Deutscher Bundestag Drucksache 18/900 18. Wahlperiode 24.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Cornelia Möhring, Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/738 – Wirtschaftliche Lage der Hebammen und Entbindungspfleger Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die flächendeckende Versorgung mit Hebammenleistungen ist in Deutschland nicht mehr gewährleistet. Freiberufliche Hebammen können die verpflichtende Haftpflichtversicherung häufig nicht mehr bezahlen (vgl. z. B. „Freiberuflichen Hebammen droht das Aus“, STUTTGARTER NACHRICHTEN vom 18. Februar 2014; „Hebammen droht Berufsverbot“, Kölner Stadt-Anzeiger vom 19. Februar 2014; „Hohe Beiträge: Hebammen in MV vor dem Aus?“, OSTSEE-ZEITUNG vom 18. Februar 2014). Die Prämien sind explodiert und der Markt zusammengebrochen („Warum freiberuflichen Hebammen das Aus droht“, Wirtschafts-Woche vom 18. Februar 2014; „Zukunft ohne Hebammen? Ganzer Berufsstand ist in Gefahr/Versicherer wollen die Frauen nicht als Kunden “, Frankfurter Rundschau vom 19. Februar 2014). In immer mehr Gebieten stehen Frauen Alternativen zur Klinikgeburt (zu Hause oder in Geburtshäusern) gar nicht mehr zur Verfügung („Suche nach Hebammen oft schwierig“, neues deutschland vom 27. Februar 2014). Auch die Vor- und Nachsorge von Wöchnerinnen ist nicht mehr flächendeckend gesichert . Hintergrund sind die niedrigen Honorare der Krankenkassen. Immer weniger Hebammen sind finanziell in der Lage, eine Wochenbettbetreuung anzubieten . Die wenigen Hebammen, die diese Leistungen noch anbieten, können den Betreuungsbedarf nicht erfüllen. Die Folge ist eine Mangelversorgung der Frauen und Neugeborenen bei der aufsuchenden Wochenbettbetreuung. Dabei ist der Bedarf gestiegen. Wöchnerinnen werden meist schnell aus der Klinik entlassen, da diese über Fallpauschalen abrechnet. Die Hebamme übernimmt die medizinische und psychosoziale Nachbetreuung von Mutter und Kind. Freiberufliche Hebammen arbeiten auch als Beleghebammen in Krankenhäusern . Wie bei Hausgeburten oder in Geburtshäusern wird so meist eine Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Eins-zu-eins-Betreuung von Hebamme zu Wöchnerin möglich, die zur optimalen Versorgung wünschenswert ist. Doch nach und nach schließen immer mehr Kliniken ihre Geburtshilfestation. Insgesamt ist ein ganzer Berufsstand qualifizierter und hochmotivierter Hebammen und Entbindungspfleger existenziell gefährdet. Die bundesweite Ver- Drucksache 18/900 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sorgung mit qualitativ hochwertiger Geburtshilfe und sonstigen Hebammenleistungen steht auf der Kippe. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung nimmt die Belange der Hebammen sehr ernst. Hebammen leisten einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag zur Qualität der medizinischen und psychosozialen Versorgung Schwangerer, junger Mütter und von Familien. Sie beraten und betreuen werdende Eltern individuell während Schwangerschaft und Geburt. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. Dazu haben sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich bekannt. Dies schließt die Möglichkeit der freien Wahl des Geburtsortes ein – ob ambulant oder stationär im Krankenhaus, durch Hausgeburt, im Geburtshaus oder in einer Hebammenpraxis. Die damalige Bundesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode die Anliegen der Hebammen bereits mehrfach, auch im Rahmen von gesetzlichen Initiativen, aufgegriffen. Insbesondere wurde im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes gesetzlich klargestellt, dass die gestiegenen Haftpflichtprämien bei den Vergütungsverhandlungen des GKV-Spitzenverbandes (GKV: gesetzliche Krankenversicherung) mit den Hebammenverbänden berücksichtigt werden müssen. Im Anschluss an die Gesetzesänderung haben GKV-Spitzenverband und Hebammenverbände bereits erhebliche Vergütungserhöhungen vereinbart . Zur Verbesserung der Datenlage zur Versorgungs- und Vergütungssituation der Hebammenhilfe hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Jahr 2011 das IGES Institut mit einem Gutachten beauftragt. Für dieses Gutachten wurde eine umfassende Befragung von ca. 3 600 Hebammen durchgeführt. Darüber hinaus wurden zahlreiche Sekundärstatistiken ausgewertet. Das Gutachten ist seit Mai 2012 veröffentlicht. Um die vielschichtigen Problemlagen im Bereich der Versorgung mit Hebammenhilfe zu sichten sowie Lösungsansätze zu identifizieren, wurde außerdem im letzten Jahr eine interministerielle Arbeitsgruppe (IMAG) „Versorgung mit Hebammenhilfe“ unter Federführung des BMG eingerichtet, an der auch alle Hebammenverbände teilgenommen haben. Hier wurde auch die Problematik der Berufshaftpflichtversicherung umfassend erörtert und es wurden verschiedene Lösungsmodelle diskutiert. Derzeit wird der Abschlussbericht der