Deutscher Bundestag Drucksache 18/968 18. Wahlperiode 01.04.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/691 – Zum deutsch-brasilianischen Atomabkommen und anderen Atomabkommen und zur staatlichen Förderung von Atomexporten Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Infolge der Katastrophe von Fukushima im März 2011 verkündete die Bundeskanzlerin , Dr. Angela Merkel, auf größten öffentlichen Druck die Rücknahme der kurz zuvor – ebenfalls gegen massiven öffentlichen und oppositionellen Protest – beschlossenen Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke . Daraufhin beschloss der Deutsche Bundestag am 30. Juni 2011 mit einer breiten Mehrheit, dass Deutschland bis spätestens Ende des Jahres 2022 aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen wird. Obwohl die Bundesregierung sich mit dieser Entscheidung eindeutig positioniert und sich national gegen eine weitere Förderung der Atomenergie ausspricht , laufen weiterhin bilaterale Abkommen, wie beispielsweise das deutschbrasilianische Atomabkommen aus dem Jahr 1975, unter dessen Deckmantel sich die Bundesregierung außerhalb der nationalen Grenzen für eine weitere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie ausspricht (Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1976, Teil II: Artikel 1 Absatz 1). Dabei wird verkannt, dass der deutsche Atomausstieg bis zum Jahr 2022 auf nationaler Ebene auch richtungsweisend für alle europäischen und internationalen Aktivitäten der Bundesregierung sein muss. Das Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie wurde zwischen der Bundesregierung und der damaligen brasilianischen Militärregierung im Jahr 1975 unterzeichnet (unterzeichnet am 27. Juni 1975, in Kraft getreten durch Notenwechsel am 18. November 1975, Artikel 11 Absatz 1 des Abkommens). Der Artikel 11 Absatz 2 des Abkommens bestimmt, dass die anfängliche Geltungsdauer 15 Jahre seit Inkrafttreten betragen hat und sich das Abkommen stillschweigend um jeweils weitere fünf Jahre verlängert, wenn nicht mindestens zwölf Monate vor Außerkrafttreten von einer der beiden Vertragsparteien widersprochen wird. Derzeit läuft der Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 28. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vertrag bis zum 18. November 2015. Eine Kündigung des Vertrages müsste daher bis zum 18. November 2014 erfolgen. Da es sich nicht um ein Regierungsabkommen handelt, das nicht nach Artikel 59 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) zustimmungspflichtig war, kann die Kündigung durch die Bundesregierung ohne Beteiligung der Gesetzgebungsorgane erfolgen. Drucksache 18/968 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die frühere schwarz-gelbe Bundesregierung sah laut des bestehenden deutschbrasilianischen Atomabkommens aus dem Jahr 1975 die weitere Fortführung der Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomenergie trotz des deutschen Atomausstiegs gewährleistet. Für eine glaubwürdige Ausstiegspolitik ist jedoch eine Kohärenz der gesamten Politik, nach innen wie nach außen, unabdingbar . Dies gilt für bilaterale Abkommen ebenso wie die der Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik Deutschland. Von dieser Kohärenz ist die aktuelle Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD weit entfernt. Trotz eines fraktionsübergreifenden Beschlusses des Parlamentarischen Beirats für Nachhaltige Entwicklung, der sich gegen derartige Bürgschaften ausspricht, hält die Bundesregierung auch unter einem sozialdemokratischen Außen-, einem sozialdemokratischen Energie- und einer sozialdemokratischen Umweltministerin daran fest, Atomvorhaben im Ausland durch Ausfuhrbürgschaften für deutsche Zulieferfirmen mit deutschen Steuergeldern in Millionenhöhe zu fördern. Das Argument, die nationale Souveränität anderer Staaten bezüglich der Nutzung der Atomkraft respektieren zu müssen, ist schon deshalb nicht tragfähig, weil es ausschließlich darum geht, ob die Bundesregierung Bürgschaften, die durch deutsche Steuermittel abgesichert sind, für Atomvorhaben vergibt oder nicht. Eine Ablehnung von Hermesdeckungen ist keine Einmischung in die Souveränität anderer Staaten, sondern eine ausschließlich