Deutscher Bundestag Drucksache 18/911 18. Wahlperiode 25.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Dörner, Dr. Franziska Brantner, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/699 – Aktuelle Fragen zur Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendschutzes Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesregierung hat – ausgelöst durch eine breite Diskussion über die Ermittlungen gegen einen ehemaligen Bundestagsabgeordneten – angekündigt, die Kinder- und Jugendschutzregelungen zu überprüfen. Medienberichten zufolge haben Ermittlungen bisher ergeben, dass der ehemalige Abgeordnete über Jahre Filme und Fotos von unbekleideten Jungen im Alter von neun bis 13 Jahren im Internet bestellt hat. Während die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen andauern, hat eine öffentliche und politische Debatte darüber begonnen, ob und wie die strafrechtlichen Normen auf bisher nicht als Kinderpornografie eingestuften Nacktaufnahmen ausgedehnt werden sollten. Eine Erweiterung des Strafrechts zum besseren Kinderschutz muss sorgfältig geprüft werden. Im Vordergrund muss die Frage stehen, welche Rechte der Kinder verletzt wurden, und wie Kinder und Jugendliche künftig besser geschützt werden können. 1. Bis wann wird die von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig, und dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas, angekündigte Überprüfung der Regelungen zum Kinder- und Jugendschutz abgeschlossen sein? Die Überprüfung der maßgeblichen Regelungen soll bis zur Sommerpause abgeschlossenen werden. 2. Auf welche Regelungen des Kinder- und Jugendschutzes bezieht sich die angekündigte Überprüfung konkret? Im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erstreckt sich die Überprüfung auf Normen des Strafgesetzbuchs (StGB). Im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Frauen und Jugend (BMFSFJ) bezieht sich die Überprüfung insbesondere auf das Bundeskinderschutzgesetz sowie den Umsetzungsstand des Aktionsplans II zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung . Drucksache 18/911 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Sieht die Bundesregierung konkreten Nachbesserungsbedarf am Bundeskinderschutzgesetz , und wenn ja, welchen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Im Übrigen ist die Bundesregierung nach Artikel 4 des Bundeskinderschutzgesetzes verpflichtet, die Wirkungen dieses Gesetzes unter Beteiligung der Länder zu untersuchen und dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2015 über die Ergebnisse dieser Untersuchung zu berichten. Die im Rahmen dieser Evaluation gewonnen Erkenntnisse werden in sämtlichen Bereichen des Kinderschutzes umgesetzt werden. 4. Welche Kinder und Jugendliche sind nach Erkenntnissen der Bundesregierung besonders davon betroffen, dass Darstellungen von ihnen strafrechtsoder jugendschutzrelevant hergestellt werden? Wissenschaftliche Studien, die sich explizit auf Risikofaktoren von Kindern und Jugendlichen beziehen, die Opfer von Missbrauchsdarstellungen werden, sind der Bundesregierung nicht bekannt. Expertisen in Bezug auf sexuellen Kindesmissbrauch lassen auf ein erhöhtes Risiko, zum Opfer eines Missbrauchs zu werden, insbesondere für folgende Gruppen schließen: – Kinder und Jugendliche, die aufgrund körperlicher oder geistiger Einschrän- kungen über geminderte Selbstschutz- oder Mitteilungsfähigkeiten verfügen bzw. mehr auf Fürsorge angewiesen sind, – Kinder und Jugendliche, die aufgrund erfahrener oder miterlebter Übergriffe und/oder aufgrund vorhandener Verhaltensauffälligkeiten Grenzen im Umgang mit anderen schlechter einschätzen können oder deren Vertrauen zu Bezugs - und Autoritätspersonen deshalb einschränkt ist, – Kinder und Jugendliche, deren familiäre Bezugspersonen wenig emotionalen Rückhalt bieten, die selbst Impulse schlecht kontrollieren können bzw. die in ihrer Erziehungsfähigkeit durch chronische Belastungen oder akute Konflikte eingeschränkt erscheinen. Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass eine gesicherte Datenbasis für eine belastbare Beschreibung phänomenologischer Konstellationen nicht besteht und grundsätzlich jedes Kind Opfer eines sexuellen Missbrauchs werden kann. 5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, wie häufig Kinder aus Deutschland betroffen sind und wie häufig Kinder aus anderen Ländern ? Erkenntnisse in Form gesicherter Zahlen zur Anzahl von Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern/Herstellung von Kinderpornografie bzw. zu den Opferzahlen in ausländischen Staaten liegen der Bundesregierung nicht vor. Auch der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) können keine umfassenden konkreten Daten entnommen werden, mit deren Hilfe belegt werden könnte, welche Kinder und Jugendliche besonders betroffen sind. Lediglich zu „Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern zur Herstellung und Verbreitung pornographischer Schriften“ gemäß § 176a Absatz 3 StGB liegen PKS-Daten vor. Im Jahr 2012 wurden in diesem Deliktsbereich 166 Opfer, davon 21 (7 männliche), die unter sechs Jahren, und 145 (89 männliche), die zwischen 6 und unter 14 Jahren alt waren, registriert. Zu den Opfern erfolgt in der PKS erst zum Berichtsjahr 2013 eine Erfassung der Staatsangehörigkeit, wobei die Bundesregierung darauf hinweist, dass die Angabe zur Staatsangehörigkeit der Opfer nicht deckungs- gleich mit der Fallgruppe „Kinder aus anderen Ländern“ sein muss. Die Daten zur PKS 2013 werden Anfang Juni 2014 veröffentlicht werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/911 6. Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, und wie plant sie europäisch und international vorzugehen, um den Kinderschutz bzw. die Prävention in anderen Ländern bzw. gemeinsam mit anderen Ländern zu befördern? Die Bundesregierung spricht sich in ihren bilateralen Kontakten durchgehend für die Stärkung des Kinderschutzes aus. Insbesondere setzt sie sich für die weltweite Ratifizierung des Zusatzprotokolls über Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie ein. Deutschlands Mitgliedschaft in verschiedenen Gremien der Vereinten Nationen, zum Beispiel die Generalversammlung und der Menschenrechtsrat, ermöglicht es ihr, andere Staaten dazu aufzurufen, den Kinderrechtsschutz zu stärken und die Kinderrechtskonvention umzusetzen. Auch das Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch und Ausbeutung von Kindern werden dort regelmäßig thematisiert. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung das Mandat der Sonderberichterstatterin zu Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie und wirkt zurzeit im Menschenrechtsrat darauf hin, das Mandat bis zum Jahr 2017 zu verlängern. Zudem steht die Bundesregierung auf EU-Ebene sowie im Rahmen des Europarates im ständigen fachlichen Austausch mit anderen Mitgliedstaaten über die Umsetzung der VN-Kinderrechtskonvention und dabei insbesondere auch über die Stärkung des Kinderschutzes. Im Aktionsplan 2011 der Bundesregierung zum Schutz von Jungen und Mädchen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung (Aktionsplan 2011) beschreibt die Bundesregierung unter Punkt 7 die Eckpunkte zur Umsetzung wichtiger Maßnahmen im Bereich der internationalen Kooperation. Als Instrument der Umsetzung des Aktionsplans 2011 hat die Bundesregierung ein Monitoringverfahren eingerichtet. Im Rahmen dieses Verfahrens tagt zweimal jährlich auch eine Monitoring AG zum Thema der internationalen Kooperation . Die AG bildet damit in ihrer Multiplikationsfunktion einen wichtigen Rahmen, um Informationen aus dem internationalen Netzwerk in der deutschen Fachöffentlichkeit zu verbreiten. Konkret hat die Monitoring AG dazu beigetragen , die Beteiligung von Expertinnen und Experten aus Deutschland an Projekten des Ostseerats zu fördern. Umgekehrt wird die fachliche Expertise aus Deutschland unter Bezugnahme auf Beispiele guter Praxis in das Ostseeratsnetzwerk eingebracht. Daneben wird hier regelmäßig über die Umsetzung der einschlägigen internationalen Übereinkommen berichtet. Auch im Bereich des Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung im Tourismus findet eine kontinuierliche Zusammenarbeit auf internationaler Ebene statt. Mit dem I-KiZ – Zentrum für Kinderschutz im Internet – hat das BMFSFJ ein Forum geschaffen, in dessen Fachkommissionen Unternehmen, Staat und Gesellschaft Grundlagen und Elemente für einen wirksamen und zeitgemäßen