfahrens. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8937 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Inwiefern kann nach Kenntnis der Bundesregierung eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von EURODAC, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen (https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/ DE/1-2016-197-DE-F1-1.PDF), konkret dazu beitragen, die Abschiebung irregulärer Migrantinnen und Migranten zu fördern oder zu beschleunigen? Die vorgeschlagene Erweiterung des Anwendungsbereichs der EURODAC-Verordnung ermöglicht eine frühzeitige und europaweite Feststellung von Mehrfach- Identitäten. Hierdurch können Rückführungsmöglichkeiten verbessert werden. Bislang war die Feststellung der Identität nur durch den bilateralen Datenaustausch im Trefferfall und nur mit erheblichem Aufwand möglich. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 21. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine erzwungene Verteilung ohne jegliche Mitbestimmungsrechte der Schutzsuchenden weniger erfolgversprechend und förderlich für die Integration der Betroffenen ist, als wenn die individuellen Voraussetzungen, Kenntnisse, Familienbeziehungen und Bedürfnisse der Asylsuchenden mit berücksichtigt werden (bitte Position darlegen und begründen)? Die Dublin-Verordnung sieht – auch in ihrer aktuell geltenden Fassung – vor, dass hinsichtlich der Entscheidung über den für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat die familiären Bindungen auf Wunsch eines Antragstellers insoweit zu berücksichtigen sind, als dass der Mitgliedstaat für das Asylverfahren zuständig ist, der auch einem Familienangehörigen Schutz gewährt hat bzw. in dem ein Familienangehöriger des Antragstellers internationalen Schutz beantragt hat. Auf die Artikel 9 und 10 der Dublin III-Verordnung wird insoweit verwiesen. Eine freie Auswahlmöglichkeit des Aufnahmestaats für Asylantragsteller würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer weiteren starken Belastung der Mitgliedstaaten führen, die bereits jetzt die meisten Ressourcen für die Durchführung der Asylverfahren und Aufnahme der Antragsteller aufwenden müssen und zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehört. 22. Inwiefern wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass innerhalb eines europäischen Asylsystems vorhandene Familienbindungen (über die sogenannte Kernfamilie hinaus), Sprachkenntnisse und individuelle Beweggründe der Schutzsuchenden bei einer Verteilungsentscheidung maßgeblich Berücksichtigung finden, und wenn sie sich nicht dafür einsetzt, mit welcher Begründung? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antwort zu Frage 21 verwiesen. 23. Welche aktuellen Überlegungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf EU-Ebene zu zukünftigen Kooperationen und zur Zusammenarbeit mit welchen Drittstaaten im Bereich der Flüchtlingspolitik? Die Europäische Kommission hat am 7. Juni 2016 ihre Mitteilung zu Externen Aspekten der Europäischen Migrationsagenda vorgestellt, die einen neuen Partnerschaftsrahmen für die Zusammenarbeit mit Drittländern im Kontext der Migrationssteuerung vorsieht. In diesem Zusammenhang strebt die Europäische Kommission maßgeschneiderte Partnerschaften mit wichtigen Herkunfts- und Transitländern an, die in speziellen Vereinbarungen (sog. Migrationspakte) verankert werden sollen. Auf kurze Sicht wird vorgeschlagen, die Migrationspakte mit Jordanien und Libanon abzuschließen, mit Tunesien zu sondieren, wie am Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/8937 besten zur nächsten Stufe der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Tunesien übergegangen werden kann. Zudem sollen mit Niger, Nigeria, Senegal , Mali und Äthiopien Migrationspakte ausgearbeitet und vereinbart werden. Darüber hinaus wurde bereits in der EU-Türkei-Erklärung eine Kooperation mit der Türkei im Rahmen eines für die teilnehmenden Staaten freiwilligen humanitären Aufnahmeprogramms vorgesehen. 