Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 9. August 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9402 18. Wahlperiode 11.08.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Annette Groth, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9175 – Umgang mit IS-Abtrünnigen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Während der sogenannte Islamische Staat (IS) in den Jahren 2014 und 2015 spektakuläre Geländegewinne verbuchen konnte, kam diese Expansion im Irak und Syrien mit der erfolgreichen Verteidigung der syrisch-kurdischen Stadt Kobani gegen den Ansturm der Dschihadisten im Januar 2015 zum weitgehenden Stillstand. Seitdem verlor die Terrororganisation weiter an Boden, aufgrund der militärischen Erfolge der kurdisch dominierten und von der US-Luftwaffe unterstützten Syrisch-Demokratischen-Kräften (SDF) sowie der von der russischen Luftwaffe unterstützten syrischen Regierungstruppen als auch im Irak, zurückgedrängt von Milizen der Zentralregierung und kurdischer Truppen. Durch den Verlust der Kontrolle über Grenzabschnitte und Verbindungswege im Norden Syriens wird für den IS der Nachschub an Kämpfern und Waffen über die Türkei erschwert . Dazu kommen finanzielle Probleme durch den Rückgang der von der Bevölkerung von ihm erpressten „Steuereinnahmen“. Der eingebrochene Ölpreis sowie die gezielte Bombardierung von Öltransportwegen durch die russische Luftwaffe haben einen deutlichen Einbruch der Einnahmen durch Verkäufe aus geschmuggeltem Öl zum Ergebnis. Aufgrund fehlender Ressourcen wurden die Löhne der IS-Söldner deutlich gesenkt. Angesichts der militärischen Erfolge ihrer Gegner setzt der IS zudem verstärkt auf Selbstmordmissionen seiner Kämpfer mit allerdings nur geringer strategischer Wirkung (www.tagesspiegel.de/politik/ islamischer-staat-zurueckgedraengt-aber-nicht-besiegt/13766186.html; www.heise. de/tp/artikel/48/48463/1.html). Laut einem Bericht des „Wall Street Journals“ wollen immer mehr aus Westeuropa stammende IS-Kämpfer und andere IS-Anhänger wieder aus Syrien ausreisen . Die Zeitung stützt sich dabei auf Berichte von Diplomaten und einem syrischen Fluchthelfernetzwerk für abtrünnige IS-Kämpfer. Die Abtrünnigen würden sich telefonisch oder über herausgeschmuggelte Briefe aus Syrien bei ihren Botschaften in der Türkei melden oder sich an ihre Regierungen wenden, um Hilfe bei der Flucht zu finden. Mittlerweile sei es allerdings nicht nur schwierig, die vom IS kontrollierten Gebiete zu verlassen, sondern auch, von Syrien in die Türkei zu gelangen. Die Überwachung der Grenze soll von türkischer Seite verstärkt worden sein, die Flucht daher entsprechend schwer und gefährlich (www.wsj.com/articles/islamic-state-members-from-the-west-seekhelp -getting-home-1465244878). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9402 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Wenn IS-Flüchtlinge aus Syrien in der Türkei von dortigen Behörden aufgegriffen werden, folgen laut dem Bericht des „Wall Street Journals“ zuerst Verhöre durch den türkischen Geheimdienst. Anschließend würden sie dann den jeweiligen Botschaften übergeben, wo sie von Geheimdienstmitarbeitern der entsprechenden Länder befragt werden. Während die Auslandsgeheimdienste der europäischen Staaten eher Informationen über den IS in Syrien in Erfahrung bringen wollen, geht es in den Inlandsgeheimdiensten dagegen vornehmlich um Informationen über mögliche Terror-Netzwerke im Westen. So soll der IS offenbar in Raqqa eine Geheimabteilung „Externe Operationen“ etabliert haben, um Anschläge in Westeuropa zu planen und dafür Kämpfer aus diesen Ländern zu rekrutieren und auszubilden. Damit wird es für Sicherheitsbehörden wichtiger, die möglichen „Gefährder“ unter einer steigenden Zahl von Rückkehrern zu identifizieren. (www.heise.de/tp/artikel/48/48463/1.html). 1. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung ein Bericht des „Wall Street Journals“ zu, wonach immer mehr mutmaßliche IS-Abtrünnige, die aus Syrien heraus wollen, sich bei ihren Botschaften in der Türkei melden (www.wsj.com/articles/islamic-state-members-from-the-west-seek-helpgetting -home-1465244878)? Zu den genannten Darstellungen des Wall Street Journal liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 2. Wie viele aus Deutschland stammende rückkehrwillige mutmaßliche IS-Abtrünnige haben nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchen Ländern wann und auf welche Weise Kontakt zu welchen deutschen Auslandsvertretungen oder Bundesbehörden gesucht? Wie ist in solchen Fällen die übliche Vorgehensweise der angefragten Botschaften oder Behörden? Der Bundesregierung sind aus 2015 und 2016 sehr wenige Einzelfälle aus Deutschland stammender, mutmaßlicher IS-Abtrünniger bekannt, mit denen die Botschaft Ankara sowie die Generalkonsulate Istanbul und Erbil befasst waren. Die geringe Gesamtzahl lässt keine seriöse Aussage über eine zunehmende oder abnehmende Tendenz zu. Das übliche Vorgehen an den deutschen Auslandsvertretungen entspricht den Vorgaben des § 5 Konsulargesetz. Die Gewährung konsularischer Hilfe, auch im Falle von Hilfeersuchen aus den IS-kontrollierten Gebieten, ist in Syrien nicht möglich, da die deutsche Botschaft in Damaskus seit Ende 2011 geschlossen ist. Bisher haben keine rückkehrwilligen mutmaßlichen Abtrünnigen vom sogenannten Islamischen Staat (IS) aus Syrien gezielt Kontakt zum Bundesnachrichtendienst gesucht . Der Bundesnachrichtendienst unterstützt in etwaigen Fällen in enger Abstimmung und im Rahmen seiner gesetzlichen Vorgaben die zuständigen Stellen. Die weitere Beantwortung der Frage kann aus Gründen des Staatswohls nicht offen erfolgen. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 1 Abs. 2 BNDG besonders schutzwürdig. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betreffend solche Erkenntnisse würde zu einer wesentlichen Schwächung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung des Bundesnachrichtendienstes erhebliche Nachteile zur Folge haben. Eine Veröffentlichung kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der VSA mit dem VS-Grad „VS-Vertraulich“ eingestuft und in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9402 3. Welche konkreten Möglichkeiten der Unterstützung von mutmaßlichen IS-Abtrünnigen bei ihrer Flucht aus Syrien hat die Bundesregierung? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Inwieweit und in wie vielen und welchen Fällen konnte die Bundesregierung gegebenenfalls aus Deutschland stammenden mutmaßlichen IS-Abtrünnigen bei der Rückkehr nach Deutschland behilflich sein und auf welche Weise? Auf die Antwort zur Frage 2 wird verwiesen. Aus Gründen des Persönlichkeitsund Datenschutzes werden keine weiteren Angaben zu Einzelfällen gemacht. 5. In wie vielen und welchen Fällen wurden aus Deutschland stammende mutmaßliche IS-Abtrünnige von Seiten türkischer Sicherheitsbehörden an die deutschen diplomatischen Vertretungen in der Türkei überstellt? Es sind Sachverhalte aus Ermittlungsverfahren des Bundes und der Bundesländer bekannt, bei denen eine Rückreise unter Einbindung der diplomatischen Vertretungen erfolgte. In einzelnen Fällen erfolgte die Abschiebung von Personen durch türkische Behörden nach Deutschland. Aus Gründen des Persönlichkeits- und Datenschutzes werden keine weiteren Angaben zu Einzelfällen gemacht. 6. