Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 25. August 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9506 18. Wahlperiode 29.08.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9339 – Aktuelle asylpolitische Fragen in Bezug auf die Türkei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Türkei hat seit dem Abschluss des EU-Türkei-Abkommens Mitte März dieses Jahres eine Schlüsselrolle in der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik übernommen. Bereits im Vorfeld zum Abkommen ist die Türkei wegen massiver Verstöße gegen das Asylrecht und die Menschenrechte von Flüchtlingen in die Kritik geraten (www.proasyl.de/news/vor-dem-eu-tuerkei-gipfel-illegalerueckfuehrungen -an-der-syrischen-grenze-sind-bereits-alltag/). Seit dem Inkrafttreten des Abkommens gab es ebenfalls zahlreiche Berichte von unabhängigen Organisationen zu solchen Rechtsverletzungen und Gewalt gegenüber Flüchtlingen in der Türkei bzw. im Rahmen der Umsetzung des EU-Türkei- Flüchtlingsabkommens (vgl. etwa www.huffingtonpost.de/wolfgang-laub/auchuno -besorgt-tuerkei-_b_9887198.html). Dazu kommen die Klagen von Menschenrechtsorganisationen aufgrund fortgesetzter schwerer Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Krieg in den kurdischen Landesteilen der Türkei (www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.human-rights-watch-untersuchungzu -getoeteten-zivilisten-in-suedosttuerkei-gefordert.445171d2-17aa-4bae-8833- cc1b29bf61e1.html). Seit dem Putschversuch in der Nacht zum 16. Juli 2016 hat die AKP-Regierung etwa 50 000 Soldaten, Polizeiangehörige, Justizangestellte und Lehrpersonal festnehmen oder suspendieren lassen. Für Universitätslehrkräfte sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurde eine Ausreisesperre verhängt (www.spiegel.de/ politik/ausland/tuerkei-regierung-verhaengtausreiseverbot -fuer-akademiker-a-1103850.html). Dazu kommen Meldungen über das Lynchen von Wehrpflichtigen in der Putschnacht sowie Misshandlungen von unter Putschvorwurf inhaftierten Armeeangehörigen (www.welt. de/politik/ausland/article157149902/Video-zeigt-gnadenlose-Demuetigungvon -Putschisten.html; www.fr-online.de/ tuerkei/nach-umsturzversuch-in-tuerkei -mehrere-putschisten-offenbar-gelyncht, 23356680,34509034.html). Zudem wurde auch die politische Debatte um die Wiedereinführung der Todesstrafe aufgenommen (www.br.de/nachrichten/eu-aussenminister-tuerkei-100. html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9506 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Inwieweit hält die Bundesregierung angesichts der aktuellen Ereignisse in der Türkei weiterhin an ihrer Auffassung fest, die Türkei könne als sicherer Herkunftsstaat angesehen werden (vgl. zuletzt Bundestagsdrucksache 18/9128, Antwort zu Frage 14, S. 10, bitte begründen), und ist die Antwort des Staatsekretärs Stephan Steinlein vom 28. Juli 2016 auf eine entsprechende Schriftliche Frage des Abgeordneten Andrej Hunko als ein Abrücken von der bisherigen klaren Zustimmung der Bundesregierung zu dieser Frage zu werten, oder warum wurde diese Frage nicht mehr wie in der Vergangenheit eindeutig bejaht (bitte ausführen)? Die Europäische Kommission hat am 9. September 2015 einen Vorschlag über eine gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten vorgelegt, die neben den Westbalkan-Staaten auch die Türkei enthält. Eine Entscheidung über die Liste der EU-weit als sichere Herkunftsstaaten eingestuften Staaten im Rat der Europäischen Union steht zurzeit nicht an. Eine Befassung soll erst nach Vorlage eines Gutachtens des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) erfolgen . In Abhängigkeit von der Entwicklung in der Türkei wird die Bundesregierung – wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 18/9295 vom 29. Juli 2016 geäußert – in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern und den EU-Institutionen über ihre weitere Haltung zur Einbeziehung der Türkei in eine künftige gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsstaaten entscheiden . 