Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 18. Juli 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9219 18. Wahlperiode 18.07.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Kerstin Kassner, Katrin Kunert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9010 – Bearbeitung von Asylanträgen ukrainischer Flüchtlinge V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Fast eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer haben bis Februar 2016 um Asyl oder einen anderen Aufenthaltsstatus außerhalb der Ukraine nachgesucht. Die meisten von ihnen sind nach Russland geflohen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8169, S. 5). Innerhalb der Europäischen Union haben nach Angaben der Bundesregierung (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8169) in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt 22 050 Menschen aus der Ukraine einen Asylantrag gestellt, 7 365 von ihnen in Deutschland. Die Bearbeitung dieser Asylanträge wurde oder wird immer noch faktisch auf Eis gelegt bzw. „rückpriorisiert“, wie die Bundesregierung im Juni 2015 mitteilte (Bundestagsdrucksache 18/5177). Am 18. Januar 2016 berichtete die „Frankfurter Rundschau“, tausende ukrainische Flüchtlinge erhielten Ausreiseaufforderungen und müssten mit ihrer Abschiebung rechnen. Ob das zutrifft, entzieht sich der Kenntnis der Fragesteller. Die Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/8450, in der von elf erfolgten Anerkennungsbescheiden von Ukrainerinnen und Ukrainern im vierten Quartal 2015 die Rede ist, deutet aus ihrer Sicht eher darauf hin, dass die Mehrzahl der entsprechenden Anträge nach wie vor nicht inhaltlich bearbeitet wird. Nach Angaben des „ZDF“ (heute vom 10. Juni 2016) gibt es aber einige Hundert formale Entscheidungen über „Dublin-Fälle“, so dass ukrainische Flüchtlinge mit ihrer Überstellung in andere EU-Staaten rechnen müssen. Unklar ist, wie diese mit den Anträgen und den Antragstellenden verfahren. Tatsache ist jedoch, dass die betreffenden Personen nicht nur vor dem Bürgerkrieg fliehen, sondern die politische Verfolgung in der Ukraine ein erhebliches Ausmaß angenommen hat, wie etwa der Bericht über die Menschenrechtslage in der Ukraine des UN-Flüchtlingskommissars vom 25. Mai 2016 zeigt. Darin werden nicht nur den Separatisten, sondern auch staatlichen ukrainischen Behörden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Der Menschenrechtskommissar berichtet über Folter und Misshandlung und eine systematische Verletzung der Rechte auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren. Ebenso wird ein Mangel an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der ukrainischen Justiz beklagt. Binnenflüchtlinge stießen auf alltägliche Diskriminierung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9219 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Weiterhin berichtet der Menschenrechtskommissar über weitverbreitete Beschränkungen fundamentaler Rechte wie der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der ganzen Ukraine. In dem Bericht wird ebenfalls die Existenz von Geheimgefängnissen bzw. illegaler Gefängnisse angesprochen, die teilweise vom Geheimdienst SBU unterhalten werden. All dies deutet aus Sicht der Fragesteller darauf hin, dass sich die Menschenrechtslage in der Ukraine erheblich verschlechtert. Asylanträge ukrainischer Flüchtlinge sollten daher zügig bearbeitet und positiv beschieden werden. 