Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 3. August 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9353 18. Wahlperiode 05.08.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9233 – Stellung der Avrupa Türk-Islam Birliği (ATIB) im Spektrum der Grauen Wölfe V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Dem Spektrum der rechtsextremen Grauen Wölfe bzw. der sogenannten Ülkücü (Idealisten) werden von der Wissenschaft sowie den Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland mehrere türkisch-nationalistische Vereinigungen und Strömungen zugerechnet. Als Abspaltung der als Auslandsorganisation der rechtsextremen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) geltenden Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V. (ADÜTDF) konstituierte sich im Jahr 1987 eine stärker religiös ausgerichtete Vereinsföderation, die seit dem Jahr 1993 unter dem Namen Union der Türkisch Islamischen Kulturvereine in Europa e. V. (Avrupa Türk-Islam Birliği – ATIB) firmiert. Hintergrund der Spaltung war ein Streit zwischen dem MHP-Führer Alparslan Türkeş in der Türkei und dem ADÜTDF-Vorsitzenden in Deutschland Musa Serdar Celebi. Letzterer hatte über eine angebliche Beschäftigung als „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ in einem fiktiven „Türkei-Institut“ in der Wohnung des Türkei-Experten des Bundesnachrichtendienstes (BND und Stadtverordneten der CDU in Schwalmstadt Dr. Hans-Eckhardt Kannapin eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland erhalten (www.kozmopolit. com/haziran03/Dosya/islamistenmhp.html; Fikret Aslan/Kemal Bozay/Talat Turhan/Sedar Celik: Graue Wölfe heulen wieder, Münster, 1997). In seiner Verteidigungsrede vor dem Militärgericht in der Türkei erklärte Alparslan Türkeş, den Kontakt zu Musa Serdar Celebi wegen dessen Verbindung zu dem berühmten Ülkücü-Terroristen Mehmet Ali Aǧca abgebrochen zu haben. Alparslan Türkeş hatte später Musa Serdar Celebis Rücktritt vom Vorsitz der ADÜTDF gefordert, obwohl er zuvor selbst den Kontakt zu Mehmet Ali Aǧca befohlen hatte. Mehmet Ali Aǧca hatte in der Türkei den bekannten sozialdemokratischen Journalisten Abdi Ipekçi ermordet und nach seiner Flucht aus dem Gefängnis am 13. Mai 1981 einen Mordanschlag auf Papst Johannes Paul II. unternommen (Emre Arslan: Der Mythos der Nation im transnationalen Raum: Türkische Graue Wölfe in Deutschland, Wiesbaden 2009, S. 132 f.). Gegenüber dem Ermittlungsrichter behauptete Mehmet Ali Aǧca, dass Musa Serdar Celebi und ein weiterer Aktivist der Grauen Wölfe ihm vier Tage vor der Tat die Attentatswaffe und einen Teil des „Killerlohns“ nach Mailand gebracht Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9353 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode hätten. Aufgrund eines italienischen Haftbefehls wurde Musa Serdar Celebi im Jahr 1982 bei Frankfurt festgenommen. Er saß zwei Jahre in Italien in Untersuchungshaft , wurde aber aufgrund fehlender Beweise freigesprochen (www.spiegel.de/ spiegel/print/d-14019695.html; www.spiegel.de/spiegel/print/d-13513601.html; www.kozmopolit.com/haziran03/Dosya/islamistenmhp.html). Musa Serdar Celebi war bis zum Jahr 1999 Vorsitzender der ATIB und wurde anschließend zum Ehrenvorsitzenden der Föderation ernannt. In der Türkei war Musa Serdar Celebi zugleich jahrelang Vizevorsitzender der im Jahr 1993 von der MHP abgespaltenen, ebenfalls dem Ülkücü- bzw. Graue-Wölfe-Spektrum zugerechneten Partei der Großen Einheit (Büyük Birlik Partisi – BBP). In der BBP hatten sich diejenigen MHP-Mitglieder neu organisiert, auf deren Konto in den 70er-Jahren mehrere politische Morde gingen. Der BBP wird zudem nachgesagt, am Mordkomplott gegen den armenischstämmigen Publizisten Hrant Dink im Jahr 2007 in Istanbul beteiligt gewesen zu sein (www.sportintegration.de/ wp-content/uploads/2013/07/2012-03-kooperation-mit-muslimischen-verbaenden. pdf, Fußnote 54). Laut einer Publikation des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat sich die ATIB „inzwischen von den Gewalttaten der Grauen Wölfe in den siebziger Jahren in der Türkei und der Bundesrepublik distanziert“ (www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/engagementtuerkisch/1-Einleitung/1-4- verbaende,did=44816,render=renderPrint.html). Auf dem vom BMFSFJ geförderten Internetportal www.ufuq.de, das sich mit Pädagogik zu Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus befasst, heißt es: „Die ATIB konzentriert sich auf die Organisation der Gotteshäuser und gibt sich im Auftreten moderat. Sie bietet aber gerade dadurch für türkische Nationalisten, für die die MHP zu ‚radikal‘ ist, eine Möglichkeit, im weiteren Milieu der ‚Grauen Wölfe‘ zu verbleiben“ (www.ufuq.de/tuerkischer-nationalismus-indeutschland -gemeinschaft-und-identitaet-im-migrationskontext/). Zumindest die nordrhein-westfälischen, hessischen und bayerischen Innenministerien rechnen die ATIB weiterhin dem Ülkücü-Spektrum bzw. den Grauen Wölfen zu (www.mik.nrw.de/fileadmin/user_upload/Redakteure/Verfassungsschutz/ Dokumente/UElkuecue-Broschuere.pdf; www.bayern.landtag.de/www/ElanText Ablage_WP17/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/17_0007902.pdf; https:// lfv.hessen.de/sites/lfv.hessen.de/files/content-downloads/Graue_Woelfe_Internet_ 0_0.pdf). Aus Sicht der Fragesteller ist eine mögliche Zurechnung der ATIB zum Spektrum der Grauen Wölfe schon deswegen von Relevanz, weil die ATIB Gründungsmitglied des Zentralrates der Muslime in Deutschland e. V. (ZMD) ist. Mit ihrem Vorstandsmitglied Mehmet Alparslan Celebi – dem Sohn des ATIB- Gründungsvorsitzenden Musa Serdar Celebi – stellt die ATIB dort seit der Neuwahl des ZMD-Vorstandes im Mai 2016 einen der Vizevorsitzenden (http://zentralrat.de/2593.php; www.huffingtonpost.de/mehmet-celebi/). Der ZMD und seine Mitgliedsverbände wiederum sind regelmäßiger Kooperationspartner der Bundesregierung. So beteiligten sich auch ATIB-Mitglieder im Januar 2015 an einer Mahnwache gegen islamistischen Terror vor dem Brandenburger Tor in Berlin (www.welt.de/politik/deutschland/article136336192/ Das-ist-wie-eine-Demo-mit-Pegida-gegen-Nazis.html; http://dtz-news.de/ staatsspitze-setzt-signal-am-brandenburger-tor/). Der ATIB sollen bundesweit 11 500 Mitglieder in 123 Vereinen angehören (www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/engagementtuerkisch/1-Einleitung/1-4- verbaende,did=44816,render=renderPrint.html). Die ATIB gibt an, „weder Verbindungen zu einer Partei noch einer staatlichen Institution“ in der Türkei zu haben (www.atib.org/de/content.php?baslik=haberler&detay=Die-atib-verurteiltdie -verleumdungskampagne-des-verbands-im-zdf). Diese Behauptung steht im Widerspruch zur Feststellung in einer Publikation des BMFSFJ, wonach in ei- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9353 nigen ATIB-Moscheen Religionsbeamte des Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Diyanet Işleri Başkanliǧi) als Imame tätig sind, deren Gehalt zum Teil aus dem türkischen Staatshaushalt bezahlt wird. Diyanet Işleri Başkanliǧi ist eine Behörde in der Türkei, die direkt dem türkischen Ministerpräsidenten untersteht (www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/engagementtuerkisch/1-Einleitung/ 1-4-verbaende,did=44816,render=renderPrint.html). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa – ATIB – sieht sich selbst als Interessenvertretung der in Deutschland lebenden Türken, die keine parteipolitischen Interessen vertrete. Bezog die ATIB in seltenen Fällen Position zu politischen Themen, so kritisierte die ATIB zum Beispiel eine unvorteilhafte Darstellung des türkischen Präsidenten Erdogan in baden-württembergischen Schulbüchern und bezeichnete die Entscheidung des Kölner Landgerichts zur Beschneidung von Jungen als „einen Rückschlag für die Religionsfreiheit“. Zweck der ATIB sei es nicht nur, die kulturellen, sozialen und juristischen Interessen der türkisch-muslimischen Minderheit zu vertreten, sondern auch die Förderung von Völkerverständigung. Ziel sei es, die kulturelle und religiöse Identität der türkischstämmigen Einwanderer in Deutschland zu pflegen und zu bewahren. Deutschland betrachte man als zweite Heimat. 1. Welche generellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die ATIB? a) Wann und wo wurde die ATIB gegründet, und wo genau befindet sich ihre Zentrale? b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Hintergründe der Abspaltung der ATIB von der ADÜTDF? c) Wie viele Vereine und Moscheen mit wie vielen Mitgliedern gehören heute der ATIB in der Bundesrepublik Deutschland an? d) Wie viele Vereine und Moscheen mit wie vielen Mitgliedern unterhält die ATIB nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen anderen europäischen Staaten? e) Welche grundsätzliche ideologische und religiöse Ausrichtung verfolgt die ATIB? ATIB ist eine hundertprozentige Abspaltung der Föderation der türkischen Idealistenvereine in Deutschland – ADÜTDF - und konstituierte sich 1987 als eigener Dachverband. Die Zentrale der ATIB befindet sich in Köln, Neusser Straße 553. Über die Hintergründe der Abspaltung sowie über Vereinsstrukturen und Mitgliederzahlen der ATIB in Deutschland oder in anderen europäischen Staaten liegen keine Erkenntnisse vor. Die ATIB ist ihrem Auftreten nach deutlich religiöser und weniger nationalistisch als die ADÜTDF. 2. Inwieweit sind der Bundesregierung von Seiten der ATIB und ihrer führenden Funktionärinnen und Funktionäre rechtsextreme, rassistische, kurdenoder armenierfeindliche, antisemitische, aleviten- oder christenfeindliche, homophobe oder sich gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richtende Äußerungen oder Aufrufe zur Gewalt bekannt? Am 30. Mai 2016 erinnerte der ATIB-Verein Remscheid anlässlich des 5. Jahrestags an die getöteten Besatzungsmitglieder der „Mavi Marmara“. Sie seien durch einen Angriff des „terroristischen Staates Israel“ getötet worden. Der Vorsitzende Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9353 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der ATIB äußerte sich im Nachgang zur Armenienresolution des Deutschen Bundestags verärgert. Auf der ATIB-Homepage veröffentlichte er eine Stellungnahme unter dem Titel: „Wer hat ihnen diese Berechtigung gegeben?“. Der Deutsche Bundestag habe mit seiner Resolution „am 2. Juni 2016 nicht nur gegen die in der Türkei lebenden Türken, sondern auch gegen Millionen im Ausland lebenden Türken ein politisches Urteil gefällt.“ 3. Inwieweit waren Mitglieder oder Funktionärinnen und Funktionäre der ATIB innerhalb der letzten fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland an Gewalttaten oder sonstigen einschlägigen Straftaten beteiligt oder wurden von den Behörden in welcher sonstigen Weise mit Straftaten in Verbindung gebracht? Den Sicherheitsbehörden des Bundes liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 4. Inwieweit rechnet die Bundesregierung die ATIB grundsätzlich dem Ülkücü -Spektrum bzw. den Grauen Wölfen zu (bitte begründen)? a) Wie definiert die Bundesregierung die Begriffe Ülkücü und Graue Wölfe, und welche Gruppierungen, Strömungen und Parteien mit wie vielen Anhängern /Mitgliedern in der Türkei und Deutschland rechnet sie diesen jeweils zu? b) Welche Übereinstimmungen und Differenzen mit anderen Gruppierungen und Strömungen des Ülkücü-Spektrums (z. B. ADÜTDF, dem Verband der türkischen Kulturvereine in Europa – ATB, Ülkücü-Jugend, MHP, BBP etc.) erkennt die Bundesregierung, und welche Stellung