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, ob und wie viele aus Deutschland stammende IS-Angehörige oder mutmaßliche IS-Abtrünnige von türkischen Sicherheitskräften inhaftiert wurden (bitte Zeitpunkt der Inhaftierung angeben)? Es sind vereinzelte Fälle von aus Deutschland stammenden IS-Angehörigen beziehungsweise mutmaßlichen IS-Abtrünnigen bekannt, die von türkischen Sicherheitskräften inhaftiert wurden. 7. Was genau passiert mit aus Deutschland stammenden mutmaßlichen IS-Abtrünnigen , wenn sie sich in deutschen Auslandsvertretungen melden oder von Sicherheitsbehörden des jeweiligen Landes an diese Vertretungen überstellt werden? Auf die Antwort zur Frage 2 wird verwiesen. 8. Inwieweit, auf welche Weise und mit welchem Ziel werden mutmaßliche IS- Abtrünnige, die sich bei deutschen Auslandsvertretungen melden, von welchen deutschen Sicherheitsbehörden wonach befragt und überprüft? Die Befragungen/Vernehmungen seitens der deutschen Polizeibehörden erfolgen im Rahmen polizeilicher Ermittlungen oder laufenden Ermittlungsverfahren, mit dem Ziel, Erkenntnisse zur Struktur, zum Aufbau, zur Organisation, zu Personen und terroristischen Straftaten terroristischer Organisationen im Ausland - hier des IS - zu erlangen und gegebenenfalls bislang unbekannte Mitglieder oder Unterstützer des IS mit Deutschlandbezug zu identifizieren und entsprechende Ermittlungsverfahren zu initiieren. Sofern der Bundesnachrichtendienst von der Kontaktaufnahme mutmaßlicher IS- Abtrünniger bei deutschen Auslandsvertretungen Kenntnis erlangt, wird im jeweiligen konkreten Einzelfall die Möglichkeit und Zulässigkeit einer Befragung durch den Bundesnachrichtendienst mit dem Ziel der Informationsgewinnung über die Terrororganisation, der von ihr ausgehenden Bedrohung sowie über die Lage im Krisengebiet geprüft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9402 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die weitere Beantwortung der Frage kann nicht offen erfolgen. Zwar ist der parlamentarische Informationsanspruch grundsätzlich auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Die Einstufung der Antworten auf die vorliegende Frage als Verschlusssache (VS) mit dem Geheimhaltungsgrad „VS - Nur für den Dienstgebrauch“* ist aber im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. Nach § 3 Nummer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen Verschlusssachenanweisung, (VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betreffend solche Erkenntnisse würde zu einer wesentlichen Schwächung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies kann für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Diese Informationen werden daher gemäß § 3 Nummer 4 VSA als „VS - Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt. 9. Welche konkreten Möglichkeiten, Wege, Hindernisse und Gefahren bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit für IS-Abtrünnige, die sich von der Terrororganisation trennen und Syrien verlassen wollen? Der IS hat nach Kenntnis der Bundesregierung Maßnahmen eingeführt, die das Verlassen seines Operationsgebiets erschweren und führt eigene Einheiten, um Deserteure aus den eigenen Reihen ausfindig zu machen und gefangen zu nehmen . Um das IS-Operationsgebiet regulär verlassen zu können, muss ein Passierschein beantragt werden. Dessen Ausstellung erfordert regelmäßig die Angabe eines Familienangehörigen, der als „Pfand“ für die Rückkehr des Ausreisenden garantieren soll. Zur Unterbindung des irregulären Verlassens des IS-Operationsgebiets erfolgt eine strenge Überwachung der eigenen Anhänger. Beim Fluchtversuch aufgegriffene IS-Anhänger müssen mit erheblichen physischen Strafen, bis hin zur Tötung, rechnen, deren Ausführung als Abschreckungsmaßnahme häufig im Wege der öffentlichen Zurschaustellung erfolgt. 10. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse über ein von syrischen Oppositionellen gebildetes Fluchthelfernetzwerk und darüber, ob aus Deutschland stammende mutmaßliche IS-Abtrünnige mit Hilfe dieses Fluchthelfernetzwerks aus Syrien in die Türkei gelangen konnten? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 11. Inwiefern wirkt sich nach Einschätzung der Bundesregierung bzw. der Bundessicherheitsbehörden eine drohende Strafverfolgung in Deutschland negativ auf eine Rückkehrbereitschaft bzw. Bereitschaft zum Verlassen des IS aus, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Nach Einschätzung der Bundesregierung hatte bei den bisher nach Deutschland zurückgekehrten Personen aus sogenannten Kampfgebieten die Aussicht auf eine drohende Strafverfolgung keinen negativen Einfluss auf die Rückkehrbereitschaft . * Das Auswärtige Amt hat Teile der Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Anlage ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9402 12. Welche Einschätzung hat die Bundesregierung über die Motive, die (ehemalige ) IS-Angehörige zum Verlassen der Terrororganisation bewegen (bitte soweit möglich, Motivbündel quantitativ aufgliedern), und welchen Anteil daran macht die innere Abwendung vom IS daran aus? Grundsätzlich können die Motivlagen sehr unterschiedlich sein (etwa familiäre oder gesundheitliche Gründe, Desillusionierung/Heimweh/Angst, Beschaffung von Geld). Im Rahmen des Informationsaustauschs mit deutschen Behörden sind nachfolgende Motivlagen bekannt geworden: • Die Vorstellungen der Ausgereisten vom Leben im sogenannten Islamischen Staat haben sich nicht erfüllt. • Die Ausgereisten wollten nicht mehr kämpfen und konnten sich nicht mit den Hierarchien und der geforderten Disziplin arrangieren. • Familienmitglieder waren krank und/oder sollten in Sicherheit gebracht werden . • Sonstige familiäre Gründe, beispielsweise Erkrankungen von Familienmitgliedern in Deutschland. Nach Einschätzung der Bundesregierung gab die innere Abwendung vom IS beim überwiegenden Teil der Reisefälle den Ausschlag zur Rückkehr. 13. Inwiefern versuchen die Bundessicherheitsbehörden, unter den Rückkehrern solche zu identifizieren, die als glaubwürdige Aussteiger im Sinne einer „Gegenerzählung “ fungieren könnten. a) Inwiefern kann bei solchen Personen von einer Strafverfolgung abgesehen oder wenigstens eine mildere Bestrafung in Aussicht gestellt werden, und in wie vielen und welchen Fällen wurde davon Gebrauch gemacht? b) Welche konkreten Erfahrungen wurden bisher mit solchen Aussteigern gemacht? Die Fragen 13 a) und b) werden zusammenhängend beantwortet. Die Bundesregierung ist sich – auch im Sinne der Umsetzung der Empfehlungen des Aktionsplans des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zur Verhütung von gewalttätigem Extremismus, der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Februar 2016 begrüßt wurde – des Potentials bewusst, das „Gegendarstellungen“ glaubwürdiger Rückkehrer beinhalten können und prüft, ob und inwiefern Rückkehrer als glaubwürdige Aussteiger im Sinne einer "Gegendarstellung" fungieren können. Bisher gab es keine Fälle, in denen Rückkehrer im Sinne der Fragestellung fungieren konnten. Zu Maßnahmen und Erfahrungen der Länder liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Ein Absehen von Strafverfolgung im Sinne einer Verfahrenseinstellung unter Opportunitätsgesichtspunkten ist in den in der Frage umrissenen Fallgestaltungen strafprozessual nicht vorgesehen. Jedoch ist das Verhalten nach der Tat im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (§ 46 Abs. 2 StGB). Darüber hinaus kann