Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 13. Juli 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9240 18. Wahlperiode 18.07.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Omid Nouripour, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/8994 – Zur menschenrechtlichen Lage der Dalits in Indien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach offiziellen Angaben gibt es in Indien 201 Millionen Dalits, weltweit (vor allem in den Ländern Südasiens) sind es 250 Millionen. Früher nannte man sie „Kastenlose“ oder „Unberührbare“, weil sie keiner der vier großen Kasten im Hinduismus angehören und weil kein Kastenhindu in ihre Nähe und noch weniger in Kontakt mit ihnen kommen möchte. Heute nennen sie sich „Dalit“ („unterdrückte oder gebrochene Menschen“). Ihnen bleiben aufgrund ihrer Herkunft oft nur die einfachsten und schmutzigen Arbeiten. Diskriminiert werden sie sowohl wegen ihrer Familienabstammung als auch wegen ihrer Arbeit. Sie werden häufig auf Grundlage des hinduistischen Kastensystems ausgegrenzt, weil sie nach den heiligen Schriften des Hinduismus als unrein gelten. Dalit ist man von Geburt an – und im Gegensatz zur Klassenzugehörigkeit kann ein Dalit seinen Status im Kastensystem nicht verändern. Dalits haben in der Regel keinen oder nur sehr eingeschränkten Zugang zu Land – ein Großteil der Dalits ist landlos. Das hat insofern gravierende Konsequenzen , als die Lebensgrundlage von Dalits hauptsächlich im ländlichen Raum liegt. Bis heute kommt es zudem zu öffentlichen Demütigungen von Dalits. Müll und Kadaver werden ganz selbstverständlich zur Entsorgung vor den Haustüren von Dalits abgelegt. In Dörfern, aber auch noch in Großstädten sind Dalits für die manuelle Entsorgung von Fäkalien zuständig. In 48 Prozent der indischen Dörfer dürfen Dalits keine öffentlichen Wasserquellen benutzen. Sie verdienen für gleiche Arbeit weniger Geld. Das alles geschieht oft, obwohl „Unberührbarkeit“ nach Artikel 17 der indischen Verfassung von 1950 abgeschafft und ihre Praktizierung verboten ist. Und doch bestimmt Diskriminierung den Alltag von Dalits. Es gibt zahlreiche Gesetze zu ihrem Schutz sowie staatliche Programme, um die ökonomische Situation von Dalits zu verbessern, doch die Benachteiligung ist tief verwurzelt in der Gesellschaft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9240 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Staatliche Institutionen setzen die Gesetze nicht immer um. Deshalb ist nach Übergriffen, sexueller Belästigung oder sogar nach Gruppenvergewaltigung und Zwangsarbeit oftmals für die Opfer nicht mit Hilfe und Unterstützung durch die Polizei zu rechnen. Nach Statistiken des Amts für die Registrierung von Straftaten in Indien werden durchschnittlich jede Stunde zwei Dalits angegriffen, jeden Tag drei Dalit- Frauen vergewaltigt und zwei Dalits ermordet. Die renommierte Tageszeitung „Times of India“ hat im Jahr 2014 konstatiert, dass Übergriffe gegenüber Dalits in den letzten zehn Jahren um 245 Prozent zugenommen haben. 1. Welche Rolle spielt das Thema kastenbasierter Diskriminierung im Menschenrechtsdialog der Europäischen Union und Deutschlands mit Indien? Welche konkreten politischen Programme der Bundesregierung beschäftigen sich mit der Dalit-Frage? Beim jüngsten Menschenrechtsdialog der Europäischen Union (EU) mit Indien am 27. November 2013 wurden auch Fragen der kastenbasierten Diskriminierung thematisiert. Beim EU-Indien Gipfel im März 2016 bekräftigten beide Seiten ihren Willen, den Menschenrechtsdialog fortzuführen. Die Frage der Dalit-Rechte ist nicht im engeren Sinne Gegenstand von Programmen der Bundesregierung, gleichwohl wird die Lebenssituation von Dalits direkt oder indirekt durch Maßnahmen berührt, die im Kontext deutscher, europäischer oder auch internationaler Aktionspläne und Initiativen durch die Bundesregierung unternommen, gefördert oder anderweitig unterstützt werden. Dazu gehört