Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 23. September 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9777 18. Wahlperiode 27.09.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/9613 – Fahndungs- und Auslieferungsersuchen der Türkei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 25. Juli 2016 strahlte der „Bayerische Rundfunk“ ein 30-minütiges Exklusiv -Interview mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoǧan aus. Darin erklärte Recep Tayyip Erdoǧan, sein Land kämpfe seit 40 Jahren gegen den Terror und „ein Großteil dieser Terroristen werden aber auch in Deutschland unterstützt und genährt und Deutschland unterstützt diese auch“. Weiter erklärte Recep Tayyip Erdoǧan, er habe der Bundeskanzlerin „4 000 Akten zu den Personen gegeben, übermittelt, von Namen her gesehen“. Auf die Frage, was damit geschehe, habe ihm die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gesagt, der Justizprozess gehe weiter und es seien mittlerweile schon 4 500 Akten. Die von der Türkei Gesuchten leben laut Recep Tayyip Erdoǧan heute in Frankreich , Belgien, Deutschland und Holland. Obwohl die Türkei nachrichtendienstliche Informationen übermittelt habe, würden diese „Terroristen“ nicht ausgeliefert. (www.br.de/mediathek/video/sendungen/nachrichten/interviewgottlieb -erdogan-100.html; deutsche Transkription des Interviews unter: www. tkpml-prozess-129b.de/de/sigmund-gottlieb-br-chefredakteur-und-istanbulkorrespondent -michael-schramm-fuehren-ein-30-minuetiges-exklusiv-interviewmit -dem-tuerkischen-praesidenten-recep-tayyip-erdogan/). Auf die Schriftliche Frage 17 des Abgeordneten Andrej Hunko auf Bundestagsdrucksache 18/9390 nach den von Recep Tayyip Erdoǧan genannten 4 000 Akten , bestätigte die Bundesregierung lediglich, dass türkische Behörden der Bundesregierung regelmäßig Informationen und Hinweise im Rahmen des Vorgehens gegen mutmaßliche Terroristinnen und Terroristen sowie ihre Unterstützerinnen und Unterstützer übermitteln. Diese würde von den zuständigen deutschen Behörden auf ihre Sicherheitsfragen betreffende und strafrechtliche Relevanz geprüft und gegebenenfalls zum Anknüpfungspunkt für weitergehende eigene Ermittlungen und Maßnahmen gemacht. Nach Einschätzung der Fragesteller handelt es sich bei den von der Türkei gesuchten mutmaßlichen „Terroristen“ mehrheitlich um Anhängerinnen und Anhänger linker und kurdischer Vereinigungen aus der Türkei. Nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 in der Türkei forderte die türkische Regierung von Deutschland auch die Auslieferung von Anhängern der Gülen-Bewegung, die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9777 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sie für die Militärrevolte verantwortlich macht, welche über 250 Menschenleben kostete. Der türkische Europaminister Ömer Celik verlangte von Berlin die Ausweisung von Predigern, die Mitglieder der Gülen-Bewegung sind, in die Türkei (www.tagesschau.de/ausland/guelen-auslieferung-101.html). Presseberichten zufolge schickten türkische Behörden seit Mitte Juli 2016 40 Fahndungs - und Auslieferungsersuchen bezüglich in Deutschland lebender oder dorthin geflohener Gülen-Anhänger an die Bundesregierung. Dabei soll der türkische Geheimdienst an den Bundesnachrichtendienst herangetreten sein, um Deutschland für einen harten Kurs gegen die Gülen-Bewegung zu gewinnen (www.dw.com/de/bericht-t%C3%BCrkei-fordert-bnd-unterst%C3%BCtzungim -kampf-gegen-g%C3%BClen/a-19489465). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Bei den von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan genannten 4 000 Akten handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung nicht um 4 000 bzw. mittlerweile ca. 4 500 Akten, die Deutschland aus der Türkei erhalten haben soll, sondern um die etwa 4 500 in Deutschland durchgeführten oder anhängigen polizeilichen Ermittlungsverfahren mit Bezug zur PKK. Diese Auffassung ist zwischenzeitlich zwischen Vertretern der Bundesregierung und Vertretern der Republik Türkei konsentiert worden. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/3491 vom 9. Dezember 2014. Der Bundesregierung liegen keine Angaben über den Ausgang der Länderverfahren vor, da dies nicht statistisch erfasst wird. 1. Inwieweit trifft nach Kenntnis der Bundesregierung die Aussage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoǧan aus einem am 25. Juli 2016 vom „Bayerischen Rundfunk“ ausgestrahlten Interview zu, dass türkische Behörden der Bundesregierung oder deutschen Behörden rund 4 000 Akten von der türkischen Justiz als Terroristen eingestuften Personen übergeben haben? a) Wie viele derartige Akten wurden welchen deutschen Behörden wann und in welchem Zeitraum durch welche türkischen Regierungsstellen oder Behörden übergeben? b) Um welche Art von Akten handelt es sich dabei? c) Inwieweit handelt es sich bei den genannten Akten um Fahndungs- oder Auslieferungsersuchen der türkischen Justiz? d) Mit welcher konkreten Maßgabe oder Handlungserwartung von türkischer Seite aus wurden diese Akten nach Kenntnis der Bundesregierung an deutsche Behörden übergeben, bzw. welche etwaigen diesbezüglichen Zusagen gab es seitens deutscher Behörden? e) Welche der deutschen Behörden im Einzelnen haben nach Kenntnis der Bundesregierung auf diese Akten oder – etwa im Rahmen von Verbunddateien – Zugriff erhalten? f) Welche europäischen Behörden bzw. Behörden im EU-Ausland haben nach Kenntnis der Bundesregierung vermittelt über deutsche Behörden oder Verbunddateien Zugriff auf diese Akten bekommen? Die Fragen 1 bis 1f werden gemeinsam beantwortet. Der in Frage 1 dargestellte Sachverhalt trifft nicht zu. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9777 2. Welchen von der Türkei als terroristisch eingestuften Organisationen oder Personenkreise sollen nach Kenntnis der Bundesregierung die in den Akten genannten Personen angehören (bitte benennen, wie viele Personen welcher Organisation oder Personengruppe jeweils zugeordnet werden), und bei welcher dieser Gruppierungen handelt es sich auch nach Auffassung der Bundesregierung um terroristische Vereinigungen? 3. Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Personen, die in den von Recep Tayyip Erdoǧan erwähnten Akten genannt werden, heute in Deutschland, Frankreich, Holland und Belgien leben? 4. Inwieweit handelt es sich bei den in den Akten genannten Personen um in der Bundesrepublik Deutschland oder anderen EU-Staaten als politische Flüchtlinge anerkannte Personen bzw. Personen, die dort Asyl oder Schutz aufgrund einer Verfolgung in der Türkei erhalten haben oder um Personen, die die Staatsbürgerschaft der jeweiligen europäischen Länder besitzen? 5. Inwieweit trifft es zu, dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gegenüber dem türkischen Präsidenten auf dessen Nachfrage zu den Akten erklärt habe, der Justizprozess gehe weiter? a) Falls getätigt, was genau meint die Bundeskanzlerin mit dieser Aussage bezüglich des Justizprozesses? b) In wie vielen und welchen Fällen, auf welcher rechtlichen Grundlage und mit welchem Ergebnis hat sich die deutsche Justiz nach Kenntnis der Bundesregierung mit den in den Akten genannten Terrorverdächtigen befasst? 6. In wie vielen und welchen Fällen und auf welcher rechtlichen Grundlage wurden in diesen Akten genannte Personen nach Kenntnis der Bundesregierung in welchen EU-Ländern in Auslieferungsgewahrsam genommen oder tatsächlich an die Türkei ausgeliefert? 7. Inwieweit werden in Deutschland lebende Personen, deren Namen in den Akten aus der Türkei genannt werden, nach Kenntnis der Bundesregierung von deutschen Behörden darüber in Kenntnis gesetzt? 8. Inwieweit kann die Bundesregierung ein durch die mögliche Einhaltung des offiziellen Rechtsweges und internationaler rechtlicher Gepflogenheiten erkennbares ernsthaftes Bemühen der türkischen Regierung und Justiz erkennen , die in den Akten genannten Personen in ihren Einflussbereich zu bekommen ? 9. Inwieweit entsprechen die von der Türkei deutschen Behörden übergebenen Akten bezüglich in Europa lebender Terrorverdächtiger internationalen rechtlichen Standards? Die Fragen 2 bis 9 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung und die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9777 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Wie viele offizielle Auslieferungsersuchen bezüglich Personen, die von der türkischen Justiz als Terrorverdächtige eingeschätzt werden, ergingen von Seiten der türkischen Behörden in den vergangenen fünf Jahren an Deutschland ? a) Um wie viele mutmaßliche Mitglieder oder Anhänger welcher von der Türkei als terroristisch eingestufter Vereinigungen oder Personengruppen ging es dabei? b) Wie viele der Gesuchten lebten nach Kenntnis der Bundesregierung mit welchem Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland? c) In wie vielen und welchen Fällen wurde türkischen Auslieferungsersuchen stattgegeben? d) In wie vielen und welchen Fällen und mit welcher Begründung wurden derartige Auslieferungsersuchen abgelehnt oder haben sich auf welche sonstige Art und Weise erledigt? e) Inwieweit kam es nach Kenntnis der Bundesregierung nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 zu einem Anstieg von offiziellen oder inoffiziellen Auslieferungsersuchen gegenüber deutschen Behörden und welche Personengruppen oder Mitglieder welcher Vereinigungen betrafen die Auslieferungsersuchen nach dem 15. Juli 2016? Die Fragen 10 bis 10e werden gemeinsam beantwortet. Statistische Daten zu Ersuchen ausländischer Staaten um Auslieferungen sind in der Auslieferungsstatistik enthalten, die zuletzt für das Jahr 2014 veröffentlicht wurde. Aus der Türkei sind im Jahr 2011 49 Auslieferungsersuchen, im Jahr 2012 51 Auslieferungsersuchen, im Jahr 2013 37 Auslieferungsersuchen und im Jahr 2014 52 Auslieferungsersuchen eingegangen. Eine Differenzierung nach Straftaten findet nicht statt. 