interministeriellen Arbeitsgruppe final abgestimmt. Die Ergebnisse dieses Berichts werden anschließend in die politischen Beratungen einfließen. Der Bundesminister Hermann Gröhe hat sich am 18. Februar 2014 mit Vertreterinnen der an der IMAG beteiligten Hebammenverbände getroffen, um über die Anliegen der Hebammen und insbesondere die problematische Situation bei der Berufshaftpflichtversicherung zu sprechen. Dabei standen auch der angekündigte Ausstieg der Nürnberger Versicherung und die möglichen Folgen für den Versicherungsmarkt im Fokus. Der Bundesminister Hermann Gröhe hat in diesem Gespräch kurzfristige Maßnahmen zur Entlastung der freiberuflich tätigen Hebammen zugesagt. Die Bundesregierung will zudem einen Weg finden, um die Haftpflichtproblematik der Hebammen nachhaltig und dauerhaft zu lösen. Derzeit werden verschiedene Optionen geprüft, um unter Berücksichtigung der Veränderungen des Versicherungsmarktes eine langfristige Lösung der Haftpflichtproblematik zu erreichen. Hierzu finden auch Gespräche mit der Versicherungswirtschaft, dem GKV-Spitzenverband und anderen Interessengruppen statt. Zudem wird die Bundesregierung im Interesse einer gemeinsamen Lösungsfindung den Dialog mit den Hebammenverbänden fortführen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/900 1. Wie viele Frauen bringen ihr Kind nach Kenntnis der Bundesregierung in Kliniken, in Einrichtungen der außerklinischen Geburtshilfe oder durch Hausgeburt zur Welt, und wie haben sich diese Zahlen in den letzten zehn Jahren einschließlich des Jahres 2013 entwickelt (bitte aufschlüsseln)? Tabelle 1: Eine amtliche, bundesweite Statistik zur Anzahl der außerklinischen Geburten existiert nicht. In Tabelle 1 wurde sie über die Differenz zwischen der Anzahl der klinischen Geburten und der Gesamtzahl der Geburten ermittelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die ungeplanten außerklinischen Geburten ohne Hebammenbegleitung als außerklinische Geburten gezählt werden. Daten der amtlichen Statistik zur Anzahl der Geburten liegen bis zum Jahr 2012 vor. Die interministerielle Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ hat zur Verbesserung der Datenlage eine Erweiterung der GKV-Statistik angeregt. Dem ist die Bundesregierung gefolgt und hat die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet , ab dem Jahr 2015 die außerklinischen Geburten, die über die GKV abgerechnet werden, differenziert nach dem Ort der Geburt (außerklinische Geburt in einer Einrichtung unter ärztlicher Leitung, außerklinische Geburt in einer von Hebammen geleiteten Einrichtung und Hausgeburt) in der GKV-Statistik (KG2) zu erfassen. 2. Welche Kosten entstehen den Krankenkassen im Durchschnitt pro Entbindung in einer Klinik, in einer Einrichtung der außerklinischen Geburtshilfe oder bei einer Hausgeburt? Nach Informationen des GKV-Spitzenverbandes auf seiner Internetseite entstehen den Krankenkassen im Durchschnitt pro ambulanter Entbindung folgende Kosten: geborene Kinder in Deutschland insgesamt im Krankenhaus geborene Kinder außerklinisch geborene Kinder % der außerklinisch geborenen Kinder 2002 721.950 711.458 10.492 1,45 2003 709.420 699.795 9.625 1,36 2004 708.350 695.885 12.465 1,76 2005 688.282 675.688 12.594 1,83 2006 675.144 663.979 11.165 1,65 2007 687.233 675.892 11.341 1,65 2008 684.926 674.751 10.175 1,49 2009 667.464 656.265 11.199 1,68 2010 680.413 668.950 11.463 1,68 2011 665.072 654.243 10.829 1,63 2012 675.944 665.780 10.164 1,50 Quelle: IGES auf Basis der Geburtenstatistik des Statistischen Bundesamtes (Stand 10. Januar 2012), sowie den Grunddaten der Krankenhausstatistik, Fortschreibung für 2011 und 2012 auf derselben Basis. Geburten in Deutschland nach Art der Geburt (klinisch / außerklinisch) Drucksache 18/900 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode * exemplarische Berechnung möglicher Hebammenleistungen während einer außerklinischen Geburt nach den Verträgen nach § 134a SGB V ** exemplarische Berechnung möglicher Hebammenleistungen während einer außerklinischen Geburt nach den Verträgen nach § 134a SGB V inklusive Betriebskostenpauschale 3. Wie viele freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell, und wie hat sich die Zahl der Hebammen einschließlich des Jahres 2013 in den letzten zehn Jahren entwickelt ? Die Zahl der Hebammen und Entbindungspfleger insgesamt ist gemäß der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes von rund 16 000 im Jahr 2000 auf rund 21 000 im Jahr 2011 angestiegen. Dabei nimmt der Anteil der Teilzeitbeschäftigten im Krankenhaus zu. Aktuellere Zahlen liegen derzeit noch nicht vor. Eine umfassende, differenzierte Statistik zu allen in Deutschland tätigen Hebammen nach Erwerbsstatus gibt es nicht. Insbesondere wird nicht statistisch erfasst, welche Tätigkeiten Hebammen freiberuflich durchführen und wie viele Hebammen freiberuflich außerklinische Geburtshilfe leisten (bei Hausgeburten oder im Geburtshaus). Zu berücksichtigen ist, dass ein Teil der Hebammen und Entbindungspfleger sowohl angestellt als auch freiberuflich tätig ist. Zur Anzahl der in Deutschland freiberuflich tätigen Hebammen werden von den beteiligten Akteuren sehr unterschiedliche Angaben gemacht. Nach Daten des GKV-Spitzenverbandes waren im Dezember 2013 insgesamt rund 17 700 Hebammen freiberuflich tätig und davon haben 5 140 (auch) freiberuflich Geburtshilfe angeboten . Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes belief sich die Anzahl der freiberuflich tätigen Hebammen im März 2009 auf rund 15 300; im Jahr 2009 gab es nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes 4 500 freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe leisteten. Der Deutsche Hebammenverband e. V. schätzt, dass ca. 3 500 freiberuflich tätige Hebammen Geburtshilfe durchführen. Weitere Daten für die Vorjahre liegen der Bundesregierung nicht vor. 4. Wie viele freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell als Beleghebammen in Krankenhäusern tätig? Im Jahr 2012 waren rund 2 000 freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger als Beleghebammen in Krankenhäusern tätig. Zahlen für 2013 liegen noch nicht vor. 5. Wie viele Hebammen und Entbindungspfleger sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der außerklinischen Geburtshilfe tätig (bitte aufgliedern nach Hausgeburtshilfe, Geburtshäusern und Arztpraxen)? Der Bundesregierung liegt keine amtliche Statistik über die Anzahl der Hebammen und Entbindungspfleger vor, die nur in der außerklinischen Geburtshilfe tätig sind. In der IGES-Befragung gaben rund zwei Drittel der freiberuflichen Beleghebammen an, dass sie ausschließlich klinische Geburtshilfe anbieten. Wenn der Anteil der Beleghebammen, die ausschließlich in Kliniken Geburts- bei Tag bei Nacht Hausgeburt* ca. 1 058 Euro ca. 1 208 Euro Geburtshaus-Geburt** ca. 1 562 Euro ca. 1 729 Euro Ambulante Klinikgeburt (max. 1 Tag Verweildauer) 922 Euro 922 Euro hilfe anbieten, von den verfügbaren Daten zur Gesamtzahl der freiberuflichen Hebammen, die Geburtshilfe anbieten (siehe Antwort zu Frage 2), in Abzug ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/900 bracht wird, lässt sich schließen, dass die Anzahl der freiberuflichen Hebammen , die in der außerklinischen Geburtshilfe tätig sind, zwischen 2 200 und 3 800 liegt. Zur Aufteilung der Tätigkeit der Hebammen und Entbindungspfleger in der außerklinischen Geburtshilfe auf verschiedene Orte der Erbringung liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Hinweise hierzu sind durch die Erweiterung der GKV-Statistik ab dem Jahr 2015, bezogen auf die erbrachten Leistungen der außerklinischen Geburtshilfe, zu erwarten (siehe Antwort zu Frage 1). 6. Wie viele freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung zur Vor- und Nachsorge der Frauen bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett? Wie hat sich diese Zahl in den letzten zehn Jahren einschließlich des Jahres 2013 entwickelt? 7. Wie viele Hebammen und Entbindungspfleger sind nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell tätig in der Versorgung von Frauen in der aufsuchenden Wochenbettbetreuung? Wie hat sich diese Zahl einschließlich des Jahres 2013 in den letzen zehn Jahren entwickelt (bitte aufschlüsseln)? Die Fragen 6 und 7 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Erkenntnisse zur Anzahl der Hebammen und Entbindungspfleger, die in der Vorund Nachsorge sowie in der aufsuchenden Wochenbettbetreuung tätig sind, sind nicht verfügbar, weil hierzu keine differenzierende Statistik vorliegt. Das Tätigkeitsspektrum und der Erwerbsstatus der Hebammen und Entbindungspfleger ist schwer abzugrenzen. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 8. Ist es Ziel der Bundesregierung, die Zahl der Hebammen und Entbindungspfleger in der außerklinischen Geburtshilfe und der Wochenbettbetreuung zukünftig zu erhöhen oder zu senken? Ziel der Bundesregierung ist es, dass ausreichend Hebammen und Entbindungspfleger in der außerklinischen Geburtshilfe zur Verfügung stehen, um die im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verankerte Wahlfreiheit der Versicherten zu gewährleisten. Aus diesem Grund haben auch die Vertragspartner nach § 134a SGB V bei den Vergütungsverhandlungen u. a. den Bedarf der Versicherten an Hebammenhilfe zu berücksichtigen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 9. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Frauen eine aufsuchende Wochenbettbetreuung nachfragen und wie viele Frauen sie tatsächlich in Anspruch nehmen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 10. Hält die Bundesregierung die Zahl der freiberuflichen Hebammen und Entbindungspfleger vor dem Hintergrund der reduzierten Verweildauer in Klinken nach Geburten für ausreichend (bitte begründen)? Belastbare Zahlen zur Entwicklung der Zahl der freiberuflichen Hebammen und Entbindungspfleger liegen nicht vor (siehe Antworten zu den Fragen 3 bis 7). Es Drucksache 18/900 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode liegen außerdem keine Erkenntnisse darüber vor, in welchem Ausmaß ein Rückgang der Verweildauer zu einem steigenden Bedarf an aufsuchender Wochenbettbetreuung führt. Zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe wird auf die Antworten zu den Fragen 8 und 19 bis 21 verwiesen . 11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Unterschiede in der Verfügbarkeit von Hebammenleistungen zwischen ländlichen Gebieten und Ballungsräumen? Falls ja, inwiefern? Falls nein, weshalb nicht? Das IGES Institut hat in der für das BMG erstellten Studie „Vergütungs- und Versorgungssituation in der außerklinischen Geburtshilfe“ auch die Versorgungssituation in der Hebammenhilfe auf regionaler Ebene (Kreisebene) analysiert . Dabei sind neben den Angebotskapazitäten auch die Erreichbarkeit des klinischen Angebotes und die regionale Reichweite der außerklinischen Hebammen einbezogen worden. Eine unterdurchschnittliche Versorgung im ländlichen Raum lässt sich daraus nicht ableiten. Allerdings hat die Studie regionale Unterschiede in der Erreichbarkeit des nächsten Krankenhauses ermittelt. Während die durchschnittliche Entfernung zum nächsten Krankenhaus mit geburtshilflicher Abteilung in Kernstädten rund zwei km beträgt, liegt die durchschnittliche Entfernung im ländlichen Umland und im ländlichen Raum bei mehr als neun km. Mit Ausnahme eines Kreises (Wunsiedel im Fichtelgebirge) lag die durchschnittliche Entfernung zur nächstgelegenen Krankenhausabteilung für Geburtshilfe in allen untersuchten Kreisen unter 20 km, in elf davon zwischen 15 km und 20 km. Die regionale Analyse der Reichweite der Hebammen in der außerklinischen Versorgung ergab, dass in 60 Prozent der 412 Kreise in Deutschland die durchschnittlich zurückgelegte Einzelstrecke zwischen acht und zwölf km lag. In einigen Kreisen, insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, betrug die durchschnittlich gefahrene Strecke für eine einfache Fahrt zwischen 16 und 20 km. Nur in einem Kreis lag die durchschnittlich gefahrene Strecke über 20 km (Landkreis Regen mit 22,5 km). 12. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Postleitzahlengebiete, in denen keine oder eine nicht ausreichende Wochenbettbetreuung angeboten wird? Nach Postleitzahlgebieten differenzierte Daten zur Wochenbettbetreuung liegen der Bundesregierung nicht vor. 13. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Unterschiede in der Inanspruchnahme von Hebammenleistungen im Hinblick auf benachteiligte Stadtteile oder auf verschiedene Bevölkerungsgruppen (z. B. Migrantinnen )? Differenzierte Daten zur Inanspruchnahme von Hebammenleistungen nach Stadtteilen oder nach verschiedenen Bevölkerungsgruppen liegen der Bundesregierung nicht vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/900 14. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor hinsichtlich einer Korrelation von sozialen Statusfaktoren und der Inanspruchnahme von klinischer und außerklinischer Geburtshilfe bzw. Hausgeburtshilfe? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 15. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor über eine Korrelation zwischen der Häufigkeit von Kaiserschnitten und dem sozialen Status? Daten zum sozialen Status werden im Rahmen der Qualitätssicherung und der Abrechnung von stationären geburtshilflichen Leistungen nicht systematisch erhoben. 16. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Einkommen freiberuflicher Hebammen und Entbindungspfleger seit dem Jahr 2010 entwickelt (Gewinn vor Steuern)? Der Bundesregierung liegen keine Daten zur Entwicklung des Einkommens freiberuflicher Hebammen und Entbindungspfleger seit dem Jahr 2010 vor. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Hebammenleistungen sind von 431,1 Mio. Euro im Jahr 2010 auf 462,7 Mio. Euro im Jahr 2012 gestiegen. Nach den seit Kurzem vorliegenden vorläufigen Finanzergebnissen gab es im Jahr 2013 einen erneuten Ausgabenzuwachs von 12,4 Prozent. 17. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass das Ergebnis der Honorarverhandlungen vom 9. Juli 2012 den gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien hinreichend Rechnung trägt, insbesondere unter Berücksichtigung von Hebammen und Entbindungspflegern, die nicht in Vollzeit tätig sind (wenn ja, bitte begründen)? Wenn nein, warum nicht? Die Umlage der Kostensteigerung der Berufshaftpflichtversicherung nach § 134a Absatz 1 Satz 3 SGB V zum 1. Juli 2012 erfolgte auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung vom 9. Juli 2012, die vom Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e. V. (BfHD) und vom Deutschen Hebammenverband e. V. (DHV) mit dem GKV-Spitzenverband getroffen wurde. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, einvernehmlich zustande gekommene Verhandlungsergebnisse zu bewerten. Ist es aus Sicht der Verhandlungspartner nicht möglich, eine sachgerechte Lösung im Verhandlungswege zu erreichen, besteht nach den gesetzlichen Vorschriften die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens. 18. Hält die Bundesregierung die Regelungen des § 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch für ausreichend, die besagen, dass die Vertragspartner (GKV-Spitzenverband und die maßgeblichen Hebammenverbände) bei den Verhandlungen über die abrechnungsfähigen Hebammenleistungen und ihre Vergütung die „berechtigten wirtschaftlichen Interessen“ der Hebammen zu berücksichtigen haben, wozu auch die Haftpflichtprämien gehören, oder ist die Bundesregierung der Meinung, dass die Berücksichtigung der Haftpflichtprämien bei den Gesamtkosten der Hebammen durch gesetzliche Regelungen besser gewährleistet werden könnte (bitte begründen)? Angesichts der von Hebammen und ihren Verbänden geschilderten Schwierig- keiten bei den Vergütungsverhandlungen hat der Gesetzgeber mit dem am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstrukturgesetz in § 134a SGB V Drucksache 18/900 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ausdrücklich klargestellt, dass bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Hebammen insbesondere Kostensteigerungen zu beachten sind, die die Berufsausübung betreffen. In der Gesetzesbegründung zu dieser Regelung werden Beitragserhöhungen zu den von den Hebammen abzuschließenden Berufshaftpflichtversicherungen ausdrücklich als mögliche Kostensteigerungsfaktoren, die zu beachten sind, genannt. Die gesetzlichen Vorgaben erlauben zudem auch eine über die Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen hinausgehende Vergütungserhöhung, wenn dies erforderlich ist, um den Hebammen eine angemessene Vergütung zu gewähren. In der Folge wurde die Vergütung für Leistungen der Geburtshilfe bereits mehrfach angehoben . Dies zeigt, dass die gesetzliche Regelung ihre Wirkung entfaltet. 19. Sieht die Bundesregierung die Wahlfreiheit von Frauen in Bezug auf die Art der Entbindung (Klinik, Geburtshaus, ärztliche Praxis, zu Hause) angesichts der Ergebnisse der Studie „Versorgungs- und Vergütungssituation in der außerklinischen Hebammenhilfe“ der IGES Institut GmbH aus dem Jahr 2012 nach wie vor als tatsächlich gegeben an? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht, und welche Schritte hält die Bundesregierung für erforderlich, um eine tatsächliche Wahlfreiheit herzustellen? 20. Sieht die Bundesregierung die Versorgung von Frauen im Bereich der Vorund Nachsorge von Schwangeren und Wöchnerinnen angesichts der Ergebnisse der IGES-Studie nach wie vor als tatsächlich gegeben an? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht, und welche Schritte hält die Bundesregierung für erforderlich, um die flächendeckende Versorgung herzustellen? 21. Sieht die Bundesregierung die Versorgung von Frauen im Bereich der Betreuung von Geburten in Eins-zu-eins-Betreuung angesichts der Ergebnisse der IGES-Studie nach wie vor als tatsächlich gegeben an? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht, und welche Schritte hält die Bundesregierung für erforderlich, um die Versorgung zu verbessern? Die Fragen 19 bis 21 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Hebammenhilfe ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. Dies schließt die Möglichkeit der freien Wahl des Geburtsortes – ob ambulant oder stationär im Krankenhaus, durch Hausgeburt, im Geburtshaus oder in einer Hebammenpraxis – ein. Es gibt Anzeichen dafür, dass Hebammen infolge der gestiegenen Haftpflichtversicherungsprämien die freiberufliche Geburtshilfe teilweise einstellen. Die Bundesregierung erkennt die Bedeutung des Themas ausdrücklich an. So betont auch der Koalitionsvertrag die Wichtigkeit der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe. Die Koalitionspartner sagen darin zu, die Situation der Geburtshilfe und der Hebammen im Speziellen zu beobachten und für eine angemessene Vergütung zu sorgen. 