24. Wie viele der in der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge herausgegebenen „Asylgeschäftsstatistik für den Monat März 2016“ aufgelisteten Asylverfahren („Asylbewerberzugänge“) aus dem Jahr 2015 wurden nach Kenntnis der Bundesregierung europaweit ohne inhaltliche Entscheidung eingestellt, etwa wegen Aus- bzw. Weiterreise der Betroffenen (bitte nach den einzelnen Ländern und soweit wie möglich nach Einstellungsgründen differenzieren)? In der monatlich auf www.bamf.de veröffentlichten „Asylgeschäftsstatistik“ werden die Antragszahlen europäischer Staaten im Regelfall auf Basis von EUROSTAT- Angaben (EUROSTAT: Europäisches Statistisches Amt der Europäischen Union) berichtet. Grundlage der Datensammlung durch EUROSTAT bildet Artikel 4 der sog. Gemeinschaftsstatistikverordnung 862/2007 (Verordnung (EG) Nr. 862/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zu Gemeinschaftsstatistiken über Wanderung und internationalen Schutz und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 311/76 des Rates über die Erstellung von Statistiken über ausländische Arbeitnehmer). Diese Antragszahlen können jedoch nicht danach differenziert werden, wie viele dieser Verfahren inzwischen eingestellt wurden. Artikel 4 Absatz 1c der Gemeinschaftsstatistikverordnung 862/2007 sieht vor, dass die Zahl der Entscheidungen zu Einstellungen und Rücknahmen von Asylanträgen (in Summe) europaweit erfasst wird. Entsprechende Daten können in der öffentlich zugänglichen EUROSTAT-Datenbank abgerufen werden (http://ec.europa.eu/eurostat/data/database). Eine Aufgliederung nach den Einstellungsgründen ist dort statistisch nicht verfügbar. Eigene Erkenntnisse im Sinne der Frage liegen der Bundesregierung nicht vor. 25. Setzt sich die Bundesregierung für das von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung vom 6. April 2016 (KOM(2016) 197 endg.) formulierte Ziel ein, dass „diejenigen, die internationalen Schutz benötigen, effektiv Zugang zu Asylverfahren erhalten“ (S. 2), und wie ist diese Zielstellung mit aktuellen Initiativen der Europäischen Union vereinbar, die einen Zugang zu Asylverfahren in der Europäischen Union nach Ansicht der Fragesteller restriktiver gestalten, etwa indem infolge der Konzepte sicherer Drittstaaten bzw. eines ersten Asylstaates Schutzsuchende auf Länder außerhalb der Europäischen Union (z. B. an die Türkei) verwiesen werden (bitte ausführen)? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass denjenigen Personen Schutz zu gewähren ist, die diesen benötigen. Das Konzept des sicheren Drittstaates trägt dem Rechnung: Sofern für den Antragsteller bereits die Möglichkeit bestand, in einem sicheren Drittstaat Schutz zu finden und dieser zur Aufnahme der betreffenden Person bereit ist, ist ein solches Schutzbedürfnis grundsätzlich nicht mehr gegeben . Der Betroffene hat aber die Möglichkeit, im Rahmen der Asylanhörung bzw. – nach dem Entwurf des Integrationsgesetzes – im Rahmen der Anhörung über die Zulässigkeit des Asylantrags Gründe vorzutragen, die in seinem Fall gegen die Anwendung des Konzeptes des sicheren Drittstaates sprechen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8937 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die EU-Türkei-Erklärung stellt fest, dass bei ihrer Umsetzung das EU-Recht und das Völkerrecht uneingeschränkt gewahrt bleiben. Die Türkei hat durch nationales Recht ein umfassendes Refoulement-Verbot statuiert und ist völkerrechtlich an die Europäische Menschenrechtskonvention, die Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen (VN) sowie den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte und damit an die daraus resultierenden (Ketten-)Abschiebeverbote gebunden. Darüber hinaus hat die türkische Regierung die Einhaltung dieser Schutzstandards für syrische und nicht-syrische Flüchtlinge schriftlich zugesichert . 26. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Analyse der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung vom 6. April 2016 (a. a. O., S. 4), eine der „Ursachen für die zunehmende Missachtung von EU-Vorschriften in den letzten Jahren “ sei, dass nach den bisherigen Dublin-Regeln „die rechtliche Verantwortung für den größten Teil der Asylbewerber einigen wenigen Mitgliedstaaten “ zugewiesen worden sei, was „jeden Mitgliedstaat in Schwierigkeiten bringen“ würde, und wie bewertet sie vor diesem Hintergrund zumindest im Nachhinein ihre jahrelange Weigerung, grundlegende Änderungen am Prinzip der Zuständigkeitsregeln der