1. Welche prinzipiellen Regelungen (z. B. auch behördeninterne Weisungen u. Ä.) gelten derzeit für die Bearbeitung von Asylanträgen ukrainischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger? Bei der Bearbeitung von Asylanträgen ukrainischer Staatsangehöriger wendet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zum einen die allgemeinen Dienstanweisungen (DA), wie die DA-Asyl, DA-Dublin und DA-Asylverfahrenssekretariat an. Zum anderen wendet das BAMF die herkunftslandspezifischen Leitsätze Ukraine (Stand: 21. Dezember 2015) an. 2. Gilt die Rückpriorisierung von Asylanträgen ukrainischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger weiterhin (bitte angeben, von welchen Überlegungen sich die Bundesregierung bei Beibehaltung oder Beendigung der Rückpriorisierung leiten lässt), und wenn ja, was genau ist darunter zu verstehen, und für wie lange soll die Nichtbearbeitung oder Rückstellung solcher Asylanträge beibehalten werden? Die zwischenzeitliche Rückpriorisierung von Anträgen ukrainischer Asylantragsteller wurde im Juni 2015 beendet. Dieses geschah im Zusammenhang mit der allgemeinen Beendigung sämtlicher Rückpriorisierungen, um auch Bearbeitungen sogenannter „Altfälle“ (Verfahren, die beim BAMF vor dem 1. Januar 2014 anhängig wurden) fortzuführen. Das BAMF stellt allerdings hinsichtlich des Herkunftslands Ukraine Entscheidungen zu Fallgestaltungen im Zusammenhang mit Militärdienst derzeit vorübergehend zurück, da es insoweit vorliegende Erkenntnismittel im Hinblick auf deren Aktualität überprüft. 3. Wie hat sich die Anzahl von gestellten Asylanträgen ukrainischer Staatsbürger seit Mai 2015 entwickelt (bitte pro Monat aufgliedern)? Die Entwicklung der Anzahl von gestellten Asylanträgen ukrainischer Staatsbürger seit Mai 2015 kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9219 davon: Asylanträge und Asylentscheidun - gen des BAMF Jan-Feb 2016 Asylanträge Asylentscheidun - gen Anerkennung als Asyl-berechtigte Anerkennungen als Flüchtling nach §3 AsylG Gewährung von susidiärem Schutz nach §4 AsylG Feststellung eines Abschiebungs - verbots nach §60 V/VII AufenthG Ablehnungen (Ablehnungs -bescheide ) sonstige Verfahrenserledi - gungen (Einstellungen , Dublin- Verfahren) Mai 15 506 110 - - - 1 - 109 Jun 15 636 49 - 4 - - 1 44 Jul 15 386 90 - 3 - - 2 85 Aug 15 226 46 - 1 - - 1 44 Sep 15 395 120 1 8 - 1 2 108 Okt 15 329 126 - 4 - - 11 111 Nov 15 348 69 - 2 - - 2 65 Dez 15 280 103 - 5 - - 20 78 Jahr 2015 4.658 1.008 1 51 - 2 42 912 Jan 16 225 60 - 2 - 1 6 51 Feb 16 194 92 - 1 - - 36 55 Mrz 16 344 194 - 3 - 1 99 91 Apr 16 377 351 - - 1 - 193 157 Mai 16 116 391 - 3 5 4 178 201 Jun 16 204 232 - 1 1 1 57 172 1. Hj. 2016* 1.474 1.292 - 10 7 7 570 698 * Aufgrund von nachträglichen Berichtigungen weicht die Addition der einzelnen Monatswerte des ersten Halbjahres 2016 von den Gesamtsummen des ersten Halbjahres ab. 4. Wie viele Asylanträge ukrainischer Staatsbürger liegen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit zur Bearbeitung vor? Zum Stichtag 30. Juni 2016 waren beim BAMF 6 299 Asylverfahren von ukrainischen Staatsangehörigen anhängig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9219 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie viele Asylanträge von Ukrainern wurden im Jahr 2015 sowie bislang im Jahr 2016 inhaltlich entschieden, und wie lauteten die Entscheidungen (bitte dabei Asylberechtigung gem. Artikel 16a des Grundgesetzes – GG –, Flüchtlingsschutz gem. § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes – AsylG –, subsidiärer Schutz gem. § 4 Absatz 1 AsylG, Abschiebungsverbot gem. § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes aufgliedern)? Die Angaben zu den vom BAMF entschiedenen Asylanträgen ukrainischer Staatsangehöriger können der Tabelle in der Antwort zu Frage 3 entnommen werden . 