Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 13. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9993 18. Wahlperiode 17.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9859 – Faire Wettbewerbsbedingungen in der gesetzlichen Krankenversicherung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ein fairer Finanzausgleich und einheitliche Rahmenbedingungen sind wichtige Bedingungen für eine solidarische Wettbewerbsordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Vor diesem Hintergrund gibt es immer wieder Kritik an der Doppelstruktur von bundes- und landesrechtlicher Aufsicht (vgl. Ebsen: Staat und Selbstverwaltung als Regulierungsakteure, in: Cassel, Jacobs et al., Solidarische Wettbewerbsordnung, Heidelberg 2014, S. 318 f.) sowie der ungleichen Handhabung der Rechtsaufsicht zwischen Bund und Ländern (vgl. Handelsblatt vom 27. Mai 2016). Bundesweit geöffnete Krankenkassen unterliegen der Rechtsaufsicht durch das Bundesversicherungsamt. Krankenkassen, die hingegen nur in bis zu drei Bundesländern geöffnet sind, werden von der jeweils zuständigen Behörde des Landes beaufsichtigt, in dem sie ihren Hauptsitz haben. Dies kann dazu führen, dass in derselben Region tätige Krankenkassen unterschiedlich behandelt werden. So hat es das Bundesversicherungsamt beispielsweise bundesweit tätigen Krankenkassen in der Vergangenheit untersagt , Rücklagen für die Altersversorgung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zumindest teilweise auch in Aktien anzulegen. Einzelnen landesunmittelbaren Kassen ist dies offenbar hingegen durch die jeweils zuständige Landesaufsicht gestattet worden (vgl. Handelsblatt vom 27. Mai 2016). Die Folge dieser unterschiedlichen Aufsichtspraxis sind Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen. Daher gibt es immer wieder Forderungen nach einer stärkeren Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis sowie gar einer Neuregelung der Aufsicht. Bereits 2003 wurde diesbezüglich vorgeschlagen, die Aufsicht über die Krankenkassen inhaltlich und organisatorisch neu zu ordnen (vgl. Ebsen, Greß, Jacobs, Szecsenyi, Wasem, Vertragswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Gesundheitsversorgung. Gutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbands , Endbericht – 6. März 2003, S. 47). Danach soll die Aufsicht über das „Haushalts- und Geschäftsgebaren“ sowie über die Satzungen der Krankenkassen einheitlich auf die Bundesebene verlagert werden. Die Aufsicht über die Versorgungsverträge der Krankenkassen soll von der zuständigen Behörde des jeweiligen Bundeslandes wahrgenommen werden. Vergleichbares hatte 2013 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9993 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode auch die Gesundheitspolitische Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung e. V. in ihrem Bericht vorgeschlagen (vgl. „Wie geht es uns morgen?“ – Wege zu mehr Effizienz, Qualität und Humanität in einem solidarischen Gesundheitswesen, Bericht der Gesundheitspolitischen Kommission der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin 2013, S. 48). V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die bestehende Ordnung der Aufsichtszuständigkeiten über die Sozialversicherungsträger ist Folge und Ausdruck des föderalen Staatsaufbaus der Bundesrepublik Deutschland. Für den Bereich der Sozialversicherung stellt Artikel 87 Absatz 2 GG eine ausdrückliche Ausnahme vom Grundsatz der Verwaltungszuständigkeit der Länder gemäß Artikel 30 und 83 GG dar. Die sowohl verfassungsrechtlich als auch gesetzlich vorgesehene Aufteilung der Aufsichtszuständigkeiten über die Krankenkassen hat sich grundsätzlich bewährt. Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben werden unterschiedliche Verfahren genutzt, um unter Wahrung der Rechte der Länder auf die anzustrebende Einheitlichkeit in der Handhabung der Aufsicht hinzuwirken. Das Bundesversicherungsamt (BVA) ist hierbei ein zentraler Akteur im Austausch der bundes- und landesunmittelbaren Aufsichtsbehörden. Durch Rundschreiben, gemeinsame Arbeitspapiere und fachspezifische Bund-Länder-Arbeitsgruppen trägt das BVA maßgeblich dazu bei, eine einheitliche Auslegung des geltenden Sozialversicherungsrechts herbeizuführen. Darüber hinaus führen die Aufsichtsbehörden einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch durch. In vielen Fällen kann durch diese unterschiedlichen Maßnahmen auf ein abgestimmtes Aufsichtshandeln hingewirkt werden. Soweit eine Neuordnung der Aufsichtszuständigkeiten durch eine Aufteilung nach Sachgesichtspunkten vorgeschlagen wird, wirft dies insbesondere aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben aber auch aus praktischen Erwägungen schwierige Rechtsfragen auf (s. Antwort zu Frage 5). 1. Sieht die Bundesregierung es als problematisch für einen fairen Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen an, wenn das Agieren von landesunmittelbaren und bundesunmittelbaren Krankenkassen von den zuständigen Aufsichten unterschiedlich beurteilt wird? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was tut die Bundesregierung, um eine einheitliche Aufsichtspraxis über die gesetzlichen Krankenkassen zu erreichen? Der Bundesregierung ist bekannt, dass es zu unterschiedlichen aufsichtsrechtlichen Einzelentscheidungen kommen kann. Sie setzt sich daher im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten für eine einheitliche Ausübung des Aufsichtsrechts ein, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung sowie auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9993 2. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass es aktuell oder in der Vergangenheit unterschiedliche Auffassungen seitens des Bundesversicherungsamtes und der beteiligten Landesaufsichten gab bzw. gibt a) zur Gewährung von bestimmten Vorteilen wie Rabattangeboten zur Mitgliederwerbung durch Krankenkassen, Zum Thema Mitgliederwerbung durch Rabatte bestand und besteht in diversen Fallkonstellationen eine unterschiedliche Auffassung von Landesaufsichten und Bundesversicherungsamt. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der aufsichtsrechtlichen Bewertung der Bundes- und Landesaufsichtsbehörden stets Einzelfälle zugrunde liegen, bei denen die Aufsichtsbehörden im Rahmen des ihnen gesetzlich eingeräumten Opportunitätsprinzips gem. § 89 Absatz 1 Satz 2 SGB IV hinsichtlich eines aufsichtsrechtlichen Tätigwerdens ein Entschließungsermessen zusteht . Ihnen obliegt ein eigener Entscheidungsspielraum, ob ein Einschreiten bei einer vorliegenden Rechtsverletzung zweckmäßig und notwendig ist. Bei der Abwägung hinsichtlich eines aufsichtsrechtlichen Einschreitens sind die Gesichtspunkte der Rechtmäßigkeit der Verwaltung, die Belange des Betroffenen und die Schwere der Rechtsverletzung einzubeziehen. Somit ist ein unterschiedliches Vorgehen der verschiedenen Aufsichtsbehörden in ähnlich gelagerten Fällen nicht immer Ausdruck unterschiedlichen Rechtsauffassungen, sondern kann auch auf die unterschiedlich gelagerten Einzelfälle zurückzuführen sein. Da unterschiedliche Auffassungen der Aufsichtsbehörden zu bestimmten Themen nicht gesondert erfasst werden, ist eine abschließende Darstellung der konkreten Einzelfälle nicht möglich. b) zur Kalkulation der Wirtschaftlichkeit von Wahltarifen von Krankenkassen , Beim Wirtschaftlichkeitsnachweis für Wahltarife gab es zwischen den Bundesund Landesaufsichtsbehörden unterschiedliche Auffassungen über die Frage der Berücksichtigung so genannter Halteeffekte. Mit dem Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung hat der Gesetzgeber jedoch klargestellt, dass diese ab dem Jahr 2014 nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Es ist daher davon auszugehen , dass es nicht mehr zu unterschiedlichen Aufsichtspraktiken in diesem Bereich kommen wird. c) zur Genehmigung von Wahltarifen zur Kostenerstattung nach § 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), Bei der Frage der Ausgestaltung der Wahltarife für Kostenerstattung nach § 53 Absatz 4 SGB V bestehen zwischen den Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder in Einzelpunkten unterschiedliche Auffassungen. Das Bundesversicherungsamt hält Wahltarife zur Kostenerstattung für einzelne Leistungen (z. B. Zahnersatz, Zweibettzimmer/Chefarztbehandlung