Deutscher Bundestag Drucksache 18/938 18. Wahlperiode 27.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Katrin Kunert, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/748 – Nationales Hochwasserschutzprogramm Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Als Konsequenz aus den verheerenden Überschwemmungen im letzten Sommer hat die Umweltministerkonferenz (UMK) am 2. September 2013 beschlossen , ein nationales Hochwasserschutzprogramm zu erarbeiten. Auf der Basis einer umfassenden Fehleranalyse sollen vordringliche Maßnahmen ermittelt werden, die gemeinsam angepackt werden müssen, um ähnliche Katastrophen in der Zukunft zu verhindern. Dazu sei ein nationales Hochwasserschutzprogramm notwendig. Nach Darstellung der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Koblenz und des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach war die jüngste Flut an Elbe und Donau ein Jahrhundertphänomen. An der Elbe wurden zwischen Coswig in Sachsen-Anhalt und Lenzen in Brandenburg die höchsten jemals gemessenen Wasserstände registriert. Eine aus Tschechien kommende Flutwelle traf auf das Hochwasser der Flüsse Mulde und Saale. Der entstandene Scheitel an der Elbe erreichte „bisher nicht bekannte Ausmaße“. Auch an der Saale wurden die vormaligen Hochwasserspitzen in weiten Teilen überschritten (vgl. DER TAGESSPIEGEL vom 27. Juni 2013). Der Dammbruch im sachsen-anhaltischen Fischbeck am 10. Juni 2013 verdeutlicht die Notwendigkeit eines länderübergreifenden Hochwasserschutzes. Bereits im Juni 2013 stellte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Magdeburg, Wolfgang März, vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestags fest, dass Sachsen-Anhalt verstärkt vom Hochwasser betroffen war. Die hohen Investitionen in den sächsischen Deichbau nach der Katastrophe im Jahr 2002 haben nach Einschätzung von Wolfgang März zu den Hochwasserereignissen in Sachsen-Anhalt deutlich beigetragen (vgl. ebd.). Die vermehrte Eindeichung am Oberlauf der Elbe als Konsequenz aus dem Hochwasser im Jahr 2002 führte zu einer Verschiebung des Hochwasserereignisses im Jahr 2013 von Sachsen nach Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 25. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Sachsen-Anhalt. Damit sich solche Verschiebungen nicht wiederholen, fordern Bürgerinnen und Bürger einen länderübergreifenden Hochwasserschutz. Eine Bürgerinitiative aus dem sachsen-anhaltischen Bitterfeld setzt sich für die Entlastung des Großen Goitzschesees ein und forciert den Ausbau von gesteuerten Drucksache 18/938 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Überschwemmungsgebieten in Sachsen. Ferner fordern die Bürgerinnen und Bürger ein Mitspracherecht bei künftigen Hochwasserschutzmaßnahmen (vgl. Mitteldeutsche Zeitung vom 7. Januar 2014). Da das Jahrhunderthochwasser deutlich gezeigt hat, dass Hochwasserkatastrophen nicht an Ländergrenzen Halt machen, ist die Erarbeitung eines nationalen Hochwasserschutzprogramms notwendig geworden. Die Sonderumweltministerkonferenz Hochwasser (SonderUMK) zur Erarbeitung dieses nationalen Hochwasserschutzprogramms am 2. September 2013 in Berlin war ein erster Schritt. Neben einem länderübergreifenden Hochwasserschutz als wesentlichen Forderungspunkt spricht sich die SonderUMK für gesetzlich verankerte verfahrensrechtliche Regelungen sowie informelle Formen der Bürgerbeteiligung für eine zügige Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen aus (vgl. SonderUMK 2. September 2013). An den Bund formulierte die SonderUMK verschiedene Forderungen: – Der Bund möge die im Jahre 2011 erfolgte Kürzung zurücknehmen und zusätzliche Haushaltsmittel in angemessener Höhe zweckgebunden zur Umsetzung des nationalen Hochwasserprogramms bereitstellen. – Der Bund möge Vorschläge für eine gemeinsame Finanzierungsstrategie unterbreiten und auch die Möglichkeit der Einrichtung eines Sonderrahmenplanes prüfen. – Der Bund möge die Fördermöglichkeiten der Europäischen Union (EU) in weitestgehendem Umfang nutzen, um das nationale Hochwasserschutzprogramm voranzubringen (vgl. ebd.). 