22. Wie viele Geburtshäuser und Hebammenpraxen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen den Jahren 2002 und 2012 geschlossen und wie viele neu eröffnet? Entsprechende Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/900 23. Wie viele Geburtshilfestationen an Kliniken und Krankenhäusern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell, und wie viele wurden seit dem Jahr 2003 geschlossen? Im Jahr 2012 betrug die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland mit einer geburtshilflichen Fachabteilung 430 (Quelle: Statistisches Bundesamt). Im Jahr 2003 gab es 589 Krankenhäuser mit einer Geburtshilfestation (Quelle: Statistisches Bundesamt). Es gab daher im Jahr 2012 insgesamt 159 Geburtshilfestationen in Krankenhäusern weniger als im Jahr 2003. Da die Verminderung der Zahl der Fachabteilungen neben Schließungen auch andere Gründe (z. B. Fusionen ) haben kann, muss die Differenz nicht zwingend identisch mit der Zahl der geschlossenen Geburtshilfeabteilungen sein. 24. In welcher Trägerschaft befanden sich diese Kliniken nach Kenntnis der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Schließung der jeweiligen Entbindungsstation ? Das Statistische Bundesamt differenziert die Zahl der Fachabteilungen „Frauenheilkunde und Geburtshilfe“ in Krankenhäusern nicht nach der Trägerschaft der jeweiligen Krankenhäuser. Unabhängig davon, dass der Bundesregierung die exakte Zahl der „Schließungen“ nicht bekannt ist (siehe Antwort zu Frage 23), kann vonseiten der Bundesregierung eine diesbezügliche Differenzierung anhand der vorhandenen Daten nicht vorgenommen werden. 25. Wie hat sich die Verweildauer von Frauen in der klinischen Geburtshilfe nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2003 entwickelt? Die durchschnittliche Verweildauer in den geburtshilflichen Abteilungen ist von 5,2 Tagen im Jahr 2003 auf 4,1 Tage im Jahr 2012 zurückgegangen. 26. Wie viele Geburten betreuen Hebammen und Entbindungspfleger in Kliniken nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich parallel? Daten, wie viele Geburten Hebammen und Entbindungspfleger in Kliniken durchschnittlich parallel betreuen, werden vom Statistischen Bundesamt nicht systematisch erhoben. Angesichts dessen liegen der Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor. 27. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Kaiserschnitte seit dem Jahr 2003 entwickelt (bitte nach Bundesländern und im europäischen bzw. internationalen Vergleich aufschlüsseln)? Die Entwicklung der Zahl der Kaiserschnitte in Deutschland seit 2003 (getrennt nach Bundesländern) ist in der nachfolgenden Übersicht (Tabelle 2) dargestellt. Danach betrug die Kaiserschnittrate in Deutschland im Jahr 2012 rund 31,9 Prozent. Drucksache 18/900 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Tabelle 2: Entwicklung der Zahl der Kaiserschnitte in Deutschland nach Bundesländern Quelle: Statistisches Bundesamt Bezogen auf den internationalen Vergleich liegen der Bundesregierung nur Zahlen einiger weniger europäischer Länder vor (Jahr 2011). Danach ergeben sich – bezogen auf alle Lebendgeburten – in den nachfolgend aufgeführten Ländern Europas die in Tabelle 3 aufgeführten Anteile an Kaiserschnittentbindungen . Tabelle 3: Kaiserschnittentbindungen im europäischen Vergleich Land 2003 2012 Entbundene Frauen Entbundene Frauen insgesamt darunter Entbindungen durch Kaiserschnitt Anteil in % insgesamt darunter Entbindungen durch Kaiserschnitt Anteil in % Deutschland 687 508 175 341 25,5 653 215 208 254 31,9 davon: Baden-Württemberg 95 216 25 574 26,9 86 845 29 186 33,6 Bayern 109 584 29 002 26,5 104 483 33 819 32,4 Berlin 29 728 6 089 20,5 35 702 9 907 27,7 Brandenburg 15 021 3 026 20,1 14 407 3 755 26,1 Bremen 7 753 2 156 27,8 7 926 2 632 33,2 Hamburg 17 942 4 761 26,5 20 677 6 843 33,1 Hessen 52 342 14 872 28,4 8 448 16 767 34,6 Mecklenburg-Vorpommern 12 261 2 627 21,4 12 438 3 602 29,0 Niedersachsen 66 194 16 506 24,9 57 218 18 316 32,0 Nordrhein-Westfalen 155 643 41 179 26,5 142 180 46 717 32,9 Rheinland-Pfalz 32 273 9 102 28,2 30 290 10 759 35,5 Saarland 8 062 2 457 30,5 7 321 2 727 37,2 Sachsen 31 463 6 036 19,2 33 932 8 025 23,7 Sachsen-Anhalt 16 252 3 126 19,2 16 246 4 823 29,7 Schleswig-Holstein 22 059 5 480 24,8 19 174 6 102 31,8 Thüringen 15 715 3 348 21,3 15 928 4 274 26,8 Jahr 2011 Land Zahl der Lebendgeburten Entbindungen durch Kaiserschnitt Quote in % Bulgarien 70 846 23 463 33,1 Tschechische Republik 108 673 25 291 23,3 Deutschland 662 685 206 012 31,1 Spanien 453 348 117 224 25,9 Frankreich 824 263 166 495 20,2 Italien 546 585 206 139 37,7 Österreich 78 109 22 119 28,3 Portugal 96 856 33 751 34,8 Rumänien 196 242 71 249 36,3 Finnland 59 961 9 701 16,2 Quelle: Statistisches Bundesamt Schweden 111 770 18 123 16,2 Großbritannien 807 776 194 864 24,1 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/900 28. Was sind aus Sicht der Bundesregierung die Gründe für diese Entwicklung der Kaiserschnittrate, und kann die Bundesregierung ausschließen, dass es mit durch die Fallpauschalen gesetzten Anreizen zu tun hat? Die Entwicklung der Kaiserschnittrate wird durch unterschiedliche Aspekte beeinflusst. Dem Gutachten des IGES Institutes zufolge wird als Grund für die relativ hohe Kaiserschnittrate die „Zunahme der Risikoschwangerschaften“ angeführt . Der Anteil der Schwangeren „mit Risiko“ lag im Jahr 2001 