im Verantwortungsbereich der Bundesregierung liegende und die der deutschen Außenwirtschaftsförderung betreffende Entscheidung. Dass der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD künftige Hermesdeckungen für Atomexporte nicht ausschließt, negiert die Erfahrungen mit früheren Atomexporten aus der Bundesrepublik Deutschland. Diese können sowohl für die nukleare Sicherheit als auch für die nichtverbreitungspolitische Absicherung schwere Belastungen darstellen, wie das iranische Atomkraftwerk Buschehr zeigt. Eine weitere Aufrechterhaltung des deutsch-brasilianischen Atomabkommens sowie die weitere Gewährung von Hermesbürgschaften für Atomprojekte auf internationaler Ebene steht daher im Widerspruch zu einer kohärenten Energiewie Nichtverbreitungspolitik. 1. Wie ist die Haltung der Bundesregierung in der Außenwirtschaftsförderung, etwa durch Hermesbürgschaften, wenn nach Auffassung der Fragesteller deren Anwendung eindeutig den Kurs des Ausstiegs aus der Atomenergie der Bundesrepublik Deutschland konterkariert? Die Bundesregierung überprüft zurzeit die Hermesdeckungspolitik für Exporte im Nuklearbereich. 2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass ein überholtes und politisch anachronistisches Abkommen wie das deutsch-brasilianische aus dem Jahr 1975 zu beenden ist? Wenn nein, warum nicht? 3. Ist das Jahr 2014 – in dem sich der Putsch des brasilianischen Militärs im Jahr 1964 zum 50. Mal jährt und in dessen Folge dieses Abkommen mit der Junta geschlossen wurde – nicht ein Anlass, dieses Abkommen zu beenden und mit dem heute demokratischen Brasilien ausschließlich eine Kooperation zu verfolgen, die auf dem Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Zusammenarbeit im Energiesektor mit Schwerpunkt auf erneuerbarer Energie und Energieeffizienz fußt? Wenn nein, warum nicht? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/968 4. Sieht die Bundesregierung es vor, sich dafür einzusetzen, dass trotz des allgemeinen Konsens über das Eintreten Deutschlands für eine Verrechtlichung der Internationalen Beziehungen und für eine Vermeidung diplomatischer Affronts, das deutsch-brasilianische Atomabkommen in einem Einvernehmen beider Vertragsparteien beendet werden muss? Falls ja, in welcher Form? Falls nein, warum nicht? 5. Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, das Atomabkommen Deutschland-Brasilien vor einer weiteren automatischen Verlängerung um fünf Jahre zu beenden? 6. Sollte die Beendigung des deutsch-brasilianischen Abkommens im Einvernehmen beider Vertragsparteien von brasilianischer Seite abgelehnt werden , plant die Bundesregierung sich dafür einzusetzen, dass dieses Abkommen hinsichtlich des von der Bundesregierung beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie bis zum Jahr 2022 angepasst wird und folglich in ein Abkommen, das der ausschließlichen Förderung anderer, erneuerbarer und weniger klimaschädlicher Energieformen dient, geändert wird? Die Fragen 2 bis 6 werden gemeinsam wie folgt beantwortet. Das „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie“ (BGBl. II 1976, 334) ist am 18. November 1975 in Kraft getreten. Es trifft Regelungen über die deutschbrasilianische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kernenergie. Die Geltungsdauer des Abkommens betrug 15 Jahre. Es verlängert sich stillschweigend um jeweils fünf Jahre, sofern es nicht zwölf Monate vor Außerkrafttreten von einer der Vertragsparteien gekündigt wird. Im Jahr 2008 wurde durch das Regierungsabkommen „über die Zusammenarbeit im Energiesektor mit Schwerpunkt auf erneuerbare Energie und Energieeffizienz “ vom 14. Mai 2008 (BGBl. II 2008, 1002) eine engere bilaterale Zusammenarbeit der beiden Staaten im Bereich der Energiepolitik vereinbart. Hauptziel des Abkommens ist die Verbesserung und Entwicklung einer nachhaltigen Energieinfrastruktur zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung und -nutzung, insbesondere durch Energieeffizienz, Energiesparmaßnahmen und der stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien. In diesem Zusammenhang haben die brasilianische Regierung und die damalige Bundesregierung ausdrücklich durch einen Verbalnotenwechsel von Mai 2008 beiderseitig bestätigt, dass das Abkommen von 1975 durch das neue Abkommen unberührt bleiben soll. Es ist davon auszugehen, dass aus brasilianischer Sicht eine enge politische Verbindung zwischen diesen beiden Abkommen gesehen wird. Das Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie ermöglicht es der Bundesregierung unter anderem, einen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit von kerntechnischen Anlagen in Brasilien zu leisten. Es liegt im deutschen Interesse, auch künftig über diesen Ansatz zu verfügen. 