Kinder - und Jugendschutz in den digitalen Medien erarbeiten. Die internationale Bekämpfung und Ächtung von Posendarstellungen ist dort bereits im vergangen Jahr als ein Arbeitsschwerpunkt verabredet worden. In ihrer Stellungnahme zum Jahresbericht 2013 des I-KiZ hat die Bundesregierung Bezug auf die vorgelegten Handlungsempfehlungen genommen und unter anderem die Notwendigkeit hervorgehoben, Posendarstellungen national und international wirksam zu bekämpfen . Hierzu gehören Verbote in den Nutzungsbedingungen der Anbieter ebenso wie Initiativen zur internationalen Ächtung dieser Inhalte, die dem Recht von Kindern und Jugendlichen auf Schutz vor sexueller Ausbeutung entgegenstehen . Auf dieser Grundlage wird sich die Bundesregierung für einen internationalen Konsens und harmonisierte Verbotsregelungen in Bezug auf Posen- darstellungen einsetzen. Gemeinsam mit Unternehmen werden derzeit Maßnah- Drucksache 18/911 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode men entwickelt, um entsprechenden Darstellungen die Plattformen zu entziehen und den grenzüberschreitenden Handel einzudämmen. Auch im Bereich der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung werden die Förderung und der Schutz von Kinderrechten prioritär behandelt. Kinderrechte und Kinderschutz werden ausdrücklich in entwicklungspolitisches Handeln einbezogen ; die Weiterentwicklung von Unterstützungen ist geplant. 7. Welche Präventionsinstrumente bzw. Maßnahmen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen in Deutschland müssen nach Auffassung der Bundesregierung gestärkt werden, und wie gedenkt die Bundesregierung, dies zu tun? Die Bundesregierung hat den Schutz von Mädchen und Jungen vor sexueller Gewalt und Missbrauch in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Das Monitoring des Aktionsplans 2011 und auch das Monitoring des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs zu Schutzkonzepten haben gezeigt, dass sich viele Einrichtungen in Deutschland bereits auf den Weg gemacht und gute Konzepte zur Prävention und Intervention zum Schutz vor (sexueller) Gewalt entwickelt und umgesetzt haben. Daneben wurden drei umfangreiche Kampagnen zur Prävention von unterschiedlichen Partnern (BMFSFJ, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, ProPK – Polizeiliche Kriminalprävention des Bundes und der Länder) aufeinander abgestimmt und auf den Weg gebracht. Sie dienen der Information und Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema und fokussieren unterschiedliche Zielgruppen im Rahmen der Gesamtstrategie des Aktionsplans 2011, in dem unterschiedliche Präventionsansätze miteinander verknüpft werden. Zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Gewalt sieht das BMFSFJ zusätzlich zu den bereits initiierten und laufenden Projekten zur Fort- und Weiterbildung auf Bundesebene weiterhin kontinuierlichen Handlungsbedarf bei der Verankerung des Themas in der Aus-, Fort- und Weiterbildung für alle Professionen , die mit Mädchen und Jungen arbeiten (Schule, Kita, Kinder- und Jugendhilfe , Behindertenhilfe, Medizin, Rechtswissenschaften, Polizei). Darüber hinaus hält die Bundesregierung die Durchführung von Maßnahmen für sinnvoll, die die Empfehlung des Runden Tisches sexueller Kindesmissbrauch aufgreifen, den Schutz von Mädchen und Jungen vor übergriffigem Verhalten durch andere Kinder, Jugendliche und Heranwachsende und den Umgang damit zu verbessern . Hier sind aus der Sicht der Bundesregierung besonders die Länder und Kommunen gefordert. Das Monitoring des Aktionsplans 2011 befasst sich nicht nur mit der Begleitung der bereits bestehenden Maßnahmen, sondern auch mit der Weiterentwicklung und Erweiterung von entsprechenden neuen Präventionsansätzen. Damit wird sichergestellt, dass die geplanten Maßnahmen fachlich eingebettet und im Rahmen einer Gesamtstrategie erörtert werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 8. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Vorschläge einiger Sexualstrafrechtsexperten (z. B. der Bericht auf SPIEGEL ONLINE: „Kinderpornografie – Rechtsexperten kritisieren Maas´ Verbotspläne“; abgerufen am 26. Februar 2014), die Verbreitung von Nacktfotos als Persönlichkeitsrechtsverletzung strafbar zu machen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der Handel mit Kindernacktfotos auch wesentlich das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Kinder verletzt. Der- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/911 zeit wird geprüft, wie ein Verbot des Handels mit diesen Bildern im Strafgesetzbuch umgesetzt werden kann. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 9. Welche Rechte von Minderjährigen sind nach Auffassung der Bundesregierung verletzt, wenn Darstellungen von Kindern oder Jugendlichen in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung hergestellt, bezogen, geliefert, vorrätig gehalten oder in Deutschland eingeführt werden? Gemäß § 184b Absatz 1 Nummer 3 und § 184c Absatz 1 Nummer 3 StGB wird bestraft, wer pornographische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern/Jugendlichen zum Gegenstand haben, herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält oder einzuführen unternimmt, um sie zu verbreiten oder sonst zugänglich zu machen. Zu den kinder- und jugendpornographischen Schriften zählen auch solche, die Kinder und Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung zeigen. Die Vorschriften zielen auf die Bestrafung der mittelbaren Förderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ab; Schutzgut ist damit die sexuelle Selbstbestimmung. Einerseits sollen Minderjährige, deren Missbrauch Gegenstand der entsprechenden Schriften ist, geschützt werden, andererseits soll die durch eine Verbreitung solcher Schriften geförderte Nachahmungswirkung unterbunden werden. 10. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der aktuellen Diskussion über ein grundsätzliches Verbot des Handels mit Fotos, die nackte Kinder oder Jugendliche darstellen, und welche konkreten strafrechtlichen Regelungsbedarfe sieht die Bundesregierung insbesondere auch mit Blick auf die Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Die Richtlinie 2011/93/EU bringt gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Hinblick auf das Strafanwendungsrecht, die Strafbarkeit des so genannten Cyber-Groomings und des Besuchs kinderund jugendpornographischer Livedarbietungen mit sich. 11. Wie bewertet die Bundesregierung den Stand der Umsetzung der im Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung aus dem Jahr 2011 verankerten Maßnahmen? 12. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um den Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung auf allen Ebenen bekannter zu machen und seine Umsetzung voranzutreiben? Die Fragen 11 und 12 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Es ist insbesondere Betroffenen zu verdanken, die Anfang 2010 die Aufdeckung von Missbrauchsfällen in Institutionen in Deutschland vorangetrieben haben, dass die gesellschaftliche Debatte zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Gewalt wieder in den Mittelpunkt gerückt ist. Als Reaktion darauf hat die Bundesregierung im März 2010 den Runden Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtun- Drucksache 18/911 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gen und im familiären Bereich“ (RTKM) sowie die Stelle eines Unabhängigen Beauftragten zu Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) eingerichtet . Ende des Jahres 2011 sind erste Ergebnisse des Runden Tisches in den Aktionsplan 2011 eingeflossen, den die Bundesregierung am 27. September 2011 beschlossen hat. Der Schutz vor sexueller Gewalt und Ausbeutung wird im Aktionsplan 2011 in ein Gesamtkonzept gegossen. Die Maßnahmen sind nicht vollständig und der Aktionsplan 2011 befindet sich in einem ständigen Entwicklungsprozess . Neu ist das begleitende Monitoring zum Aktionsplan 2011, das unter anderem der Information über den Umsetzungsstand der Maßnahmen dient. Im Aktionsplan 2011 sind die beschlossenen Maßnahmen in einer Tabelle aufgeführt. Nahezu alle dort aufgeführten Projekte sind im Rahmen des Monitorings behandelt und deren Umsetzung kontinuierlich verfolgt worden. Projektverantwortliche haben Ergebnisse oder Zwischenergebnisse kommuniziert. Die Vielfalt in der Zusammensetzung der Monitoring AGen mit Mitgliedern aus Praxis, Wissenschaft , Politik und Wirtschaft hat sich als förderlich für einen qualifizierten fachlichen Austausch erwiesen. Es ist damit leichter geworden, eine umfassende Perspektive auf die Umsetzung des Aktionsplans 2011 zu entwickeln und die zu behandelnden Themen und Maßnahmen kontinuierlich gemeinsam voranzubringen. Die Ergebnisse werden in einem Monitoringbericht veröffentlicht. 