2. Falls die Bundesregierung an ihrer Einschätzung festhält, wie ist dies zu rechtfertigen, angesichts der sich offensichtlich weit über den engen Kreis der Putschisten generell gegen politische Gegnerinnen und Gegner richtenden repressiven Reaktion auf den gescheiterten Putsch, angesichts der vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in diesem Zusammenhang angekündigten sogenannten Säuberungen und der Debatte um die Wiedereinführung der Todesstrafe; wie ist dies weiterhin vereinbar z. B. mit der Kritik des EU-Kommissars Günther Oettinger (AFP vom 19. Juli 2016), es könne „nicht sein, dass Immunität von Abgeordneten aufgehoben wird, um sie drangsalieren zu können“, es dürfe nicht sein, dass Journalisten eingeschüchtert würden und „es kann nicht sein, dass missliebige Richter zu Tausenden aus dem Verkehr gezogen werden“? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Inwieweit räumt die Bundesregierung ein, dass ihre bisherige Haltung, die Türkei könne als sicherer Herkunftsstaat angesehen werden, unzutreffend war, da die Annahme eines sicheren Herkunftsstaates voraussetzt, dass „eine gewisse Stabilität der allgemeinen politischen Verhältnisse eine hinreichende Kontinuität auch für die Rechtslage und Rechtsanwendung in dem betreffenden Staat gewährleistet erscheinen lässt“ (BVerfGE 94, 115, Rn. 83), wovon in Bezug auf die Türkei nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller nicht die Rede sein konnte und nicht sein kann, wie (nicht erst) der gescheiterte Putschversuch und die anschließende Repression eindeutig zeigen (bitte begründen)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9506 4. Inwieweit kann die Bundesregierung die für die Einstufung als sicheren Herkunftsstaat erforderliche „hinreichende Kontinuität auch für die Rechtslage und Rechtsanwendung in dem betreffenden Staat“ (BVergGE 94, 115, Rn. 83) in der Türkei angesichts der Tatsache erkennen, dass bereits wenige Stunden nach dem gescheiterten Putsch 2 700 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte unter dem Vorwurf der Beteiligung an dem Staatsstreich vom Dienst suspendiert wurden (www. tagesschau.de/ausland/tuerkei-festnahmen-109.html)? Die Fragen 3 und 4 werden zusammengefasst beantwortet. Die genannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisiert ausschließlich die materiellen Voraussetzungen für die nationale Einstufung eines Staates als sicheren Herkunftsstaat im Sinne des Artikels 16a Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes. Die materiellen Voraussetzungen für die Einstufung von sicheren Herkunftsstaaten zum Zwecke der Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz gemäß der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) sind in Artikel 37 Absatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU in Verbindung mit Anhang I zur Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) geregelt. 5. Wie viele Asylsuchende aus der Türkei wurden bislang im Jahr 2016 im EASY-System registriert (bitte nach Monaten differenziert auflisten), und wie waren die entsprechenden Asylentscheidungen im Monatsverlauf (bitte möglichst nach Monaten differenziert in absoluten und relativen Zahlen die unterschiedlichen Entscheidungen sowie die bereinigte und die unbereinigte Schutzquote darstellen)? Im EASY-System wurden von Januar bis Juli 2016 insgesamt 2.238 türkische Staatsangehörige registriert. Die Aufgliederung nach Monaten kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Zeitraum Januar Februar März April Mai Juni Juli Januar bis Juli 2016 gesamt EASY-Zugang 328 322 352 336 317 308 275 2.238 Die Asylentscheidungen zu türkischen Staatsangehörigen können nach Monaten und Asylentscheidungen differenziert der nachfolgenden Tabelle entnommen werden, wobei sich etwaige Anteile und Quoten aus den angegebenen Zahlen ergeben . