Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 20. Juli 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9242 18. Wahlperiode 21.07.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9052 – Mögliche Fehler in einem Ratgeber des Bundesministeriums für Gesundheit für Asylsuchende zu ihrem Anspruch auf Gesundheitsversorgung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Anspruch von Asylsuchenden auf gesundheitliche Leistungen ist während der ersten 15 Monate ihres Aufenthaltes in Deutschland deutlich eingeschränkt. Um Asylsuchende über ihren Anspruch zu informieren, hat das Bundesministerium für Gesundheit einen Ratgeber herausgegeben. Das „Deutsche Ärzteblatt“ (Jg. 113, Heft 18 vom 6. Mai 2016) kritisiert in einem Kommentar die Darstellungen in diesem Ratgeber (vgl. www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/ Publikationen/Gesundheit/Broschueren/Ratgeber_Asylsuchende/2._Auflage/ Ratgeber_Asylsuchende_DE_web.pdf). Dort seien einige Punkte „verzerrt dargestellt “. Dies kann dazu führen, dass Asylsuchende weniger Leistungen beanspruchen als ihnen zustehen. Ebenso kann die Broschüre bewirken, dass Leistungserbringer die Leistungen noch stärker einschränken, als gesetzlich vorgesehen ist. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der „Ratgeber Gesundheit für Asylsuchende in Deutschland“ soll Asylbewerberinnen und Asylbewerbern einen ersten bundesweit einheitlichen Überblick über das deutsche Gesundheitswesen sowie die Untersuchung in Erstaufnahmeeinrichtungen in einfacher Sprache vermitteln. Er wurde daher in die Sprachen Arabisch, Kurdisch (Kurmanci), Paschto, Englisch und ab der 3. Auflage auch in die Sprachen Dari und Farsi übersetzt. Ziel des Ratgebers ist eine „Lotsenfunktion“, indem wichtige Ansprechpartner für die Gesundheitsversorgung benannt (Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser), bestimmte Versorgungsangebote beispielhaft benannt werden (Impfschutz S.11, Schwangerschaft S.12, Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen, S.13) und zugleich praktische Hinweise zum Schutz vor Krankheiten gegeben werden. Die Inhalte des Ratgebers sind zum besseren Verständnis bewusst begrenzt und in einfacher Sprache gehalten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9242 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Ratgeber enthält, weil es sich um eine Erstinformation handelt, nur allgemeine Informationen zum Thema Gesundheitsleistungen. Eine umfassende Rechtsberatung, eine Aufklärung über spezifische Erkrankungen und Krankheitsbilder soll die Broschüre hingegen nicht leisten. Aufgrund der Vielzahl der denkbaren Erkrankungen und der Einzelfallabhängigkeit der Gewährung von Leistungen im Rahmen der Basisversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wäre diese für die Ankommenden auch nicht hilfreich. Da sich alle Asylbewerber nach ihrer Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung ärztlich untersuchen lassen müssen und die Leistungsbehörden nach § 4 Absatz 3 AsylbLG verpflichtet sind, eine frühzeitige Vervollständigung des Impfschutzes anzubieten, besteht zudem auch in diesem Rahmen Gelegenheit zum ärztlichen Erstkontakt, so dass Asylbewerber Fragen zu gesundheitlichen Problemen und medizinischen Behandlungsmöglichkeiten oder dem Impfschutz in Deutschland stellen können. Im Übrigen sind Fragen nach dem Umfang von Gesundheitsleistungen an die Leistungsbehörden vor Ort zu richten, die für den konkreten Einzelfall zuständig sind. 1. Inwiefern ist die Bundesregierung verpflichtet, in ihren Publikationen, die Ratgeber-Charakter haben, die bestehende Rechtslage richtig und vollständig darzulegen? 