zum Beispiel die finanzielle Unterstützung aus Mitteln des Auswärtigen Amts für eine indische Nichtregierungsorganisation, die Frauen mit niederkastigem und Dalit- Hintergrund, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, mittels rechtlicher und medizinischer Schulungen zu Laien-Anwältinnen („barefoot lawyers“) ausbildet. Weitere Beispiele finden sich im Rahmen der Förderung der Projektarbeit privater Träger durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit über 2,4 Millionen Euro seit dem Jahr 2010. An einem Regionalseminar im Mai 2016, bei dem die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Dr. Bärbel Kofler, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutscher Auslandsvertretungen sich mit Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern aus der Region Südasien über Menschenrechtsfragen austauschten, nahmen auch zwei prominente Dalit-Vertreter teil. Ergänzend wird auf die Antworten zu den Fragen 4, 5, 11 und 14 verwiesen. 2. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der institutionellen Missachtung des Diskriminierungsverbotes durch nachgeordnete Behörden (z. B. Kultusbehörden, die keine Disziplinarmaßnahmen gegenüber Lehrkräften ergreifen, welche Dalit-Kinder auf dem Boden und abgesondert sitzen lassen)? Die Bundesregierung verfolgt die intensive innenpolitische Debatte in Indien zum Thema der Dalit-Rechte, in der es nicht zuletzt um Umsetzungsschwierigkeiten der geltenden Rechtslage geht. Im Kontext dieser Debatte wird immer wieder geltend gemacht, dass die Diskriminierung von Dalits trotz des Verfassungsverbots andauert, und es wird problematisiert, inwieweit diese Benachteiligungen in der Struktur der indischen Gesellschaft und ihren sozialen und religiösen Traditionen angelegt sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9240 3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Gegebenheit, dass die Sprache in indischen Schulbüchern mit ihren stereotypischen und vorurteilsbehafteten Darstellungen über Dalits und andere niedrigkastige Gemeinden Unberührbarkeit und Ausgrenzung fördert, wie von der Sonderberichterstatterin für Minderheiten der Vereinten Nationen (UN), Rita Izsák, im Jahr 2016 konstatiert? Die Bundesregierung nimmt die Beobachtungen der VN-Sonderberichterstatterin über die Qualität indischer Schulbücher zur Kenntnis; sie fließen in die Einschätzung der Gesamtlage durch die Bundesregierung ein. Es obliegt den zuständigen indischen Regierungsstellen, für die notwendigen Verbesserungen Sorge zu tragen . 4. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den durch soziale Diskriminierung eingeschränkten Zugang von Dalits und Indigenen, insbesondere von Frauen und Mädchen, zu Bildung, Gesundheit, Landtiteln, Sozialleistungen , rechtlicher Vertretung? Die Bundesregierung unterstützt zahlreiche Projekte, insbesondere auch durch Ko-Finanzierung von Maßnahmen privater Träger, die darauf abzielen, in Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen die Folgen kastenbasierter Diskriminierung für Betroffene abzumildern und ihre Ursachen zu bekämpfen. Neben den in der Antwort zu Frage 1 genannten Vorhaben flankieren auch die deutschen Auslandsvertretungen in Indien im Rahmen ihrer Unterstützungsleistungen für sogenannte Kleinstprojekte von Nichtregierungsorganisationen diesen Ansatz. Seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurden von 1994 bis heute 33 Projekte mit einem Gesamtvolumen der Ko-Finanzierung von rund sieben Millionen Euro durchgeführt. Zu den laufenden Projekten gehört unter anderem das durch die Karl-Kübel-Stiftung getragene Projekt „Verwirklichung der Rechte von Dalit-Kindern“. Zielsetzung des Projekts ist die Ermächtigung der benachteiligten Arunthathiyar-Dalits aus 30 Dörfern im Bundesstaat Tamil Nadu, die Rechte ihrer Kinder durchzusetzen und für deren Schutz Sorge zu tragen. Die Maßnahmen umfassen unter anderem die Einrichtung von dörflichen Bildungszentren