Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 11. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9966 18. Wahlperiode 13.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harald Ebner, Renate Künast, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9774 – Auswirkungen des EU-Einheitspatents und Ratifizierung des Übereinkommens zum Europäischen Patentgericht V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das EU-Einheitspatent hat die Zielsetzung eines supranationalen Patentschutzes in 26 Staaten Europas. Das Übereinkommen zum Europäischen Patentgericht steht noch zur Ratifikation durch die EU-Mitgliedstaaten an. Durch das Ausscheiden Großbritanniens aus der EU könnte es hier zu Verzögerungen kommen, da einer der Sitze des EU-Patentgerichts in London sein sollte und Großbritannien zu den obligatorischen Mitgliedsländern des EU-Einheitspatents gehört (vgl. www.handelsblatt.com/my/politik/international/brexitreferendum /brexit-news/brexit-gefaehrdet-prestigeprojekt-europaeischespatentgericht -steht-vor-dem-aus/13838604.html sowie www.juve.de/nachrichten/ namenundnachrichten/2016/04/brexit-letzte-grosse-huerde-fuer-das-neueeuropaeische -patentsystem). Das EU-Einheitspatent beinhaltet einige gravierende Änderungen gegenüber der bisherigen Situation. So sollen die vom Europäischen Patentamt (EPA) für die EU erteilten Patente anders als bislang unmittelbare Gültigkeit in allen teilnehmenden Staaten erlangen. Bisher sind unterschiedliche Regelungen für die nationale Validierung bzw. den Widerruf von Patenten in Kraft, die durch das EPA erteilt wurden (vgl. http://documents.epo.org/projects/babylon/eponot.nsf/ 0/05b84848cbcf7338c1257833003c2531/$FILE/patent_litigation_in_europe_ 2013_en.pdf). Die Prüfung von Patenten im Rahmen der nationalen Validierung hat bislang dazu geführt, dass etwa vom EPA erteilte Patente im Bereich Saatgut nicht von allen europäischen Ländern anerkannt wurden. Angesichts der unmittelbaren Geltung von Einheitspatenten ist daher damit zu rechnen, dass die Anzahl der erteilten Patente in einigen EU-Staaten stark ansteigen wird. Aufgrund der damit verbundenen steigenden Gefahr von unbeabsichtigten Patentverletzungen könnte sich diese Entwicklung nach Auffassung der Fragesteller als Innovationsbremse erweisen und die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere für den sensiblen Bereich der Züchtung von Pflanzen und Tieren bzw. die Saatgutproduktion, wo ein freier Zugang zu genetischen Ressourcen essentielle Voraussetzung für Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9966 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Züchtungserfolge und damit für die Sicherung von Ernährungssouveränität und Welternährung darstellt (www.bundestag.de/blob/425346/f9b3f847f43613 d1314e357991315803/bericht-von-christoph-then-data.pdf). Bei drei von vier deutschen Gerichtsentscheidungen in Nichtigkeitsverfahren werden Patente teilweise oder vollständig für ungültig erklärt. Diese hohe Quote macht deutlich, dass die mangelhafte Prüfung von Patentansprüchen kein Einzelfall ist und missbräuchliche Patentansprüche bereits heute eine wirtschaftliche Belastung für betroffene Betriebe darstellen (vgl. www.daserste.de/ information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/eu-patentrecht100.html). Gleichzeitig befürchten Experten wie der Patentanwalt Ingve Stjerna, dass die Gebühren und weitere Verfahrenskosten im Zusammenhang mit dem EU-Einheitspatent bzw. dem Europäischen Patentgericht in einigen Fällen deutlich höher ausfallen als der bisherige finanzielle Aufwand (vgl. Zitat unter www. daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/eu-patentrecht100. html). Dies würde auch eine hohe Hürde (etwa durch hohe Gebühren, Anwaltskosten etc.) für Einsprüche gegen Patenterteilungen bzw. Verfahren zur Erreichung eines Widerrufs von