7. Inwieweit will die Bundesregierung den Charakter des brasilianischen Atomprogramms auch unter Proliferationsgesichtspunkten unterstützen, welches nach den Worten des ehemaligen Präsidenten Lula da Silva darauf abzielt, den gesamten Brennstoffkreislauf zu beherrschen, vor dem Hintergrund , dass Brasilien über gewaltige Potenziale erneuerbarer, aber auch fossiler Energien verfügt und diese auch exportiert? Brasilien trat dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag 1998 bei. Die brasilianischen Nuklearanlagen befinden sich unter Sicherungsmaßnahmen (safe- Drucksache 18/968 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode guards) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Die Bundesregierung hat Brasilien dazu aufgefordert, auch ein IAEO-Zusatzprotokoll über umfassendere Sicherheitsmaßnahmen in Kraft zu setzen. Dies lehnt Brasilien bislang mit Verweis auf ein bilaterales Abkommen mit Argentinien zur gegenseitigen Überwachung der Nuklearanlagen des Partnerstaates (ABACC Agência Brasileiro-Argentina de Contabilidade e Materiais Nucleares/Agencia Brasileño -Argentina de Contabiliad y Control de Materiales Nucleares) und schleppende Fortschritte bei den globalen nuklearen Abrüstungsanstrengungen ab. Brasilien hat außerdem den Vertrag von Tlatelolco ratifiziert, mit dem eine nuklearwaffenfreie Zone in Lateinamerika geschaffen wurde. Produktion und Besitz von Nuklearwaffen sind den Vertragsstaaten untersagt. Die Bundesregierung hat daher keinen Anlass, am ausschließlich friedlichen Charakter des brasilianischen Nuklearprogramms zu zweifeln. Seit 1996 ist Brasilien zudem Mitglied der Gruppe der Nuklearen Lieferländer (Nuclear Suppliers Group), des für Exporte von Gütern mit Nuklearbezug einschließlich Doppelnutzgütern einschlägigen Exportkontrollregimes. 8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass auch weitere, in dieser Wahlperiode auslaufende bi- oder multilaterale Atomabkommen der Bundesrepublik Deutschland vor dem Hintergrund des deutschen Atomausstiegs nicht verlängert werden sollten, wenn sie dem Zweck der Förderung der Atomkraftnutzung dienen, bzw. dass sie zumindest in dergestalt novelliert werden müssen, dass entsprechende atomkraftfördernde Regelungen entfernt werden und das jeweilige Abkommen fortan ausschließlich ausstiegskonformen Zwecken der nichtverbreitungspolitischen Absicherung, der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes dient? Abkommen auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie werden, wenn sie zur Verlängerung anstehen, turnusmäßig überprüft. Regelmäßig dienen diese Abkommen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit, zumeist in Form des Austausches von Informationen, etwa zu Fragen der Kernenergiesicherheit . In der Gesamtwürdigung kann die Einzelfallprüfung zur Verlängerung von Abkommen ergeben, dass das Interesse an ihrem Fortbestand überwiegt , obgleich nur noch ein Teil der ursprünglich intendierten Zwecke der Zusammenarbeit weiter verfolgt wird. Zum gegenteiligen Ergebnis führte eine solche Prüfung und Gesamtwürdigung bei dem „Abkommen zwischen dem Bundesminister für Forschung und Technologie der Bundesrepublik Deutschland und der iranischen Atomenergieorganisation über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der friedlichen Verwendung der Kernenergie“ vom 4. Juli 1976, in Kraft seit dem 21. November 1977. Dieses Abkommen wurde im Jahr 2007 gekündigt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 25 verwiesen. 