nimmt ATIB gegebenenfalls in diesem Spektrum ein? c) Inwieweit bekannten oder bekennen sich die ATIB oder ihre führenden Funktionärinnen und Funktionäre nach Kenntnis der Bundesregierung zur Ülkücü-Ideologie? d) Welche möglichen Distanzierungen der ATIB oder ihrer führenden Funktionärinnen und Funktionäre vom Ülkücü-Spektrum, der Ülkücü-Ideologie oder Gewalttaten der Grauen Wölfe sind der Bundesregierung bekannt , und für wie glaubwürdig hält sie diese? e) Welche Landesämter für Verfassungsschutz zählen die ATIB nach Kenntnis der Bundesregierung zum Ülkücü-Spektrum? f) Welche wissenschaftlichen Studien oder Einschätzungen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zur ATIB sind der Bundesregierung bekannt, und wie wird dort der Verband im Hinblick auf seine mögliche Zugehörigkeit zum Ülkücü-Spektrum sowie sein Bekenntnis zu demokratischen Werten eingeschätzt? g) Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Haltung kurdischer und alevitischer Verbände gegenüber ATIB, und welche Kritik wird von dieser Seite gegebenenfalls an ATIB geäußert? Die Bundesregierung berichtet in den jährlichen Verfassungsschutzberichten seit 2011 kontinuierlich über die türkische rechtsextremistische Bewegung Ülkücü. Zuletzt hat die Bundesregierung im Verfassungsschutzbericht für 2015, S. 225 ff., 239 ff. diese Struktur eingehend erläutert. Zudem verweist die Bundesregierung im Sachzusammenhang auf die Drucksachen 18/5466, 18/499, 17/7624 und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9353 16/7682. Diese Berichterstattung referiert einen insgesamt im Wesentlichen seit Jahren stabilen Sachstand. Im Mai 2016 veröffentlichte die ATIB eine Presseerklärung, in der sie sich dagegen verwahrte, „fälschlicherweise in einen direkten Zusammenhang mit den sogenannten ‚Grauen Wölfen’ gebracht“ zu werden. Dass man mit den „Grauen Wölfen“ in „direkten Zusammenhang“ gebracht werde, empfinde man als Diffamierung . Vielmehr distanziere man sich „ als eine in Deutschland verortete Religionsgemeinschaft von jeglichem menschenverachtenden und rassistischen Gedankengut “ und bejahe die Vielfalt und weise die ständigen Vorwürfe scharf zurück . Die insgesamt vorliegenden Erkenntnisse lassen eine Bewertung unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeit nicht zu. 5. Inwieweit kann die Bundesregierung in der Vergangenheit und Gegenwart eine Anbindung oder grundsätzliche Sympathie der ATIB und ihrer führenden Funktionärinnen und Funktionäre zu welchen Parteien in der Türkei erkennen ? a) Inwieweit gehörten oder gehören welche führenden Funktionärinnen und Funktionäre wann welchen Parteien in der Türkei an, und welche Funktionen nahmen oder nehmen sie dort gegebenenfalls ein? b) Welche Politikerinnen und Politiker welcher Parteien aus der Türkei traten wo, wann und zu welchem Anlass innerhalb der letzten fünf Jahre bei oder zusammen mit Vereinen der ATIB auf? c) Inwieweit fanden anlässlich von Wahlen in der Türkei während der letzten fünf Jahre Informations- oder Wahlkampfveranstaltungen für türkische Parteien oder einzelne Politikerinnen und Politiker bei oder mit Mitgliedsvereinen der ATIB statt (bitte Verein, Partei bzw. Politiker/Politikerin , Datum und Anlass angeben)? d) Inwieweit sind der Bundesregierung Wahlaufrufe der ATIB oder von führenden Funktionärinnen und Funktionären des Verbandes zugunsten von Parteien oder Politikerinnen und Politikern in der Türkei bekannt? Anders als die ADÜTDF ist die ATIB nach derzeitigen Erkenntnissen keiner türkischen Partei zuzuordnen. Bei einem Auftritt des damaligen Ministerpräsidenten Erdogan in Karlsruhe am 7. Juni 2015 war das Logo der ATIB Teil der Hintergrunddekoration. Von Seiten der ATIB wurde im Nachgang jedoch erklärt, dass dies nicht mit dem Vorstand abgesprochen gewesen sei. Weitergehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. 