6. Inwiefern kann die Bundesregierung bestätigen, dass zu Jahresende 2015/ Jahresanfang 2016 zahlreiche ukrainische Antragsteller Ablehnungsbescheide erhalten hätten (Frankfurter Rundschau vom 18. Januar 2016, bitte ggf. konkrete Zahlen nennen)? Die zeitliche Entwicklung der Ablehnungsbescheide kann der Tabelle in der Antwort zu Frage 3 entnommen werden. Demnach kann die der Frage zugrunde liegende Annahme nicht bestätigt werden. 7. Wie viele Asylanträge wurden nur formal entschieden (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent angeben), und auf welche EU-Staaten verteilen sich bzgl. der Dublin-Fälle die Zuständigkeiten (bitte differenzieren)? Die Zahlen der nichtmateriellen Entscheidungen zu Asylanträgen ukrainischer Staatsangehöriger können der Tabelle der Antwort zu Frage 3 entnommen werden . Im Jahr 2015 waren es 90,5 Prozent aller getroffenen Entscheidungen. Hiervon entfielen 739 Entscheidungen auf Dublin-Fälle. Im Jahr 2016 (Januar bis Mai) waren es 50,4 Prozent aller getroffenen Entscheidungen. Hiervon entfielen 205 Entscheidungen auf Dublin-Fälle. Eine statistische Auswertung der Entscheidungen von Dublin-Fällen nach zuständigen EU-Staaten liegt nicht vor und ließe sich automatisiert aus den Daten des BAMF auch nicht ermitteln. 8. Wie viele Abschiebungen (abgelehnter) ukrainischer Asylsuchender in die Ukraine sowie Rücküberstellungen in zuständige EU-Staaten hat es im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 tatsächlich gegeben (bitte für die Zeiträume Januar bis Dezember 2015 und Januar bis Mai 2016 getrennt sowie nach Zielländern aufgegliedert angeben)? Im Jahr 2015 sind insgesamt 215 ukrainische Staatsangehörige abgeschoben worden (einschließlich Überstellungen nach der Dublin-Verordnung). Ob es sich hierbei um abgelehnte Asylbewerber handelt, ist den Zahlen der Bundespolizei nicht zu entnehmen. 46 Personen von den 215 Personen sind in die Ukraine abgeschoben worden. Von Januar bis Mai 2016 sind insgesamt 107 ukrainische Staatsangehörige abgeschoben worden (einschließlich Überstellungen nach der Dublin-Verordnung). Ob es sich hierbei um abgelehnte Asylbewerber handelt, ist den Zahlen der Bundespolizei nicht zu entnehmen. 27 von den 107 Personen sind in die Ukraine abgeschoben worden. Die Statistiken der Bundespolizei differenzieren darüber hinaus nicht nach Dublin -Überstellungen und nach Zielländern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9219 9. Inwiefern war die Thematik von Asylanträgen ukrainischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger Gegenstand von Ausländerreferentenbesprechungen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hieraus ggf.? In den vergangenen Jahren war die Thematik im weitesten Sinne zweimal Gegenstand der Ausländerreferentenbesprechungen und zwar am 19. und 20. Mai 2015 unter TOP 9 „Erkenntnisse zu etwaigen Fluchtbewegungen aus der Ukraine“ sowie am 7. und 8. Oktober 2014 unter TOP 8 „Vorübergehender Aufenthalt ukrainischer Staatsangehöriger aus der Ost-Ukraine“. Auf der Sitzung im Mai 2015 hatte der Vertreter des BMI hierzu erläutert, dass nach derzeitigem Stand ukrainische Staatsangehörige vorwiegend andere Migrationskanäle auswählen würden, als in Deutschland Asyl zu beantragen. Die meisten Ukrainer würden sichere Gebiete innerhalb des Landes (v. a. West-Ukraine) aufsuchen oder sich in angrenzende Staaten begeben. Während der Sitzung im Oktober 2014 erörterten die Teilnehmer angesichts der aktuellen Krisensituation die rechtlichen Möglichkeiten einer Verlängerung des Aufenthalts für ukrainische Staatsangehörige, die sich vorübergehend mit einem Schengen-Visum in Deutschland aufhalten. Einige Teilnehmer verwiesen in diesem Zusammenhang auf die Zuständigkeit des Staates Ukraine für seine Staatsangehörigen und das Bestehen einer inländischen Fluchtalternative. 