noch bei 68,5 Prozent. Bis zum Jahr 2010 erhöhte er sich auf 73,4 Prozent. Als „Risik [en]“ gelten dabei u. a. eine Allgemeinerkrankung der Mutter, eine späte bzw. frühe Schwangerschaft (d. h. die Erstgebärende ist älter als 35 Jahre bzw. jünger als 18 Jahre) sowie risikoerhöhende Befunde während der Schwangerschaft (z. B. Diabetes mellitus, Mehrlinge, drohende Frühgeburt, Anämie). Gleichzeitig sind durch veränderte Operations- und Narkosetechniken und eine verbesserte Infektions- und Thromboseprophylaxe die Risiken eines Kaiserschnitts immer weiter gesunken mit der Folge einer veränderten Nutzen-RisikoBewertung im Einzelfall. Im Übrigen unterscheidet sich die Kaiserschnittrate beträchtlich zwischen den Bundesländern (siehe Tabelle zu Frage 27). Im Jahr 2012 war Sachsen mit 23,7 Prozent das Land mit dem geringsten Anteil an Kaiserschnittentbindungen und das Saarland mit 37,2 Prozent das Bundesland mit dem höchsten Anteil. Analysen über monokausale Ursache-Wirkung-Beziehungen sind der Bundesregierung nicht bekannt. 29. Wie viele gynäkologische Notfallambulanzen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland? Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie diese von Schwangeren in Anspruch genommen werden? Angaben zur Zahl gynäkologischer Notfallambulanzen und zu deren Inanspruchnahme liegen der Bundesregierung nicht vor. 30. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass der Versicherungswettbewerb im Bereich der Haftpflichtversicherungen für Geburtshilfe durch Ärztinnen und Ärzte sowie Hebammen und Entbindungspfleger nach wie vor funktioniert? Wenn nein, welche Konsequenzen ergeben sich aus Sicht der Bundesregierung ? Jedes Versicherungsunternehmen, das die aufsichtsrechtlichen Vorgaben erfüllt, ist berechtigt, die Hebammen-Haftpflichtversicherung und auch andere Bereiche der Berufshaftpflichtversicherung im Gesundheitswesen zu betreiben. Der Versicherungswettbewerb wird nicht behindert oder beschränkt. In der Hebammen -Haftpflichtversicherung gibt es nur noch einige wenige Unternehmen, die Geburtshilfe von Hebammen versichern. Die Gründe liegen darin, dass die Geburtshilfe mit dem Risiko schwerer Personenschäden einhergeht und die von den Versicherern zu leistenden Summen für derartige Personenschäden in der Vergangenheit weit überproportional gestiegen sind. Drucksache 18/900 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 31. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, die Kalkulationsgrundlagen der Prämien zur Berufsunfähigkeitsversicherung in der Geburtshilfe durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) prüfen zu lassen (wenn nein, bitte begründen)? Aufgrund des Themenzusammenhangs ist wahrscheinlich nicht die Berufsunfähigkeitsversicherung , sondern die Berufshaftpflichtversicherung gemeint. Diese ist Teil der Schaden- und Unfallversicherung. In diesem Bereich sind die Versicherer bei der Prämienkalkulation grundsätzlich frei. Sie unterliegen keinem Genehmigungserfordernis durch die BaFin und müssen keine vorgegebenen Kalkulationsgrundlagen verwenden. Darüber hinaus würde in dem hier vorliegenden Kontext eine Überprüfung der Kalkulation nur Sinn ergeben, wenn im Bereich der Haftpflichtversicherung für Hebammen und Ärzte in der Geburtshilfe mit ungerechtfertigt überhöhten Prämien zu rechnen wäre. Hierfür gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Der Rückzug von Versicherern aus diesem Segment spricht umgekehrt vielmehr dafür, dass kein ausreichendes Prämienniveau erzielt werden kann und ein gewichtiges Verlustpotential besteht (siehe Antwort zu Frage 30). 32. Worin sieht die Bundesregierung die Ursachen für die stark steigenden Haftpflichtversicherungsprämien der Hebammen und Entbindungspfleger ? Wesentliche Gründe für den Anstieg der Prämien für Berufshaftpflichtversicherungen für Hebammen sind wachsende Schadenersatzsummen, die auf eine verbesserte medizinische Versorgung und die damit verbundene steigende Lebenserwartung der geschädigten Kinder und die Berücksichtigung eines hypothetischen Verdienstausfalls durch die Gerichte zurückzuführen sind. Dabei haben sich insbesondere die Großschäden in den letzten Jahren erheblich verteuert. Außerdem schlägt sich der zunehmende Regress der Sozialversicherungsträger bei den Hebammen (bzw. bei der Haftpflichtversicherung) in den Versicherungsprämien nieder. Daher steigen nur die Prämien für die Versicherungsverträge massiv, die auch Geburtshilfe abdecken. 33. In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren Schadensersatzansprüche gegen freiberufliche Hebammen und Entbindungspfleger geltend gemacht (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) waren in den Jahren 2006 bis 2011 durchschnittlich etwa 100 Personenschäden pro Jahr zu verzeichnen. Die Anzahl der Personengroßschäden über 100 000 Euro pro Jahr liegt im Durchschnitt bei zwölf. Differenziertere Daten liegen der Bundesregierung nicht vor. 34. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Haftpflichtschäden und deren Anteil an allen Geburten in der klinischen und außerklinischen Geburtshilfe und bei der Vor- und Nachsorge der Geburten in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/900 35. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Höhe der Schadensersatzansprüche entwickelt? Um welche Summen ging es dabei im Einzelnen (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? Zur Entwicklung der Höhe der Schadenersatzansprüche insgesamt und zu den Summen im Einzelnen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Nach Angaben des GDV ist der mittlere Schadenaufwand von Personengroßschäden bei Geburtsschäden in den Jahren 2003 bis 2012 im Durchschnitt um 6,6 Prozent pro Jahr auf zuletzt 2,6 Mio. Euro gestiegen. 90 Prozent des Gesamtschadenaufwands entfielen auf Großschäden über 100 000 Euro. Einen Überblick über die Verteilung der Schäden auf Schadensgrößenklassen gibt das IGES-Gutachten für den Betrachtungszeitraum 2005 bis 2009 (s. Tabelle 4): Tabelle 4: Anteil der Schadensgrößenklassen an der Gesamtschadenszahl und am Gesamtaufwand Quelle: IGES nach Daten des GDV 36. In wie vielen Fällen haben Sozialversicherungsträger nach Kenntnis der Bundesregierung Regressansprüche gegenüber Hebammen und Entbindungspflegern geltend gemacht, und um welche Summen ging es im Einzelnen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Informationen zu Regressansprüchen der Sozialversicherungsträger gegenüber Hebammen und Entbindungspflegern liegen der Bundesregierung nicht vor. Nach Angaben des GDV machen bei Personenschäden im Heilwesen insgesamt die Regresse der Sozialversicherungsträger nach fünf Jahren Schadenentwicklung rund 25 Prozent des Schadenaufwandes aus. Dieser Anteil steigt im weiteren Verlauf der Schadenentwicklung tendenziell an. 37. In wie vielen Fällen lagen nach Kenntnis der Bundesregierung die geltend gemachten Ansprüche inklusive Schmerzensgeld, Leibrenten und Regressansprüchen über der Summe von 1 Mio., 2 Mio. bzw. 5 Mio. Euro? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Anteil der Schadensgrößenklassen Schadensgrößenklasse an der Gesamtschadenszahl am Gesamtaufwand bis 1 000 Euro 70,9 % 0,1 % bis 5 000 Euro 7,9 % 0,4 % bis 10 000 Euro 2,5 % 0,4 % bis 25 000 Euro 4,1 % 1,3 % bis 50 000 Euro 2,8 % 2,2 % bis 100 000 Euro 3,6 % 5,6 % bis 250 000 Euro 3,3 % 11,3 % bis 500 000 Euro 1,8 % 10,7 % bis 1 000 000 Euro 1,5 % 21,3 % über 1 000 000 Euro 1,5 % 46,7 % Drucksache 18/900 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 38. Wie viele Fälle wurden in welcher jeweiligen Höhe bereits durch Haftpflichtversicherungen reguliert, und wie viele Fälle sind noch in der Prüfung bzw. in gerichtlicher Auseinandersetzung? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Der GDV weist darauf hin, dass schwere Personenschäden, die z. B. mit einem Pflegebedarf einhergehen , über einen langen Zeitraum hinweg reguliert werden. Die Regulierung wird, wenn es zu keinem Abfindungsvergleich kommt, erst nach Versterben des Anspruchstellers abgeschlossen. Veränderungen des Gesundheitszustandes können zu neuen Ansprüchen und damit zu entsprechenden Prüfungen durch den Versicherer führen. 39. Kann die Bundesregierung Angaben zur regionalen Verteilung der Haftpflichtfälle machen? Gibt es Regionen, in denen signifikant mehr oder weniger Schadensfälle in der Geburtshilfe aufgetreten sind als im Durchschnitt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 40. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung der Hebammenverbände , einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, der die über die private Haftpflichtversicherung abzusichernde Versicherungssumme begrenzt (z. B. auf 1 Mio. Euro, vgl. Pressemitteilung des Deutschen Hebammenverbandes e. V. vom 18. November 2013; Pressemitteilung des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands e. V. vom 13. Februar 2014; „Der Staat muss haften“, Berliner Zeitung vom 19. Februar 2014)? 41. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung nach einem gemeinsamen Haftungsfonds für alle Heilberufe, um einen Risikoausgleich zu schaffen zwischen Fachgebieten und Tätigkeiten mit höherem und niedrigerem Risiko? Die Fragen 40 und 41 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag die Bedeutung einer flächendeckenden Versorgung mit Geburtshilfe betont. Sie prüft daher Wege, das Problem steigender Haftpflichtprämien nachhaltig zu lösen. Ein staatlich finanzierter Haftungsfonds wurde von den Hebammenverbänden auch im Rahmen der interministeriellen Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ vorgeschlagen und wird in die Prüfung einbezogen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333