Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 8. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10036 19. Wahlperiode 09.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Mariana Iris Harder-Kühnel, Martin Reichardt, Thomas Ehrhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/9516 – Rechtsverständnis der Bundesregierung zum Schwangerschaftsabbruch V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Fernsehsendung „Anne Will“ vom 3. Februar 2019 hat Bundesministerin Dr. Franziska Giffey von „Versorgungslücken“ bei der Abtreibung gesprochen. Des Weiteren hat sie ein „Konzept zur Fortentwicklung der Qualifizierung“ von Frauenärzten gefordert. Dies bietet nach Auffassung der Fragesteller Anlass, das Rechtsverständnis der Bundesregierung zum Schwangerschaftsabbruch zu erfragen. Es wird dabei ausdrücklich gebeten, die nachstehenden Fragen einzeln und nicht zusammengefasst zu beantworten. 1. Ist der Nasciturus nach Rechtsauffassung der Bundesregierung Mensch? 2. Kommt dem Ungeborenen nach Rechtsauffassung der Bundesregierung Menschenwürde zu? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Schutz der Menschenwürde (Artikel 1 Absatz 1 GG) auch dem ungeborenen Leben zugutekommt (BVerfGE 88, 203 (251)). Dem schließt sich die Bundesregierung an. 3. Hat der ungeborene Mensch nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ein eigenes Lebensrecht? Das ungeborene Leben ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 39, 1 (37)) – und Auffassung der Bundesregierung – auch Leben im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 GG. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10036 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Muss der Schwangerschaftsabbruch nach Rechtsauffassung der Bundesregierung für die ganze Dauer der Schwangerschaft als Unrecht angesehen werden? Ein Verhalten, das den Tatbestand des § 218 StGB (Schwangerschaftsabbruch) verwirklicht, ist grundsätzlich strafbar. Unter den Voraussetzungen des § 218a StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch ausnahmsweise nicht strafbar. 5. Muss es nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ein grundsätzliches Verbot des Schwangerschaftsabbruchs geben? Die Bundesregierung hält die in der Antwort zu Frage 4 dargestellte Rechtslage für verfassungskonform. 6. Gehört das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs nach Rechtsauffassung der Bundesregierung zum Kernbestand der verfassungsmäßigen Ordnung? 7. Gibt es nach Rechtsauffassung der Bundesregierung nach Einnistung einer befruchteten Eizelle eine grundsätzliche Rechtspflicht zur Austragung des Kindes, von der nur ganz ausnahmsweise abgesehen werden darf? 8. Wenn ja, welches ist nach Rechtsauffassung der Bundesregierung das entscheidende Kriterium dafür, von der Auferlegung der Rechtspflicht zur Austragung des Kindes im Ausnahmefall abzusehen? Die Fragen 6 bis 8 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Bundesverfassungsgericht hat das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs aus der staatlichen Schutzpflicht für das ungeborene Leben abgeleitet (vgl. BVerfGE 88, 203 [255] unter Verweis auf BVerfGE 39, 1 [44]). Dieser Schutzpflicht wird das geltende Strafrecht nach Auffassung der Bundesregierung gerecht (vgl. die Antwort zu Frage 5), das zugleich den grundrechtlich geschützten Interessen der werdenden Mutter hinreichend Rechnung trägt (vgl. die Antwort zu Frage 9). 9. Gibt es nach Rechtsauffassung der Bundesregierung ein Recht auf Abtreibung oder kann es ein solches geben? Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts greifen Grundrechte der Frau gegenüber dem grundsätzlichen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs nicht durch. Die Grundrechtspositionen der Frau können allerdings dazu führen, dass in Ausnahmelagen eine Fortsetzung der Schwangerschaft unzumutbar sein kann. Es ist Sache des Gesetzgebers, solche Ausnahmetatbestände im Einzelnen zu bestimmen. Dafür müssen Belastungen gegeben sein, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, dass dies von der Frau nicht erwartet werden kann (BVerfGE 88, 203 (255 ff.)). 10. Ist die Zurverfügungstellung von Möglichkeiten der Abtreibung im Inland nach Rechtsauffassung der Bundesregierung Teil der vom Staat zu gewährleistenden Daseinsvorsorge? Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben nach § 24b Absatz 1 SGB V Anspruch auf ärztliche Behandlung und die damit in Zusammenhang stehenden weiteren Leistungen bei einem Schwangerschaftsabbruch, wenn dieser nach Maßgabe von § 218a Absatz 2 oder 3 StGB nicht rechtswidrig ist und in Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10036 einer Einrichtung nach § 13 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vorgenommen wird. Da Leistungen nach § 24b SGB V Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind (vgl. § 73 Absatz 2 Nummer 11 SGB V) gilt insoweit auch der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach § 75 SGB V. 11. Darf, sollte oder muss nach Rechtsauffassung der Bundesregierung die Ausbildung von Frauenärzten zur Durchführung von Abtreibungen staatlich angeordnet oder gefördert werden? Der Schwangerschaftsabbruch ist Inhalt der Facharzt-Weiterbildung im Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die auf der Grundlage der Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern erfolgt. In dieser Weiterbildung werden insbesondere die notwendigen Kompetenzen zur Durchführung operativer Eingriffe an der Gebärmutter vermittelt, wozu auch die operative Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs zählt. Im Übrigen hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem am 29. März 2019 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22. März 2019 (BGBl. I S, 350) das Bundesministerium für Gesundheit beauftragt, bis Ende 2019 ein Konzept zu Maßnahmen vorzulegen, die zu einer Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten beitragen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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