10. Wie hoch war nach Kenntnis oder Einschätzung der Bundesregierung die Anzahl der freiwilligen Ausreisen ukrainischer Asylsuchender im Jahr 2015 und bislang im Jahr 2016 (bitte für die Zeiträume Januar bis Dezember 2015 und Januar bis Mai 2016 getrennt angeben)? Im Jahr 2015 reisten mit Unterstützung des gemeinsamen Bund-Länder-Rückkehrförderprogramms REAG/GARP (Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany/Government Assisted Repatriation Programme) 278 Personen freiwillig aus Deutschland in die Ukraine aus, davon besaßen 276 Personen die ukrainische Staatsangehörigkeit. 38 ausgereiste Personen wurden als abgelehnte Asylbewerber erfasst. Im Jahr 2016 wurden für freiwillige Ausreisen mittels des genannten Programms bis Ende Mai bereits 415 Anträge bewilligt, davon 412 für ukrainische Staatsangehörige . 203 Personen wurden als abgelehnte Asylbewerber erfasst. Über das REAG/GARP-Programm hinausgehende Angaben zu freiwilligen Ausreisen (z. B. durch etwaige eigene Rückkehrförderprogramme der Länder und Kommunen) werden bundesseitig nicht erfasst. 11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Umgang anderer EU- Staaten mit Asylanträgen ukrainischer Staatsbürger (bitte insbesondere die Verfahrensweise und soweit vorhanden, die Anerkennungsquote der an die Ukraine angrenzenden EU-Staaten angeben)? Statistiken zu Asylantragzahlen und zu positiven wie auch negativen Entscheidungen werden von den EU-Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen an die europäische Statistikbehörde Eurostat übermittelt und werden dort frei zugänglich veröffentlicht (http://ec.europa.eu/eurostat). Zur Situation in Polen als Nachbarland der Ukraine hat die Bundesregierung folgende Erkenntnisse: Das Amt für Ausländer in Polen hat kein besonderes Verfahren für ukrainische Staatsangehörige eingeführt. Jeder Antrag wird individuell geprüft. Die Prüfung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9219 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode erfolgt in der Regel innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung. Diese Frist ergibt sich aus dem Flüchtlingsschutzgesetz der Republik Polen. Im Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 11. Juli 2016 haben 739 ukrainische Staatsangehörige Anträge auf internationalen Schutz in Polen gestellt. Vom 1. Januar 2016 bis zum 10. Juli 2016 wurden 268 Verfahren eingestellt und 423 Anträge abgelehnt, neun Personen erhielten subsidiären Schutz und eine Person erhielt nationalen Abschiebungsschutz. Die Anerkennungsquote beträgt im Jahr 2016 bisher 1,4 Prozent. Derzeit befindet sich die Ukraine damit auf Platz 2 der Antragsteller in Polen (hinter der Russischen Föderation). Die ukrainischen Staatsangehörigen stellen derzeit 10 Prozent aller Antragsteller im Asylverfahren in Polen dar. Die Zahl der Asylanträge ukrainischer Staatsangehöriger in Polen ist im Vergleich zu den Jahren 2014 und 2015 gesunken. Im Jahr 2014 und 2015 haben 2 318 bzw. 2 305 ukrainische Staatsangehörige einen Antrag auf Flüchtlingsschutz gestellt. Im Jahr 2015 wurden 764 Verfahren eingestellt und 1 775 Anträge abgelehnt, sechs Personen erhielten subsidiären Schutz und fünf Personen erhielten nationalen Abschiebungsschutz. 10 268 ukrainische Staatsangehörige wurden 2015 in die Ukraine abgeschoben. 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Abschiebungen ukrainischer Asylsuchender in die Ukraine durch die Behörden anderer EU-Staaten (bitte, soweit möglich, Zahlen für das Jahr 2015 sowie den Zeitraum Januar bis Mai 2016 angeben und besonders auf die vier wichtigsten Aufnahmeländer eingehen)? Die Statistik zu Abschiebungen ukrainischer Asylsuchender in die Ukraine durch die Behörden anderer EU-Staaten ist unter http://ec.europa.eu/eurostat abrufbar. 13. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Schilderung der Menschenrechtsverstöße durch den UN-Menschenrechtskommissar, sowohl hinsichtlich ihrem Auftreten gegenüber der ukrainischen Regierung als auch hinsichtlich der Bearbeitungspraxis durch das BAMF? Die Bundesregierung nimmt Berichte des VN-Menschenrechtskommissars zur Ukraine aufmerksam zur Kenntnis und spricht berichtete Menschenrechtsverletzungen aktiv gegenüber der ukrainischen Regierung an. Das BAMF beobachtet fortlaufend die Lageentwicklung unter Berücksichtigung vorliegender Erkenntnismittel. Relevante Änderungen führen nach erfolgter Prüfung der Lage gegebenenfalls zu einer Änderung der Bewertung und der Entscheidungspraxis . 14. Inwiefern wird die nach den Einschätzungen des UN-Menschenrechtskommissars besonders prekäre Situation von Personen, denen terroristische Aktivitäten in Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt vorgeworfen werden , vom BAMF bei der Prüfung von Asylanträgen sowie bei der Würdigung der Menschenrechtslage in der Ukraine durch die Bundesregierung gewürdigt ? Der Bundesregierung ist eine derartige generelle Einschätzung des VN-Menschenrechtskommissars nicht bekannt. Im letzten Bericht des Büros des VN-Menschenrechtskommissars (Berichtszeitraum 16. November 2015 bis 15. Februar 2016) spielten Vorwürfe gegen Personen, terroristische Aktivitäten zu verüben , ganz überwiegend nur im Zusammenhang mit entsprechendem Vorgehen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9219 russischer de-facto-Behörden auf der Krim gegen politische Oppositionelle eine Rolle. Im Rahmen von Einzelfallprüfungen durch das BAMF erfolgt eine Schutzfeststellung , sofern der Antragsteller oder die Antragstellerin glaubhaft vorträgt, dass er oder sie im Fall der Rückkehr ins Herkunftsland der Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte ausgesetzt sein wird. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. In die Prüfung werden bei entsprechenden Sachverhalten die Ausschlusstatbestände (§§ 3 Absatz 2, 4 Absatz 2 des Asylgesetzes, 60 Absatz 8 des Aufenthaltsgesetzes) einbezogen. 15. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass, wie der ukrainische Botschafter in Berlin Andrij Melnyk laut „Frankfurter Rundschau“ (18. Januar 2016) behauptet hat, ukrainische Deserteure „keine Strafverfolgung oder Hetze fürchten “ müssen, oder müssen Deserteure nach ihrer Kenntnis sehr wohl mit Strafverfolgung rechnen? Falls letzteres zutrifft, welches Strafmaß sieht das ukrainische Recht nach Kenntnis der Bundesregierung für Handlungen wie Wehrpflichtentziehung, Mobilisierungsverweigerung, eigenmächtige Abwesenheit, Desertion sowie jeweils Aufforderung zu solchen Handlungen vor? Müssen Wehrpflichtige, die ihre Weigerung, Dienst in den Streitkräften zu leisten, mit einer Gewissensentscheidung begründen, nach Verbüßung einer entsprechenden Strafe nach Kenntnis der Bundesregierung erneut mit einer Einberufung rechnen? Nach dem ukrainischen Strafgesetzbuch sind mit Freiheitsstrafe bewehrt: Desertion (zwei bis fünf Jahre, Artikel 408); unerlaubte Abwesenheit von der Truppe (bis zu drei Jahre, Artikel 407); Entziehung vom Wehrdienst (bis zu drei Jahre, Artikel 335); Mobilisierungsentziehung (bis zu fünf Jahre, Artikel 336); Entziehung von der Wehrerfassung oder von einer Wehrübung (Geldstrafe oder Freiheitsentziehung bis zu sechs Monate, Artikel 337). Eine Verweigerung des Wehrdienstes kann nach dem ukrainischen „Gesetz über den alternativen (nicht-militärischen) Dienst“ von 1991 nur auf die religiöse Überzeugung und die entsprechende Zugehörigkeit zu einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft gestützt werden. Der Ersatzdienst wird in staatlichen Sozial-, Gesundheits- und Kommunaleinrichtungen oder beim Roten Kreuz abgeleistet . In diesen Fällen ist keine Strafe und keine Einberufung vorgesehen. 