Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 13. Oktober 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/9994 18. Wahlperiode 17.10.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/9862 – Einrichtung und Inbetriebnahme der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung – RAVPV) sollen die Einzelheiten der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (beA) geregelt werde. Das besondere Anwaltspostfach wurden mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) eingeführt. Durch zwei Eilbeschlüsse des Anwaltsgerichtshofs Berlin wurde der für die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zuständigen Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) untersagt, das Postfach ohne die ausdrückliche Zustimmung der Antragsteller empfangsbereit einzurichten. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat inzwischen einen Vorschlag für eine Übergangsregelung vorgelegt. Dennoch stellt sich angesichts der weiterhin bestehender Unsicherheiten über die Nutzungspflichten für das Anwaltspostfach und mit Blick auf die noch anhängigen Hauptsacheverfahren vor dem Anwaltsgerichtshof Berlin die Frage, ob die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer wie geplant am 29. September 2016 in Betrieb genommen werden. Darüber hinaus bleiben weitere grundlegende Fragen offen. 1. Woraus leitet die Bundesregierung ab, dass die Ermächtigungsgrundlage des § 31c der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) über die dort abschließend aufgeführten Regelungsbereiche auch zur Regelung ermächtigt, ab wann unter welchen Umständen der Postfachinhaber Zustellungen und Zugänge von Mitteilungen gegen sich gelten lassen muss? Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Frage auf die Regelung in § 31 Satz 1 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV) bezieht . Dort wird bestimmt, dass der Inhaber eines besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) vor dem 1. Januar 2018 nicht verpflichtet ist, ein für ihn Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9994 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode eingerichtetes beA zu nutzen. Die Ermächtigungsgrundlage für diese berufsrechtliche Regelung folgt aus der Befugnis zur Regelung der Einzelheiten der Nutzung des beA in § 31c Nummer 3 Buchstabe d der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Die in § 31 Satz 1 RAVPV enthaltene ergänzende Regelung, nach der ein Postfachinhaber, der sein beA nicht nutzen will, Zustellungen und den Zugang von Miteilungen auch nicht gegen sich gelten lassen muss, kann nicht isoliert von dem vorangehenden Passus betrachtet werden. Sie illustriert lediglich die ohnehin bestehende Rechtslage, nach der Zustellungen und der Zugang von Nachrichten über eine Empfangseinrichtung – wie z. B. ein elektronisches Postfach – nur möglich sind, wenn der Postfachinhaber einen entsprechenden Annahmewillen hat bzw. die Empfangseinrichtung zum Empfang von Willenserklärungen bestimmt hat. 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis über den Inhalt des Vertrages zwischen der Bundesrechtsanwaltskammer und der Atos GmbH, die mit der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs beauftragt wurde (www.lto.de/recht/nachrichten/n/bea-brak-atos-uebernimmt-realisierung/)? Hat es eine Ausschreibung gegeben? Ist die Bundesregierung über die Verhandlungen fortlaufend informiert worden ? War die Bundesregierung mit Blick auf die zu erlassende Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer in die Verhandlungen eingebunden? 3. Ist die Atos GmbH nach Kenntnis der Bundesregierung nur mit der Erstellung des technischen Konzepts beauftragt worden oder auch mit der späteren Durchführung? Die Fragen 2 und 3 werden zusammen beantwortet. Der Gesetzgeber hat der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) die Aufgabe zur Einrichtung des beA als Selbstverwaltungsangelegenheit übertragen (§ 31a Absatz 1 Satz 1 BRAO). Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) führt insoweit nur eine Rechtsaufsicht (§ 176 Absatz 2 BRAO). Die BRAK hat das BMJV über die wesentlichen Inhalte der Ausschreibung der für die Einrichtung des beA erforderlichen IT-Dienstleistungen informiert. Dem BMJV ist auch bekannt, dass die Firma Atos IT Solutions and Services GmbH mit der Erstellung des technischen Konzepts und dessen Durchführung beauftragt wurde. 