ungerechtfertigt erteilten Patenten bedeuten. Hohe Kosten könnten es für kleine und mittlere Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen , Akteure aus der Wissenschaft sowie einige kleinere Mitgliedsländer der EU faktisch sehr erschweren oder gar unmöglich machen, Zugang zum Gericht zu erlangen und Patenterteilungsentscheidungen überprüfen zu lassen. Wenn gegen ungerechtfertigte Patentansprüche faktisch kaum noch vorgegangen werden kann, wird nach Auffassung der Fragesteller missbräuchlichen Patentansprüchen Vorschub geleistet, was sowohl zu Lasten der betroffenen Unternehmen als auch zu Lasten von Innovationsdynamik und Gemeinwohl geht. Eine hohe Konzentration von Patenten in bestimmten Forschungsbereichen („Überpatentierung“) hätte zur Folge, dass Lizenzkosten, Patentstreitigkeiten und damit verbundene Rechtsunsicherheiten massiv zunehmen und so Innovationen eher behindert als gefördert werden. Hier besteht die Gefahr, dass solche volkswirtschaftlichen Auswirkungen bzw. Kosten von Patenten deren Nutzen überwiegen, wenn ein Missbrauch dieses Instruments nicht verhindert wird (vgl. www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/G/gutachten-des-wissenschaftlichenbeirats -patentschutz-und-innovation,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de, rwb=true.pdf). Problematisch ist auch eine Zunahme der Aktivitäten sogenannter „Patent- Trolle“, die Patentansprüche bei Unternehmensinsolvenzen aufkaufen und sich auf die juristische Verfolgung von möglichen Patentverletzungen spezialisieren (vergleichbar der Strategie sogenannter Abmahnanwälte), ohne die entsprechenden Patente zur Herstellung eigener Produkte zu nutzen. Dies verschärft bereits bestehende negative Effekte, die sich etwa aus der wachsenden Zahl von Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere ergeben und so insbesondere im Bereich der Pflanzenzüchtung das Züchterprivileg untergraben, welches bislang den Open-Source-Charakter des Sortenschutz-Systems sicherstellt . 1. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf den Ratifizierungsprozess des Übereinkommens für ein Europäisches Patentgericht (Unified Patent Court, UPC) durch den Brexit-Prozess bzw. die Entscheidung Großbritanniens , die Europäische Union zu verlassen, und mit welchen Verzögerungen für den Ratifizierungsprozess rechnet die Bundesregierung als Folge des Brexit? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9966 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den aktuellen Stand und weiteren Zeitplan der Ratifizierung der Einrichtung des Europäischen Patentgerichts sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland und anderen EU- Mitgliedstaaten, und wann rechnet die Bundesregierung mit einem Abschluss der Ratifizierungsphase durch die nationalen Parlamente? Die Fragen 1 und 2 werden wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Die Auswirkungen des Referendums im Vereinigten Königreich vom 23. Juni 2016 auf den Prozess der Ratifizierung des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht vom 19. Februar 2013 (EPGÜ) sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht konkret absehbar. Gegenwärtig haben elf EU-Mitgliedstaaten das EPGÜ ratifiziert (AT, BE, BG, DK, FI, FR, LU, MT, NL, PT, SE). Nach den Bestimmungen des EPGÜ ist für das Inkrafttreten die Ratifikation von dreizehn Mitgliedstaaten erforderlich, darunter zwingend durch Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich. Solange sein Austritt aus der EU nicht formal wirksam geworden ist, besteht für das Vereinigte Königreich nach wie vor die Möglichkeit, das EPGÜ in seiner gegenwärtigen Fassung zu ratifizieren. Sofern dies zeitnah erfolgen sollte, könnte der Vertrag nach einer Ratifizierung durch Deutschland im kommenden Jahr mit nur geringfügiger Verzögerung implementiert werden. Auch in weiteren EU-Mitgliedstaaten laufen entsprechende Gesetzgebungsvorhaben . Diejenigen Staaten, die das EPGÜ nicht vor seinem Inkrafttreten ratifizieren, können nach dem Abschluss ihrer internen parlamentarischen Verfahren dem Vertrag beitreten. 