1. Wann wird die Bundesregierung das nationale Hochwasserschutzprogramm vorlegen? Derzeit wird auf Bund-Länder-Ebene an einem Programmvorschlag für ein Nationales Hochwasserschutzprogramm gearbeitet. Laut Beschluss der SonderUMK vom 2. September 2013 soll dieser bis zur Herbst-UMK 2014 vorgelegt werden. Dem Sonder-UMK-Beschluss entsprechend wird dieser Vorschlag eine Liste prioritärer und insbesondere überregionaler Maßnahmen zur Verbesserung des präventiven Hochwasserschutzes, insbesondere zur Gewinnung von Rückhalteräumen mit signifikanter Wirkung auf die Hochwasserscheitel und zur Beseitigung von Schwachstellen bei vorhandenen Hochwasserschutzmaßnahmen sowie einen Vorschlag für eine gemeinsame Finanzierungsstrategie enthalten. 2. Welche Vorschläge für Maßnahmen sind der Bundesregierung bekannt, die zum länderübergreifenden Hochwasserschutz beitragen können und in das nationale Hochwasserschutzprogramm aufgenommen werden sollen? Auf der Grundlage von zwischen Bund und Ländern abgestimmten Bewertungskriterien prüfen die Länder derzeit, welche Maßnahmen für die Aufnahme in das Nationale Hochwasserschutzprogramm in Betracht kommen. Die Maßnahmenvorschläge sind anschließend noch einer Abstimmung zwischen den Ländern und einer Plausibilisierung in den Flussgebietsgemeinschaften zu unterziehen. Daher sind der Bundesregierung derzeit noch keine verbindlichen Vorschläge für Maßnahmen, die in das Nationale Hochwasserschutzprogramm aufgenommen werden sollen, bekannt. 3. Wie sollen die Maßnahmen finanziert werden? Der Koalitionsvertrag sieht die Einrichtung eines Sonderrahmenplans „Präven- tiver Hochwasserschutz“ vor. Fragen zu dessen Ausgestaltung und Budgetierung sind Teil der Arbeiten zum Nationalen Hochwasserschutzprogramm. Auf die Antwort zu Frage 1 wird insofern verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/938 4. Mit welchem Anteil wird sich die Bundesregierung an der Finanzierung von Hochwasserschutzmaßnahmen, die dem nationalen Hochwasserschutzprogramm entsprechen, beteiligen? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. In welchem Planungs- oder Umsetzungsstatus befindet sich das Hochwasserschutzprogramm , und ab welchem Zeitpunkt ist geplant, mit der Umsetzung der Maßnahmen zu einem länderübergreifenden Hochwasserschutz zu beginnen? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 6. Von welchem Personenkreis, von welchen Institutionen und Behörden wurden bisher Maßnahmen zu einem länderübergreifenden Hochwasserschutz erarbeitet, und wie erfolgt die Abstimmung zur Umsetzung und Finanzierung zwischen Bund und Ländern? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 7. Welche gesetzlich verankerten verfahrensrechtlichen Regelungen plant die Bundesregierung in Kooperation mit den Ländern mit dem nationalen Hochwasserschutzprogramm einzuführen und umzusetzen? Nach dem Koalitionsvertrag (Seite 120) sollen für den Bau von Hochwasserschutzanlagen die Möglichkeiten für beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren ausgeschöpft werden. Hierzu sollen gemeinsam mit den Ländern sowohl bundes- wie landesrechtliche Regelungen auf den Prüfstand gestellt und angepasst werden. Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) vom 13. Juni 2013 hat anlässlich der Hochwasserereignisse von Juni 2013 beschlossen, dass Bund und Länder die Änderung relevanter Vorschriften mit dem Ziel einer Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung für Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes anstreben . Die MPK vom 23. bis 25. Oktober 2013 hat, unter Bezugnahme auf die MPK vom 13. Juni 2013, die UMK um Empfehlungen für eine Optimierung von Genehmigungsverfahren für den Hochwasserschutz bis Dezember 2014 gebeten . Die Vollversammlung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), in der auch der Bund