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9506 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Asylanträge (Erstund Folge-anträge ) Asylent - scheidungen Asylbe - rechtigung Art 16a GG Flüchtlings - schutz § 3 I AsylG Subsidiärer Schutz § 4 I AsylG Abschiebungs - verbot § 60 V/VII AufenthG Ableh - nungen sonstige Verfahrens - erledigungen Jahr 2015 Türken 1.767 887 17 81 19 13 265 492 darunter Kurden 1.328 730 14 68 15 10 210 413 Januar 2016 Türken 119 107 2 4 1 2 54 44 darunter Kurden 95 83 0 1 1 2 44 35 Februar 2016 Türken 226 59 0 5 0 1 26 27 darunter Kurden 197 50 0 4 0 1 22 23 März 2016 Türken 198 61 0 2 0 0 20 39 darunter Kurden 171 51 0 2 0 0 15 34 April 2016 Türken 306 68 0 3 0 0 25 40 darunter Kurden 266 53 0 1 0 0 21 31 Mai 2016 Türken 330 65 0 2 0 0 23 40 darunter Kurden 283 59 0 1 0 0 22 36 Juni 2016 Türken 485 144 0 6 2 5 74 57 darunter Kurden 451 110 0 5 0 4 56 45 Juli 2016 Türken 550 138 0 5 1 2 49 81 darunter Kurden 482 121 0 5 1 2 40 73 Gesamt 2016* Türken 2.279 641 2 26 5 10 270 328 darunter Kurden 2.002 527 0 18 3 9 219 278 *Hinweis: die Gesamtsummen enthalten auch nachträgliche Berichtigungen. Deshalb können Additionen der Monatswerte von den Gesamtsummen abweichen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9506 6. Welche Angaben lassen sich zum Anteil kurdischer Asylsuchender an allen Asylsuchenden aus der Türkei machen, sowohl bei der Erstregistrierung bzw. Befragung, bei der Asylantragstellung und bei den Entscheidungen (im Jahr 2015 und in den einzelnen Monaten des Jahres 2016, bitte auch die jeweiligen bereinigten und unbereinigten Schutzquoten darstellen), und welche Angaben lassen sich zu vorgebrachten Gründen der Asylsuchenden aus der Türkei machen? Im Verfahrensschritt der Erstregistrierung beziehungsweise Befragung wird der Anteil der kurdischen Asylsuchenden an allen Asylsuchenden aus der Türkei nicht erhoben. Entsprechende Angaben sind daher nicht möglich. Im Verfahrensschritt der Antragstellung beziehungsweise Entscheidung ist eine statistische Auswertung möglich. Angaben für das Jahr 2015 und die einzelnen Monate des Jahres 2016 können der Antwort zu Frage 5 entnommen werden. Asylgründe werden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) statistisch nicht erfasst. Daher ist eine Angabe zu den vorgebrachten Gründen nicht möglich. 7. Ist der Bundesregierung bekannt, ob sich unter Asylsuchenden aus der Türkei auch Anhängerinnen und Anhänger der Gülen-Bewegung befinden? Angaben im Sinne der Frage werden durch das BAMF statistisch nicht erhoben. Insofern liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 8. Inwieweit kann die Bundesregierung in der Türkei eine politische Verfolgung von Anhängerinnen und Anhängern der Gülen-Bewegung erkennen? Die türkische Regierung macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich. Die Bundesregierung hat die türkische Regierung mehrfach auch öffentlich dazu aufgerufen, bei der juristischen Aufarbeitung des Putschversuches die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit einzuhalten. 9. Wird die Türkei nach der Einschätzung der Bundesregierung ihre Antiterrorgesetzgebung und datenschutzrechtliche Vorschriften in dem von der Europäischen Union geforderten Sinne ändern, und welche Konsequenzen wird dies in Hinblick auf die im Rahmen der EU-Türkei-Vereinbarung nur unter der Bedingung einer solchen Änderung in Aussicht gestellten Visabefreiungen haben? Es liegt in der Entscheidung der türkischen Regierung, ihre nationalen Regelungen anzupassen. Dem kann die Bundesregierung nicht vorgreifen. Es ist dabei zunächst Aufgabe der Europäischen Kommission zu bewerten, wieweit die nationalen Regelungen der Türkei die Anforderungen an eine Visumbefreiung erfüllen . 10. Welche Strategie und welche konkreten Vorschläge verfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die EU-Kommission, um bei der Auseinandersetzung mit der Türkei um die Änderung der Antiterrorgesetzgebung zu einer Einigung zu kommen, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Zu möglichen Absichten und Gesprächen der Europäischen Kommission im Verhältnis zu Dritten kann die Bundesregierung keine Stellung nehmen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9506 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus den Entscheidungen der griechischen Asyl-Berufungskommissionen, die in den meisten Einzelfallprüfungen bei syrischen Flüchtlingen zu dem Ergebnis gekommen sind, die