Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. August 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9501 18. Wahlperiode 31.08.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9406 – Entschädigungszahlungen für tschechische Opfer des Völkermords an Sinti und Roma V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Tschechische Roma, die den Völkermord durch die deutschen Besatzer während des Zweiten Weltkrieges überlebt haben, sollen eine Einmalzahlung durch die Bundesrepublik Deutschland in Höhe von 2 500 Euro erhalten (www.tagesschau. de vom 5. August 2016 und zahlreiche andere Medien). Nur ungefähr 600 von rund 6000 tschechischen Roma hatten den Völkermord damals überlebt. Heute wird von ungefähr 10 bis 15 Überlebenden ausgegangen . Die tschechischen Verhandlungsführer werden mit den Worten zitiert, die „unklare Rechtslage“ in Deutschland habe den Verhandlungsprozess „ungemein in die Länge gezogen“ (Czech Radio vom 5. August 2016 unter Berufung auf Jiri Sitler, den ehemaligen Beauftragten der tschechischen Regierung für Holocaust-Angelegenheiten). Nach Angaben von „Prague Daily Monitor“ unter Berufung auf eine Sprecherin des tschechischen Außenministeriums hingegen, dauerten die Verhandlungen nur mehrere Monate. Die Rechtsgrundlage, auf der die Entschädigungszahlungen basieren sollen, wird in den genannten Artikeln unterschiedlich dargestellt. Zum einen ist die Rede von einem 50-Millionen-Euro-Topf, der für Entschädigungszahlungen an Deutsche gewidmet ist, die während oder infolge des Krieges zu Zwangsarbeit herangezogen wurden, genannt wird aber auch ein „German fund for non- Jewish victims of Nazi persecution“, bei dem es sich um den Fonds für rassisch Verfolgte nichtjüdischen Glaubens handeln könnte, der vom Bundesministerium der Finanzen verwaltet wird. Die Fragesteller begrüßen die Tatsache, dass tschechische Roma, die den Völkermord durch das Deutsche Reich überlebt haben, eine Entschädigung erhalten , und bedauern zugleich außerordentlich, dass diese Entschädigung so spät kommt und viel zu gering ist. Aus ihrer Sicht wäre eine monatliche Zahlung in Anlehnung an jüdische Opfer, die 336 Euro monatlich erhalten, angezeigt gewesen . In der tschechischen Berichterstattung wird hervorgehoben, dass die tschechische Seite dies auch angestrebt hatte. Die Fragesteller sind zudem der Ansicht, dass auch Überlebende dieses Völkermordes in den anderen vom Deutschen Reich besetzten bzw. ihm angegliederten oder von ihm beeinflussten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9501 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Staaten eine Entschädigung erhalten sollten, welche die bisherigen (Leistungen der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), Ghettorente ) ergänzt. 1. Wer hat zu welchem Zeitpunkt die Verhandlungen über die Entschädigung tschechischer Roma mit welcher Begründung angeregt, und wie hat sich der Verhandlungsprozess aus Sicht der Bundesregierung gestaltet? 2. Worin genau lag aus Sicht der Bundesregierung die zu schließende Entschädigungslücke , und wann und infolge welcher Umstände oder Hinweise hatte sie diese erstmals erkannt? 3. Wann haben die Verhandlungen begonnen, wann stand deren Ergebnis fest, bzw. wann wurden sie endgültig abgeschlossen? 4. Welche Aspekte waren während der Verhandlungen bzw. im Vorfeld des offiziellen Verhandlungsbeginns aus welchen Gründen besonders umstritten (bitte darstellen), und inwiefern trifft es zu, dass Probleme hinsichtlich der rechtlichen Einordnung auf deutscher Seite ausgeräumt werden mussten (bitte erläutern)? 5. Welchen Charakter hat die mit der tschechischen Regierung getroffene Vereinbarung , und wer ist auf deutscher Seite Vertragspartner? 6. Welche Erwartungen hatte die tschechische Seite ursprünglich gestellt? Trifft es zu, dass die tschechische Seite eine monatliche Zahlung für die Opfer angestrebt hatte, und wenn ja, in welcher Höhe? 7. Aus welchem Grund favorisiert die Bundesregierung eine Einmalzahlung in – aus Sicht der Fragesteller – bescheidener Höhe und nicht eine monatliche Zahlung, wie sie etwa jüdischen Opfern infolge des Artikel-2-Fonds bzw. des Mittel- und Osteuropafonds zusteht? Wie begründet sie die konkrete Summe von 2 500 Euro? 8. Wie gestaltet sich das Antragsverfahren (von Umfang und Dauer, bitte möglichst Antragsformulare und Merkblätter beilegen oder Link auf diese angeben ), und wer führt dieses durch? a) Ist es bereits möglich, Anträge einzureichen, und wenn nein, warum nicht, und bis wann soll die Möglichkeit eröffnet werden? b) Ist eine Befristung der Antragstellung vorgesehen, und wenn ja, warum, und bis wann? c) Welche Voraussetzungen und Nachweise müssen die Antragsteller erfüllen bzw. vorlegen? d) Inwiefern ist eine Antragstellung durch Erben bzw. Auszahlung an diese möglich? 9. Aus welchem Topf oder Fonds werden die Entschädigungszahlungen bestritten ? Falls kein neuer Topf oder Fonds aufgelegt wurde, wie fügt sich das Schicksal der tschechischen Roma in die bestehenden Regelungen inhaltlich ein? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9501 10. In welchem Verhältnis steht die jetzt zu zahlende Entschädigung zu anderen Entschädigungszahlungen, insbesondere der sog. Zwangsarbeiter-Entschädigung durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und der Ghettorente? Inwiefern steht der Bezug einer Ghettorente oder der EVZ-Entschädigung einer Auszahlung des jetzt vereinbarten Betrages entgegen? 11. Steht die jetzige Regelung in einem Zusammenhang zur Entschädigung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter, und wenn ja, welcher Art ist der Zusammenhang ? 12. Gilt die beschlossene Regelung auch für Roma, die während des Zweiten Weltkrieges im besetzten Tschechien gelebt haben, heute aber auf dem Gebiet der Slowakei oder eines anderen Staates leben, und falls nicht, was will die Bundesregierung unternehmen, um die Regelung auch diesen Betroffenen zugänglich zu machen? 13. Inwiefern trifft es zu, dass, wie von „Czech Radio“ berichtet, eine analoge Regelung auch für niederländische Sinti getroffen wurde (bitte ggf. ausführen , wie diese Regelung beschaffen ist)? 14. Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen oder gibt es bereits Verhandlungen , auch Roma-Überlebenden in anderen europäischen Staaten, die den Völkermord überlebt haben, Entschädigungen nach dem tschechischen Modell zu gewähren? Wenn ja, welche Staaten sind dies, und welchen Stand haben die Verhandlungen , wenn nein, warum nicht? Die Fragen 1 bis 14 werden im Zusammenhang beantwortet. In den Jahren 1959 bis 1964 hat die Bundesrepublik Deutschland mit einigen westlichen Staaten Globalabkommen zugunsten von durch NS-Verfolgungsmaßnahmen geschädigten Staatsangehörigen dieser Länder geschlossen. Aufgrund einer parlamentarischen Initiative (sog. Hirsch-Initiative) wurden im Bundeshaushalt weitere Mittel für humanitäre Hilfen zugunsten von in Härtefällen besonders betroffenen NS-Opfern in den mittel- und osteuropäischen Staaten Albanien, Bulgarien , Rumänien, Ungarn, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und in der Slowakei bereitgestellt. Nach dem Inkrafttreten des sog. Zwei-plus-Vier-Vertrags (Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland) wurden dann weitere bilaterale Abkommen mit osteuropäischen Ländern geschlossen. Mit der deutsch-tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik ein auf zehn Jahre ausgelegtes Sozialprojekt ins Leben gerufen (Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds ). Die Bundesrepublik Deutschland stellte 71,58 Mio. Euro (140 Mio. DM) zur Verfügung. Die Rechtsgrundlage für Anträge von nicht-jüdischen Verfolgten des Nationalsozialismus bilden die Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nicht jüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung vom 26. August 1981 in der Fassung vom 7. März 1988. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9501 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Eine Leistung nach diesen Richtlinien ist zu versagen, wenn der Antragsteller bereits eine andere Entschädigungsleistung aus Deutschland erhalten hat (z. B. aus den Globalabkommen, der Hirsch-Initiative oder anderen bilateralen Vereinbarungen ). Erhielten Antragsteller bereits solche Leistungen, besteht kein Anrecht auf eine einmalige Beihilfe in Höhe von 2.556 Euro im Grundverfahren nach §§ 2, 3 und 4 der vorgenannten Richtlinien. Daher werden bei der Antragsbearbeitung stets die im Land der jeweiligen Antragsteller erhaltenen Leistungen aus Deutschland abgefragt. Im Zusammenhang mit Anträgen aus Tschechien hatte sich die tschechische Seite dafür eingesetzt, die Leistungen aus dem deutsch-tschechischen Zukunftsfonds nicht als entsprechende „Vorleistung“ zu betrachten. Die Bundesregierung hat das Anliegen geprüft und ist zu folgendem Ergebnis gekommen: „Während die Mittel für die Wiedergutmachung aus den Globalabkommen sowie im Rahmen der Vereinbarungen mit osteuropäischen Staaten allein von der Bundesrepublik Deutschland aufgebracht wurden, flossen in den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds Gelder beider Staaten ein. Zudem wurden die Mittel für Sozialprojekte und nicht zur Individualentschädigung eingesetzt. Zahlungen aus dem Fonds bzw. aus den Globalabkommen sind daher auch nicht vergleichbar.“ Vor diesem Hintergrund sollen Leistungen aus dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds nicht mehr zu einem Ausschluss einer Leistungsgewährung auf der Grundlage der §§ 2, 3 und 4 der vorgenannten Richtlinien führen. Eine Entschädigungslücke bestand insofern nicht. Ein gesondertes Antragsverfahren galt es ebenso nicht zu installieren. Die Entschädigungszahlungen für tschechische Opfer des Völkermords an Sinti und Roma stehen in keinem Zusammenhang zur Entschädigung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333