9. Teilt die Bundesregierung, insbesondere der federführende Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, aber auch das Bundesministerium des Auswärtigen und das für Reaktorsicherheit zuständige Bundesministerium , die Auffassung, dass eine Einschränkung der Zusammenarbeit auf die ausschließliche Förderung von nichtatomaren Energieformen im derzeitigen deutsch-brasilianischen Atomabkommen aus dem Jahr 1975 angebracht ist und dass eine Einschränkung der ohnehin bereits bestehenden Zusammenarbeit der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Föderativen Republik Brasilien im Energiesektor mit dem Schwerpunkt auf erneuerbarer Energie und Energieeffizienz die Position Deutschlands im internationalen Kontext kongruenter erscheinen lassen würde? Siehe Antwort zu den Fragen 2 bis 6. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/968 10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine gänzliche Kündigung des deutsch-brasilianischen Abkommens den politischen Spielraum der Bundesregierung vergrößern würde, Projekte zur Förderung der Atomenergie zukünftig nicht zu unterstützen, wenngleich rechtlich die Fördermöglichkeit durch Hermesbürgschaften weiter bestünde? Siehe Antwort zu Frage 1. 11. Sieht die Bundesregierung im Rahmen des bis zum Jahr 2022 geplanten, nationalen Atomausstiegs vor, die Einfuhr, Weiterberarbeitung und die Ausfuhr von Uran und von Materialien, welche Uranverbindungen enthalten , zu unterbinden? Falls ja, welche Folgen hätte eine Unterbindung für die Aufbereitung von ursprünglich aus Brasilien stammendem Uran in den in Deutschland existierenden Urananreicherungsanlagen und Brennelementefabriken? Nein. Der mit breiter Mehrheit des Deutschen Bundestages getragene Beschluss zur Beendigung der Nutzung der Kernspaltung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität sieht keine Unterbindung der Einfuhr, Anreicherung oder sonstigen Weiterberarbeitung und der Ausfuhr von Uran sowie von Materialien, welche Uranverbindungen enthalten, vor. 12. Wie ist die aktuelle Haltung der Bundesregierung vor dem Hintergrund des Antrages der SPD „Keine Hermesbürgschaft für den Bau des Atomkraftwerkes Angra 3“ auf Bundestagsdrucksache 17/9578 bezüglich der Forderung der Fragestellerinnen und Fragesteller, ab sofort keine weiteren Hermesbürgschaften für Nukleartechnologien oder andere Technologien, die für den Bau von Kernkraftwerken bestimmt sind, zu vergeben und damit auch die dem Interministeriellen Ausschuss für Exportgarantien des Bundes vorliegenden Anträge auf Exportgarantien abzulehnen? Siehe Antwort zu Frage 1. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass ein im Zusammenhang mit dem Bau des Kernkraftwerks Angra 3 (Brasilien) gestellter Antrag auf Übernahme einer Hermesdeckung zwischenzeitlich vom Antragsteller zurückgezogen wurde. 13. Mit welchen Gründen begründet ggf. die Bundesregierung, weitere Hermesbürgschaften zur Sicherung von Exportgeschäften zu gewähren, wenn sie dadurch durch eigenes Handeln die internationale Nutzung der Atomkraft vorantreibt? Siehe Antwort zu Frage 1. 14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass weitere Exporte spaltbaren Nuklearmaterials die Gefahr der Weiterverbreitung von atomarem Material ebenso wie die Gefahr des Missbrauchs erhöhen und dies im Widerspruch zum Vorhaben der Bundesregierung steht, auf NATO-Ebene die Bedingungen für eine Welt ohne Kernwaffen zu schaffen, wie dies im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart wurde? Wenn nein, warum nicht? Der Export von Nuklearmaterial unterliegt einem umfassenden nationalen und internationalen Regelwerk, das unter anderem wirksame Schutzmechanismen gegen die Verbreitung und den Missbrauch von Nuklearmaterial bereitstellt. Die Drucksache 18/968 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bundesregierung genehmigt in Übereinstimmung mit der geltenden Rechtslage Exporte von Nuklearbrennstoffen und -gütern nur, wenn eine sorgfältige Prüfung des Ausfuhrantrags ergeben hat, dass kein Risiko der Nutzung für oder Weiterleitung in ein militärisches Nuklearprogramm besteht. Bei Lieferungen von zivil genutzten Nukleargütern müssen Empfängerstaaten zudem garantieren , dass sämtliche Maßnahmen zum physischen Schutz der Güter eingehalten werden, die Ware dem angegebenen zivilen Endverwendungszweck dient und nicht wieder ausgeführt wird. Gemäß den verbindlichen Richtlinien der Gruppe der Nuklearen Lieferländer (Nuclear Suppliers Group), in der Deutschland Mitglied ist, dürfen Nukleargüter darüber hinaus grundsätzlich nur in Staaten geliefert werden, die sich gegenüber der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zu umfassenden internationalen Sicherungsmaßnahmen (safeguards) ihrer Nuklearanlagen verpflichtet haben. Daher sieht die Bundesregierung keinen Widerspruch zwischen diesen Exporten und dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel einer „Welt ohne Kernwaffen“. 15. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von Plänen der brasilianischen Regierung, mittelfristig fünf atomar betriebene U-Boote zu beschaffen (DIE ZEIT vom 22. September 2011 „Das Judas-Projekt“ und neues deutschland vom 4. März 2013 „Brasilien baut erstes Atom-U-Boot mit Hilfe Frankreichs“)? Der Bundesregierung sind Pläne der brasilianischen Regierung zur Beschaffung von nuklear betriebenen U-Booten bekannt. a) Inwiefern wurde die Bundesregierung hierzu durch die brasilianische Regierung um Unterstützung oder Bereitstellung von Expertise, spaltbarem Nuklearmaterial oder sonstigen Technologien gebeten? Die Bundesregierung ist nicht von der brasilianischen Regierung um Unterstützung oder Bereitstellung von Expertise, spaltbarem Nuklearmaterial oder sonstigen Technologien gebeten worden. b) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang über etwaige Kooperationen mit deutschen Unternehmen oder Anfragen der brasilianischen Regierung an diese im Rahmen der Beschaffung oder Entwicklung brasilianischer Nukleartechnologie? Die Bundesregierung hat in den Jahren 2009 und 2012 zwei Ausfuhranträge für Wälzkolbenpumpen und Turbomolekularpumpen genehmigt, die in Zusammenhang mit der Beschaffung oder Entwicklung entsprechender brasilianischer Nukleartechnologie stehen könnten. 16. Für welche Atomtechnologie-Exporte hat der Bund in der Vergangenheit in welcher Höhe Ausfuhrbürgschaften bzw. Hermesdeckungen gewährt (bitte Übersicht differenziert nach Jahren und mit namentlicher Nennung der betreffenden Kraftwerke bzw. Atomanlagen oder sonstigen Vorhaben angeben)? Im Zeitraum von September 2009 bis heute wurden elf Exportkreditgarantien für Lieferungen im Zusammenhang mit Nukleartechnologie in Höhe von 52,15 Mio. Euro übernommen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/968 17. Welche Atomtechnologie-Exporte oder Vorhaben im Atomindustriebereich (inkl. Urangewinnung, -anreicherung etc.) hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau bzw. KfW Bankengruppe in der Vergangenheit in welcher Höhe gefördert (bitte Übersicht differenziert nach Jahren und mit namentlicher Nennung der betreffenden Kraftwerke bzw. Atomanlagen oder sonstigen Vorhaben angeben)? Es ist seit Jahren nicht Teil der Strategie der KfW Bankengruppe, Finanzierungen mit Bezug zur Kernenergie zu gewähren. Im Portfolio des Konzerns befinden sich lediglich noch zwei Altfälle, wobei die letzte Finanzierung mit Kernenergiebezug bereits rund 13 Jahre zurück liegt und die Finanzierung von Sicherheitstechnik beinhaltete. Konkret betreffen die beiden Altfälle Finanzierungen von Exporten nach Argentinien und China. Aus Gründen des Bankgeheimnisses können keine Details zu den einzelnen Finanzierungen genannt werden. 18. Welche der in den Fragen 16 und 17 thematisierten Atomexporte und -vorhaben wurden mit Bezug zu welchem/n Atomabkommen der Bundesrepublik Deutschland a) beantragt und/oder b) bewilligt? Für die Beantragung einer Hermesdeckung wie auch bei etwaigen Finanzierungen der KfW Bankengruppe ist das Vorliegen eines Abkommens auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie keine Voraussetzung. Jahr (ab Sep. 2009) Exportgegenstand Land/Anlage (soweit bekannt) Deckungsvolumen (in Mio. Euro) 2009 Labortechnik zur Messung des Urangehalts im Wasser Frankreich, Urananreicherungsanlage in Pierrelatte Cedex 0,08 2010 Industriearmaturen China, KKW Taishan 10,7 2010 Komponenten Frankreich, ITER ForschungsFusionsreaktor 7,05 2010 Stahlbleche, Großrohre, Stahl, Maschinen, Ausrüstung China, KKW Taishan 12,0 2010 Strahlenmessgeräte Russland 0,375 2010 Strahlenmessgeräte Litauen 0,08 2010 