Türkei könne nicht als sicherer Drittstaat angesehen werden – was ja auch schon das Ergebnis einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages (PE 6 – 3000 – 30/16; siehe: www.tagesschau.de/inland/marine-einsatz-bundestag-101.html) und die Kritik unabhängiger Menschenrechtsorganisationen war (www.proasyl.de/ pressemitteilung/pro-asyl-lehnt-zurueckweisungen-von-schutzsuchendenvon -griechenland-in-die-tuerkei-ab/)? Die Einzelfallentscheidungen der zuständigen griechischen Stellen ergehen in der Anwendung griechischen Rechts, das die Vorgaben des Unions- und Völkerrechts zu beachten hat und werden von der Bundesregierung nicht weiter kommentiert . 12. Welche anderen EU-Mitgliedstaaten haben auf dem Treffen des Rates der Innen- und Justizminister der EU am 7./8. Juli 2016 in Bratislava das von deutscher Seite vorgebrachte Anliegen unterstützt, die „Methode Türkei“ (Bundesminister des Innern Dr. Thomas de Maizière) auf Libyen und andere nordafrikanische Länder zu übertragen (vgl. www.tagesschau.de/ausland/ fluechtlinge-eu-129.html und http://derstandard.at/2000040587480/EU- Innenminister-beraten-ueber-Grenzsicherung-und-Asylreform), und wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Haltung der EU-Kommission hierzu? Die Frage bezieht sich auf eine Äußerung des Bundesministers des Inneren, Dr. Thomas de Maizière, vor der Presse beim informellen Rat der Justiz- und Innenminister am 7./8. Juli 2016 in Bratislava. Der Bundesinnenminister führte darin aus, dass dringend daran zu arbeiten sei, dass der Zugang der Flüchtlinge über Libyen nicht das Geschäft von Schleppern fördere. Das heiße, dass „…die Methode Türkei, also illegale Wege durch legale ersetzen, die müssen wir auch im Verhältnis zu Libyen finden, auch wenn es dort komplizierter ist.“ Dass die Schaffung von legalen Einreisemöglichkeiten für Flüchtlinge ein Mittel gegen Schleusungskriminalität darstellt, ist von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission allgemein anerkannt. 13. Wie sollen konkret „sichere Lager“ (Bundesminister des Innern Dr. Thomas de Maizière, http://derstandard.at/2000040587480/EU-Innenminister-beraten -ueber-Grenzsicherung-und-Asylreform) in Libyen oder anderen nordafrikanischen Ländern beschaffen sein, wer soll diese Lager betreiben und sichern , wer soll Asylanträge unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen bearbeiten, welche effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten werden bestehen und sollen alle in solchen Lagern anerkannte Flüchtlinge in die EU übernommen werden (bitte zu allen Unterpunkten differenziert antworten )? Alle Fragen im Zusammenhang mit „sicheren Lagern“ in nordafrikanischen Ländern werden durch die zuständigen Organe der Europäischen Union zu gegebener Zeit zu beraten sein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9506 14. Inwieweit haben die Bundesregierung oder nach deren Kenntnis der Juristische Dienst des Rates oder die EU-Kommission geprüft, ob eine solche Kooperation mit Libyen oder anderen nordafrikanischen Staaten mit internationalem Flüchtlingsrecht und mit EU-Asylrecht vereinbar wäre (bitte darlegen und begründen, warum die Bundesregierung trotz des „Hirsi-Urteils“ des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23. Februar 2012 der Auffassung ist, dass Zurückweisungen von Schutzsuchenden auf Hoher See ohne faire Einzelfallprüfung und ohne effektiven Rechtsschutz in ein Land wie Libyen mit internationalem und EU-Recht und insbesondere mit dem refoulement-Verbot und dem Verbot von Kollektivausweisungen vereinbar wäre)? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. 15. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom 20. Juni 2016 „Die EU-Türkei-Vereinbarung vom 18. März 2016: Umsetzung und Konsequenzen aus menschen- und flüchtlingsrechtlicher Perspektive“ mit „Empfehlungen an die Bundesregierung“, und wie steht sie insbesondere zu folgenden Schlussfolgerungen bzw. Handlungsempfehlungen (a. a. O., S. 23 ff., bitte auf alle Unterfragen gesondert antworten): a) Die EU-Türkei-Vereinbarung stelle einen „fundamentalen Einschnitt in der Europäischen Asylpolitik dar“, weil die EU „erstmalig ausdrücklich das Ziel [verfolge], die Verantwortung für in der EU Schutz suchende Menschen weitreichend auf einen Drittstaat abzuschieben“? b) Die Vereinbarung sei mit den flüchtlings- und menschenrechtlichen Vereinbarungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten nicht vereinbar? c) Die Gesamtumstände der Unterbringungs- bzw. Haftbedingungen in den „Hot Spots“ auf den griechischen Inseln könnten eine verbotene unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen? d) Die Einstufung der Türkei als sicherer Drittstaat sei „nicht haltbar“? e) So genannte push-backs, gleich durch welche Akteure (EU, Mitgliedstaaten , FRONTEX, NATO), seien unzulässig (vgl. Hirsi-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte)? f) Die Schließung der „Balkanroute“ sei ein „sehr unsolidarischer Akt“, um das „unsolidarische Dublin-System auf Kosten Griechenlands zu erzwingen “, was die Lage der Flüchtlinge in Griechenland, das angesichts der extrem schwierigen wirtschaftlichen Situation nur begrenzte Aufnahmekapazitäten habe, grundsätzlich verschlechtert habe? Die Fragen 15 a bis 15 f werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam mit Frage 15 h beantwortet. g) Die Türkei, aber auch Jordanien und der Libanon, sollten durch entsprechende Aufnahmeprogramme („Resettlement“) effektiv entlastet werden. In welcher Größenordnung müssten nach Ansicht der Bundesregierung aus den genannten Ländern Flüchtlinge in die EU übernommen werden, um von einer effektiven Entlastung mit entsprechender Wirkung reden zu können? Die Bundesregierung setzt sich mit dem ihr zur Verfügung stehenden Instrumentarium ein, um die Türkei, Libanon und Jordanien effektiv und zielgerichtet bei der Bewältigung der Auswirkungen des Syrienkonflikts zu unterstützen. Im Rahmen der humanitären Aufnahmeprogramme des Bundes und der Länder wurde über 42.000 syrischen Flüchtlingen aus den Nachbarländern Syriens, also auch Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9506 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode der Türkei, Jordanien und Libanon, eine Ausreise nach Deutschland ermöglicht. Im Rahmen des EU-Resettlementprogramms wurden seit Juli 2015 bislang über 7.200 Personen vorwiegend aus der Türkei, Jordanien und Libanon in EU-Mitgliedstaaten aufgenommen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass das EU-Resettlement-Verfahren in Zukunft verstetigt und ausgebaut wird. Daneben unterstützt die Bundesregierung die Nachbarstaaten Syriens finanziell. Auf der von der Bundesregierung maßgeblich mitausgerichteten Konferenz „Supporting Syria and the Region“ am 4. Februar 2016 wurden von der internationalen Gemeinschaft u. a. zur Unterstützung dieser drei Erstaufnahmestaaten insgesamt zwölf Mrd. US-Dollar bis 2020 zugesagt, allein für 2016 mehr als sechs Mrd. US- Dollar. Schwerpunkte sind unter anderem Maßnahmen zur Bildung und Beschäftigung von Flüchtlingen in diesen Ländern, um den Menschen dort eine Bleibeund Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Mit 2,3 Mrd. Euro für den Zeitraum 2016 bis 2019 hat die Bundesregierung die größte bilaterale Zusage der Konferenz gemacht. Davon sind allein 1,3 Mrd. Euro für das Jahr 2016 vorgesehen und bereits weitestgehend vertraglich gebunden. Insgesamt wurden seit 2012 an humanitärer Hilfe durch das Auswärtige Amt bereits 299,5 Mio. Euro für Jordanien, 145,2 Mio. Euro für den Libanon und 134,7 Mio. Euro für die Türkei bewilligt sowie aus der Übergangshilfe des Bundesministeriums für Entwicklung und Zusammenarbeit 250,1 Mio. Euro für Jordanien, 442,9 Mio. Euro für Libanon und 122,2 Mio. Euro für die Türkei. Die Bundesregierung ist überzeugt, dass die Kombination aus humanitärer Aufnahme , Resettlement und finanzieller Unterstützung die Türkei, Jordanien und Libanon effektiv entlastet. h) Die Aufnahme nach Deutschland müsse aufgestockt werden; die Botschaften müssten in die Lage versetzt werden, den Familiennachzug zu in Deutschland anerkannten Flüchtlingen zu gewährleisten; in Griechenland festsitzende Verwandte müssten ein Visum