Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 24. Juni 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/8955 18. Wahlperiode 28.06.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/8779 – Abschlussbericht zu DDR-Arzneimittelstudien im Auftrag westlicher pharmazeutischer Unternehmen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Zwischen den Jahren 1961 und 1990 wurden fast 900 Studien in der DDR im Auftrag westlicher Pharmaunternehmen durchgeführt. Bereits Anfang der 90er Jahre wurde die Rechtmäßigkeit dieser Studien in Zweifel gezogen. Daraufhin beschäftigte sich eine Kommission der Berliner Ärztekammer mit Studien an vier Ostberliner Krankenhäusern im Zeitraum von 1987 bis 1990. Die Kommission sah keinen Anlass zur generellen Kritik an den Arzneimittelerprobungen, bemängelte aber dass Schäden aus den klinischen Studien kaum registriert und die Patientinnen und Patienten nur unzureichend aufgeklärt worden seien (vgl. Medikamententests in der DDR – schon 1991 ein Thema, Der Tagesspiegel vom 22. Mai 2013). Im Jahr 2013 berichtete „DER SPIEGEL“ erneut kritisch über die klinischen Studien in der DDR („Günstige Teststrecke“, DER SPIEGEL vom 22. Mai 2013). Im gleichen Jahr wurde eine Kommission um den Medizinhistoriker Volker Hess damit beauftragt, zu untersuchen, ob die Studien rechtmäßig und ethisch vertretbar waren. Der hauptsächlich von dem bzw. der Bundesbeauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer sowie von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geförderte Abschlussbericht wurde im März 2016 veröffentlicht (Hess/Hottenrott/Steinkamp, Testen im Osten, DDR-Arzneimittelstudien im Auftrag westlicher Pharmaindustrie, Berlin 2016). Finanziell unterstützt wurde das Vorhaben zudem durch die Bundesärzteammer, einige Landesärztekammern sowie zwei Verbänden der pharmazeutischen Industrie. Die Forscherinnen und Forscher stützten sich bei der Quellenrecherche insbesondere auf Akten des DDR-Beratungsbüros für Arzneimittel und medizintechnische Erzeugnisse (Import) (BBA), Akten des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, Unterlagen in den damals beteiligten Kliniken sowie auf von den beteiligten pharmazeutischen Unternehmen bereitgestelltes Quellenmaterial. Auf der Grundlage einer durch die Forscherinnen und Forscher vorgenommenen „exemplarischen Auswahl von 13 Arzneistoffen“ (a. a. O., S. 24) trafen die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8955 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode beteiligten Unternehmen offenbar eine Vorauswahl der bereitgestellten Quellen. Es ist mithin fraglich, ob diese Quellen überhaupt einen repräsentativen Überblick ermöglichen. Auch der Wissenschaftliche Beirat zum Abschlussbericht stellt fest, dass nur ein geringer Teil der in den Unternehmensarchiven lagernden Materialien gesichtet werden konnte, der noch dazu firmenseitig nach unterschiedlichen Kriterien vorselektiert worden sei (Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats, S. 4, http://medizingeschichte.charite.de/fileadmin/user_ upload/microsites/m_cc01/medizingeschichte/Forschungsprojekte/032016_ Arzneimittelforschung_DDR_Stellungnahme_wiss_Beirat.pdf, zuletzt abgerufen am 28. April 2016). Die Kommission fand nach eigenen Aussagen in den Quellen keine Hinweise darauf, dass klinische Studien in der DDR nach anderen Standards durchgeführt wurden wie zur gleichen Zeit im Westen. Auch von systematischen Verstößen speziell gegen die Pflicht zur Aufklärung und Einwilligung der Patientinnen und Patienten könne keine Rede sein. Diese Feststellung verwundert. Einerseits stützt sich dieses Urteil gerade nicht auf Selbstauskünfte von Patientinnen und Patienten, sondern zu einem erheblichen Teil auf Interviews mit den damals beteiligten Expertinnen und Experten (a. a. O., S. 29). Andererseits verweisen die Autorinnen und Autoren des Abschlussberichts selbst auf Erkenntnisse, wonach „Sinn und Zweck der Einwilligung in der DDR weniger als