im Krankenhaus ) für nicht rechtmäßig und stützt seine Auffassung auf den Wortlaut des § 13 Absatz 2 Satz 4 SGB V, auf den § 53 Absatz 4 SGB V verweist und der eine Einschränkung der Wahl der Kostenerstattung nur auf ganze Leistungsbereiche, nicht hingegen auf einzelne Leistungen zulässt. Einzelne Landesaufsichten halten solche Tarife hingegen für genehmigungsfähig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9993 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode d) zur Vereinbarung gesonderter Vergütungen für bestimmte Diagnosen durch landesunmittelbare Krankenkassen (vgl. DER SPIEGEL vom 13. August 2016), Soweit im „Spiegel“ vom 13. August 2016 berichtet wird, dass Krankenkassen „Berater“ mit Patientenlisten in Arztpraxen schicken, um Ärzte zu einer Änderung ihrer Diagnosen zu veranlassen, verstoßen diese Krankenkassen gegen geltendes Recht: Es fehlt an einer entsprechenden gesetzlichen Aufgabenzuweisung an die gesetzliche Krankenkasse und dementsprechend auch an der Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung. Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben einer solchen Vorgehensweise nachzugehen. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hat mit Schreiben vom 3. Juli 2014 u. a. an die Aufsichtsbehörden der Länder auf eine einheitliche aufsichtsrechtliche Praxis hingewirkt. In seinem Tätigkeitsbericht für 2015 berichtet das BVA, dass derart „korrigierende“ Interventionen zwischenzeitlich zurückgegangen seien. Darüber hinaus merkt das BVA in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für 2015 beim Thema „Einflussnahme auf die Diagnosedokumentation der Vertragsärzte“ an, dass „Betreuungsstrukturverträge “ an Bedeutung zu gewinnen scheinen. Das BVA weist aber auch darauf hin, dass hier eine differenzierte Bewertung des jeweiligen Sachverhalts angezeigt ist. Anfang des Jahres wurde auf der 88. Aufsichtsbehördentagung der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder beschlossen, zunächst einen Überblick der bestehenden Betreuungsstrukturverträge zu erstellen, um eine einheitliche Vorgehensweise der Aufsichtsbehörden im Umgang mit diesen Verträgen sicherzustellen . e) zur Beanstandung der Werbeaussagen von Krankenkassen? Wenn ja, welche Haltung haben Bundesversicherungsamt und beteiligte Landesaufsichten in den o. g. strittigen Fragen eingenommen, und warum? Auch in dieser Frage bestand und besteht in diversen Fallkonstellationen eine unterschiedliche Auffassung von Landesaufsichten und Bundesversicherungsamt. Es wird auf die Antwort zu Frage 2a verwiesen. 3. Sind der Bundesregierung weitere Fälle bekannt, in denen in sachlich ähnlich gelagerten Fällen, landesunmittelbare und bundesmittelbare Aufsichtsbehörden zu unterschiedlichen Beurteilungen gekommen sind? Unterschiedliche Beurteilungen bestehen nach Auskunft des BVA im Hinblick auf eine nachträgliche Erhebung bzw. Korrektur von Diagnosen im Rahmen von Abrechnungs- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen in der vertragsärztlichen Versorgung mit dem Ziel die Datenmeldungen für den RSA zu beeinflussen. Das BVA vertritt die Auffassung, dass dies unzulässig ist. Das BVA hat in Abstimmung mit dem BMG zuletzt mit einem Rundschreiben im Juli 2014 auf eine einheitliche Beurteilung hingewirkt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz Anfang 2015 eine Forderung des Bundesrates im Hinblick auf nachträgliche Korrekturmöglichkeiten abgelehnt und sich gegen eine vorbehaltslose und umfassende Korrekturmöglichkeit von übermittelten Abrechnungsdaten ausgesprochen (siehe Bundestagsdrucksache. 18/4095). In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht zum Jahr 2015 kommt das BVA nunmehr zu der Einschätzung, dass insgesamt eine Tendenz zu erkennen sei, der zufolge korrigierende Maßnahmen im Hinblick auf bereits übermittelte Leistungsdaten eher zurückgehen. Soweit in den einleitenden Ausführungen der Kleinen Anfrage ausgeführt wird, dass das Bundesversicherungsamt bundesunmittelbaren Krankenkassen in der Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9993 Vergangenheit untersagt habe, Rücklagen für die Altersvorsorge auch in Aktien anzulegen, beruht diese Entscheidung des Bundesversicherungsamtes auf höchstrichterlicher Rechtsprechung. Das Bundessozialgericht hatte am 18. Juli 2006 (Az.: B 1 A 2/05 R) entschieden, dass eine Krankenkasse das Deckungskapital zur Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung ihrer Beschäftigten nicht in Aktien anlegen darf. Das Bundesversicherungsamt hat diese Entscheidung konsequent für alle bundesunmittelbaren Krankenkassen und weiteren Sozialversicherungsträger in seinem Aufsichtsbereich umgesetzt. Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt zwingend eine veränderte Sachoder Rechtslage voraus. Mit dem bevorstehenden Inkrafttreten des 6. SGB IV- Änderungsgesetzes wird sich die Rechtslage nunmehr dahingehend verändern, dass ein Aktienanteil von bis zu 10 Prozent für die Anlage des Deckungskapitals zur Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung zulässig sein wird. 4. Welchen Reformbedarf leitet die Bundesregierung hinsichtlich der getrennten Aufsicht für landes- und bundesunmittelbare Krankenkassen aus den o. g. Fällen ab? 5. a) Wie bewertet die Bundesregierung den in der Vorbemerkung wiedergegebenen Vorschlag, die Aufsicht über die Krankenkassen zwischen Bund und Ländern organisatorisch und inhaltlich neu zu ordnen? b) Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Vorschläge zur Reform der Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen, und wie bewertet die Bundesregierung diese? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die sowohl verfassungsrechtlich als auch gesetzlich vorgesehene Aufteilung der Aufsichtszuständigkeiten über die Krankenkassen hat sich grundsätzlich bewährt. In vielen Fällen, in denen unterschiedliche Aufsichtsentscheidungen für die betroffenen Kassen zu Vor- oder Nachteilen im Wettbewerb führen können, gelingt es, durch unterschiedliche Maßnahmen insbesondere des BVA (Rundschreiben, gemeinsame Arbeitspapiere, Erfahrungsaustausch der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder) auf eine Einheitlichkeit in der Handhabung der Aufsicht hinzuwirken. Kommt es dennoch zu divergierenden Rechtsauslegungen der Aufsichtsbehörden , tritt eine Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis mit der Klärung der Fragen durch die Gerichte ein. Der in den Vorbemerkungen dargelegte Vorschlag für eine Neuordnung der Aufsichtszuständigkeiten , wonach die Aufsicht über die Bereiche „Haushalt“ und „Satzung“ der Bundesaufsicht und der Bereich „Versorgungsverträge“ von der zuständigen Behörde des Landes wahrgenommen werden soll, ist insbesondere aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben, aber auch wegen des Sachzusammenhangs zwischen versicherungs- und beitrags- sowie leistungsrechtlicher Bewertung und den finanziellen Auswirkungen (Haushalt) problematisch. Für den Bereich der Sozialversicherung stellt Artikel 87 Absatz 2 GG eine ausdrückliche Ausnahme vom Grundsatz der Verwaltungszuständigkeit der Länder gemäß Artikel 30 und 83 GG dar. Durch die vorgeschlagene Zuständigkeitsverteilung nach Sachgesichtspunkten würde für den Teilbereich „Versorgungsverträge “ eine Landesaufsicht über bundesweit agierende Sozialversicherungsträger eingeführt. Dies stellt einen Verstoß gegen Artikel 87 Absatz 2 GG dar und ist zudem im Lichte des Bundesstaatsprinzips (Artikel 20 Absatz 1 GG) proble- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9993 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode matisch. Eine Doppelzuständigkeit zwischen Bundesaufsicht über landesunmittelbare Träger und Landesaufsicht über bundesunmittelbare Träger bzw. Träger, die einer anderen Landesaufsicht unterstehen, führt auch zu einem Verlust an politischer Steuerungsfähigkeit und Verantwortlichkeit. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung nach Sachbereichen könnten außerdem das Rechtsstaatsprinzip des Artikel 20 Absatz 3 GG tangieren, da dem Gebot der Verwaltungszurechenbarkeit und Verwaltungsklarheit nicht ausreichend Rechnung getragen wird. So lassen sich etwa Fragestellungen im Rahmen der Aufsicht über die Versorgungsverträge nicht mit hinreichender Eindeutigkeit von Fragen im Rahmen der Haushaltsführung oder im Rahmen der Satzungsgenehmigungen trennen (z. B. Satzungsregelungen zu Wahlleistungen). Wegen der nur schwer zu trennenden Sachzusammenhänge würde neben den verfassungsrechtlichen Bedenken auch erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen den Aufsichtsbehörden im Hinblick auf jede einzelne Kasse entstehen. Eine solche Neuverteilung würde die bestehenden Probleme nicht lösen, sondern ggf. sogar verschärfen. Weitere Vorschläge zur Reform der Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen sind der Bundesregierung aktuell nicht bekannt. 6. Welche Bemühungen des Bundes und der Länder gab es in der Vergangenheit , die Aufsichtspraxis durch die Kooperation der Aufsichtsbehörden der Länder nach § 90 Absatz 4 SGB IV stärker zu vereinheitlichen? 7. a) Welche Verbindlichkeit zur Erreichung einer einheitlichen Aufsichtspraxis haben die regelmäßigen Arbeitstagungen im Rahmen des § 90 Absatz 4 SGB IV? b) Was geschieht nach Kenntnis der Bundesregierung, wenn die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder bei strittigen Fragen der Aufsichtspraxis zu keiner einheitlichen Auffassung gelangen? Die Fragen 6 und 7 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Gemäß § 90 Absatz 4 SGB IV sind die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder verpflichtet, sich regelmäßig zu einem Erfahrungsaustausch zu treffen, was in Form der sog. Aufsichtsbehördentagungen praktiziert wird. Die Aufsichtsbehördentagungen finden zweimal jährlich statt und dienen zum einen dazu, Themen zu erörtern, die der gegenseitigen Information dienen. Zum anderen soll eine einheitliche Auffassung aller Aufsichtsbehörden zu Rechts- und Verfahrensfragen herbeigeführt werden. Die Beschlüsse der Aufsichtsbehörden haben zwar keine rechtsverbindliche Wirkung für die teilnehmenden Aufsichtsbehörden. Dennoch ist das Gewicht insbesondere einstimmiger Beschlüsse hoch, da die Aufsichtsbehörden sich in der Folge gegenüber den Sozialversicherungsträgern und ihren Verbänden auf die im Beschluss dokumentierte gemeinsame aufsichtsrechtliche Bewertung beziehen können. Insofern binden sich die Aufsichtsbehörden durch einen Beschluss selbst an diese Praxis bei ihrer Aufsichtsführung Kann hingegen nach Erörterung auf der Aufsichtsbehördentagung kein gemeinsamer Beschluss gefasst werden, insbesondere in Fällen in denen ein rechtlicher Auslegungsspielraum besteht oder höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt, verbleibt es in diesen Fällen vorerst bei unterschiedlichen Aufsichtspraxen der je- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9993 weiligen Aufsichtsbehörden, was jedoch nicht ausschließt, dass die zugrunde liegende Rechtsfrage bei einer der folgenden Aufsichtsbehördentagungen erneut auf die Tagesordnung gesetzt wird. 8. Welche Verbindlichkeit haben die „Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung“? Zweck und Inhalt der Wettbewerbsgrundsätze ist es, dass sich die Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder auf wesentliche gemeinsame Positionen zu wettbewerbsrelevantem Verhalten der Krankenkassen verständigen, damit ein möglichst einheitliches Aufsichtshandeln gewährleistet wird. Die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze weisen selbst keine Rechtsnormqualität auf. Sie sind vielmehr als eigener Maßstab für die Führung der Rechtsaufsicht eine Art „Verwaltungsvorschrift “ und ausschließlich nach innen gerichtet. Sie sind Ausfluss einer konsentierten Rechtsauffassung und einer daraus resultierenden Rechtspraxis der Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder und stellen entsprechend einen Maßstab zur Führung der Rechtsaufsicht der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde dar. Im Sinne der Selbstbindung der Verwaltung sind sie bei der Auslegung bzw. Anwendung des einschlägigen Rechts maßgebend. Sie bilden für die Krankenkassen eine öffentlich und transparent nachvollziehbare Richtschnur, nach der die Kassen ihre wettbewerblichen Aktivitäten ausrichten können und beugen einem rechtswidrigen Verwaltungshandeln präventiv vor. 9. Welche Änderungen gab es seit 1998 an den