zur Weiterreise nach Deutschland erhalten? Die Fragen 15 a bis 15 f sowie 15 h werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung arbeitet eng mit den anderen Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen an europäischen Lösungen für eine gemeinsame solidarische Asyl- und Migrationspolitik. Dies betrifft die laufende Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, den Außengrenzschutz , sowie die enge Kooperation und Unterstützung der Partner Bundesregierung in Drittstaaten, einschließlich der Türkei. Weitere zentrale Ziele sind die deutliche Verbesserung der Flüchtlingsunterbringung und -versorgung sowie die Verbesserung von Lebensperspektiven für Flüchtlinge in und außerhalb der EU. Humanitäre Aspekte der Migrationspolitik haben mithin höchste Priorität. Ziel der EU-Türkei-Erklärung vom 18. März 2016 und des dabei vereinbarten sogenannten 1:1-Mechanismus ist es, illegale Zuwanderung und Schleuserkriminalität zu bekämpfen, die EU-Außengrenze zu schützen und gleichzeitig legale Zugangswege in einen EU-Mitgliedsstaat zu ermöglichen. Die Umsetzung der Vereinbarung hat zu einem erheblichen Rückgang der illegalen Migration über die Ägäis geführt, was als gemeinsamer Erfolg zu betrachten ist. Es liegt im Interesse aller Beteiligten, dass durch kriminelle Schlepper geförderte illegale Einreisen von der Türkei über die Ägäis in die EU und das Sterben von Menschen im Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9506 Mittelmeer verhindert werden. Hierbei werden das EU-Recht und das Völkerrecht uneingeschränkt gewahrt, so dass jegliche Art von Kollektivausweisung ausgeschlossen ist. Alle irregulär Einreisenden werden nach den einschlägigen internationalen Standards und in Bezug auf den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung geschützt. Das Resettlement nach dem 1:1-Mechanismus ist Teil des EU-Resettlementprogramms , das ebenfalls legale Einreisemöglichkeiten nach Europa eröffnet. Dieses Ziel verfolgt auch das freiwillige humanitäre Aufnahmeprogramm (Voluntary Humanitarian Admission Scheme, VHAS), dessen Verfahrensleitlinien derzeit mit der Türkei abgestimmt werden. Diese Maßnahmen, die durch weitere nationale Programme ergänzt werden, tragen dazu bei, dass Schutzsuchende sich nicht kriminellen Schlepperbanden anvertrauen und ihr Leben riskieren, sondern sicher und legal in Mitgliedstaaten der Europäischen Union Schutz suchen können; gleichzeitig tragen sie dem Sicherheitserfordernis der aufnehmenden Staaten Rechnung. Der erhebliche Rückgang illegaler Einreisen auf die griechischen Inseln hat zu einer ersten Entspannung in den Hotspots geführt, auch wenn hier noch weiterer Verbesserungsbedarf besteht. Auch sind verstärkte Anstrengungen Griechenlands zur Verfahrensbeschleunigung notwendig. Die EU und die Mitgliedstaaten erkennen die diesbezüglichen Bemühungen Griechenlands an und unterstützen diese mit derzeit 14 für EASO in den Hotspots tätigen Expertinnen und Experten. Die Europäische Kommission koordiniert zusammen mit den Agenturen Frontex und EASO vor Ort die notwendige Unterstützung für Griechenland. Die Bundesregierung hat derzeit keine Hinweise darauf, dass die türkischen Maßnahmen zur Aufarbeitung des Putschversuchs vom 15. Juli 2016 negative Auswirkungen auf den Schutzstandard von Flüchtlingen und rückgeführten Personen in der Türkei haben. Vor dem Hintergrund der fortbestehenden völkerrechtlichen Bindungen der Türkei, der Gewährleistungen des türkischen Rechts sowie der schriftlichen türkischen Zusagen ist die Bundesregierung weiterhin der Auffassung , dass die Türkei die Anforderungen an einen sicheren Drittstaat gemäß Artikel 38 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) erfüllt. Die Bundesregierung wird die weitere Behandlung der Flüchtlinge in der Türkei genau beobachten. Das Auswärtige Amt stattet die Auslandsvertretungen ihren Aufgaben entsprechend im Rahmen des Möglichen mit Personalressourcen aus. Dabei ist den baulichen Voraussetzungen Rechnung zu tragen. Die Personalausstattung wird regelmäßig überprüft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333