Wahrung der individuellen Autonomie verstanden“ worden sei (a. a. O., S. 88f). Das nährt erhebliche Zweifel daran, dass die beteiligten Patientinnen und Patienten ergebnisoffen aufgeklärt und informiert wurden. Zudem berichten die Autorinnen und Autoren selbst von Fällen, bei denen mutmaßlich nicht mehr selbst einwilligungsfähige demente Patientinnen und Patienten in die Teilnahme an einer klinischen Studie eingewilligt hatten (a. a. O., S. 91). Auch der bereits erwähnte Wissenschaftliche Beirat verweist darauf, dass der Umfang der Aufklärung und die Art der Gesprächsführung in der DDR überwiegend nicht dokumentiert worden sei (Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats, S. 6). Der Wissenschaftliche Beirat bemängelte hinsichtlich des Abschlussberichts, dass die Perspektive der Patientinnen und Patienten unterbelichtet geblieben sei (Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats, S. 5). Zudem stellen die Zeitzeugeninterviews mit beteiligten Experten aus Ost und West aus Sicht des Wissenschaftlichen Beirates ein methodisches Problem dar, denn diese „Quellen der mündlichen Geschichte dürften kaum selbstbelastende Aussagen enthalten“ (a. a. O., S. 3). Hier wäre nach Aussage des Beirates ein Abgleich der Interviewaussagen mit dem vorhandenen Quellenmaterial notwendig gewesen. Auch vor diesem Hintergrund sieht der Wissenschaftliche Beirat aber auch die Forscherinnen und Forscher selbst weiteren Forschungsbedarf. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung weist darauf hin, dass es sich bei dem Forschungsprojekt „Klinische Arzneimittelforschung in der DDR von 1961 bis 1989“ nicht um ein Forschungsprojekt der Bundesregierung handelt. Vielmehr handelt es sich um eine unabhängige wissenschaftliche Studie, die durch das Institut für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt worden ist. Der bzw. die Beauftragte der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, der/die in der letzten Wahlperiode am Bundesministerium des Innern angesiedelt war und jetzt am Bundesministerium für Wirtschaft angesiedelt ist, hat das Projekt auf Grund des hohen öffentlichen Interesses mit einer Zuwendung in Höhe von bis zu 225 368,02 Euro unterstützt. Eine weitere finanzielle Unterstützung erfolgte durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Bundesärztekammer , die Landesärztekammern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8955 Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen sowie den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. und den Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V. Die Ergebnisse dieser Studie wurden Mitte März 2016 von der Charité der Öffentlichkeit vorgestellt, und der Abschlussbericht ist im Handel frei verfügbar. Die Bundesregierung hatte selbst weder Einfluss auf die Ergebnisse dieser unabhängigen wissenschaftlichen Untersuchung der Charité noch ist sie für die Bewertung des international zusammengesetzten unabhängigen wissenschaftlichen Beirats verantwortlich, der seinerzeit zur Begleitung und Beratung des Projekts gebildet worden ist. Die Bundesregierung war während der Dauer der Studie mit zwei Vertretern (Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Beauftragte der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer) in einem technischen Begleitausschuss vertreten, der aus dem Kreis der Projektförderer und weiterer Stellen bestand und der die Aufgabe der technischen Unterstützung bei der Umsetzung des Forschungsvorhabens hatte. Dies betraf insbesondere den Zugang zu den Firmenarchiven der damals beteiligten Pharmahersteller. In dem Zusammenhang hat sich im Mai 2013 der seinerzeitige Bundesminister für Gesundheit, Daniel Bahr, schriftlich an die Verbände der Arzneimittelhersteller sowie an die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister der neuen Bundesländer gewandt und um nachdrückliche Unterstützung des Forschungsvorhabens und für eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Geschehnisse und der Arzneimitteltests in der DDR geworben. 