Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 8. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10055 19. Wahlperiode 10.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Caren Lay, Martina Renner, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/9640 – Zollkontrolle und Razzia im Club „Mensch Meier“ V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 30. März 2019 kam es im Berliner Club „Mensch Meier“ zu einer Zollkontrolle . Es war der Abend nach der Demonstration „Seehofer wegbassen“ der Bewegung Seebrücke. In einem bekannten Club der politischen Techno-Szene Berlins waren die letzten Vorbereitungen für eine Podiumsdiskussion der zivilen Seenotrettungsorganisation Sea-Watch e. V. zu den Themen Migration, Flucht, Rassismus und Seebrücke über das Mittelmeer in den letzten Vorbereitungen . Kurz vor der Öffnung des Eintritts berichten Augenzeuginnen und Augenzeugen (vgl. etwa rbb, 3. April 2019), dass gegen 20.30 Uhr mehrere Personen in Zivil gekleidet schnell und aggressiv auf die noch geschlossene Tür des Veranstaltungsortes „Mensch Meier“ zukamen, sie sich von den sich nähernden Personen bedroht fühlten und sich einschlossen. Wie sich für die anwesenden Veranstalterinnen und Veranstaltern erst viel später herausstellte, handelte es sich um Beamte des Zolls (vgl. Reclaim Club Culture, 1. April 2019). Unmittelbar danach kamen den Zollbeamten Einsatzkräfte der Berliner Polizei zu Hilfe. Die an dem Abend anwesenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Clubs geben einhellig an, dass sich der Zoll in keiner Weise als solcher zu erkennen gegeben hat, bis die Polizeieinsatzhundertschaft, teils mit gezogenen Schusswaffen, alle Anwesenden versammelt, auf dem Boden fixiert und teilweise gefesselt hatte (vgl. Pressemitteilung Mensch Meier vom 31. März 2019). Die Betroffenen fühlten sich „wie Geiseln“ (Veranstalterkollektiv RSNZ- RFLXN, 3. April 2019), weil sie nicht erfuhren, was mit ihnen geschah. Durch das Aufbrechen von Türen kam es zu Schäden im „Mensch Meier“. In der Folge der Razzia musste die geplante Podiumsdiskussion ausfallen. Drucksache 19/10055 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Trifft die Berichterstattung (Berliner Zeitung vom 1. April 2019) zu, dass der Zoll einen anonymen Tipp über vermeintliche „Schwarzarbeit“ im Club „Mensch Meier“ bekam? Wenn ja, wann bekam der Zoll besagten Tipp? Weshalb wurde der Tipp für glaubwürdig befunden? Welche Kriterien werden grundsätzlich für die Bewertung anonymer Hinweise und die Auswahl der danach in Betracht kommenden Handlungsmöglichkeiten beim Zoll herangezogen? Es ist zutreffend, dass für das in Rede stehende Prüfobjekt ein anonymer Hinweis vorlag. Dieser ging bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales – Abteilung Arbeit und Berufliche Bildung – ein. Der Hinweis wurde von der Senatsverwaltung am 19. Februar 2018 an das Hauptzollamt Berlin mit der Bitte übersandt, diesem nachzugehen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Hinweise werden unter Berücksichtigung der Plausibilität, der vorhandenen Ressourcen und der vorgegebenen Ziele eingeschätzt. Der Hinweis wurde als glaubhaft eingestuft, da der/die Hinweisgeber/-in relativ konkrete Angaben zum Aufbewahrungsort von unversteuertem Alkohol, der Höhe des damit erzielten Umsatzes sowie der angeblich von Schwarzarbeit betroffenen Tätigkeiten machte. 2. Wer hat nach Kenntnis der Bundesregierung wann die Kontrolle am 30. März 2019 veranlasst, und auf welcher Rechtsgrundlage? Die grundsätzliche Entscheidung zur Durchführung einer Prüfung hat die Fachgebietsleitung des Arbeitsbereiches Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Berlin am 18. Juli 2018 getroffen. Rechtsgrundlagen der späteren Prüfung waren § 2 ff. des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) sowie die §§ 209, 210 der Abgabenordnung (AO). 3. Welche Gründe waren nach Kenntnis der Bundesregierung für den konkreten Zeitpunkt der Kontrolle maßgeblich, und warum? Der anonyme Hinweis wurde bewertet und entsprechend seiner Einstufung, die eine sofortige Prüfung als nicht erforderlich erachtete, bearbeitet. Grundsätzlich war eine Prüfung an einem Wochenende aufgrund des zu dieser Zeit erfahrungsgemäß erhöhten Personaleinsatzes in einer gaststättenähnlichen Einrichtung als sachgerecht erachtet worden. Der Prüfungstag orientierte sich auch in Abstimmung mit der Berliner Polizei an den zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen und wurde unabhängig von der an diesem Tag angesetzten Veranstaltung geplant. Der Prüfungsbeginn der Maßnahme war dergestalt vorgesehen, dass eine Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs weitestgehend vermieden werden sollte. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10055 4. War den für die Einsatzplanung Verantwortlichen nach Kenntnis der Bundesregierung bekannt, dass im Veranstaltungsort nahezu gleichzeitig ab 21.00 Uhr eine Podiumsdiskussion zum Thema „Europäische Ausgrenzungspolitik vs. Menschenrechte. Eine Betrachtung globaler und lokaler Ungerechtigkeiten im Kontext der Migration“ stattfinden sollte? Wenn ja, seit wann, und inwiefern wurde dies bei der Einsatzplanung berücksichtigt ? a) Inwiefern fand eine Abwägung zwischen dem Interesse am Einsatz und dem öffentlichen Interesse an der Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs der geplanten Veranstaltung statt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit ? b) Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die für 21.00 Uhr am 30. März 2019 angesetzte politische Podiumsdiskussion in Folge der Kontrolle ausfallen musste, insbesondere unter dem Aspekt der Versammlungs - und Meinungsfreiheit? Der Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Berlin hat der Homepage des Veranstaltungsortes am 22. Februar 2019 entnommen, dass dort am 30. März 2019 ab 21 Uhr die Veranstaltung „Nacht der zivilen Seenotrettung – Sea-Watch & Friends Solitour – Techno, House, Downtempo, Trash, Überraschung“ stattfinden sollte. Die Ankündigung der o. a. Veranstaltung führte beim Arbeitsbereich Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamts Berlin nicht zu der Bewertung, dass eine Prüfung am 30. März 2019 ausgeschlossen sei. Bei der Einsatzplanung wurde die Veranstaltung insoweit berücksichtigt, dass der Einsatzbeginn für die Prüfung vor der Öffnung des Veranstaltungsortes für Besucher /-innen erfolgen sollte. Bei Prüfungen nach dem SchwarzArbG sind die Beschäftigten des Arbeitsbereiches Finanzkontrolle Schwarzarbeit stets gehalten, Einschränkungen des Betriebs- bzw. Veranstaltungsablaufs möglichst in Grenzen zu halten. Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass die geplante Veranstaltung ausgefallen ist. Sofern dies der Fall war, ist die Formulierung, dass die „Podiumsdiskussion in Folge der Kontrolle ausfallen musste“, in dieser Form nicht zutreffend. Wäre es nicht zu dem Angriff auf die Polizei- und Zollbediensteten gekommen, hätte einer reibungslosen Durchführung der Veranstaltung, ggf. auch während der Prüfungsmaßnahme , nichts im Wege gestanden. Zur Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs, sozialer Sicherheit und der Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen sind Prüfungen unabdingbar. Unannehmlichkeiten in Bezug auf die Prüfungen können auf ein Mindestmaß reduziert werden , wenn die Beteiligten ihren gesetzlichen Mitwirkungspflichten gemäß § 5 SchwarzArbG zügig nachkommen. Die Durchführung von Veranstaltungen wird bei einem konstruktiven Zusammenwirken aller Beteiligten bei Prüfungen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz nicht bzw. nur unwesentlich beeinträchtigt . 5. Wie viele Zollbeamte waren am Einsatz vor Ort beteiligt? Von Seiten der Zollverwaltung nahmen 16 Beschäftigte an der Maßnahme teil. Drucksache 19/10055 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Wurde ein Amtshilfeersuchen an die Berliner Landespolizei gestellt? Wann und aus welchen Erwägungen erfolgte das Amtshilfeersuchen? Der Berliner Polizei wurde am 22. Februar 2019 ein Unterstützungsersuchen als Zusammenarbeitsbehörde gemäß § 2 Absatz 2 i. V. m. § 6 SchwarzArbG sowie aus Gründen der Eigensicherung übermittelt. 7. Welche Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Maßnahme unterstützt? Die Prüfung des Hauptzollamts Berlin wurde durch Kräfte der 15. Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei unterstützt. 8. Wurde eine Gefahrenbewertung durch die Berliner Polizei erstellt, die in die Einsatzplanung eingeflossen ist? Wenn ja, mit welchem Inhalt? Es liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber vor, ob die Berliner Polizei eine Gefahrenbewertung erstellt hat. 9. War nach Kenntnis der Bundesregierung das für Staatsschutz zuständige Landeskriminalamt (LKA) Dezernat 52 während der Zollkontrolle anwesend ? Wenn ja, wodurch wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die Anwesenheit des LKA (Staatsschutz) begründet? Nach Kenntnis der Bundesregierung war das LKA, Dezernat 52, nicht anwesend. 