13. Wie haben sich die Ausgaben des Bundes für den Kinder- und Jugendschutz in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte die Kalenderjahre einzeln ausweisen)? Die Ausgaben des Bundes für den Kinder- und Jugendschutz werden überwiegend über den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) finanziert. Dort haben sich die direkt dem Kinder- und Jugendschutz zuordenbaren Ausgaben im Programm „Schutz von Kindern- und Jugendlichen“ in den letzten zehn Jahren wie folgt entwickelt: Gesamt KJP in Mio. € 2004 3,9 2005 2,9 2006 4,2 2007 4,0 2008 5,1 2009 5,5 2010 5,4 2011 7,0 2012 7,2 2013 9,4 Gesamt: 54,8 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/911 Die Ausgaben der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien haben sich in den letzten zehn Jahren wie folgt entwickelt: Für die Einrichtung und Fortführung des Amtes der bzw. des Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) wurden folgende Mittel eingesetzt (einzelne Maßnahmen davon seit dem Jahr 2012 auch aus dem KJP): 14. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Ausgaben für den Kinder- und Jugendschutz zu erhöhen, und wenn ja, für welche Maßnahmen, und wenn nein, warum nicht? Es ist beabsichtigt, die Mittel für den UBSKM zu erhöhen. 15. In welchem Rahmen fördert die Bundesregierung Forschung zum Themenfeld Missbrauch und Gewalt gegen Kinder, und inwieweit sieht sie stärkeren Bedarf, um wirkungsvolle nationale, europaweite und internationale Präventions- und Interventionsstrategien zu entwickeln? Für die Forschung zu sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) noch zur Laufzeit dem RTKM umfangreiche Mittel bereitgestellt. Ausgeschrieben wurden zwei Förderlinien , eine im Bereich der Bildungsforschung, eine im Bereich der Gesundheitsforschung . Sowohl im Bereich Bildungsforschung als auch im Bereich Gesundheitsforschung arbeiten derzeit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Gesamt BPjM in T € 2004 965 2005 1 363 2006 1 176 2007 1 301 2008 1 271 2009 1 311 2010 1 420 2011 1 334 2012 1 529 2013 1 438 Gesamt: 13 108 Gesamt UBSKM in T € 2010 1 023 2011 840 2012 1 259 2013 1 659 Gesamt: 4 781 Deutschland unter anderem daran, fundierte Aus- und Fortbildungsmodule für Drucksache 18/911 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Fachkräfte, wirksame Schutzkonzepte für Einrichtungen sowie Interventionsund Therapiemöglichkeiten zu entwickeln und in der Praxis zu erproben. Im Bereich Bildungsforschung werden zudem fünf Juniorprofessuren gefördert, die dazu beitragen werden, das Thema an den Universitäten stärker sichtbar zu machen und langfristig in Forschung und Lehre zu verankern. Im Bereich Gesundheitsforschung werden darüber hinaus biologische, psychische und psychosoziale Ursachen und Folgen von Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend erforscht. Aufgrund des am RTKM festgestellten Qualifizierungsbedarfs von Fachkräften fördert das BMBF seit 2011 im Themenfeld der Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch und sexuellen Grenzverletzungen zudem die Entwicklung und Erprobung eines zertifizierten Onlinekurses zur Qualifizierung und Sensibilisierung von Fachkräften aus pädagogischen und medizinisch-therapeutischen Berufen . Hierdurch soll in diesem Bereich ein flexibles und niedrigschwelliges Angebot geschaffen werden. Zur Feststellung der Wirksamkeit der im Rahmen der Forschung entwickelten Präventionsempfehlungen ist eine Evaluation angestrebt. Auf deren Grundlage wird über weitere Schritte zu entscheiden sein. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 16. In welchem Umfang fördert die Bundesregierung spezialisierte Beratungsstellen (Kinderschutz-Zentren etc.), und plant sie die Einrichtungen weiterer Einrichtungen zu fördern, um eine flächendeckendes Angebot zu erreichen? Die Bundesregierung fördert modellhaft spezialisierte Beratungsstellen im Rahmen einer bundesweiten Fortbildungsoffensive in stationären und teilstationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Das Projekt der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung e. V. zielt darauf ab, die Handlungsfähigkeit von Mitarbeitenden der Kinder- und Jugendhilfe zur Verhinderung sexueller Gewalt zu stärken. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Fachberatungsstellen bieten innerhalb des Projekts Schulungen für Einrichtungen zum Thema an. Über diese Initiative gelingt es auch, Schutzkonzepte in Einrichtungen zu implementieren. Um die Qualifizierung und Sensibilisierung von Fachkräften voranzutreiben, unterstützt das BMFSFJ seit 1997 die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz -Zentren e. V.; bundesweite, kostenlose Beratung bietet das Kinder- und Jugendtelefon sowie das Elterntelefon des Vereins Nummer gegen Kummer e. V., der seit 1996 vom BMFSFJ gefördert wird. Ferner hat das BMFSFJ in den vergangenen Jahren verschiedene Fachkongresse von bundesweit agierenden Trägern von spezialisierten Beratungseinrichtungen gefördert. Die Sicherstellung eines flächendeckenden Angebotes von spezialisierten Fachberatungsstellen in den Kommunen liegt nicht in der Finanzierungskompetenz des Bundes. 17. Wie bewertet die Bundesregierung Therapieangebote für Pädophile, wie zum Beispiel das Projekt „Kein Täter werden“, mit Blick auf ihren Beitrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen? Das „Präventionsnetzwerk kein Täter werden“ wurde im Jahr 2004 als Therapie- und Forschungsprojekt am Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité in Berlin ins Leben gerufen. Ziel des Projektes ist es, Männern mit Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/911 sexueller Ansprechbarkeit durch ein präpubertäres und/oder peripubertäres Körperschema therapeutische Maßnahmen anzubieten, um einem sexuellen Missbrauch Minderjähriger vorzubeugen. Pädophile Männer werden therapeutisch in ihrem Bestreben unterstützt, keinen Kindesmissbrauch zu begehen und keine Missbrauchsabbildungen zu konsumieren. Potenzielle Täter sollen so erreicht werden, bevor sie sexuelle Übergriffe begehen. Inzwischen gibt es das Netzwerk an acht Standorten bundesweit, nämlich neben Berlin in Kiel, Leipzig, Hannover, Hamburg, Stralsund, Regensburg und Gießen . In naher Zukunft sollen in Baden-Württemberg (Ulm) und in NordrheinWestfalen weitere Standorte eingerichtet werden. Seit dem Jahr 2008 unterstützt das BMJV das Projekt finanziell, für das Jahr 2014 ist im Zweiten Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2014 ein Betrag in Höhe von 535 000 Euro vorgesehen. 18. Sieht die Bundesregierung die Veranlassung, Angebote für Pädophile, wie „Kein Täter werden“ auszuweiten, und wenn ja, wie kann dies geschehen und finanziert werden? Präventionsprojekte wie „Kein Täter werden“ dienen der Prävention. Im Zweiten Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2014 ist daher für das BMJV eine Verpflichtungsermächtigung zur Fortführung der Förderung des Netzwerkes „Kein Täter werden“ bis zum Jahr 2016 enthalten. 19. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen oder plant sie zu ergreifen, um Eltern für eventuell höchst problematische Folgen der Veröffentlichung von Fotos ihrer Kinder insbesondere im Internet zu sensibilisieren ? In Aufklärungskampagnen und -materialien weist die Bundesregierung Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Kinder und Jugendliche regelmäßig und umfassend auf den sensiblen Umgang mit persönlichen Daten hin. Speziell thematisiert etwa der Medienratgeber „Schau Hin! Was Dein Kind mit Medien macht.“ jährlich zur Urlaubszeit den Umgang mit familiären Urlaubsbildern im Internet. Zuletzt informierte ein im September 2013 erschienenes Materialpaket unter dem Titel „Chatten. Teilen. Schützen!“ Kinder und Eltern über die sichere Nutzung von Chats und Communitys. Diese und weitere Maßnahmen, die einen risikobewussten und medienkompetenten Umgang von Kinder, Jugendlichen, Eltern und Fachkräften der sozialen Arbeit mit dem Internet fördern und die Medienerziehung in den Familien unterstützen, wird die Bundesregierung kontinuierlich fortsetzen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333