vertreten ist, hat am 26./27. September 2013 den Beschluss der MPK vom 13. Juni 2013 und den Beschluss der Sonder-UMK vom 2. September 2013 (Nummer 13) aufgegriffen und den LAWA-Ausschuss Wasserrecht gebeten , die für den Hochwasserschutz maßgeblichen Regelungen zu überprüfen und das Ergebnis der Überprüfung zur 148. LAWA-VV im September 2014 vorzulegen . Inhaltlich geht es in diesem Zusammenhang zum einen um verfahrensund prozessrechtliche Möglichkeiten der Straffung von Zulassungsverfahren für Maßnahmen des vorsorgenden Hochwasserschutzes. Zum anderen soll überprüft werden, ob das bestehende wasserrechtliche, baurechtliche und raumordnungsrechtliche Instrumentarium des vorsorgenden Hochwasserschutzes ausreicht , um den Zielsetzungen des Hochwasserschutzprogramms Rechnung zu tragen. Auch die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Formen der Bürgerbeteiligung werden in die Beratungen einbezogen. Zudem führt die LAWA einen Erfahrungsaustausch der Länder zur effizienten Durchführung von Zulassungsverfahren für Hochwasserschutzmaßnahmen durch. Drucksache 18/938 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Hält die Bundesregierung im Rahmen des nationalen Hochwasserschutzprogramms die Einrichtung einer nationalen Stabsstelle für sinnvoll? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, a) wo soll diese Stabsstelle angesiedelt werden, b) welche Personen, Institutionen und Behörden sollen daran beteiligt werden, c) wie hoch wird der jährliche Finanzbedarf dieser Stabsstelle sein, d) in welcher Höhe werden Personalkosten für diese Stabsstelle jährlich eingeplant, e) mit welchen Handlungsvollmachten soll diese Stabsstelle gegenüber den Ländern ausgestattet werden? Zur Stärkung der Koordinierungskapazität des Bundes wird im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bauen und Reaktorsicherheit ein Referat Hochwasserschutz eingerichtet. Die Schaffung einer Stabsstelle ist derzeit nicht vorgesehen . 9. Wie sollte nach Ansicht der Bundesregierung eine umfassende Beteiligung der verschiedenen Interessenverbände und Bürgerinitiativen beim Bau von Hochwasserschutzanlagen aussehen und gewährleistet werden? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 10. Welche neuen Bürgerbeteiligungsverfahren und verfahrensrechtlichen Regelungen bei der Planung und Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen plant die Bundesregierung über die gesetzlich verankerten hinaus in die Erarbeitung des nationalen Hochwasserschutzprogramms einzubeziehen ? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 11. a) Um welche Kürzungen des Bundes im Jahr 2011, welche laut SonderUMK zurückgenommen werden sollen, handelt es sich? Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes “ (GAK) wurde im Haushaltsjahr 2011 mit Bundesmitteln (Ausgaben) in Höhe von effektiv 600 Mio. Euro ausgestattet. Dies bedeutete einen Rückgang gegenüber dem Jahr 2010 (effektiv 700 Mio. Euro) um 100 Mio. Euro. b) Mit welcher Begründung erfolgte diese Kürzung? Die Kürzung war Teil des vom damaligen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geleisteten notwendigen Beitrags zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes. c) Wurden oder werden diese Kürzungen, wie von der SonderUMK angestrebt , zurückgenommen, und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? Auch in den Jahren 2012 und 2013 wurden für die GAK Bundesmittel in Höhe von jeweils effektiv 600 Mio. Euro veranschlagt. In dem vom Bundeskabinett am 12. März 2014 beschlossenen zweiten Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2014 sind für die GAK ebenfalls Ausgaben in Höhe von effektiv 600 Mio. Euro vorgesehen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/938 12. Wie sieht die Finanzierungsstrategie des Bundes für ein nationales Hochwasserschutzprogramm aus? a) Für welchen Zeitraum ist eine Finanzierung geplant? b) In welcher Höhe? c) Wie werden die Finanzmittel verteilt? d) Wie hoch ist der Eigenanteil der Länder oder Kommunen? e) Welche Zugangskriterien und Voraussetzungen wird es nach derzeitigem Stand geben? Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 3 wird verwiesen. 13. Ist ein Sonderrahmenplan zur Gefahrenabwehr von Hochwasser geplant, und wenn ja, wann wird er vorgelegt? Laut Koalitionsvertag ist die Einrichtung eines Sonderrahmenplans „Präventiver Hochwasserschutz“ geplant (siehe Antwort zu Frage 3). 14. Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, a) welche Maßnahmen sollen in diesem Sonderrahmenplan gesetzlich verankert werden, b) welche Personen sollen Handlungsvollmachten im Rahmen dieses Sonderrahmenplans erhalten und mit welcher Begründung? Auf die Antworten zu den Fragen 3 und 13 wird verwiesen. 15. Welche Informationen hat die Bundesregierung zu den Maßnahmen, die der Bundesrat für einen effektiven und nachhaltigen Hochwasserschutz als notwendig erachtet? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Kosten durch Hochwasser in den vergangenen zehn Jahren in der EU? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Zahlen zu durch Hochwasser in den vergangenen zehn Jahren in der EU verursachten Schäden vor. Die Bundesregierung hat Kenntnis von der „Study on Economic and Social Benefits of Environmental Protection and Ressource Efficiency Related to the European Semester“, die die Europäische Kommission im Zuge des Europäischen Semesters in Auftrag gegeben und im Februar 2014 veröffentlicht hat. Diese Studie befasst sich auch mit Fragen der sozialen und monetären Auswirkungen von Hochwasserereignissen in der EU seit dem Jahr 2002. Darin schätzt die Europäische Kommission die Kosten für Hochwasserschäden innerhalb der Europäischen Union in den Jahren 2002 bis 2013 auf 72 Mrd. Euro, wovon 19 Mrd. Euro auf Deutschland entfallen. Der Bundesregierung liegen keine Informationen bezüglich der Validität der von der Europäischen Kommission veröffentlichten Zahlen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor. Aus dem EU-Solidaritätsfonds können die betroffenen Mitgliedstaaten Hilfen beantragen, wenn ihre Schäden den Schwellenwert zur Mobilisierung von 0,6 Prozent des jeweiligen nationalen Bruttonationaleinkommens bzw. von Drucksache 18/938 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3 Mrd. Euro in Preisen von 2002 überschreiten, oder bei geringeren Schäden unter die Voraussetzungen des Kriteriums „außergewöhnliche regionale Katastrophe “ bzw. das „Nachbarschaftskriterium“ fallen. Von den Mitgliedsländern und Beitrittsländern der Europäischen Union wurden nach Hochwasserereignissen Anträge mit einer Schadenssumme von insgesamt ca. 36,8 Mrd. Euro gestellt . 17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Menschen von Hochwasser in den vergangenen zehn Jahren in der EU betroffen waren? Auf die Antwort zu Frage 16 wird verwiesen. 18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, auf welche Höhe sich die Ausgaben für den Hochwasserschutz in den vergangenen zehn Jahren in der EU beliefen (sofern vorhanden, bitte nach Mitgliedstaaten aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen keine Zahlen zu den Hochwasserschutzinvestitionen in anderen Mitgliedstaaten vor. 19. Welche Fördermöglichkeiten der EU plant die Bundesregierung, wie von der SonderUMK angeregt, für den nationalen Hochwasserschutz zu nutzen ? Maßnahmen zum Hochwasserschutz sind im Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) auch in der künftigen Förderperiode (2014 bis 2020) förderfähig . Entsprechende Maßnahmen können im Rahmen der Investitionspriorität „Förderung der Anpassung an den Klimawandel sowie der Risikoprävention und des Risikomanagements“ gefördert werden (vgl. Artikel 5 Absatz 5 VO Nr. 1301/2013 vom 17. Dezember 2013, veröffentlicht im EU-Amtsblatt L 347/ 289 vom 20. Dezember 2013). Die EFRE-Mittel werden in Deutschland in der Förderperiode 2014 bis 2020 ausschließlich von den Bundesländern verwaltet. Es obliegt somit den Bundesländern, entsprechende Fördermöglichkeiten für Hochwasserschutz in ihren Operationellen Programmen zu verankern. 