Strahlenmessgeräte Slowenien 0,025 2010 Strahlenmessgeräte Südkorea 0,55 2010 Strahlenmessgeräte China 0,25 2010 Strahlenmessgeräte Rumänien 0,15 2012 Komponenten Frankreich, ITER ForschungsFusionsreaktor 20,89 Drucksache 18/968 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 19. Welche konkreten kerntechnischen Anlagen (Atomkraftwerke – AKW – zur kommerziellen Stromerzeugung, Forschungs- und Versuchsreaktoren und Einrichtungen zur nuklearen Ver- oder Entsorgung) sind als Ergebnis der bilateralen Kooperationen zum Zweck der „Zusammenarbeit bei der friedlichen Verwendung der Atomenergie“ mit den Ländern Kanada, Argentinien, Chile, Indien, Brasilien, Indonesien, Ägypten, Südkorea und den Nachfolgestaaten der Sowjetrepubliken nach Kenntnis der Bundesregierung errichtet worden bzw. befinden sich aktuell im Bau oder in der Planung? a) Gibt es ggf. darüber hinaus nach Kenntnis der Bundesregierung bilaterale Atomkooperationen, die in der gemeinschaftlichen Errichtung von kerntechnischen Anlagen mündeten, und wenn ja, welche? b) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung andere Outputs der Kooperation (Atomgesetze, Sicherheitsrichtlinien), die als Grundlage für die Errichtung von Atomkraftwerken (real oder geplant) dienen, selbst, wenn sie nicht gemeinschaftlich mit Unternehmen, Institutionen etc. der Bundesrepublik Deutschland errichtet werden? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind keine kerntechnischen Anlagen als Ergebnis bilateraler Kooperationen zum Zwecke der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie mit den Ländern Kanada, Argentinien, Chile, Indien, Brasilien, Indonesien, Ägypten, Südkorea und den Nachfolgestaaten der Sowjetrepubliken errichtet worden bzw. befinden sich aktuell im Bau oder der Planung. Ebenso wenig sind der Bundesregierung bilaterale Kooperationen, die in der gemeinschaftlichen Errichtung von kerntechnischen Anlagen mündeten, bekannt. Auch andere Ergebnisse im Sinne der Frage 19b sind der Bundesregierung nicht bekannt. 20. Welcher Art waren die Kooperationen im Bereich der nuklearen Sicherheit mit den Ländern Brasilien, USA, China, Ukraine und Russland in den vergangenen Jahren? Kann ausgeschlossen werden, dass diese Zusammenarbeit zur Laufzeitverlängerung alter AKW geführt hat? Die Bundesrepublik Deutschland bzw. die Bundesressorts haben seit dem Jahr 1972 verschiedene Regierungs- und Kooperationsvereinbarungen mit den aufgeführten Ländern abgeschlossen. Die übergeordnete Zielsetzung dieser Kooperationen war es, durch die technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit die nukleare Sicherheit und die Effektivität der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden und der Sachverständigenorganisationen in den jeweiligen Ländern zu verbessern. In diesem Rahmen erfolgten z. T. jährliche Treffen zum Informations - und Erfahrungsaustausch, Workshops sowie Trainings- und Tutoringkurse mit den zuständigen Aufsichtsbehörden, Sachverständigenorganisationen und Forschungseinrichtungen zu aktuellen generischen wissenschaftlich-technischen Fragestellungen bzw. zur Nutzung fortgeschrittener Analysehilfsmittel. Inwieweit Erkenntnisse, die Partnerstaaten durch diese Zusammenarbeit erlangt haben können, im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Laufzeitverlängerung von Altanlagen genutzt wurden, ist nicht bekannt. 21. Gibt es ggf. darüber hinaus nach Kenntnis der Bundesregierung bilaterale Kooperationen im Bereich der nuklearen Sicherheit, die zu Laufzeitverlängerungen geführt haben? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von darüber hinausgehenden Koopera- tionen im Bereich der nuklearen Sicherheit, die im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Laufzeitverlängerung von Altanlagen genutzt wurden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/968 22. Hat das Abkommen mit Indonesien zum Zweck der Exploration von Uranerzen nach Kenntnis der Bundesregierung zur konkreten Zusammenarbeit beim Abbau von Uran geführt, und wenn ja, wo ist dieses Uran nach Kenntnis der Bundesregierung weiterverarbeitet worden? Nein. Das Prospektions-Projekt „Joint Indonesian German Uranium Exploration Project“ wurde in den Jahren 1976 bis 1978 in Kooperation mit der indonesischen Atomenergiebehörde Bandan Tenaga Atom National (BATAN), der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und der Urangesellschaft Frankfurt (UG) durchgeführt. Das Projekt endete im Jahr 1978 mit dem Ergebnis der Nichtwirtschaftlichkeit. Ein Uranabbau findet in Indonesien nach Kenntnis der Bundesregierung nicht statt. 