1. Welche Kenntnisse zieht Bundesregierung aus dem Abschlussbericht „Testen im Osten. DDR-Arzneimittelstudien im Auftrag westlicher Pharmaindustrie “, und inwieweit sieht die Bundesregierung davon ausgehend weiteren Forschungsbedarf? 2. Welche Forschungsmaßnahmen ergreift die Bundesregierung, um die weitere historische Aufarbeitung von klinischen Studien in der DDR voranzutreiben und die mit dem Abschlussbericht verbundenen offenen Forschungsfragen zu klären? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung begrüßt, dass das Forschungsprojekt des Instituts für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin zu diesem wichtigen Thema abgeschlossen werden konnte. Die Autoren ziehen in ihrem Abschlussbericht eine erste Bilanz. Nach den Ergebnissen dieser Studie bestätigt sich der Vorwurf von systematischen Rechtsverstößen bei klinischen Studien in der DDR, insbesondere von einer Durchführung solcher Versuche unterhalb der Standards, die seinerzeit auch in Westdeutschland für klinische Studien bestanden haben, nicht. Das Forschungsprojekt war angelegt, exemplarisch und vergleichend die politische Dimension und Durchführung der Arzneimittelversuche in der DDR zu untersuchen und damit eine solide Grundlage für eine zeithistorische Aufarbeitung von Arzneimittelversuchen in der DDR zu schaffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8955 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Unterstützt die Bundesregierung die Empfehlung des wissenschaftlichen Beirates zum Abschlussbericht, für betroffene Studienpatientinnen und Studienpatienten eine „leicht zugängliche Beratungsmöglichkeit“ zu schaffen, die im Einzelfall abklären, ob es zu medizinischen Fehlern, ethischen und rechtlichen Verstößen gekommen ist, die „womöglich auch Schadenersatzansprüche begründen würden“ (a. a. O. Wissenschaftlicher Beirat, S. 8f)? Wenn ja, auf welche Weise? Wenn nein, warum nicht? 4. Unterstützt die Bundesregierung die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirates, die im Zuge des Abschlussberichts erstellten Datenbanken der Forschung bzw. der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (a. a. O., S. 9)? Wenn ja, auf welche Weise? Wenn nein, warum nicht? 5. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirates, den öffentlichen Zugang zu den „von den pharmazeutischen Unternehmen bereitgestellten und der Projektgruppe benutzten Archivalien “ sicherzustellen (a. a. O.)? 6. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirates, die in den DDR-Prüfzentren im Rahmen der betreffenden klinischen Studien zwischen den Jahren 1982 und 1990 angefallenen Akten aufzubewahren und eine datenschutzkonforme weitere Benutzung für die Forschung insbesondere zur Patientenperspektive zu ermöglichen (a. a. O.)? Die Fragen 3 bis 6 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Sofern entsprechende Forschungsanträge an die Bundesregierung gestellt werden , wird sie diese prüfen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 7. Wie viele der insgesamt erwähnten 900 klinischen Studien wurden im Rahmen dieser durch die Bundesbeauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer geförderten Untersuchung nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Forscherinnen und Forscher tatsächlich überprüft? 8. a) Auf der Grundlage welcher Kriterien trafen die Forscherinnen und Forscher nach Kenntnis der Bundesregierung ihre „exemplarische Auswahl von 13 Arzneistoffen“? b) Inwieweit kann bereits eine solche Vorauswahl eine Verzerrung der Rechercheergebnisse begünstigen? Die Fragen 7 und 8 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Strukturierung des Forschungsvorhabens sowie die Auswahl der zu untersuchenden Studien wurden von dem Forscherteam der Charité eigenverantwortlich durchgeführt mit dem Ziel, die vor Studienbeginn erarbeiteten und mit den Begleitausschüssen abgestimmten Fragestellungen beantwortet zu können. Der Bundesregierung liegen weder eigene Kenntnisse zum konkreten Vorgehen der Forscherinnen und Forscher oder der Auswahlentscheidung der Arzneistoffe vor noch kann sie deren konkrete Methodik bewerten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8955 9. Wie viele pharmazeutische Unternehmen haben nach Kenntnis der Bundesregierung an den Recherchen teilgenommen, und wie viele haben zumindest Unterlagen zur Verfügung gestellt? 