16. Inwiefern wird die Situation von Kriegsdienstverweigerern sowie von Personen , die sich kritisch zur Mobilisierung äußern, auch vor dem Hintergrund der jüngst erfolgten (noch nicht rechtskräftigen) Verurteilung von Ruslan Kotsaba zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen angeblicher „Behinderung der legitimen Tätigkeit der Streitkräfte“ (vgl. junge Welt, 16. Mai 2016) unter asylrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere einer möglichen Verletzung der Meinungs- und Gewissensfreiheit, vom BAMF besonders gewürdigt? Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, stellt das BAMF hinsichtlich des Herkunftslands Ukraine Entscheidungen zu Fallgestaltungen im Zusammenhang mit Militärdienst vorübergehend zurück, da insoweit vorliegende Erkenntnismittel im Hinblick auf deren Aktualität überprüft werden. Dazu gehören auch die beiden genannten Personengruppen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9219 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Welche (auch aus nichtrepräsentativen Erhebungen gewonnene) Erkenntnisse über die Zusammensetzung der derzeit im Bearbeitungsverfahren befindlichen Asylsuchenden hat die Bundesregierung nach a) Altersgruppen und Geschlecht, Um eine einheitliche Datengrundlage in Bezug auf die Fragen 3 bis 7 zu gewährleisten , wurden die Altersgruppen und das Geschlecht der ukrainischen Staatsangehörigen ermittelt, die im Zeitraum von Januar 2015 bis Juni 2016 einen Asylantrag gestellt haben. Da eine automatisierte Auswertung, beschränkt auf die sich noch in Bearbeitung befindlichen Asylverfahren, auf Datengrundlage der Asylstatistik nicht möglich gewesen wäre, wurden alle ukrainischen Asylantragsteller im genannten Zeitraum berücksichtigt, unabhängig davon, ob ein Asylverfahren bereits abgeschlossen wurde oder noch in Bearbeitung ist. Demnach waren in dem genannten Zeitraum etwa 33 Prozent der ukrainischen Asylbewerber unter 18 Jahre alt, ca. 54 Prozent zwischen 18 und unter 45 Jahren, ca. elf Prozent zwischen 45 und unter 60 Jahren und ca. zwei Prozent 65 Jahre oder älter. 52 Prozent der ukrainischen Asylbewerber waren männlich und ca. 48 Prozent weiblich. b) den wesentlichen Gründen für das Schutzbegehren, und Es erfolgt keine statistische Erfassung vorgetragener Antragsgründe. Eine nicht repräsentative Abfrage ergab folgende Motive, Schutz zu suchen: Verstrickung in die organisierte Kriminalität, Verfolgung aufgrund von Zugehörigkeit zu einer religiösen oder ethnischen Minderheit, allgemeine Kriegsumstände sowie Erkrankungen. Darüber hinaus tragen insbesondere Volkszugehörige der Roma aus Ushgorod wirtschaftliche Not als Motiv vor. Etwa die Hälfte der männlichen Antragsteller thematisiert eine bestehende Wehrpflicht; diese Anträge werden allerdings häufig zurückgenommen. Weitere Motive, Schutz zu suchen, sind politische Aktivitäten im Zusammenhang mit dem „Euromaidan“ und die Misshandlung als Separatist im Donbass. c) nach regionaler Herkunft jeweils aus den von der Kiewer Regierung kontrollierten Gebieten, den abgespaltenen Regionen im Donbass sowie der Krim? Statistische Angaben zur Zuordnung auf Regionen innerhalb der Ukraine sind nicht möglich. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333