4. Welche Regelungen sind vor dem Hintergrund, dass die Atos GmbH ihren Sitz in Paris hat, geschaffen worden, und welche Vorkehrungen wurden getroffen , um den hohen Datenschutz, der aufgrund der Richtlinie 95/46/EG grundsätzlich europaweit gilt, jedoch mit Blick auf nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallende Bereiche und mit Blick auf gleichwohl nach wie vor bestehende Unterschiede in der Rechtsanwendung zu gewährleisten ? Die von der BRAK beauftragte Firma Atos IT Solutions and Services GmbH hat ihren Sitz in München. Schon aus diesem Grund bestand kein Anlass für besondere Regelungen und Vorkehrungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9994 5. Welche Konsequenzen hatte nach Kenntnis der Bundesregierung die Berücksichtigung der Anforderungen des Anwaltsgeheimnisses für die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Dienstleister? Die BRAK hat bei der Einrichtung des beA der Sicherheitsarchitektur besondere Bedeutung beigemessen und hohe Anforderungen an die Informationssicherheit, den Datenschutz und die Verfügbarkeit gestellt. 6. Wo stehen nach Kenntnis der Bundesregierung die Server zur Verarbeitung und Speicherung der Daten der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (bitte im Einzelnen aufzählen)? Wenn die Server nicht im Inland stehen, wie regelt der Vertrag mit der Atos GmbH die Abwehr potentieller Angriffe von Sicherheitsbehörden und Geheimdiensten im Hinblick auf die Grundlagen der nationalen Sicherheitsgesetze der Staaten der Standorte? Die Server stehen nach Angabe der BRAK in Deutschland. Nähere Angaben zum Standort sind der Bundesregierung nicht bekannt. 7. Wie werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Daten übertragen, und wie wird gewährleistet, dass der Datenfluss über besondere Kanäle zum Server läuft (VPN-Lösung, Art der Verschlüsselung), oder werden die Daten frei über das Internet geliefert? Die über das beA versandten Nachrichten werden Ende-zu-Ende verschlüsselt. 8. Welche Regelungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung für den Fall vorgesehen, dass die Atos GmbH an Dritte veräußert wird? Dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sind im Rahmen seiner rechtsaufsichtlichen Prüfung keine entsprechenden Regelungen bekannt geworden. 9. In welcher Weise ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten- und Preiskontrolle hinsichtlich der später fortlaufend anfallenden Gebühren gesichert , da Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte spätestens ab dem 1. Januar 2018 verpflichtet sind, das besondere elektronische Anwaltspostfach zu nutzen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine besonderen Erkenntnisse vor. Es handelt sich um eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Rechtsanwaltschaft, für die allgemein die Bestimmungen des § 89 Absatz 2 Nummer 2 und des § 178 BRAO gelten. 10. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es mit europäischem Recht vereinbar ist, eine zu erbringenden Dienstleistung mit der Auflage zu verbinden , dass sie in vollem Umfang nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden darf? Ist diese Frage in irgendeiner Weise mit der Europäischen Kommission abgestimmt worden? Das durch die BRAK in eigener Verantwortung durchgeführte Verfahren bei der Vergabe des Auftrags zur Einrichtung des beA hat bisher keinen Anlass für ein rechtsaufsichtliches Einschreiten oder eine Abstimmung mit der Europäischen Kommission gegeben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/9994 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine aktive oder passive Pflicht eines Rechtanwalts oder einer Rechtsanwältin zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nur gegenüber der Gerichtsbarkeit entstehen kann, die formell auf elektronische Aktenführung umgestellt wurde? Nein. Die Einführung des beA betrifft die Kommunikation nach außen, die elektronische Akte dient der Aktenführung innerhalb der Justiz. Sinnvoll ist eine elektronische Aktenführung insbesondere dann, wenn auch die Kommunikation von und nach außen elektronisch erfasst werden kann, denn anderenfalls müssten sämtliche Dokumente rechtssicher eingescannt werden. In der Begründung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten bezeichnete der Gesetzgeber die Erweiterung der elektronischen Kommunikation der Gerichte sogar als „Voraussetzung“ für die elektronische Aktenführung bei den Gerichten (Bundestagsdrucksache 17/12634, Seite 24, linke Spalte). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333