10. In wie vielen Fällen konnten die Forscherinnen und Forscher nach Kenntnis der Bundesregierung frei in Unternehmensarchiven nach Informationen zu relevanten klinischen Studien recherchieren? 11. a) Nach welchen Kriterien haben die pharmazeutischen Unternehmen nach Kenntnis der Bundesregierung die ausgehändigten bzw. zur Verfügung gestellten Quellenmaterialen vorselektiert? b) Erlauben solcherart vorselektierte Quellenmaterialen aus Sicht der Bundesregierung ein vollständiges Bild über den genauen Ablauf der betreffenden klinischen Studien? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? c) Inwieweit haben die Forscherinnen und Forscher überprüft, dass das ihnen zur Verfügung gestellte Quellenmaterial zu den jeweiligen klinischen Studien vollständig war? 12. Wie bewertet die Bundesregierung das Vorgehen der pharmazeutischen Unternehmen , das Quellenmaterial vorselektiert zu haben? Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass den Forscherinnen und Forschern dadurch eine unabhängige Prüfung des Quellenmaterials überhaupt möglich war? 13. a) Konnten die Forscherinnen und Forscher nach Kenntnis der Bundesregierung die Originalquellen der pharmazeutischen Unternehmen einsehen, und wenn ja, in wie vielen Fällen? b) Konnten die beteiligten Forscherinnen und Forscher nach Kenntnis der Bundesregierung selbst Kopien der ihnen zur Einsicht ausgehändigten Unterlagen der pharmazeutischen Unternehmen machen? Die Fragen 9 bis 13 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen über den Abschlussbericht hinaus zu den Sachverhalten , nach denen gefragt wird, keine eigenen Kenntnisse vor. 14. Haben die Forscherinnen und Forscher nach Kenntnis der Bundesregierung Zeitzeugeninterviews mit betroffenen Probandinnen und Probanden geführt, und wenn nein, warum nicht? Für eine Zeitzeugenbefragung gab es, wie dem Abschlussbericht (Seite 27–28) zu entnehmen ist, nach Aussagen der Autoren und auch des wissenschaftlichen Beirates (Seite 4 der Stellungnahme vom März 2015 des wissenschaftlichen Beirats zum Abschlussbericht) keine quantitativ und qualitativ hinreichende Datenbasis , da der Rücklauf auf den Zeitzeugenaufruf an potentielle ehemalige Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu gering war und die getätigten Rückmeldungen meist nicht in Zusammenhang mit klinischen Studien westlicher Arzneimittelhersteller standen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8955 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. Wie passt nach Auffassung der Bundesregierung die abschließende Einschätzung des Abschlussberichts, wonach es keine Anhaltspunkte für Verstöße gegen die Aufklärungspflicht gegeben habe (Hess et al. S. 181) zu den im gleichen Bericht geschilderten Fällen, bei denen es in bestimmten Fällen im Ermessen der Studienleiter und Prüfärzte lag, in welcher Form Patientinnen und Patienten aufgeklärt wurden (a. a. O., S. 89f)? 16. Auf welcher Grundlage erfolgte nach Kenntnis der Bundesregierung die genannte Einschätzung, wenn – wie es der Wissenschaftliche Beirat bemängelt – der Umfang der Aufklärung und die Art der Gesprächsführung überhaupt nicht hinreichend dokumentiert wurden? 17. Inwieweit ist es aus Sicht der Bundesregierung vor dem Hintergrund von Fällen, bei denen mutmaßlich nicht mehr einwilligungsfähige demenzkranke Probandinnen und Probanden in die Teilnahme an Studien eingewilligt hatten (a. a. O., S. 91f), gerechtfertigt, von „Einzelfällen“ und „individuellen Fauxpas“ zu sprechen (a. a. O., S. 182f)? 