bei Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten in den Grenzen des § 46b StGB von Bestrafung abgesehen oder die Strafe gemildert werden. Ob dies in den in der Frage genannten Fällen tatsächlich in Betracht kommt, entzieht sich der Kenntnis der Bundesregierung und wäre von den jeweiligen Strafverfolgungsbehörden und Gerichten zu bewerten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9402 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Wie viele und welche Gebiete in welchen Ländern, die der IS zwischenzeitlich kontrolliert hatte, gingen ihm nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchen Gründen bzw. infolge welcher militärischer Konfrontationen mit welchen Kräften jeweils im Einzelnen wann wieder verloren? Der IS hat sich seit dem Zeitpunkt seiner größten territorialen Ausdehnung in Irak und Syrien im Juli 2014 wieder aus großen Teilen des besetzten Gebietes zurückziehen müssen. Im Einzelnen: Irak Vor allem musste der IS in der westirakischen Provinz Anbar den irakischen Sicherheitskräften (ISF) die Kontrolle über die Städte Hit (April 2016), Ramadi (Dezember 2015), Falluja (Juni 2016) und Ruthba (Mai 2016) sowie die Hauptverbindungsstrecken zwischen diesen überlassen. In der Provinz Salah-ad-Din hat der IS die Stadtgebiete von Tikrit (April 2015) und Baiji (Oktober 2015) sowie die Baiji Ölraffinerie und den Flughafen Qayyara West (ca. 50km südlich von Mosul; Juli 2016) verloren. Zusätzlich halten die Sicherheitskräfte nunmehr wieder die Kontrolle über die Hauptverbindungsstraßen zwischen Bagdad und Mosul bis zur Höhe Qayyara. In der Provinz Diyala kontrolliert der IS kaum noch zusammenhängende Gebiete. In der Provinz Ninawa hat der IS Gebiete in der Region Sinjar (ab Dezember 2014; Sinjar Stadt November 2015) sowie im nördlichen und östlichen Umland von Mosul verloren. Syrien In Syrien verlor der IS im Wesentlichen nach militärischen Konfrontationen mit den jeweils genannten Kräften folgende Gebiete: Ain Al Arab ist im Januar 2015 von der Partei der Demokratischen Union (YPG) mit Unterstützung von Streitkräften der Anti-IS-Koalition zurückerobert worden. Im Mai 2015 folgte Tall Al Abyad. Im November 2015 ist Haul von den Syrian Democratic Forces (SDF) mit Unterstützung von Streitkräften der Anti-IS-Koalition zurückgewonnen worden , ebenso der Militärflughafen Kuwairis von den russisch unterstützten syrischen Streitkräften. Im Dezember 2015 ging der Euphrat-Staudamm bei Tishrin an die SDF, mit Unterstützung von Streitkräften der Anti-IS-Koalition. Im März 2016 eroberten die syrischen Streitkräfte mit Unterstützung russischer Streitkräfte Palmyra. Im Februar 2016 eroberten die SDF mit Unterstützung von Streitkräften der Anti-IS-Koalition Shaddadah. Im April 2016 hat der IS Qaryatain an syrische Streitkräfte mit Unterstützung russischer Streitkräfte verloren. Libyen Im Juni 2015 wurde der IS aus seiner bisherigen Hochburg im libyschen Darnah vertrieben und floh nach Sirte und ins Umland Darnahs. Der IS hatte durch seine menschenverachtende Vorgehensweise seine bisherigen örtlichen islamistischen Koalitionspartner des „Schura Rates der Mujahideen in Derna“ gegen sich aufgebracht , was zu einem Aufstand gegen den IS und schließlich zu seiner Vertreibung führte. Im April 2016 zog sich der IS dann auch aus dem Umland Darnahs zurück in ein Operationsgebiet, das einen 300 km breiten Küstenstreifen um Sirte umfasste. Seit Ende Mai/Anfang Juni 2016 läuft eine Offensive von Kräften, die loyal zur libyschen Einheitsregierung stehen, im Gebiet dieses Küstenstreifens. Dabei wurde der IS bis in das unmittelbare Stadtzentrum Sirtes zurückgedrängt und kontrolliert dort nur noch einige Teile. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9402 15. Welche Grenzabschnitte und Grenzübergänge zur Türkei kontrolliert der IS nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit und auf welche Art und Weise? Der IS kontrolliert nach Kenntnis der Bundesregierung auf syrischem Territorium das Grenzgebiet zur Türkei zwischen den Ortschaften Al Rai und Jarabulus, offizieller Grenzverkehr findet dort nicht statt. 16. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über einen Rückgang der Finanzmittel des IS, und woraus ergeben sich solche Rückschlüsse über die IS-Finanzen? a) Über welche Finanzen aus welchen Quellen in welcher geschätzten Höhe verfügt der IS nach Kenntnis oder Einschätzungen der Bundesregierung? Belastbare Erkenntnisse zur konkreten Einnahmehöhe liegen der Bundesregierung nicht vor. Es ist davon auszugehen, dass sich der IS bei seiner Finanzierung maßgeblich auf die Erpressung der Zivil-Bevölkerung in den IS-besetzten Gebieten durch Einforderung von „Abgaben“ oder Zöllen sowie auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen (darunter Öl/Gas, Mineralien) stützt. Daneben, wenngleich in geringer Höhe, werden Einnahmen aus dem Verkauf von Kulturgütern, aus Lösegelderpressungen und über ausländische Spender - auch in Form mitgeführter Gelder ausländischer Kämpfer - generiert. b) Wie und aus welchen Gründen hat sich das Budget des IS in den letzten drei Jahren verändert? Auch hier liegen der Bundesregierung keine belastbaren Informationen vor. Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Budget des IS innerhalb der letzten drei Jahre deutlich gesunken ist. So wurde Anfang 2016 bekannt, dass der IS gezwungen sei, die monatlichen Zahlungen an seine Kämpfer nahezu zu halbieren. Diese allgemeine Entwicklung dürfte das Ergebnis einer Vielzahl von Faktoren sein: So ging infolge der gezielten Koalitionsangriffe auf die Ölinfrastruktur (Förder - und Raffinierungsanlagen) zunächst die Produktion an weiter veräußerbaren Öl- und Gasprodukten deutlich zurück; soweit die zerstörten Anlagen vom IS danach überhaupt ersetzt werden konnten, konnten nur kleinere und damit weniger leistungsfähige Anlagen eingesetzt werden; zudem sank der Ölpreis und damit auch die Einnahmen des IS. Außerdem stellte die Irakische Regierung im Jahr 2015 die Zahlung von Gehältern an ihre Staatsbediensteten ein, soweit sie ihren Wohnsitz in vom IS besetzen Gebieten hatten. Infolgedessen ging dem IS eine zusätzliche, wichtige Quelle zur Einforderung von „Abgaben“ von der Zivil-Bevölkerung verloren. Die Flucht von einem Teil der Zivilbevölkerung ging zwar kurzfristig (wegen durchgeführter Zwangspfändungen von Vermögen, das zurückgelassen wurde) mit kleineren Zuwächsen einher, hat jedoch mittelfristig zu einem weiteren Rückgang der Einnahmen des IS geführt. Schließlich ist davon auszugehen, dass die nachlassenden militärischen Erfolge des IS und die in der Beantwortung der Frage 14 geschilderte territoriale Entwicklung - den IS von einem Zugriff auf entsprechende Einnahmequellen abschneiden . Auch strengere Kontrollen an Flughäfen und an den Grenzen zu dem vom IS besetzen Gebiet dürften die Höhe der Spenden und anderweitiger Mittelzuflüsse aus dem Ausland gesenkt haben. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 18 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9402 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Wie wirken sich nach Kenntnis der Bundesregierung militärische Niederlagen , schwindende finanzielle Mittel und der Verlust von zuvor kontrollierten Gebieten auf die Moral, den Zusammenhalt und die Disziplin des IS und seiner Anhängerinnen und Anhänger aus? Die in der Frage genannten Faktoren wirken sich nach Kenntnis der Bundesregierung grundsätzlich negativ auf die Moral, den Zusammenhalt und die Disziplin des IS und seiner Anhänger aus. 18. Welche und wie viele Ölfelder und Ölquellen mit welchen geschätzten Ölvorräten sowie welche Raffinerien kontrolliert der IS nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit noch im Irak und Syrien? a) Welche Ölfelder, Ölquellen und Raffinerien hat der IS wann und auf welche Weise (Verlust des Gebietes, Zerstörung durch Luftangriffe etc.) wieder verloren? b) Wie viel Öl fördert der IS derzeit aus seinen Ölquellen? c) Wie viel des geförderten Öls ist nach Kenntnis der Bundesregierung für den Weiterverkauf ins Ausland bestimmt, und welcher Teil dient der Eigenversorgung bzw. der Versorgung der Bevölkerung in den IS-kontrollierten Gebieten? d) Wie hoch sind die derzeitigen geschätzten Einnahmen des IS durch Ölverkäufe ? e) Zu welchem Preis verkauft der IS nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit sein Rohöl? f) Auf welchem Weg, über welche Länder und an welche Abnehmer verkauft der IS derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung Öl? g) Inwieweit und aus welchen Gründen sind die Einnahmen aus dem Ölgeschäft für den IS gesunken? h) Welche Rolle haben Luftangriffe der russischen Luftwaffe oder der USgeführten Anti-IS-Koalition auf Transportwege und Transportfahrzeuge beim Rückgang des Ölhandels für den IS gespielt? Die Fragen 18 a) bis h) werden zusammenhängend beantwortet. In Irak hat der IS nach Erkenntnissen der Bundesregierung inzwischen seine gesamte Ölproduktion eingebüßt. Das letzte irakische Ölfeld im IS-Operationsgebiet Qayara ist derzeit umkämpft, weshalb der IS zu nennenswerter Ölförderung kaum in der Lage sein dürfte. Wenngleich der IS im Zuge von Gebietsverlusten in Syrien kaum größere Ölinfrastruktureinrichtungen verloren hat, bewirkten die Angriffe der Luftstreitkräfte der Anti-IS-Koalition und der Russlands eine signifikante Dezimierung der Produktionskapazitäten. Mittlerweile dürfte die Ölproduktion des IS in Syrien bei deutlich unter 10.000 Barrel pro Tag liegen. Verkäufe ins Ausland sind nach Einschätzung der Bundesregierung auch angesichts der verbliebenen geringen Produktionsmengen nicht realistisch, da das Öl hauptsächlich für die Eigenversorgung verwendet oder an die Bevölkerung im vom IS kontrollierten Gebiet verkauft wird. Zudem dürfte der IS noch Öl an die Widerstandsgruppen in Syrien und über Zwischenhändler an das syrische Regime verkaufen. Der Transport wird mit LKWs (Transport von Fässern) und Tanklastwagen durchgeführt. Konkrete Erkenntnisse zu den Preisen und Erlösen liegen der Bundesregierung nicht vor. Nach hiesiger Einschätzung ist im Vergleich zu Mitte des Jahres 2014 von einem erheblichen Einbruch der Einnahmen auszugehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9402 Die Gründe für den Rückgang der Einnahmen aus dem Ölverkauf stellen sich wie folgt dar: • Rückgang der Produktionskapazitäten und der Produktionsmenge auch durch Zerstörung und Beschädigung der Fördereinrichtungen durch die Luftangriffe der US-geführten Anti-IS-Koalition und der russischen Luftangriffe, eine vielfach nicht fachgerechte Nutzung durch den IS und erhebliche Wartungsrückstände . • Schlechte Qualität der Ölprodukte wegen eines akuten Mangels an Raffineriekapazitäten in den vom IS kontrollierten Gebieten. • Die reduzierten Transportmöglichkeiten direkt durch Zerstörung von LKWs im Zuge der Angriffe der Luftstreitkräfte der US-geführten Anti-IS-Koalition und Russlands sowie durch den sukzessiven Rückzug von Spediteuren aus dem Geschäft aufgrund von steigenden Sicherheitsbedenken und Verlusts wichtiger Transportrouten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333