o. g. Wettbewerbsgrundsätzen, und inwieweit haben diese aus Sicht der Bundesregierung zu einer stärkeren Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis beigetragen? Die Wettbewerbsgrundsätze vom 19. März 1998 haben bis zu ihrer Überarbeitung zum 9. November 2006 immer wieder kleinere Änderungen, in der Regel von einzelnen Formulierungen, erfahren, ohne dass sich Wesentliches geändert hat. Im Zeitraum 2006 bis zur grundlegenden Überarbeitung der Wettbewerbsgrundsätze zum 1. Januar 2016 haben sich die Aufsichtsbehörden bei einer Reihe von wettbewerblichen Themen auf eine gemeinsame Haltung verständigt, ohne dass diese Beschlüsse ausdrücklich in die Wettbewerbsgrundsätze aufgenommen wurden . Hierzu zählen: Die Zuordnung von Ausgaben für Laienwerber (Rz. 7a), die Tolerierung von Rabatten mit Gesundheitsbezug (Rz. 19, S. 3), unzulässige Cold-Calls auch bei Selektivverträgen (Rz. 25, S. 2), Einschränkung von Werbeaussagen zu Zusatzbeiträgen (Rz. 29, S. 1), Qualifizierung von Versichertenältesten als Laienwerber (Rz. 35, S. 2) und die Unzulässigkeit von Zielgruppenvereinbarungen (Rz. 45b). Im Rahmen der grundlegenden Überarbeitung zum 1. Januar 2016 wurden zum einen die o. g. Beschlüsse in die Wettbewerbsgrundsätze integriert. Zum anderen wurden folgende Punkte neu aufgenommen: Einleitung „Wettbewerbsgrundsätze“, Verweise auf maßgebliche Regelungen des UWG (Rz. 4a-4b), Neuregelung Werbegeschenke (Rz. 18a), Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9993 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vergütung von Zuwendungen (Rz. 19a), Klarstellung Aufklärungsinhalt (Rz. 22), Datenschutz (Rz. 24), unerwünschte Werbung per E-Mail und Notwendigkeit von Opt-In-Erklärungen (Rz. 25-26), Anforderungen an Informationsschreiben und Werbung bzgl. der Sonderkündigung § 175 Absatz 4 SGB V (Rz. 30-31), diverse Neuregelungen bzgl. der Kooperation mit externen gewerblichen Dritten (Rz. 35b-35d) und das Verbot von Wechselprämien durch Dritte (Rz. 45a). Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, dass jede Ergänzung bzw. Änderung der Wettbewerbsgrundsätze wesentlich zur Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis beiträgt. Zum einen können die Wettbewerbsgrundsätze nur mit einvernehmlichen Beschlüssen aller Aufsichtsbehörden geändert werden, zum anderen binden die Aufsichtsbehörden sich selbst in ihrer Aufsichtsführung, beispielsweise hinsichtlich der Fälle, in denen die Behörden aufsichtsrechtlich tätig werden. 10. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für bundesunmittelbare gesetzliche Krankenkassen oder deren Verbände, gegen eine ihrer Auffassung nach möglicherweise unfaire Aufsichtspraxis von Landesbehörden gegenüber landesunmittelbaren Krankenkassen vorzugehen, und inwieweit sieht die Bundesregierung hier Klärungsbedarf? Bundesunmittelbare Krankenkassen können sich über Rechtsverstöße landesunmittelbarer Krankenkassen bei der jeweiligen zuständigen Landesaufsicht beschweren und ein entsprechendes aufsichtsrechtliches Vorgehen anregen. Darüber hinaus können Krankenkassen gemäß § 4 Absatz 3 Satz 2 SGB V wegen der Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen durch andere Krankenkassen auch unmittelbar Klage gegen diese erheben, wobei gemäß § 51 Absatz 2 SGG die Sozialgerichte zuständig sind. Durch den Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 12 UWG in § 4 Absatz 3 Satz 2 2. HS SGB V gelten in diesem Rahmen für die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung des sozialversicherungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die gleichen Regeln wie für den Unterlassungsanspruch nach dem UWG. Das bedeutet vor allem, dass Krankenkassen einem unlauteren Wettbewerb auch im Wege einer Abmahnung entgegentreten können. Die Grenzen des Wettbewerbs unter den Krankenkassen ergeben sich in diesem Zusammenhang aus den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und den entsprechenden Pflichten zur Zusammenarbeit unter den Sozialversicherungsträgern gemäß §§ 4 Absatz 3 SGB V, 86 SGB X und § 15 Absatz 3 SGB I sowie der Pflicht zur sachgerechten Information. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333