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die zu erwartende Entwicklung der Patentanmeldungs- und Patenterteilungszahlen in den nächsten Jahren? Die Bundesregierung stellt keine Prognosen zur Entwicklung der Patentanmeldungs - und Patenterteilungszahlen auf. Anhaltspunkte für die weitere Entwicklung ergeben sich aber aus den bisherigen Zahlen für die vergangenen Jahre. Beim Deutschen Patent- und Markenamt sind die Patentanmeldungen in 2015 gegenüber dem Vorjahr um 1,4 Prozent gestiegen, 2014 gegenüber 2013 um 4,4 Prozent . Beim Europäischen Patentamt (EPA) ergeben sich nach dessen Jahresbericht 2015 vergleichbare Zahlen mit einem Anstieg in 2015 von 1,6 Prozent und 2014 von 3,1 Prozent. Bei der Entwicklung des Bestands der in Deutschland insgesamt in Kraft befindlichen deutschen Patente ist 2015 mit 129 591 Patenten gegenüber 129 544 im Jahre 2014 sowie 129 690 im 2013 praktisch keine Veränderung eingetreten. Bei den in Deutschland in Kraft befindlichen europäischen Patenten ist 2015 mit 470 907 gegenüber dem Vorjahr mit 459 102 ein leichter Anstieg von 2,6 Prozent bzw. für 2014 mit 459 102 Patenten gegenüber dem Bestand von 2013 mit 444 404 Patenten von 3,3 Prozent zu verzeichnen. 4. Inwieweit sind der Bundesregierung Prognosen und Folgenabschätzungen bekannt hinsichtlich der Entwicklung der Zahl valider Patente in anderen EU-Ländern, insbesondere in Süd- und Osteuropa, zu rechnen nach Inkrafttreten des sogenannten EU-Einheitspatents bzw. nach Abschluss des Ratifizierungsprozesses für das Europäische Patentgericht (bitte begründen)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die zukünftige Entwicklung des Patent-bestands in anderen EU-Mitgliedstaaten vor. Sofern zukünftig Patentschutz nach der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2012 über die Umsetzung der verstärkten Zu- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9966 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes in Anspruch genommen wird, erstreckt sich der Schutz der Natur des EU-Einheitspatents gemäß auf alle teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten einschließlich in Südund Osteuropa. In welchem Umfang das EU-Einheitspatent von Patentanmeldern in Anspruch genommen wird, muss die weitere in Entwicklung der Praxis zunächst erweisen. 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwieweit in den nächsten Jahren eine deutliche Zunahme von Patentanmeldungen aus Drittstaaten , insbesondere China und den USA, zu erwarten sind? Ungefähr die Hälfte der Anmeldungen beim EPA stammt aus EU-Mitgliedstaaten , die andere Hälfte aus Drittstaaten. Die USA sind als größte Volkswirtschaft der Welt dasjenige Land, aus dem die meisten Anmeldungen beim Europäischen Patentamt stammen. Nach dem Jahresbericht 2015 des EPA stammen 27 Prozent der Anmeldungen aus den USA. Die Anmeldungen aus China sind in den vergangenen Jahren bis auf 4 Prozent in 2015 gestiegen. Prognosen, wie sich diese Anteile in Zukunft entwickeln könnten hat die Bundesregierung nicht angestellt. 6. Wie sieht und bewertet die Bundesregierung die Sorge vor einer möglichen „Überpatentierung“ insbesondere in sensiblen Bereichen wie der Pflanzenund Tierzüchtung? 7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer möglichen Zunahme von „Überpatentierungen“ hinsichtlich der Auswirkungen auf die Rechtssicherheit von Wissenschaft, Wirtschaft und Forschung, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft und Lebenswissenschaften? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Nach den Erkenntnissen der Bundesregierung ist die Sorge vor einer möglichen „Überpatentierung“ im Bereich der Pflanzen- und Tierzüchtung nicht begründet. Aufgrund des auf einen Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 17. Januar 2012 (Bundestagsdrucksache 17/8344) ergangenen Beschlusses des Deutschen Bundestags vom 9. Februar 2012 hat die Bundesregierung ein staatliches Biopatent-Monitoring aufgebaut, um Entwicklungen frühzeitig erkennen zu können. Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, alle zwei Jahre einen Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie unter anderem hinsichtlich ausreichender Technizität sowie Auswirkungen im Bereich der Pflanzenund Tierzüchtung vorzulegen. Weder der Bericht der Bundesregierung für den Beobachtungszeitraum 2013 (Bundestagsdrucksache 18/2119) noch der am 18. August 2016 vorgelegte Bericht über den Beobachtungszeitraum 2014/2015 (Bundestagsdrucksache 18/9462) lassen Schlussfolgerungen auf eine Überpatentierung zu. Politischer Handlungsbedarf hat sich nach Auffassung der Bundesregierung jedoch aus den Grundsatzentscheidungen der Großen Beschwerdekammer des EPA vom 25. März 2015 in den Verfahren G 2/12 (Tomate II) und G 2/13 (Brokkoli II) ergeben. Die Große Beschwerdekammer hat für den Geltungsbereich des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) einen Patentschutz auch für solche Pflanzen und Tiere bejaht, die durch im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnen worden sind. Sie hat damit anders als der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2013 entschieden, der mit § 2a des Patentgesetzes (PatG) insoweit einen Patent- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9966 schutz ausgeschlossen hat. EPÜ und Biopatent-Richtlinie regeln die von der Großen Beschwerdekammer entschiedene Frage nicht ausdrücklich. Die Bundesregierung unterstützt deshalb die am 18. Mai 2016 in Brüssel von der zuständigen EU-Kommissarin Elżbieta Bieńkowska verkündete Absicht, baldmöglichst eine klarstellende Erklärung („clarifying notice") zu veröffentlichen. In dieser soll die Intention des europäischen Gesetzgebers im Hinblick auf die Patentierbarkeit von Produkten im Wesentlichen biologischer Züchtungsverfahren erläutert werden. Die Bundesregierung erachtet eine solche Erklärung der Europäischen Kommission – nach Möglichkeit mitgetragen vom Europäischen Rat und vom Europäischen Parlament – zur genaueren Auslegung der Patentierungsausnahmen in der Biopatent-Richtlinie für eine geeignete und sinnvolle Maßnahme. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die klarstellende Erklärung so formuliert wird, wie es der Deutsche Bundestag mit § 2a PatG getan hat, so dass keine Patente auf Pflanzen und Tiere als Produkte im Wesentlichen biologischer Verfahren erteilt werden können. Parallel wird sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzen, dass der Patentrechtsausschuss der Europäischen Patentorganisation die Auslegung des EPÜ zur Frage der Erteilung von Patenten auf Pflanzen in weiteren Sitzungen berät, und darauf hinwirken, dass ein abgestimmtes Vorgehen von Europäischer Patentorganisation einerseits sowie der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Europäischen Kommission andererseits gewährleistet ist. 8. Welche Ansätze erachtet die Bundesregierung als geeignet, um eine verbesserte Prüfung von Patentansprüchen sicherzustellen und damit die Erteilung ungerechtfertigter Patente sowie die daraus resultierende hohe Quote an erfolgreichen Nichtigkeitsverfahren zu verringern? Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Qualität der Prüfung von Patenten im Erteilungs- sowie Einspruchsverfahren insgesamt gut. Der Bundesregierung ist zwar bekannt, dass in der Fachdiskussion vereinzelt die Auffassung vertreten wird, die Quote an Nichtigerklärungen am Bundespatentgericht sei zu hoch (Peter Hess, Tilmann Müller-Stoy, Martin Wintermeier, Mitteilungen deutscher Patentanwälte 2014, 439-452) und dies sei auf eine zu großzügige Patenterteilungspraxis zurückzuführen. Die Bundesregierung vermag diese Auffassung und die ihr zugrunde liegenden Annahmen jedoch nicht zu teilen: Eine unverhältnismäßig hohe „Vernichtungsquote “ ist nicht feststellbar. So endeten von den in den Jahren 2009 bis 2014 am Bundespatentgericht insgesamt abgeschlossenen 1 526 Nichtigkeitsverfahren lediglich 35 Prozent mit einer teilweisen oder vollständigen Nichtigerklärung. Für eine Gesamtwürdigung der Entscheidungspraxis des Bundespatentgerichts ist auch die Gesamtzahl der in Deutschland gültigen deutschen und europäischen Patente in den Blick zu nehmen. Einschließlich der mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland vom EPA erteilten Patente waren im Jahr 2014 insgesamt 588 646 Patente in Deutschland gültig und damit möglicher Gegenstand einer Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht. Das Bundespatentgericht hat im Jahr 2014 57 Patente vollständig und 41 Patente teilweise für nichtig erklärt. Das entspricht, bezogen auf die Anzahl im Jahr 2014 angreifbarer Patente, einer Quote von unter 0,02 Prozent. Dabei ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass eine Entscheidung, die ein Patent nur teilweise für nichtig erklärt, weder einer (vollständigen) Vernichtung des Patents gleichkommt, noch aus wirtschaftlicher Sicht für den Patentinhaber eine Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9966 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode relevante Beschränkung seines Schutzrechts bedeuten muss. Denn erfahrungsgemäß sind oft nur geringe Einschränkungen eines oder mehrerer Patentansprüche erforderlich, um eine rechtserhaltende Abgrenzung zum Stand der Technik zu ermöglichen oder sonstige Nichtigkeitsgründe auszuräumen, so dass das Patent im Übrigen Bestand behält. Diese Zahlen belegen, dass das Patentsystem anforderungsgerecht arbeitet und die Qualität der Prüfung im Erteilungsverfahren insgesamt gut ist. Konsultationen mit beteiligten Kreisen (Rechts- und Patentanwälten, Industrievertretern und Forschern ) bestätigen dies. Diese sind der überwiegenden Auffassung, dass die Arbeit der Patentämter (DPMA und EPA) als qualitativ hoch einzuschätzen ist. Das DPMA gewährleistet dies seinerseits durch fundierte technische Fachkenntnis sowie eingehende und nachhaltige Qualifizierung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sorgsam betreute und hoch leistungsfähige Recherchesysteme. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine Zunahme der Aktivitäten von sogenannten „Patent-Trollen“, und welche Auswirkungen auf diesen Bereich erwartet die Bundesregierung durch die Einführung des Einheitspatents ? Der nicht klar definierte Begriff „Patent-Trolle“ wird im Zusammenhang mit Szenarien gebraucht, in denen Patentrechte missbräuchlich in Anspruch genommen werden. Die Bundesregierung verfügt nicht über eigene statistische Daten zu solchen Aktivitäten. Dies gilt insbesondere für etwaige Gerichtsverfahren, da die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Statistik „Zivilsachen“ die Verfahren nicht in einer solchen Detailliertheit erfasst. Das deutsche Recht sieht im Übrigen geeignete Mittel vor, um Missbrauchsszenarien zu begegnen. Der Bundesregierung ist allerdings bekannt, dass innerhalb der interessierten Kreise und Unternehmen durchaus Diskussionen zur Lizenzierungspraxis geführt werden. Auch die Bundesregierung führt hierzu Gespräche. Ob sich die Einführung des Einheitspatents überhaupt in diesen Bereichen auswirken wird, ist nicht voraussehbar. Im Übrigen enthält das System für den einheitlichen Patentschutz bereits Vorkehrungen, die eventuellen negativen Entwicklungen entgegen wirken sollen, so z. B. die Verankerung des Grundsatzes, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtstreits vor dem Einheitlichen Patentgericht trägt, sowie die Möglichkeit des Gerichts, Sicherheitsleistungen für eine spätere Kostenschuld anzuordnen. 