2. Ist die Begrenzung der Aufzählung auf Seite 3 („Sie werden von einer Ärztin oder einem Arzt untersucht und behandelt, wenn …“) auf akute Krankheiten, Schmerzen und Schwangerschaft eine Einengung, wie das „Deutsche Ärzteblatt “ schreibt, zumal § 4 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) auch u. a. ausdrücklich Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen einschließt? 3. Ist diese Begrenzung eine Einengung, zumal § 6 AsylbLG alle Behandlungen , die „zur Sicherung […] der Gesundheit unerlässlich“ sind, vorsieht? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Wie bereits in der Vorbemerkung der Bundesregierung dargelegt, handelt es sich bei dem Ratgeber „Gesundheit“ um eine erste, allgemeine Information. Der gesetzliche Anspruch ergibt sich aus dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 4. Weshalb wird in der gesamten Broschüre nicht erwähnt, dass auch Verschlechterungen des Gesundheitszustandes vorbestehender chronischer Erkrankungen zu einem Leistungsanspruch nach § 6 AsylbLG führen, z. B. Insulin bei Diabetikern? Wie bereits in der Vorbemerkung der Bundesregierung erläutert, vermittelt der Ratgeber erste allgemeine Informationen über das Gesundheitswesen in Deutschland sowie im Interesse der Asylsuchenden liegende praktische Hinweise auch zum Schutz der eigenen Gesundheit. Eine an Einzelfällen bzw. einzelnen Krankheitsbildern orientierte Erläuterung der medizinischen Versorgung, die in der Zuständigkeit der Länder liegt, ist nicht beabsichtigt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9242 5. Teilt die Bundesregierung die im „Deutschen Ärzteblatt“ dargelegte Auffassung , wonach dadurch eine implizite und falsche Mitteilung an Asylsuchende gehe, dass sie bei chronischen Krankheiten erst dann ärztlich behandelt würden, wenn chronische Krankheiten zu einer akuten Entgleisung führten , z. B. wenn Hypertonie zu einem lebensbedrohlichen Zustand führt (bitte ausführen)? Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. Der Bundesregierung liegen keine Informationen darüber vor, dass im Ratgeber enthaltene Informationen zu einer Unterversorgung führen. 6. Inwiefern kann die Bundesregierung bestätigen, dass Leistungsberechtigte nach AsylbLG durchaus Anspruch auf die ärztliche Behandlung chronischer Krankheiten haben können, und inwieweit ist dieser Anspruch eingeschränkt ? Inwiefern ist nach Ansicht der Bundesregierung hier eine bundesweit einheitliche Auslegung gewährleistet? Aus Sicht der Bundesregierung gewährleisten das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für Asylsuchende und Schutzberechtigte eine angemessene gesundheitliche Versorgung. Aufgrund der Regelung des § 2 Absatz 1 AsylbLG erhalten Asylsuchende spätestens nach 15-monatigem Aufenthalt im Bundesgebiet in der Regel Leistungen auf Sozialhilfeniveau (sog. Analog-Leistungen) und sind leistungsrechtlich in ihrer Gesundheitsversorgung den gesetzlich Krankenversicherten gleichgestellt. Auch während der ersten 15 Monate ihres Aufenthalts besteht für Schutzsuchende nach dem AsylbLG eine angemessene Krankenversorgung. Für die Behandlung chronischer Erkrankungen gelten insofern jedoch Besonderheiten . Denn grundsätzlich gewährleitet das AsylbLG zu Beginn des Aufenthalts als Regelanspruch nur Gesundheitsleistungen im Rahmen einer Akut- und Schmerzbehandlung (§ 4 Absatz 1 AsylbLG). Chronische Erkrankungen, deren Behandlungen längerfristig angelegt sind, und daher regelmäßig nicht in Deutschland abgeschlossen werden können, lösen nach der gesetzlichen Begründung zu § 4 Absatz 1 AsylbLG hingegen regelmäßig keine Leistungspflicht nach dieser Norm aus (vgl. Bundestagsdrucksache 12/4451, S. 9). Nach § 6 Absatz 1 AsylbLG können „sonstige Leistungen“ gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich oder zur Deckung der besonderen Bedürfnisse von Kindern geboten ist. § 6 Absatz 1 AsylbLG eröffnet damit den Zugang zu einer über den Leistungsumfang nach § 4 Absatz 1 AsylbLG hinausgehenden Gesundheitsversorgung, insbesondere zur Behandlung chronischer Erkrankungen, die über die Akut- und Schmerzbehandlung nach § 4 Absatz 1 AsylbLG hinausgeht. Die Regelung gibt den Leistungsbehörden die Möglichkeit , besonderen Bedarfen im Einzelfall gerecht zu werden. Soweit verfassungsrechtlich oder europarechtlich geboten, vermittelt die Norm - im Wege der Ermessensreduzierung - auch einen Anspruch auf Gewährung einer „sonstigen“ Gesundheitsleistung. Diese Rechtsauffassung hat die Bundesregierung u. a. bereits in den Antworten auf die Kleinen Anfragen Bundestagsdrucksache 18/2184, Bundestagsdrucksache 18/4622 und Bundestagsdrucksache 18/9009 dargelegt, zudem wird sie von Rechtsprechung und Literatur zu § 6 Absatz 1 AsylbLG vertreten , so dass nach Ansicht der Bundesregierung eine einheitliche Auslegung gewährleistet ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9242 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Ist es richtig, dass Ärztinnen und Ärzte die Frage, ob eine ärztliche Behandlung stattfindet oder nicht nach den Grundsätzen der ärztlichen Ethik unabhängig von „ethnische[r] Herkunft, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, politische [r] Überzeugung, Rasse“ (vgl. Genfer Deklaration des Weltärztebundes) der Patientin oder des Patienten und nicht nach der Frage des Versichertenstatus oder der Kostenübernahme zu beantworten haben? Über die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Behandlung entscheiden Ärztinnen und Ärzte eigenverantwortlich. Die bestehenden Rechtsgrundlagen zur Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen durch Asylsuchende stellen sicher, dass Behandlungen, die aus medizinischen Gründen erforderlich sind, gewährt werden . Dies betrifft auch – wie bereits in der Antwort zu Frage 6 ausgeführt – vulnerable Gruppen. 8. Müsste der in Frage 2 zitierte Text daher nicht lauten „Ihre Ärztin/Ihr Arzt kann die Ihnen zuteil gewordene Leistung beim Sozialamt abrechnen, wenn …“? Nein. Wie in der Vorbemerkung der Bundesregierung bereits ausgeführt, verfolgt der Ratgeber das Ziel, erste grundlegende Informationen in einfacher Sprache zu vermitteln. 9. Inwiefern erkennt die Bundesregierung, dass es zwischen den Vorgaben des AsylbLG und den ebenfalls verbindlichen berufsrechtlichen Vorgaben zur ärztlichen Ethik zu Widersprüchen kommen kann, und wie sollten Ärztinnen und Ärzte mit diesen Widersprüchen umgehen? 10. Inwiefern ist der implizite Ausschluss von ärztlichen Leistungen (siehe Frage 2) nach Ansicht der Bundesregierung eine unzulässige Einflussnahme von außen sowie ein Austragen eines Konfliktes zwischen Ethik und Abrechnung auf dem Rücken einer rechtlich und sozial marginalisierten Bevölkerungsgruppe , wie das „Deutsche Ärzteblatt“ kommentiert? Die Fragen 9 und 10 werden auf Grund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Bund, Länder und Kommunen, ambulant und stationär tätige Ärztinnen und Ärzte und geschultes medizinisches Personal haben trotz der großen Herausforderung durch das hohe Flüchtlingsaufkommen gemeinsam eine adäquate gesundheitliche Versorgung vor Ort sichergestellt. Für die Bundesregierung steht außer Frage, dass die an der Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge Beteiligten fähig sind, ihren rechtlichen und berufsethischen Verpflichtungen gleichermaßen gerecht zu werden und die in den Antworten zu Fragen 6 und 7 dargestellten Ermessenspielräume verantwortlich zu nutzen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333