18. Auf wessen Aussagen beruht nach Kenntnis der Bundesregierung die Einschätzung des Abschlussberichts, „hinter dem Kreuzchen im Formular“ (zur Dokumentation der Aufklärung) verberge sich eine gelebte Praxis“ (a. a. O., S. 181)? 19. a) Sind die Forscherinnen und Forscher nach Kenntnis der Bundesregierung der Frage nachgegangen, ob die Information und Aufklärung der Patientinnen und Patienten ergebnisoffen erfolgte? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Die Fragen 15 bis 19a werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antworten zu den Fragen 1, 2 sowie 7 und 8 wird verwiesen. b) Welche Voraussetzungen mussten nach westdeutscher Rechtslage im Zeitraum von 1969 bis 1990 vorliegen, damit die Einwilligung einer Probandin oder eines Probanden in die Teilnahme an einer vergleichbaren Studie wirksam war? Im Zeitraum von 1969 bis zum Inkrafttreten des Arzneimittelgesetzes am 1. Januar 1978 ergab sich das Erfordernis einer wirksamen Einwilligung aus den Grundsätzen der vertraglichen und außervertraglichen Haftung. Eine wirksame Einwilligung setzte danach eine ordnungsgemäße Aufklärung und die Einwilligungsfähigkeit der Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie die Beachtung der guten Sitten voraus. Ab dem 1. Januar 1978 durfte nach § 40 des Arzneimittelgesetzes eine klinische Prüfung nur durchgeführt werden, wenn die Person , bei der sie durchgeführt werden sollte, zuvor ihre Einwilligung erteilt hat, nachdem sie durch einen Arzt über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung aufgeklärt worden ist. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung war des Weiteren, dass die Person, die sie abgibt, geschäftsfähig und in der Lage ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung einzusehen und ihren Willen hiernach zu bestimmen und dass die Person die Einwilligung selbst und schriftlich erteilt hat. Die Einwilligung war darüber hinaus jederzeit widerrufbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8955 20. a) Inwieweit könnte aus Sicht der Bundesregierung eine eindeutig auf eine Einwilligung zur Teilnahme an der klinischen Studie gerichtete Praxis der Information und Aufklärung der Patientinnen und Patienten (vgl. a. a. O., S. 88f) ein Motiv für pharmazeutische Unternehmen zur Durchführung klinischer Studien in der DDR gewesen sein? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Kenntnisse vor, um die Motivlage der pharmazeutischen Unternehmen in den konkreten Fällen zu bewerten. b) Warum sind die Forscherinnen und Forscher dieser Frage zur Motivlage der pharmazeutischen Unternehmen im Abschlussbericht nach Kenntnis der Bundesregierung nicht nachgegangen? Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird verwiesen. 21. Wie bewertet die Bundesregierung die These des Wissenschaftlichen Beirats , klinische Studien wurden gezielt in der DDR platziert, um die schlechtere Arzneimittelversorgung für im Westen nicht mehr mögliche Studiendesigns zu nutzen (Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats, S.6; Beispiel : Studie zu Ramipril der Hoechst AG, erwähnt auch auf den Seiten 152ff sowie 183f des Abschlussberichts)? Auf die Antwort zu Frage 20a wird verwiesen. 22. Sind die Forscherinnen und Forscher nach Kenntnis der Bundesregierung dieser These zur Motivlage der beteiligten pharmazeutischen Unternehmen im Rahmen des Abschlussberichts systematisch nachgegangen, und wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 wird verwiesen. 23. Wie bewertet die Bundesregierung die im Abschlussbericht kurz skizzierte Motivlage der pharmazeutischen Unternehmen, durch die Studiendurchführung in der DDR das Risiko individueller Schadenersatzklagen durch beteiligte DDR-Studienpatientinnen und Studienpatienten zu vermeiden (a. a. O., S. 127)? Auf die Antwort zu Frage 20a wird verwiesen. 