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Entwicklung von Fallzahlen und Schadensersatzsummen durch Patentverletzungsverfahren in den letzten fünf Jahren? Zur Entwicklung von Fallzahlen und Schadensersatzsummen in Patentstreitsachen hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse. Die insoweit einschlägige vom Statistischen Bundesamt herausgegebene Statistik „Zivilsachen“ erfasst diese Verfahren nicht gesondert. Es werden lediglich Daten für verschiedene Sachgebietsgruppen ausgewiesen. Die Sachgebietsgruppe 29 „technische Schutzrechte“ bei den Zivilkammern umfasst dabei „Patentrechte, Gebrauchsmusterrechte, Arbeitnehmererfindungen und Topografieschutzrechte“. Daraus lassen sich Zahlen für Patentverletzungsverfahren und entsprechend Zahlen zur Häufigkeit und zum Umfang der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht ableiten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9966 11. Welche Informationen hat die Bundesregierung zu Umfang und Höhe der geplanten Gebühren zur Durchführung eines Anfechtungsverfahrens für Patente beim Patentgerichtshof? Die Bundesregierung beteiligt sich aktiv an den Beratungen des aus den Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht gebildeten Vorbereitenden Ausschusses, der das Inkrafttreten des Übereinkommens vorbereitet. Hinsichtlich der Gerichtsgebühren am Einheitlichen Patentgericht hat der Vorbereitende Ausschuss einen Regelungsentwurf für die vom Verwaltungsausschuss des Einheitlichen Patentgerichts später zu erlassenden Vorschriften gebilligt . Dieser kann von der Internetseite des Vorbereitenden Ausschusses unter folgendem Link heruntergeladen werden: www.unified-patent-court.org/sites/default/files/agreed_and_final_r370_subject_ to_legal_scrubbing_to_secretariat.pdf Daraus ergibt sich, dass die regulären Gerichtsgebühren für eine Patentnichtigkeitsklage vor dem Einheitlichen Patentgericht unabhängig vom Streitwert 20 000 Euro betragen sollen. In der Berufungsinstanz werden Gerichtsgebühren wie in der Eingangsinstanz zu zahlen sein. Klein- und Kleinstunternehmen sollen am Einheitlichen Patentgericht zusätzlich eine Ermäßigung von 40 Prozent erhalten . Im Fall der Existenzgefährdung kann die Gerichtsgebühr nach Ermessen des Gerichts sogar bis auf Null reduziert werden. 12. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, welche Kosten bzw. Gebühren für die Mandatierung eines am Patentgerichtshof zugelassenen Patentanwalts in Einspruchs- bzw. Widerrufsverfahren gegen Patenterteilungen zu erwarten sind? Eine konkrete Aussage über die Höhe der Vertretungskosten ist nicht möglich, da diese von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles abhängt. Allgemein zur Grundlage für die Vergütung wird auf die Ausführungen im Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform verwiesen, Bundestagsdrucksache 18/8827, Seite 13. 13. Welche ungefähren durchschnittlichen Gesamtkosten bzw. Kostenunterschiede (einschließlich Anwaltskosten und Kostenrisiken im Fall einer Niederlage ) sind bei Einspruchs- bzw. Anfechtungsverfahren gegen Patenterteilungen auf den zukünftig möglichen Ebenen der Patenterteilung (Deutsches Patent- und Markenamt, EPA und Europäisches Patentgericht) jeweils zu erwarten (bitte tabellarisch auflisten)? Die europäische Patentreform schafft keine weitere Instanz zur Erteilung von Patenten in Europa. Nationale Patente werden vom DPMA, europäische Patente nach dem EPÜ werden vom EPA erteilt. Das Einheitliche Patentgericht wird über Patentverletzungen und in Nichtigkeitsverfahren betreffend europäische Patente entscheiden. Zu durchschnittlichen Gesamtkosten in Einspruchsverfahren beim DPMA und beim EPA hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse. Die