sowie Berufsorientierungs- und Ausbildungselemente . Ein weiteres Projekt mit Dalit-Bezug ist die durch den Basisgesundheitsdienst e.V. getragene Maßnahme „Gesundheitsversorgung und Schulbildung für Adivasi und andere marginalisierte Bevölkerungsgruppen“. Durch den Bau von Basisgesundheitszentren wird die medizinische Versorgung verbessert, und durch den Bau von Wohnunterkünften für Schüler wird Angehörigen von Minderheiten Zugang zu Schulbildung ermöglicht. a) Inwieweit ist die Quoten-Politik der indischen Regierung für Dalits und Indigene förderlich? Die Quotenpolitik der indischen Regierung ist nach Einschätzung der Bundesregierung ein wichtiges Instrument zum Abbau der Diskriminierung von Dalits und Indigenen - sowohl durch die konkret verbesserte berufliche Situation oder Bildungs -Möglichkeiten Einzelner, als auch durch die politische Signalwirkung die der Existenz (und Beachtung) solcher Regelungen immanent ist. Gleichwohl werden die innenpolitischen Debatten um die Kasten-Quoten in Indien kontrovers geführt, unter anderem um die Frage, warum nicht ausschließlich Kriterien der sozio-ökonomischen Bedürftigkeit bei der Zuweisung der Quoten eine Rolle spielen , oder auch darüber, dass etwa bei zum Christentum oder zum Islam konvertierten Dalits die Quotenregelungen nicht zur Anwendung kommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9240 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode b) Inwieweit spielen Quoten im Privatsektor für Dalits und Indigene eine Rolle in bilateralen Gesprächen? In bilateralen Gesprächen zwischen deutschen und indischen Regierungsstellen ist die genannte Thematik bislang kein Thema. c) Inwieweit kann sich die Bundesregierung vorstellen, Quoten für Dalits und Indigene bei der Einstellung von Personal in Botschaften, Konsulaten und halbstaatlichen Institutionen, wie dem Goethe-Institut e. V., zu berücksichtigen ? Unter Verweis auf die Antwort zu Frage 4a und die regelmäßigen innenpolitischen Kontroversen über die angemessene Kalibrierung der Quoten ist eine Übernahme des indischen Quotierungskonzeptes nicht angezeigt, da sich die Auslandsvertretungen in Indien dem Vorwurf der Diskriminierung anderer, durch Quotierung nicht berücksichtigter Minderheiten aussetzen könnten. Aus demselben Grund kann auch keine selektive Bevorzugung einzelner Gruppen analog zu den für Einstellungen geltenden Gleichstellungsvorschriften vorgenommen werden . Darüber hinaus ist eine Quotierung mit den weltweit geltenden Vorgaben für die Einstellung lokal Beschäftigter unvereinbar. 5. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, die EU-Politik im Rahmen der Arbeitsgruppe Menschenrechte (COHOM) zur Beseitigung von kastenbasierter Diskriminierung zu beeinflussen? Die Bundesregierung beteiligt sich engagiert an den Diskussionen im Rahmen der COHOM-Ratsarbeitsgruppe. Dort hat es im vergangenen Jahr einen substanziellen Austausch mit Vertretern des „International Dalit Solidarity Network“ gegeben . Auch die gemeinsamen Arbeiten zum Themenkomplex „Wirtschaft und Menschenrechte“, der ebenfalls auf EU-Ebene intensiv diskutiert wird, können dem Ziel der Überwindung von kastenbasierter Diskriminierung dienlich sein. Die Bundesregierung unterstützt den EU-Aktionsplan für Demokratie und Menschenrechte 2015 bis 2019. Dieser sieht unter anderem vor, ein Antidiskriminierungshandbuch („EU-Toolkit on Anti-discrimination“) zu entwickeln, in dem auch die Diskriminierung aufgrund von Kastenzugehörigkeit eine Rolle spielen soll. 6. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der weit verbreiteten Straflosigkeit bei Vergehen gegenüber religiösen Minderheiten, Dalits und Adivasi in Indien, wie sie auch im Rahmen der letzten allgemeinen regelmäßigen Länderüberprüfung (Universal Periodic Review – UPR) vom Jahr 2012 von der UN-Delegation der Vereinigten Staaten und der Sonderberichterstatterin für Minderheiten, Rita Izsák, im Jahr 2016 angesprochen wurde? Die Bundesregierung teilt die in den Empfehlungen der „Universal Periodic Reports “ (UPR) der Delegation der Vereinigten Staaten zum Ausdruck kommende Sorge über Straflosigkeit bei Vergehen gegen Minderheiten. Die Bundesregierung verfolgt eng die innenpolitischen Debatten in Indien über diese Thematik. Es obliegt dabei indischen Regierungsstellen und/oder Gerichten, Abhilfe zu schaffen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9240 7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass nach Angaben des Amts für Registrierung von Straftaten in Indien Dalits und Adivasi nach wie vor täglichen Gräueltaten und Diskriminierungspraktiken ausgesetzt sind vor dem Hintergrund, dass die deutsche UN-Delegation im Rahmen der letzten UPR vom Jahr 2012 die Empfehlung ausgesprochen hat, dass die indische Regierung eine effektive Implementierung des Gesetzes für die Verhinderung von Gräueltaten gegenüber Dalits und Indigenen (Prevention of Atrocities Act) garantieren muss? Die Komplexität der sozialen Realität Indiens erlaubt keine unmittelbaren Schlussfolgerungen bezüglich möglicher Ursachen der beschriebenen Sachlage. Indien hat die Empfehlung der deutschen Delegation zum effektiven Rechtsschutz von Dalits – ebenso wie die anderen drei deutschen Empfehlungen im damaligen UPR-Verfahren – nicht angenommen. 8. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Umsetzung der von der japanischen UN-Delegation im Rahmen der letzten UPR vom Jahr 2012, ebenso wie von der Sonderberichterstatterin für Minderheiten, Rita Izsák, im Jahr 2016, empfohlenen Einführung von Quoten für Dalits und Indigene in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Polizeispezialkräfte (special police) und Sondergerichten? Indien verfügt seit 1982 über ein System der positiven Diskriminierung, dessen Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist und dessen adäquate Umsetzung immer wieder von verschiedenen Seiten angemahnt wird. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind im Bildungswesen und im öffentlichen Dienst Quoten von bis zu 49,5 Prozent für Angehörige der sogenannten kastenlosen „Scheduled Castes“ (SC) und „Scheduled Tribes“ (ST) sowie für andere benachteiligte Gruppen („Other Backward Castes“ - OBC) vorgesehen. In zentralstaatlich finanzierten Hochschulen werden 22,5 Prozent der Studienplätze für die SC/ST-Kategorie, weitere 27 Prozent für die OBC-Kategorie reserviert. 9. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zunahme an kastenbasierter Diskriminierung , insbesondere sexualisierter Gewalt und Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, und das Herunterspielen von sexualisierter Gewalt seitens Staatsbediensteter, wie sie im Jahr 2014 vom UN-Ausschuss für die Beseitigung von Diskriminierung der Frau/CEDAW-Ausschuss konstatiert wurde? Die Bundesregierung nimmt den genannten Befund mit Sorge zur Kenntnis. Die konstatierte Entwicklung geht nach Beobachtung der Bundesregierung einher mit einer gesteigerten Sensibilität der indischen Öffentlichkeit einerseits und der Opfer von Diskriminierung und Gewalt für die eigenen Rechte andererseits. Dies kommt in der Aufnahme zusätzlicher Straftatbestände in den „Scheduled Castes (SCs) and Scheduled Tribes (STs) Prevention of Atrocities Act, 1989“ im April 2016 ebenso zum Ausdruck wie in der fortwährenden Thematisierung von Übergriffen gegen Dalits in der indischen Presse. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9240 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Dissens der indischen Regierung mit dem UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung , nach dessen Einschätzung kastenbasierte Diskriminierung durch Artikel 1 des Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung abgedeckt ist („is fully covered by article 1 of the convention“, International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination)? Der VN-Ausschuss legt in seinem Auslegungshinweis Nummer 29 nach Auffassung der Bundesregierung nachvollziehbar dar, weshalb kastenbasierte Diskriminierung unter Artikel 1 Absatz 1 der VN-Rassendiskriminierungskonvention subsumiert wird: „(…) discrimination based on ‚descent‘ includes discrimination against members of communities based on forms of social stratification such as caste and analogous systems of inherited status which nullify or impair their equal enjoyment of human rights“. Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Regierung der Republik Indien diese Einschätzung nicht teilt, nähere Erkenntnisse zu dem Dissens liegen jedoch nicht vor. 11. Welchen Beitrag leistet die Bundesregierung zur Entwicklung einer EU-Politik gegen Kastendiskriminierung („EU policy on caste discrimination“) und zur Unterstützung des Entwurfes für Prinzipien und Leitlinien für die effektive Beseitigung von Diskriminierung aufgrund von Arbeit und Abstammung („UN Draft Principles and Guidelines for the Effective Elimination of Discrimination Based on Work and Descent“), wie vom Europäischen Parlament in seiner Resolution vom 13. Dezember 2012 (Absatz 7) und von der UN-Sonderberichterstatterin für Minderheiten, Rita Izsák, im Jahr 2016 gefordert ? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 12. Werden die negativen Konsequenzen der Infrastrukturprojekte zur Förderung des Wirtschaftswachstums (z. B. Industriekorridore, Kohlekraftwerke, Straßenbau, Staudämme), wodurch Dalits häufig von ihrem Land vertrieben und nicht oder nicht ausreichend entschädigt werden, im Politikdialog seitens der Bundesregierung thematisiert? Die Bundesregierung setzt sich für die Umsetzung eines nachhaltigen und inklusiven Wachstumsmodells gemeinsam mit indischen Partnern ein. Dies kommt auch in der „Gemeinsamen Erklärung“, die anlässlich der letzten deutsch-indischen Regierungskonsultationen im Oktober 2015 verabschiedet wurde, deutlich zum Ausdruck. Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist einer der Schwerpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Indien. Es obliegt der indischen Justiz und der indischen Regierung, sicherzustellen, dass die geltenden Land-, Entschädigungs- und sonstigen Gesetze, die vor Schädigung und Übervorteilung schützen sollen, im Rahmen der Durchführung von Infrastruktur- und Industrialisierungsprojekten geachtet werden. In der Entwicklungszusammenarbeit werden internationale Umwelt- und Sozialstandards angewendet. Die Einhaltung der vereinbarten Standards wird durch ein entsprechendes Projekt-Monitoring nachgehalten. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verfolgt dabei sowohl die Querschnittsverankerung von Menschenrechten in allen entwicklungspolitischen Schwerpunkten und Sektoren als auch die Förderung spezifischer Menschenrechtsvorhaben . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9240 13. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass in Industriekorridoren und im Rahmen von Infrastrukturprojekten, an denen die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beteiligt ist und für die Hermesbürgschaften vergeben werden, die Rechte der Dalits (u. a. Bodenrechte) respektiert werden? Welche Projekte werden in diesem Zusammenhang mit welchen bundesdeutschen Mitteln gefördert? Für welche Projekte liegen der Bundesregierung Förderungs- bzw. Absicherungsanträge vor? Die Bankengruppe der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Mandatare des Bundes unterziehen geplante Förderungen und Finanzierungen in Schwellenund Entwicklungsländern sowie Export- und Projektfinanzierungen oder die Übernahme von Exportkreditgarantien hierfür standardmäßig einer Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung (USVP) nach internationalen Standards, insbesondere sogenannte „International Finance Corporation (IFC) Performance Standards “, sowie sogenannte „World Bank Environmental, Health and Safety (EHS) Guidelines“, und Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Ziel