20. Welche Priorität räumt die Bundesregierung dem präventiven, ökologischen Hochwasserschutz im Verhältnis zum technischen Hochwasserschutz im nationalen Hochwasserschutzprogramm ein, und wie soll sich das im nationalen Hochwasserschutzprogramm widerspiegeln? Die Sonder-UMK vom September 2013 hat bereits grundsätzlich die Prioritäten für die Auswahl der Maßnahmen für das Nationale Hochwasserschutzprogramm festgelegt (siehe Antwort zu Frage 1). Danach sollen in das Nationale Hochwasserschutzprogramm Maßnahmen zur Verbesserung des präventiven Hochwasserschutzes , insbesondere zur Gewinnung von Rückhalteräumen mit signifikanter Wirkung auf die Hochwasserscheitel sowie Maßnahmen zur Beseitigung von Schwachstellen bei vorhandenen Hochwasserschutzmaßnahmen aufgenommen werden. Eine Sonderarbeitsgruppe der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser hat zwischenzeitlich Bewertungskriterien für die Auswahl dieser Maßnahmen erarbeitet. Zu den Bewertungskriterien zählen neben der Wirksamkeit bezogen auf die im § 73 Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) genannten Schutzgüter insbesondere mit den Maßnahmen zu errei- chende Synergieeffekte mit Zielen des Gewässer- und Auenschutzes. Maß- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/938 nahmen der Schwachstellenbeseitigung sind in der Regel technische Schutzmaßnahmen . Solche sind allerdings auch bei deutlicher Verbesserung des Hochwasserrückhalts dort weiter notwendig, wo hohe Schadenspotentiale bestehen. 21. Erachtet die Bundesregierung eine Harmonisierung der Hochwasserwarnstufen für notwendig? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie soll die Neuausrichtung der Hochwasserwarnstufen ausgestaltet werden, und bis wann plant die Bundesregierung diese Harmonisierung ? Die Bundesregierung hält eine Harmonisierung der Hochwasserwarnstufen für sinnvoll. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass eine Harmonisierung der Hochwasserwarnstufen in die Zuständigkeit der Länder fällt. 22. Hält die Bundesregierung einen Vorrang des Hochwasserschutzes bei der Flächennutzung für notwendig? Wenn ja, wie ist dazu die Strategie der Bundesregierung, und wie will sie diese gewährleisten? Wenn nein, warum nicht, und mit welchen anderen Regelungen will sie die Konflikte lösen? Die Bundesregierung hält einen Vorrang für den Hochwasserschutz bei der Flächennutzung dort, wo die Freihaltung von Flächen oder die Einschränkung oder Untersagung anderer Nutzungen für den vorsorgenden Hochwasserschutz zum Wohl der Allgemeinheit notwendig ist, für gerechtfertigt. Die Festlegung entsprechender Vorranggebiete in Raumordnungsplänen liegt in der Verantwortung der Länder. Dasselbe gilt für die Durchsetzung der Schutzvorschriften in Überschwemmungsgebieten (§ 78 WHG). Im Übrigen setzt sich die Bundesregierung dafür ein, eine Zustimmung der Länderkammer für die Verabschiedung einer Bundeskompensationsverordnung gemäß § 15 Absatz 7 des Bundesnaturschutzgesetzes auf Basis des vom Bundeskabinett am 24. April 2013 beschlossenen Entwurfs zu erlangen. Ziel ist eine Verordnung mit breitem Anwendungsbereich zum Ausgleich von Eingriffen. Damit können naturschutzfachlich erforderliche Verbesserungen des ökologischen Zustandes von Flussauen als Kompensationsmaßnahme ausgestaltet werden, die zugleich die Erfordernisse des Hochwasserschutzes unterstützen (siehe auch Antwort zu Frage 28). Gleichzeitig soll durch die Anrechenbarkeit solcher Maßnahmen die Mittelverfügbarkeit zur Hochwasserprävention ergänzt und Flächennutzungskonkurrenzen verringert werden. 