Gebühren für Einspruchsverfahren vor dem DPMA und vor dem EPA werden von der europäischen Patentreform nicht berührt. Für Einspruchsverfahren vor dem DPMA nach dem Patentgesetz wird eine Gebühr in Höhe von 200 Euro erhoben. Für Einspruchsverfahren nach dem Europäischen Patentübereinkommen erhebt das EPA eine Gebühr in Höhe von 785 Euro. Zu durchschnittlich anfallenden Anwaltskosten für den Beteiligten eines Einspruchsverfahrens liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9966 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Hinsichtlich der Gerichtsgebühren am Einheitlichen Patentgericht wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen obliegt es dem Gericht zu entscheiden, welche Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung im konkreten Fall zumutbar und angemessen und nicht als unbillig anzusehen und deshalb erstattungsfähig sind, wobei eine vom Verwaltungsausschuss festgelegte Obergrenze selbst bei umfangreichen Streitigkeiten nicht überschritten werden darf. Diese Obergrenze ist dabei lediglich ein zusätzliches Instrument der Absicherung. Bei diesen Obergrenzen handelt es sich um absolute Höchstgrenzen und nicht um Regelbeträge. Der Vorbereitende Ausschuss hat nach intensiven Verhandlungen im Juni 2016 den Entwurf einer Entscheidung über die Obergrenzen für die Höhe erstattungsfähiger Aufwendungen für den Verwaltungsausschuss gebilligt. Diese Entscheidung kann von der Webseite des Vorbereitenden Ausschusses unter folgendem Link heruntergeladen werden: www.unified-patent-court.org/sites/default/files/recoverable_costs_2016.06.pdf Die relevante Obergrenze hängt danach maßgeblich von der Leistungsfähigkeit der verfahrensbeteiligten Partei ab, die am wenigsten finanzkräftig ist. Im Fall der Existenzgefährdung ist die Möglichkeit vorgesehen, die reguläre Obergrenze zugunsten der am wenigsten finanzkräftigen Partei abzusenken, wobei eine absolute Untergrenze nicht vorgesehen ist. Die vorgesehenen Obergrenzen sind nach Auffassung der Bundesregierung unter Berücksichtigung aller Umstände insgesamt angemessen. Die Obergrenzen müssen nämlich auch gewährleisten, dass Kleine und Mittlere Unternehmen Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU), die ein Verfahren gewinnen, nach Möglichkeit volle Kostenerstattung erhalten. Für den Fall des Prozessverlustes konnten die Grenzwerte für die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen unter Würdigung der Gesamtumstände auf ein vertretbares Maß reduziert werden. Bei der Bewertung ist zu berücksichtigen, dass die anzuwendende Obergrenze das Maximum dessen bildet, was ein Prozessgewinner, unabhängig von der Anzahl der Parteien, von der Anzahl von Streitgegenständen und auch der Anzahl streitbefangener Patente, vom Prozessverlierer erstattet verlangen kann. Da die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen damit von den genauen Umständen des Einzelfalles abhängt, kann ein „durchschnittliches Prozessrisiko “ nicht beziffert werden. 14. Wie hoch werden die Kostenunterschiede zwischen den jetzigen Patentanfechtungsverfahren auf nationaler Ebene in den Ländern der Visegrad- Gruppe im Vergleich zu solchen Verfahren vor dem Europäischen Patentgerichtshof ausfallen? Zur Höhe der Kosten in Patentnichtigkeitsverfahren oder in Einspruchsverfahren in den Ländern der Visegrad-Gruppe hat die Bundesregierung keine Erkenntnisse . Für eine Patentnichtigkeitsklage und auch eine Nichtigkeitsberufung wird am Einheitlichen Patentgericht unabhängig vom Streitwert eine pauschale Gerichtsgebühr in Höhe von 20 000 Euro erhoben werden (siehe Antwort zu Frage 11). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9966 15. Welche Maßnahmen sind laut Kenntnis der Bundesregierung vorgesehen, um sicherzustellen, dass auch kleine und mittlere Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und kleine EU-Mitgliedstaaten mit beschränkten finanziellen Ressourcen in der Praxis Zugang zum Einheitspatentgerichtshof haben , um Einsprüche gegen Patenterteilungen erheben zu können? Für die Bundesregierung war und ist der faire Zugang von KMU zum Einheitlichen Patentgericht ein besonderes Anliegen. Vom Einheitlichen Patentgericht sollen gerade auch KMU profitieren. Denn KMU belastet es gegenwärtig in besonderer Weise, wenn sie sich parallel in mehreren EU-Staaten um Rechtsschutz bemühen oder sich dort gegen eine Inanspruchnahme nach dem jeweiligen nationalen materiellen und auch prozessualen Recht in der jeweiligen Landessprache verteidigen müssen. Selbst wenn es im Einzelfall gar nicht dazu kommen sollte, stellt bereits die Möglichkeit solcher Verfahren ein beträchtliches Risiko dar, das geeignet ist, KMU bei ihrer Entfaltung im gemeinsamen Markt einzuschränken. Die Möglichkeit, für den gemeinsamen Markt Rechtsklarheit schnell und kostengünstig vor dem Einheitlichen Patentgericht zu erlangen, kommt daher insbesondere KMU zu Gute, für die es im Hinblick auf oftmals nur begrenzt zur Verfügung stehende Ressourcen besonders wichtig ist, in einem überschaubaren Zeitrahmen Rechtssicherheit für ihre wirtschaftliche Betätigung zu erhalten. Das künftige Verfahren beim Einheitlichen Patentgericht kann für KMU Vorteile bringen, weil die Notwendigkeit zur parallelen Rechtsverfolgung – bzw. -verteidigung in mehreren Staaten entfällt. Spezifische Maßnahmen für KMU sind die vorgesehenen reduzierten Gerichtsgebühren und die Möglichkeit, die Höhe der Obergrenze für die erstattungsfähigen Aufwendungen nach den Umständen des Falles abzusenken (vgl. hierzu auf die Antworten zu den Fragen 11 und 13). Die Bundesregierung begrüßt und unterstützt den Plan der EU-Kommission, nationale Erfahrungen mit Prozesskostenversicherungen zu evaluieren und für die Einführung entsprechender Produkte auf dem europäischen Versicherungsmarkt zu werben (vgl. die Binnenmarktstrategie der EU-Kommission, Kommissions-Dokument SWD (2015) 202 final, section 3.3.1, Seite 78). Aus diesen Gründen wird die europäische Patentreform auch ausdrücklich von KMU und deren Vereinigungen unterstützt, wie z. B. dem Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau, Die Familienunternehmer oder – auf europäischer Ebene – EUROCHAMBERS oder die European Association of Craft, Small and Medium Size Enterprises (UEAPME). Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für den Zugang von Nichtregierungsorganisationen zum Einheitlichen Patentgericht. Für EU-Mitgliedstaaten stellt sich die Frage nicht, weil diese regelmäßig nicht als Partei an Patentstreit - oder Patentnichtigkeitsverfahren beteiligt sind. 16. Inwieweit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach Kenntnis der Bundesregierung die Kompetenz, Entscheidungen des Europäischen Patentgerichts bzw. die Vereinbarkeit von erteilten Patenten mit anderen Bereichen des EU-Rechts zu überprüfen und bei Unvereinbarkeit Patente für nichtig zu erklären? Hält die Bundesregierung die bestehenden Kompetenzen des EuGH zur Überprüfung für ausreichend (bitte begründen)? Das Einheitliche Patentgericht unterliegt wie jedes nationale Gericht in der Europäischen Union der Geltung des Unionsrechts. Der Vorrang des Unionsrechts ist im EPGÜ ausdrücklich verankert. Fragen zur Auslegung des Unionsrechts sind daher vom Einheitlichen Patent-gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9966 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorzulegen. Es obliegt dem Gerichtshof, das Unionsrecht auch im Bereich des Patentrechts letztinstanzlich und für das Einheitliche Patentgericht verbindlich auszulegen. Seine in den Verträgen vorgesehene Rolle entspricht daher der Situation im Hinblick auf die bestehenden nationalen Gerichte. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333