10. Treffen Medienberichte zu (vgl. Neues Deutschland vom 1. April 2019), dass die Zollbeamten nicht als solche erkennbar und in Zivil gekleidet waren ? Wenn ja, warum? Trifft es weiter zu (s. o.), dass sich die Beamten nicht auswiesen bzw. sich wenigstens zu Beginn des Einsatzes nicht als Zollbeamte zu erkennen gegeben haben? Wenn ja, warum? Trifft es zu, dass die Anwesenden nicht sofort über die Absicht, eine Zollkontrolle durchzuführen, informiert wurden? Wenn ja, aus welchem Grund? Da zunächst eine Absprache über den Zweck der Prüfung und das weitere Vorgehen mit den Personen am Einlass bzw. mit dem/den Verantwortlichen des Unternehmens erfolgen sollte, trugen die zivilen Kräfte der Zollverwaltung beim Herangehen an das Prüfobjekt zunächst keine Armbinden mit der Aufschrift Zoll. Diese Vorgehensweise hat sich bei Prüfungsmaßnahmen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit als praktikabel, problemlos und einsatztaktisch sinnvoll erwiesen. Bei Annäherung an das Prüfobjekt befanden sich dort drei Personen, die damit beschäftigt waren, Absperrgitter aufzustellen. Auf deren Bemerkung, dass der Einlass noch nicht begonnen habe, teilten die Zollbediensteten mit, dass es sich um eine Zollkontrolle handelt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10055 Die eingesetzten Zollbeamtinnen und -beamten waren während des Einsatzes als solche, die Zivilkräfte durch Armbinden mit der Aufschrift Zoll und die weiteren Kräfte durch ihre Zoll-Dienstkleidung, zu erkennen. Den angetroffenen Personen wurden mehrmals der Zweck und die Rechtsgrundlagen der Prüfung erläutert. 11. Wie viele Verdachtsfälle sogenannter Schwarzarbeit wurden im „Mensch Meier“ im Zuge des Einsatzes am 30. März 2019 aufgenommen? Mit der Prüfungsmaßnahme wurde unmittelbar nach Betreten des Prüfobjektes begonnen. Aufgrund des Angriffes auf die Polizei- und Zollbediensteten bei Betreten des Prüfobjekts wurden zunächst keine Personen bei einer eindeutigen Arbeitstätigkeit angetroffen. Nach vorheriger Erläuterung der Maßnahme wurden die Personalien der Anwesenden festgestellt. Bei 14 Personen wurde der standardisierte Erfassungsbogen ausgefüllt. Es wurden keine Verdachtsfälle im Zuge des Einsatzes aufgenommen. 12. Welche Kosten sind durch den Einsatz am 30. März 2019 für die Zollbehörden entstanden (unter Berücksichtigung von Einsatzsstunden, Sonderausgaben etc.)? Eine Auswertung zu den Kosten dieses Einsatzes liegt nicht vor. 13. Welcher Schaden mit welchen Kosten wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Club verursacht? Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass Schäden im Club entstanden sind. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinweisen, dass durch den Einsatz eines Reizstoffsprühgerätes sechs Beamtinnen und Beamte der Berliner Polizei verletzt und kontaminiert wurden. Ein Zollbeamter klagte zudem über Atemwegsreizungen . 14. Wie hoch war die Zahl der Kontrollen durch den Zoll in Berlin von 2014 bis 31. März 2019 insgesamt, und bei wie vielen dieser Kontrollen wurden Polizeikräfte um Amtshilfe ersucht? Arbeitgeberprüfungen des HZA Berlin gemäß § 2 SchwarzArbG Jahr Arbeitgeberprüfungen 2014 2.129 2015 1.462 2016 1.233 2017 1.485 2018 1.611 1. Quartal 2019 580 Gesamt 8.500 Statistische Auswertungen zu anderen Kontrollen des HZA Berlin (z. B. Kontrollen gemäß § 1 Absatz 2 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) i. V. m. den §§ 209 ff. AO, gemäß § 1 Absatz 3 ZollVG oder den §§ 209, 210 AO) liegen nicht vor. Drucksache 19/10055 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Über die Anzahl der gemeinsamen Einsätze mit der Berliner Polizei liegen ebenfalls keine statistischen Auswertungen vor. 15. Wie hoch war die Zahl der Zollkontrollen in Berliner Clubs von 2014 bis 31. März 2019 (bitte Gesamtzahl und nach Jahren getrennt angeben), und bei wie vielen wurden Polizeikräfte um Amtshilfe ersucht? Über die Anzahl der Kontrollen in Berliner Clubs liegen keine statistischen Auswertungen vor. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333