ist es, mögliche negative Auswirkungen und Risiken für Mensch und Umwelt zu vermeiden, durch geeignete Maßnahmen zu mindern oder auszugleichen. Belange zur Wahrung der Menschenrechte, gerade auch für vulnerable Gruppen, sind integraler Bestandteil der Prüfung. Speziell die Standards zu Landerwerb, indigener Bevölkerung und Kulturgütern verlangen, dass traditionelle Bodenrechte und die Nutzung des jeweiligen Landes durch die lokale Bevölkerung erfasst und berücksichtigt werden, so sie denn unmittelbar durch die Investition betroffen sind. Für die Prüfung der sozialen Belange und des Schutzes der Menschenrechte ist es unter anderem erforderlich, dass eine Information der Öffentlichkeit , die Beteiligung der Betroffenen vor Ort und der Umgang mit kritischen Einwänden gegen Projekte nach internationalen Standards erfolgt sind und dokumentiert wurden. Die KfW-Entwicklungsbank und die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) berücksichtigen im Rahmen der USVP zusätzlich zu internationalen Standards die Vorgaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dessen Menschenrechtskonzept. Laufende Finanzierungen von KfW Entwicklungsbank, DEG und KfW-IPEX Bank GmbH verteilen sich hierbei wie folgt: 45 Vorhaben im Sektor Energieversorgung, acht Vorhaben im Sektor Wasser, Abwasser und Abfall, fünf Vorhaben im Sektor Grundstücks- und Wohnungswesen sowie Bau, vier Vorhaben im Sektor Verkehr , zwei Vorhaben im Sektor Landwirtschaft und ein Vorhaben im Sektor Kommunikation. In Bezug auf vorliegende Anträge liegen der KfW Entwicklungsbank zwei Finanzierungsanträge zu den Themen klimafreundliche urbane Mobilität sowie Trinkwasserproduktion und Trinkwasser-Nachfragemanagement und der KfW-IPEX Bank GmbH vier Finanzierungsanfragen für Hafeninfrastrukturvorhaben vor. Darüber hinaus gehende Detailangaben zu den sechs Vorhaben, zum Beispiel zum Projektnamen oder Standort, sind an dieser Stelle nicht möglich, da hieraus im Falle von Großprojekten wie sie hier typischerweise vorliegen auf konkrete Einzelprojekte zurückgeschlossen werden könnte. Dies könnte das auf Artikel 12 des Grundgesetzes gestützte Recht der Antragsteller auf die Wahrung von Betriebs - und Geschäftsgeheimnissen oder das Bankgeheimnis verletzen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9240 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bei der Übernahme von Exportkreditgarantien beruht die Nachhaltigkeitsprüfung , die sowohl ökologische, soziale wie auch menschenrechtliche Aspekte umfasst , auf den internationalen Standards, die die in den Umwelt- und Sozialleitlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für staatlich unterstützte Exportkredite („OECD Common Approaches for Officially Supported Export Credits and Environmental and Social Due Diligence“) festlegen . Anhand der Referenzstandards wird auch untersucht, in welchem Umfang und auf welche Art die betroffenen Bevölkerungsgruppen – zum Beispiel über Anhörungen, Erörterungstermine, Beschwerdemechanismen – beteiligt werden. Zwischen 2011 und 2016 hat die Bundesregierung zwei Geschäfte mit Exportkreditgarantien abgesichert, die im Zusammenhang mit registrierten Kasten und Volksstämmen („Scheduled Tribes“ und „Scheduled Castes“) standen, zu denen auch die Bevölkerungsgruppe der Dalits gehört. Bei den Projekten handelte es sich um ein Zementwerk und um eine Petrochemie-Anlage. Aktuell liegen der Bundesregierung keine Anträge auf Hermesdeckungen für Lieferungen und Leistungen nach Indien vor, die „Scheduled Tribes“ / „Scheduled Castes“ beträfen. 14. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass es im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sowie bei Projekten, an denen deutsche Unternehmen beteiligt sind, zu keinen Menschenrechtsverstößen gegen Dalits kommt? Die Bundesregierung hat keinen Anlass zu vermuten, dass es im Rahmen von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit oder bei Projekten mit Beteiligung deutscher Firmen zu Menschenrechtsverstößen kommt und würde gegenteiligen Äußerungen zu Vorfällen umgehend nachgehen, sollte sie davon Kenntnis erhalten . Deutsche Firmen, die in Indien tätig werden, sind an geltendes Recht und Gesetz gebunden. Bei der Konzeptionierung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit wird sichergestellt, dass hohe internationale Sozial- und Umweltstandards zur Anwendung kommen. Deren Umsetzung verbietet die Benachteiligung von Minderheiten wie den Dalits, was etwa durch Projekt-Monitoring nachgehalten wird (hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen). Die Einhaltung der Menschenrechte ist ein Leitprinzip deutscher Entwicklungspolitik. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat im Februar 2013 einen expliziten Leitfaden zur Berücksichtigung menschenrechtlicher Standards und Prinzipien bei der Erstellung von Programmvorschlägen der deutschen staatlichen Zusammenarbeit in Kraft gesetzt, der zur Prüfung menschenrechtlicher Wirkungen und Risiken bei der Planung aller bilateralen entwicklungspolitischen Vorhaben der technischen und finanziellen Zusammenarbeit verpflichtet, was auch schon zuvor durchgängig geübte Praxis war. 15. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Erarbeitung der Konvention über die Rechte von Kleinbauern, -bäuerinnen und ländlicher Bevölkerung, die nach einem Beschluss des UN-Menschenrechtsrats zurzeit bei der UN erarbeitet wird, und wie schätzt sie diese ein? Die Bundesregierung ist wie auch ihre Partner in der Europäischen Union der Auffassung, dass ein ausreichendes normatives menschenrechtliches Regelwerk für Menschen, die im ländlichen Raum leben und arbeiten, besteht und dass dieses entsprechend umgesetzt werden muss. Die Europäische Union ist an den Arbeiten der zwischenstaatlichen UN-Arbeitsgruppe für eine Erklärung der Rechte von Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9240 Kleinbauern und anderer im ländlichen Raum lebender Menschen beteiligt, die zuletzt vom 17. bis 20. Mai 2016 in Genf getagt hat. 16. In welchem Rahmen ist es der Bundesregierung möglich, auf die Einhaltung der „Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden - und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern“ der Ernährungs - und Landwirtschaftsorganisation der UN angesichts der vielfältigen Probleme von Dalits in Bezug auf ihre Zugangsrechte zu Land und anderen produktiven Ressourcen hinzuwirken? Die „Freiwilligen Leitlinien zur verantwortungsvollen Verwaltung von Bodenund Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern“ (VGGT) richten sich zunächst an Staaten und Regierungen, und somit ist auch indische Regierung unmittelbar gehalten, die VGGT anzuwenden und dafür zu sorgen, dass auch vulnerable Gruppen Zugang zu natürlichen Ressourcen erhalten. Gemäß den entwicklungspolitischen Vorgaben der Bundesregierung sind die oben genannten Leitlinien handlungsleitender Referenzrahmen für Vorhaben der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Die VGGT wie auch die „Prinzipien für verantwortliche Investitionen in die Land- und Ernährungswirtschaft“ (CFS-RAI) wurden von Deutschland maßgeblich mit entwickelt. Die Bundesregierung arbeitet bei der Umsetzung dieser Leitlinien im Rahmen ihrer Entwicklungspolitik mit Partnerländern und zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen. Unter anderem hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Institute for Advanced Sustainability Studies beauftragt, die Umsetzungsanforderungen der VGGT an öffentliche landbezogene Investitionen der KfW und der DEG zu analysieren . Gemeinsam soll in der Folge mit unabhängigen Expertinnen und Experten sowie mit KfW und DEG der bisherige Prüfrahmen der Umwelt- und Sozialverträglichkeit auch unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten weiterentwickelt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333