11. Wie viele offizielle Fahndungs- und Auslieferungsersuchen (bitte jeweils getrennt angeben) bezüglich Anhängerinnen und Anhänger des Predigers Fethullah Gülen haben türkische Behörden nach Kenntnis der Bundesregierung an Bundesbehörden oder die Bundesregierung übermittelt? a) Wie viele dieser Fahndungs- und Auslieferungsersuchen wurden jeweils in welchem Zeitraum vor dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 bzw. danach übermittelt (bitte differenziert angeben)? b) Wie viele sich auf Anhängerinnen und Anhänger der Gülen-Bewegung beziehende Fahndungs- und Auslieferungsersuchen jeweils vor und nach dem 15. Juli 2016 betrafen nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland lebende türkische Staatsbürger, deutsche Staatsbürger und mutmaßlich nach Deutschland geflohene oder sich zumindest aus der Türkei angesichts drohender Verfolgung abgesetzter und in Deutschland vermutete türkische Staatsbürger? Die Fragen 11 bis 11b werden im Zusammenhang beantwortet. Unter den Fahndungsersuchen, die vor dem Putschversuch eingegangen sind, befinden sich zwei Ersuchen, die ausschließlich mit der Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit zu Fethullah Gülen begründet werden. Auslieferungsersuchen zu diesem Tatvorwurf sind nicht eingegangen. Vor dem Putschversuch gab es zudem jedenfalls zwei Auslieferungsersuchen gegen Personen wegen sonstiger Straftaten, bei denen es aufgrund der Gesamtumstände naheliegt, dass sie der Gülen-Bewegung angehören. Weiterhin wurden im Jahr 2015 seitens der türkischen Behörden auf dem IP-Weg sechs internationale Fahndungsersuchen auf Grundlage diverser Straftaten übermittelt, hinsichtlich Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9777 derer aus zum Teil öffentlich zugänglichen Informationen zu diesen sechs Personen recherchiert werden konnte, dass sie als Anhänger von Fethullah Gülen gelten . Nach dem Putschversuch sind weder Fahndungs- noch Auslieferungsersuchen zu diesem Tatvorwurf eingegangen. Die o. g. Ersuchen richteten sich ausschließlich gegen türkische Staatsangehörige. Zur Intention eines möglichen Aufenthalts von Gesuchten in Deutschland äußert sich die Bundesregierung, sofern ihr überhaupt Erkenntnisse vorliegen, aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte Betroffener, insbesondere des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, grundsätzlich nicht. 12. Inwieweit treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Presseberichte zu, wonach der türkische Geheimdienst an den Bundesnachrichtendienst mit der Bitte herangetreten ist, deutsche Behörden zu einem härteren Vorgehen gegen die Gülen-Bewegung und die Auslieferung von Gülen-Gefolgsleuten zu bewegen? Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 20 auf Bundestagsdrucksache 18/9476 des Abgeordneten Özcan Mutlu vom 23. August 2016 wird verwiesen. 13. Inwieweit folgten auf die Forderung des türkischen Europaministers Ömer Celik, Deutschland sollte Gülen-Imame in die Türkei ausweisen, offizielle Ausweisungsbegehren von Seiten der Türkei (www.tagesschau.de/ausland/ guelen-auslieferung-101.html)? Der Bundesregierung sind keine derartigen Fälle bekannt. 14. Wie gedenkt die Bundesregierung, grundsätzlich mit Fahndungs- und Auslieferungsersuchen der Türkei bezüglich Gülen-Gefolgsleuten umzugehen? Eingehende Fahndungsersuchen werden auf ihre Vereinbarkeit mit internationalem und nationalem Recht geprüft, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Verfolgung aufgrund politischer Motive. Eingehende Ersuchen der türkischen Regierung zur Auslieferung türkischer Staatsangehöriger werden von den Oberlandesgerichten und den Generalstaatsanwaltschaften einer vertieften Einzelfallprüfung unterzogen. Die Oberlandesgerichte entscheiden auf Grundlage des zwischen der Türkei und Deutschland anwendbaren Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 nebst dem 2. Zusatzprotokoll unter Berücksichtigung menschenrechtlicher Verpflichtungen über die Zulässigkeit einer Auslieferung. Auch im Rahmen der sich daran anschließenden Bewilligungsentscheidung durch die Bundesregierung erfolgt eine gründliche Einzelfallprüfung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333