23. Hält die Bundesregierung ein Moratorium für den Verkauf von für den Hochwasserschutz geeigneten Flächen durch Bund, Länder und Wirtschaftsunternehmen für notwendig, um diese als potenzielle Überschwemmungsflächen zu sichern? Wenn ja, wird sie sich dafür einsetzen, dies auch im Vorgriff auf Maßnahmen im nationalen Hochwasserschutzprogramm zu regeln? Wenn nein, warum nicht? Bei der Erarbeitung des Nationalen Hochwasserschutzprogramms wird die Gewinnung von Rückhalteräumen einen wesentlichen Schwerpunkt bilden. Inso- weit ist nach flächenkonkreten Planungen für Rückhalteräume die Verfügbarkeit von Flächen ein entscheidender Faktor für die spätere Realisierung, nicht nur Drucksache 18/938 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode unmittelbar an den Gewässern, sondern auch im Hinterland als mögliche Tauschflächen. Ausgehend von einer flächenkonkreten Planung wird auch seitens der öffentlichen Hand zu prüfen sein, ob und wie für diese Zwecke gezielt geeignete Flächen zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden können. Bei der Inanspruchnahme von benötigten Grundstücken, die nicht der öffentlichen Hand gehören, ist der grundgesetzlich verbürgte Schutz des Eigentums zu beachten, wobei eine gerechte Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der betroffenen Beteiligten stattfinden muss. Die Bundesregierung wird die Flächenverfügbarkeit in den weiteren Diskussionen zur Erarbeitung des Nationalen Hochwasserschutzprogramms zur Sprache bringen. 24. Welche Position hat die Bundesregierung zu Überlegungen zur beschleunigten Planung von Baumaßnahmen von technischen Hochwasserschutzanlagen an den Flüssen, und wird sie solche Gesetze selbst initiieren? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 25. Hält die Bundesregierung im künftigen Hochwasserschutzprogramm ein Recht auf frühzeitige Information aller potentiell Betroffenen für sinnvoll, und welche Regelungen wird sie initiieren, die dies garantieren? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. 26. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass für die Realisierung von ökologischen Hochwasserschutzmaßnahmen mehr Personal und Finanzmittel zur Verfügung stehen müssen? Wenn ja, wie viel Personal ist aus Sicht der Bundesregierung dafür notwendig , wie unterscheidet sich diese Zahl vom aktuellen Stand, und wie hoch schätzt die Bundesregierung die nötige Erhöhung der Finanzmittel für einen ökologischen Hochwasserschutz ein? Wenn nein, warum nicht? Die Hochwasservorsorge in Deutschland fällt in die Vollzugs- und Finanzierungskompetenz der Bundesländer. Eine Beurteilung der Notwendigkeit, mehr Personal und Finanzmittel zur Realisierung von ökologischen Hochwasserschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, ist dementsprechend nicht Aufgabe der Bundesregierung. 27. Hat die Bundesregierung Daten über das Verhältnis zwischen dem Finanzaufwand zur Schadensbeseitigung nach Hochwasserereignissen seit dem Jahr 2002 und den Kosten für einen vorsorgenden ökologischen Hochwasserschutz ? Wenn ja, wie hoch ist der bisherige Finanzaufwand für die Schadensbeseitigung , und wie hoch der Finanzaufwand für den ökologischen Hochwasserschutz ? Die Bundesregierung verfügt über keine expliziten Zahlen zu Kosten für den vorsorgenden ökologischen Hochwasserschutz. Im Rahmen der Berichterstattung über den Vollzug der GAK werden die öffentlichen Ausgaben für Hochwasserschutzmaßnahmen (GAK Bund und Länder, EU-Mittel) ausgewiesen. Diese betrugen in den Jahren 2002 bis 2012 knapp 2,1 Mrd. Euro. Der Bundesregierung liegen keine endgültigen Zahlen hinsichtlich des Finanz- aufwands zur Schadensbeseitigung nach Hochwasserereignissen vor. Gegenüber der EU wurden von Deutschland zwischen den Jahren 2002 und 2013 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/938 Schäden in Höhe von ca. 18,2 Mrd. Euro gemeldet. Die Europäische Kommission schätzt in der im Jahr 2014 erschienenen „Study on Economic and Social Benefits of Environmental Protection and Ressource Efficiency Related to the European Semester“ die Hochwasserschäden in Deutschland zwischen den Jahren 2002 und 2013 in einem konservativen Ansatz auf 19 Mrd. Euro. Tabelle: Öffentliche