24. a) Inwieweit ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zu Beschwerden von geschädigten Studienpatientinnen und Studienpatienten gegenüber den dafür in der DDR zuständigen Institutionen gekommen? b) Inwieweit wurde im Einzelfall nach Kenntnis der Bundesregierung Schmerzensgeld oder Schadensersatz seitens der zuständigen DDR-Institutionen an Studienpatientinnen und Studienpatienten gezahlt? c) In wie vielen Fällen und in welcher Höhe haben nach Kenntnis der Bundesregierung pharmazeutische Unternehmen im Schadensfall Entschädigungen an die DDR gezahlt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/8955 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 25. Können im Rahmen der klinischen Studien in der DDR behandelte Patientinnen und Patienten bzw. deren Angehörige nach Auffassung der Bundesregierung Schadensersatzansprüche im Falle von nachweislich unterlassener oder unvollständiger Information, Aufklärung oder Einwilligung sowie bei Nebenwirklungen oder Todesfällen geltend machen, und wenn ja, gegen wen? Sowohl das Recht der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik als auch das Recht der Bundesrepublik Deutschland enthalten Anspruchsgrundlagen zur Arzt- und Arzneimittelhaftung. Ob Patientinnen und Patienten bzw. deren Angehörigen danach Schadensersatzansprüche zustehen und wenn ja, gegen wen, kann nur für jeden Einzelfall beurteilt werden. 26. Inwieweit waren die in der DDR im Auftrag westdeutscher pharmazeutischer Unternehmen vorgenommenen klinischen Studien Gegenstand der arzneimittelrechtlichen Verfahren des damaligen Bundesgesundheitsamtes zur Zulassung von Arzneimitteln in der Bundesrepublik Deutschland? Für die Beantwortung der Frage wurden durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die Anzahl der betreffenden Zulassungen bis zum 30. Juni 1994, dem Zeitpunkt der Auflösung des Bundesgesundheitsamtes, recherchiert. In dem oben genannten Zeitraum wurden vom Bundesgesundheitsamt über 15 000 Zulassungen (ohne Parallelimporte ) erteilt. Eine vollständige Sichtung dieser Unterlagen ist im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht möglich. Die Unterlagen des Bundesgesundheitsamtes aus dieser Zeit sind weder elektronisch durchsuchbar noch indexiert oder verschlagwortet, sondern befinden sich auf Mikrofilm (mit bis zu teilweise 700 Datenträgern mit mehr als 3 000 Seiten pro Antrag) oder in papierbasierten Archiven. Aus exemplarischen Recherchen einzelner Zulassungsanträge und auch aus dem Abschlussbericht lassen sich jedoch Hinweise auf klinische Prüfungen in der DDR finden. 27. Inwieweit hatten die Bundesregierung, einzelne Behörden, einzelne Bedienstete oder Amtsträger Kenntnis von diesen klinischen Studien in der DDR? Im Rahmen der wissenschaftlichen Bewertung der eingereichten Zulassungsunterlagen hatten Wissenschaftler des Bundesgesundheitsamtes Kenntnis von klinischen Arzneimittelprüfungen in der DDR. Auf die Antwort zu Frage 26 wird verwiesen . 28. Inwieweit wurden diese klinischen Studien seitens der Bundesregierung gegenüber der Regierung der DDR oder einzelnen Vertreterinnen oder Vertretern thematisiert? Die Bundesregierung hatte im Rahmen ihrer Aufgaben vielfältige Kontakte zur ehemaligen Regierung der DDR und Vertretern der Regierung der DDR gepflegt, ohne diese systematisch zu erfassen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen solcher Kontakte auch über das Thema Klinische Studien gesprochen worden ist. Ob und inwieweit dies tatsächlich der Fall war, kann aus den oben genannten Gründen nicht nachvollzogen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/8955 29. Inwieweit wurden diese klinischen Studien seitens der Bundesregierung, seitens einzelner Behörden oder seitens einzelner Amtsträger oder Bediensteter gegenüber westdeutschen pharmazeutischen Unternehmen thematisiert? In den vom BfArM und vom PEI stichprobenartig gesichteten Unterlagen fanden sich keine Hinweise auf eine diesbezügliche Kommunikation oder Abstimmung zwischen dem Bundesgesundheitsamt und westdeutschen pharmazeutischen Unternehmen . Darüber hinaus liegen der Bundesregierung dazu keine Kenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333