Dublin-Verordnung vorzunehmen (bitte ausführen )? In ihrer Mitteilung vom 6. April 2016 geht die Kommission insbesondere auf bestehende Schwächen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) aufgrund der gegenwärtigen, präzedenzlosen Migrationsherausforderungen ein. Vor dem Hintergrund der stark angestiegenen Anzahl der Asylsuchenden innerhalb der Europäischen Union im vergangenen Jahr begrüßt die Bundesregierung daher die Bestrebungen der Kommission, einen verbindlichen Mechanismus der Lastenteilung zugunsten der Mitgliedstaaten zu schaffen, die überproportional belastet sind. 27. Was bedeutet es, wenn nach Auffassung der Europäischen Kommission (a. a. O., S. 4) das bisherige Dublin-System einen Zusammenhang herstellt „zwischen der Zuständigkeitszuweisung in Asylfragen und der Pflichterfüllung der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Sicherung der Schengen-Außengrenzen “, vor dem Hintergrund, dass Schutzsuchende an den Schengen-Außengrenzen gar nicht ohne vorherige Prüfung ihres Schutzgesuchs zurückgewiesen werden dürfen? a) Was bedeutet nach Auffassung der Bundesregierung „Pflichterfüllung der Mitgliedstaaten“ in diesem Zusammenhang? b) Aus welchen Gründen und Erwägungen heraus sollte nach Auffassung der Bundesregierung ein Mitgliedstaat für die Asylprüfung zuständig gemacht werden, nur weil über seine Außengrenzen Schutzsuchende entsprechend der Regeln des Völkerrechts und des EU-Rechts in die Europäische Union gelangt sind (bitte ausführen)? Die Fragen 27 bis 27b werden im Zusammenhang beantwortet. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) ist hinsichtlich jedes Schutzsuchenden zu gewährleisten. Dies gilt auch im Hinblick auf die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs an den EU-Außengrenzen. Die entsprechenden Verpflichtungen treffen jeden Staat, der eine Außengrenze hat. Die Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen, in dessen Rahmen der freie Personenverkehr gewährleistet wird, erfordert jedoch gemeinsame Anstrengungen zur Sicherung der Schengen-Außengrenzen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Entsprechend sehen die Vorschläge der Kommission für die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/8937 Weiterentwicklung von EASO eine Ausweitung der operativen und technischen Unterstützungsmöglichkeiten für die Fälle vor, in denen Asyl- und Aufnahmesysteme eines Mitgliedstaates durch eine außergewöhnlich hohe Anzahl an Asylsuchenden übermäßig belastet sind. 28. Kann die Türkei angesichts der jüngsten Entwicklung (z. B. Aufhebung der Immunität von Abgeordneten, strafrechtliche Verfolgung von kritischen Abgeordneten , Journalistinnen und Journalisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern usw. mit dem Vorwurf der Unterstützung des Terrorismus) nach Auffassung der Bundesregierung als sicherer Herkunftsstaat angesehen werden (wenn ja, bitte begründen), und wie wird sie sich vor diesem Hintergrund zu dem Plan auf EU-Ebene verhalten, die Türkei als „sicheren Herkunftsstaat “ einzustufen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zur Aufrechterhaltung der EU-Türkei -Flüchtlingsvereinbarung hinwegzusehen (bitte ausführen)? Die Bundesregierung verfolgt die innenpolitische Entwicklung in der Türkei sehr aufmerksam. Auch nach Einstufung eines Staates als sicherer Herkunftsstaat kann Staatsangehörigen dieses Staates Schutz gewährt werden, sofern im Einzelfall eine Verfolgung überzeugend dargelegt wurde. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 23 und 24 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/8542 vom 24. Mai 2016 verwiesen sowie auf die Antwort der Bundesregierung zu der Frage 11d der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/7594 vom 17. Februar 2016 verwiesen. 