6. An welchen Aufzügen des türkisch-nationalistischen Spektrums zu welchen Themen beteiligte sich die ATIB in den letzten fünf Jahren, und inwieweit waren dort andere Strömungen des Ülkücü-Spektrums vertreten (bitte Ort, Anlass, Thema und Zeitpunkt benennen)? Die ATIB beteiligte sich an einer Demonstration des türkischen-nationalistischen Spektrums in Stuttgart am 21. Dezember 2013 unter dem Motto „Schweige nicht zu den Grausamkeiten, die den Türken in unterschiedlichen Teilen der Welt angetan werden“ zugunsten türkischer Minderheiten im Nordirak/Syrien, Bergkarabach , Ostturkestan/Uiguren und Turkmenistan. Am 23. Juli 2014 fand in Bremen eine Kundgebung mit Aufzug unter dem Motto „Demonstration für Frieden und Gerechtigkeit in Palästina“ statt. Als einer von Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9353 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode mehreren Veranstaltern der Kundgebung trat die ATIB Bremen auf. Die Veranstaltung verlief mit ca. 5 000 Teilnehmern störungsfrei. An einer Demonstration des türkischen-nationalistischen Spektrums mit ähnlichem Tenor am 11. Juli 2015 in Stuttgart war die ATIB beteiligt. Erkenntnisse über Teilnehmer anderer Strömungen des Ülkücü-Spektrums liegen nicht vor. Die Teilnahme einzelner oder mehrerer ATIB-Mitglieder bei anderen Demonstrationen des türkisch–nationalistischen Spektrums, vor allem im Zusammenhang mit den sogenannten „Friedensmärschen“ im September 2015 und April 2016 kann nicht ausgeschlossen werden. Konkrete Erkenntnisse hierzu liegen nicht vor. 7. Inwieweit gab es während der letzten fünf Jahre Kooperationen zwischen der Bundesregierung bzw. Bundesbehörden und der ATIB (bitte Kooperationen einzeln ausführen)? a) Inwieweit wurde eine mögliche Zugehörigkeit der ATIB zum Ülkücü- Spektrum im Vorfeld möglicher Kooperationen von Seiten der Bundesregierung problematisiert? b) Inwieweit hat sich die ATIB um Bundesmittel aus welchen Bundesprogrammen beworben, und inwieweit und in welcher Höhe wurden ihr solche genehmigt? c) An welchen von der Bundesregierung, von Bundesministerien oder Bundesbehörden unterstützten Projekten oder Veranstaltungen beteiligte sich die ATIB? d) Inwieweit und in welchen Fällen war eine mögliche Zugehörigkeit der ATIB zum Ülkücü-Spektrum nach Kenntnis der Bundesregierung ausschlaggebend für eine Ablehnung einer beantragten Förderung der ATIB oder eines Projektes der ATIB durch Bundesmittel? Das Bundesministerium des Innern (BMI) kooperiert nicht unmittelbar mit der ATIB. Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist die ATIB als Einsatzstelle im Bundesfreiwilligendienst für das Sonderprogramm Bundesfreiwilligendienst (BFD) mit Flüchtlingsbezug am 11. Februar 2016 befristet anerkannt worden. Derzeit leisten dort drei Freiwillige einen Bundesfreiwilligendienst . Bisher wird der Bundesfreiwilligendienst durch die vom Bund gezahlten Erstattungen zum Taschengeld, der Sozialversicherung und die Zuschüsse zur pädagogischen Begleitung der Freiwilligen mit rd. 12 000 Euro gefördert. Darüber hinaus verfügt die Bundesregierung über keine für die Beantwortung von Frage 7 einschlägigen Informationen. 8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung angesichts des Einflusses der ATIB auf den ZMD und der Tatsache, dass mit Mehmet Alparslan Celebi dort ein führender Funktionär der ATIB einen Vizevorsitzenden stellt bezüglich ihrer Kooperation mit dem ZMD? Der Zentralrat der Muslime (ZMD) ist ein heterogen zusammengesetzter Verband und als solcher kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden. Die in der Frage genannte Person ist bisher als Vertreter des ZMD gegenüber dem BMI nicht in Erscheinung getreten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9353 9. Inwieweit kann die Bundesregierung in der nachweislichen