Ausgaben für Hochwasserschutzanlagen und Schadensmeldungen Deutschlands für Hochwasserschäden ggü. dem EU-Solidaritätsfonds Quellen: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Berichterstattung zum Vollzug der GAK 2002-2011 Europäische Kommission (2013): Bericht der Kommission: Solidaritätsfonds der Europäischen Union – Jahresbericht 2012 Bundesministerium der Finanzen (2013): Application from Germany of 24 July 2013 for funding from the European Union Solidarity Fund for efforts to combat the damage caused by flooding in several Länder between 18 May and 26 June 2013. Wenn nein, wie schätzt die Bundesregierung das Verhältnis zwischen diesen beiden Posten ein? Erfahrungen zeigen, dass die im Nachgang zu den Extremhochwassern in den Jahren 2002 und 2006 getätigten Investitionen in Hochwasserschutzmaßnahmen bei dem Hochwasser im Juni 2013 erneute hohe Schäden in den entsprechenden Bereichen vermieden haben. Kosten-Nutzen-Betrachtungen im Zusammenhang mit der Planung und Realisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen weisen regelmäßig Schadensvermeidungspotentiale auf, die um ein Mehrfaches über den Investitions- und Unterhaltungskosten liegen. 28. Wann und wie wird die Bundesregierung das in der nationalen Biodiversitätsstrategie angekündigte Auenprogramm als wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz umsetzen bzw. dies veranlassen? In der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt hat die Bundesregierung am 7. November 2007 folgendes Handlungsziel beschlossen: „Bundesweite Erfassung des ökologischen Zustandes von Flussauen im Rahmen eines nationalen Auenprogramms bis 2009“. Bei diesem nationalen Auenprogramm handelt es sich um ein Forschungsprogramm „Flussauen in Deutschland“, das im Jahr 2009 Jahr Öffentliche Ausgaben für Hochwasserschutzanlagen (GAK Bund und Land, EU-Mittel) in Mio. Euro Schadensmeldungen für Hochwasserschäden ggü. EU-Solidaritätsfonds in Mio. EUR 2002 145,5 9 100,0 2003 144,5 2004 124,3 2005 151,4 2006 144,4 2007 179,1 2008 238,4 2009 222,3 2010 228,8 937,7 2011 236,9 2012 239,0 (vorläufig) 2013 liegen noch nicht vor 8 154,0 Gesamt 2 054,6 18 191,7 mit der Vorlage des Auenzustandsberichts abgeschlossen wurde. Zu Maßnahmen zur Umsetzung des Flussauenprogrammes siehe auch Antwort zu Frage 22. Drucksache 18/938 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 29. Welche Voraussetzungen sind der Bundesregierung für einen effektiven Wasserrückhalt in der Fläche bekannt, und welche Maßnahmen will sie ergreifen, um einen optimalen Wasserrückhalt in der Fläche zu fördern? Wesentliche Voraussetzung für einen effektiven Hochwasserrückhalt ist die Verfügbarkeit von Flächen für die Schaffung von gesteuerten oder ungesteuerten Rückhalteräumen bzw. zur Vorhaltung von Notflutungsräumen bei Extremhochwässern . Das Bundesraumordnungsgesetz sieht hierzu vor, in Raumordnungsplänen Festlegungen zu entsprechenden Freiräumen für die Gewährleistung des vorsorgenden Hochwasserschutzes zu treffen und Vorranggebiete hierfür auszuweisen . Dies liegt in der Zuständigkeit der Länder. Das WHG verpflichtet zudem zur Erhaltung von Überschwemmungsgebieten in ihrer Funktion als Rückhalteflächen sowie zur Rückgewinnung als Rückhalteflächen geeigneter früherer Überschwemmungsgebiete. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Freiräume für konkrete Maßnahmen des Hochwasserrückhaltes (Deichrückverlegungen , Polderbau etc.) muss aber gegenüber den jeweiligen Flächeneigentümern im Einzelfall durchgesetzt werden. Hierzu sind vertragliche Vereinbarungen zu treffen oder Enteignungsverfahren durchzuführen. Auch dies liegt in der Zuständigkeit der Länder. Ob und inwieweit hier verfahrensrechtliche Änderungen zur schnelleren Realisierung von Maßnahmen des Hochwasserrückhaltes möglich und geeignet wären, ist auch Gegenstand der in der Antwort zu Frage 7 angesprochenen Erfahrungsaustausches. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333