29. Kann die Türkei angesichts z. B. der Dokumentation von PRO ASYL (news vom 20. Mai 2016: „EU-Türkei-Deal muss beendet werden“) über die Verweigerung von Flüchtlingsschutz in der Türkei nach Auffassung der Bundesregierung als „sicherer Drittstaat“ angesehen werden, und wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Auffassung der griechischen Regierung bzw. der griechischen Justiz zu dieser Frage (bitte ausführlich antworten)? Die Bundesregierung ist vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Bindung der Türkei an die Europäische Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der rechtlichen Gewährleistung des türkischen Ausländergesetzes und dem Gesetz zum internationalen Schutz, der türkischen Zusagen sowie der jüngsten Rechtsänderungen der Auffassung , dass die Türkei die Anforderungen an einen sicheren Drittstaat gemäß Artikel 38 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) erfüllt. Diese Auffassung haben auch die Justiz- und Innenminister aller EU-Mitgliedstaaten in einer gemeinsamen Erklärung auf dem Justiz- und Innenrat am 20. Mai 2016 bestätigt (ST 9183 2016 INIT). 30. Wie beurteilt die Bundesregierung den Plan der Europäischen Kommission und inwiefern wird sie ihn unterstützen, „den Unterschied zwischen dem Flüchtlingsstatus und dem subsidiären Schutzstatus deutlicher herauszustellen “ (Mitteilung vom 6. April 2016, a. a. O., S. 12), vor dem Hintergrund, dass es auf der EU-Ebene zuletzt Bemühungen gab, die Rechte von subsidiär Schutzberechtigten denen von international Schutzberechtigten anzugleichen , weil beide Gruppen im Regelfall gleichermaßen längerfristig schutzbedürftig sind (bitte ausführen)? Die Kommission hat in ihrer Mitteilung von 6. April 2016 darauf hingewiesen, dass eine unterschiedliche Beurteilung, ob einer Person aus einem bestimmten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8937 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Herkunftsland der Flüchtlingsstatus (bei Flucht vor Verfolgung) zuerkannt wird oder ein subsidiärer Schutzstatus (bei Gefahr eines ernsthaften Schadens, einschließlich Flucht vor einem bewaffneten Konflikt), Sekundärbewegungen begünstigt . Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass zu einer fairen Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten auch gehört, dass Regelungen getroffen werden, die der Sekundärmigration entgegen wirken. Dementsprechend wird den Vorschlägen der Kommission mit Interesse entgegen gesehen. 31. Wie beurteilt die Bundesregierung den Plan der Europäischen Kommission, und inwiefern wird sie ihn unterstützen, die Erteilung eines dauerhaften Aufenthaltsstatus an Flüchtlinge von einer Bestätigung darüber abhängig zu machen , dass – nach Prüfung der Lage im Herkunftsland und der persönlichen Situation der Betroffenen –, unverändert Schutz benötigt wird (Mitteilung vom 6. April 2016, a. a. O., S. 12), vor dem Hintergrund, dass die entsprechende Regelung in § 26 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes erst Mitte 2015 gerade in gegenteiliger Richtung gelockert wurde, auch um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu entlasten (bitte begründen)? Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der Europäischen Kommission, ein höheres Maß an Konvergenz zwischen den Mitgliedstaaten und ein echtes gemeinsames EU-Asylsystem herzustellen. Aus Sicht der Bundesregierung gibt es aber keinen Anlass, die in § 26 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes getroffenen Regelung zu ändern. 32. Wie beurteilt die Bundesregierung den Plan der Europäischen Kommission, und inwiefern wird sie ihn unterstützen, durch Änderungen der EU-Aufnahmerichtlinie „Anreize zu verringern, sich auf den Weg nach Europa zu machen und innerhalb Europas in bestimmte Mitgliedstaaten weiterzureisen“ (Mitteilung vom 6. April 2016, a. a. O., S. 12), und wie wäre eine verfassungsgemäße Umsetzung dieses Vorhabens in Deutschland möglich, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Grundsatzurteil zum Asylbewerberleistungsgesetz im Jahr 2012 klargestellt hat, dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht relativierbar ist und sich die Leistungen für Asylsuchende deshalb nach ihren realen Bedürfnissen im Rahmen des menschenwürdigen Existenzminimums zu richten haben (bitte ausführen)? Das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) ist darauf ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten der EU auch die damit einhergehenden Belastungen untereinander aufteilen. Dementsprechend sind Regelungen, die der Sekundärmigration entgegenwirken , erforderlich. Den Vorschlägen der Kommission wird daher mit Interesse entgegengesehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333