23. Was sind die konkreten Maßnahmen der Nichtverbreitungszusicherungen des zu schwach angereicherten Urans zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien, USA und Taiwan? Deutschland, die Niederlande, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten von Amerika sind Vertragsparteien des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV). Entsprechend Artikel III Absatz 2 des NVV unterliegen sie somit der Verpflichtung, Kernmaterial für friedliche Zwecke anderen Staaten nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn diese Staaten Verifizierungsmaßnahmen der IAEO gemäß NVV unterliegen. Exporte von Kernmaterial sind außerdem der IAEO zu notifizieren. Nachdem Taiwan seinen VN-Sitz 1971 an die Volksrepublik China übertragen hatte, endete auch seine Mitgliedschaft im NVV. Im gleichen Jahr verpflichtete sich Taiwan im Rahmen eines trilateralen Abkommens mit den Vereinigten Staaten von Amerika und der IAEO, auch weiterhin die Regeln des NVV anzuwenden und sich Sicherungsmaßnahmen (safeguards) der IAEO zu unterwerfen. Die IAEO kontrolliert heute im Rahmen zweier Abkommen (INFCIRC/133 und INFCIRC/158) die Verwendung von Kernmaterial in Taiwan. Darüber hinaus haben sich die Vereinigten Staaten von Amerika im Vertrag von Washington im Jahr 1992 gegenüber Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich verpflichtet, in der National Enrichment Facility (Eunice, New Mexico) angereichertes Uran nur unter der Voraussetzung von Sicherungsmaßnahmen in Drittstaaten, die mindestens IAEO-Standard entsprechen , zu exportieren. 24. Sind auf der Grundlage des Vertrages über die nukleare Haftung zwischen Russland und Deutschland bezüglich der Lieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland für Kernanlagen in der Russischen Föderation tatsächlich Lieferungen erfolgt, und wenn ja, welche? Das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über nukleare Haftung im Zusammenhang mit Lieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland für Kernanlagen in der Russischen Föderation vom 8. Juni 1998 findet gemäß seinem Artikel 1 Absatz 2 nur dann Anwendung, wenn die zuständigen Stellen die jeweiligen Lieferungen einander schriftlich mitgeteilt haben. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat als zuständige Stelle auf deutscher Seite (Artikel 1 Absatz 4 Nummer 1) seit Inkrafttreten des Übereinkommens Mitteilungen über beabsichtigte Lieferungen erhalten, verbunden mit dem Antrag, diese beabsichtigten Lieferungen der zuständigen Stelle auf russischer Seite mitzuteilen. Die beabsichtigten Lieferungen umfassten unter anderem Reaktorsicherheitstechnik sowie Beratungsleistungen. Drucksache 18/968 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 25. Welche bi- oder multilateralen Atomabkommen der Bundesrepublik Deutschland laufen in dieser Wahlperiode aus (bitte jeweils mit Angabe des Datums)? Alle sechs Monate – und damit in dieser Wahlperiode – sind Abkommen mit nachfolgend genannten Staaten kündbar: Tschechische Republik, Slowakei, Norwegen, Dänemark, Ukraine, Schweden, Ungarn, Finnland, China, Bulgarien, Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Abkommen mit folgenden Staaten laufen an konkreten Daten aus: Argentinien (21. Oktober 2015), Spanien (12. Dezember 2017), Ägypten (14. September 2016), Rumänien (28. Dezember 2015), Brasilien (17. November 2014), Republik Korea (10. Oktober 2015), Indien (15. Mai 2014), Indonesien (4. Februar 2015), Vereinigte Staaten von Amerika (20. September 2016). 26. Welche dieser Abkommen will die Bundesregierung ohne Novellierung verlängern, welche will sie auslaufen lassen, und welche – insbesondere die in der Antwort zu Frage 25 genannten – Atomabkommen will sie inwiefern novellieren (bitte jeweils mit kurzer Begründung)? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333