Herkunft und möglichen weiteren Zugehörigkeit der ATIB zum rechtsextremen Ülkücü- Spektrum und der Teilnahme des Verbandes an Aufzügen gegen Gewalt, Rassismus und Terror einen Widerspruch erkennen? Soweit sich Vereinigungen in Widerspruch zu ihrem eigenen Selbstverständnis setzen, bewertet die Bundesregierung dies im Rahmen dessen, was für eine Entscheidung über Kooperationsbeziehungen insgesamt erforderlich ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. a) Für wie glaubwürdig hält die Bundesregierung das öffentliche Bekenntnis der ATIB zu Demokratie und gegen Gewalt, Terrorismus, Faschismus und Rassismus angesichts der Herkunft und möglichen weiteren Zugehörigkeit des Verbandes zum Ülkücü-Spektrum? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. b) Inwieweit sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen ihrem antiextremistischen Selbstverständnis und dem gemeinsamen Auftreten von Regierungsvertreterinnen und -vertretern auf einer von ATIB unterstützten Kundgebung gegen Terror am 13. Januar 2015 am Brandenburger Tor? Die ATIB gehörte nicht zu den Kooperationspartnern der Kundgebung am 13. Januar 2015. 10. Inwieweit sieht die Bundesregierung die von ATIB vertretene Ideologie und das praktische Wirken des Verbandes grundsätzlich als integrationshemmend oder integrationsförderlich an, und welche Schlussfolgerungen zieht sie gegebenenfalls daraus für mögliche Kooperationen? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 11. Inwieweit und in welcher Form beteiligten sich ATIB und ihre Mitgliedsvereine nach Kenntnis der Bundesregierung an der Betreuung von Flüchtlingen? Über die in der Antwort zu Frage 7 genannte Beteiligung hinaus ist der Bundesregierung keine Beteiligung der ATIB oder ihrer Mitgliedsvereine an der Betreuung von Flüchtlingen bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9353 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Welche Haltung nahm ATIB nach Kenntnis der Bundesregierung zur Debatte und Annahme des Antrages zum Völkermord an den Armeniern (Bundestagsdrucksache 18/8613) durch den Deutschen Bundestag ein, und inwieweit beteiligten sich ATIB oder führende Funktionärinnen und Funktionäre der Föderation an diesbezüglichen Protestkundgebungen oder an Protestschreiben an Mitglieder des Deutschen Bundestages? Der Vorsitzende der ATIB äußerte sich im Nachgang zur Armenienresolution des Deutschen Bundestags verärgert. Auf der ATIB Homepage veröffentlichte er eine Stellungnahme unter dem Titel: „Wer hat ihnen diese Berechtigung gegeben?“. Der Deutsche Bundestag habe mit seiner Resolution „am 2. Juni 2016 nicht nur gegen die in der Türkei lebenden Türken, sondern auch gegen Millionen im Ausland lebenden Türken ein politisches Urteil gefällt.“ Im Jahr 2012 wurde die ATIB-Jugend in der Argumentation gegen den Vorwurf des Genozids an den Armeniern geschult, 2014 gab es eine ähnliche Veranstaltung während eines Bildungslagers des hessischen Jugendverbandes der ATIB. 13. In wie vielen und welchen ATIB-Moscheen sind nach Kenntnis der Bundesregierung Religionsbeamte des dem türkischen Ministerpräsidenten unterstehenden Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Diyanet Işleri Başkanliǧi ) als Imame beschäftigt, und wie werden diese finanziert? In Gemeinden der ATIB sind nach Angaben der Botschaft der Republik Türkei (Stand April 2015) 25 Imame beschäftigt, die vom Präsidium für Religionsangelegenheiten der Republik Türkei entsandt wurden. 14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Beziehungen des früheren ADÜTDF-Vorsitzenden und später Gründungs- sowie anschließend Ehrenvorsitzenden der ATIB Musa Serdar Celebi zum Graue-Wölfe- Aktivisten und Papst-Attentäter Mehmet Ali Aǧca und möglichen Verwicklungen Musa Serdar Celebis in den Anschlag auf Papst Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 in Rom? Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor, die im Sinne der Fragestellung für eine Verwicklung Celebis in den Anschlag auf Papst Johannes Paul II. sprechen würden. 15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Rolle des BND bei der Etablierung der ADÜTDF in der Bundesrepublik Deutschland, über die im deutsch-türkischen Onlinemagazin „Kozmopolit“ sowie einem Standardwerk zur Geschichte der Grauen Wölfe berichtet wird (www.kozmopolit .com/haziran03/Dosya/islamistenmhp.html; Fikret Aslan/Kemal Bozay/ Talat Turhan/Sedar Celik: Graue Wölfe heulen wieder, Münster, 1997)? a) Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass der im Dezember 1980 verstorbene Historiker und damalige Stadtverordnete der CDU in Schwalmstadt, Dr. Hans-Eckhardt Kannapin, Mitarbeiter des BND und dessen Türkei-Experte war? Dr. Hans-Eckhardt Kannapin war nicht Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und nicht dessen Türkeiexperte. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9353 b) In welcher Beziehung stand Dr. Hans-Eckhardt Kannapin nach Kenntnis der Bundesregierung zum Bundesamt für Verfassungsschutz? Dem Bundesamt für Verfassungsschutz liegen keine Informationen mehr vor, aus denen sich die Frage beantworten ließe. c) Welche genaue Rolle spielte Dr. Hans-Eckhardt Kannapin bei den Kontakten zwischen dem BND und dem Bundesamt für Verfassungsschutz mit der MHP aus der Türkei? d) Trifft es zu, dass Dr. Hans-Eckhardt Kannapin den damaligen Vertreter der MHP in Deutschland, Enver Atayli, am 4. Mai 1976 dem Leiter der Türkei- Abteilung eines bundesdeutschen Nachrichtendienstes in Köln vorstellte? Wenn ja, in welcher Funktion tat Dr. Hans-Eckhardt Kannapin dies, und um welchen Nachrichtendienst handelte es sich dabei (www.nytimes.com/ 1981/05/19/world/germany-finds-no-evidence-accused-turk-lived-there. html?pagewanted=print)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. e) Trifft es zu, dass Dr. Hans-Eckhardt Kannapin den Saal angemietet hatte, in dem die ADÜTDF am 17./18. Juni 1978 in Schwarzenborn gegründet wurde? Wenn ja, inwiefern handelte Dr. Hans-Eckhardt Kannapin dabei im Auftrag , mit Wissen oder in Absprache mit dem BND oder einer anderen Bundesbehörde (bitte benennen), und welches Ziel wurde damit verfolgt? Auf die Beantwortung der Frage 15a wird verwiesen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor. f) Inwieweit ist der Bundesregierung die damalige Existenz eines „Türkei- Instituts“ in der Wohnung des Dr. Hans-Eckhardt Kannapin in der Mainzer Gasse 2 in Schwalmstadt bekannt, welche Aufgabe hatte dieses „Türkei -Institut“ gegebenenfalls, inwieweit wurde dieses im Auftrag, mit Wissen oder Absprache des BND oder einer anderen Bundesbehörde (bitte benennen) betrieben, und wie wurde es gegebenenfalls finanziert? g) Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass Dr. Hans-Eckhardt Kannapin dem ersten Vorsitzenden der ADÜTDF, Lokman Kundakçi, und dessen Nachfolger, Musa Serdar Celebi, durch eine Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiter in einem „Türkei-Institut“ in der Wohnung Dr. Hans-Eckhardt Kannapins zu einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland verhalf? Wenn ja, inwieweit geschah dies mit Wissen, im Auftrag oder in Absprache mit dem BND oder einer anderen Bundesbehörde (bitte benennen), und aufgrund welcher Überlegungen? h) Welcher Art waren die von der „New York Times“ am 19. Mai 1981 behaupteten Kontakte türkischer rechtsextremistischer Gruppierungen zum Bundesamt für Verfassungsschutz, und wann und auf welche Weise und mit welchem Ziel wurden diese Kontakte aufgenommen (www.nytimes. com/1981/05/19/world/germany-finds-no-evidence-accused-turk-livedthere .html?pagewanted=print)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333