Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 8. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10107 19. Wahlperiode 09.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Dr. Gero Clemens Hocker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9629 – Das „Ohne Gentechnik“-Siegel und die Aktivitäten des Vereins „VLOG – Verein Lebensmittel ohne Gentechnik e. V.“ V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Label „Ohne Gentechnik“ kennzeichnet inzwischen sehr viele Produkte des Lebensmittelhandels. Vorgestellt wurde das Siegel vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im August 2009 mit dem Ziel, eine Kennzeichnungsmöglichkeit zu schaffen, die dem Verbraucher eine stärkere Orientierungshilfe geben sollte, Lebensmittel, die keine Bestandteile aus gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten, zu identifizieren. Die Markennutzungsrechte für das „Ohne Gentechnik“-Siegel übertrug das BMELV dem Verband „Lebensmittel ohne Gentechnik e. V.“ (VLOG). Seitdem gestaltet der VLOG die Anforderungen zum Erhalt des Siegels und erhebt Auditierungsgebühren sowie Lizenzentgelte für die Nutzung des Siegels von seinen Mitgliedern. Grundsätzlich wären auch andere „Ohne Gentechnik“- Kennzeichnungen im Rahmen der Lebensmittelgesetze zulässig, jedoch kommt dem Siegel des VLOG aufgrund der Markennutzungsrechtsübertragung durch das BMELV und dem hohen Marktanteil eine besondere Bedeutung zu. Die grundsätzlichen rechtlichen Bedingungen zur Kennzeichnung eines Lebensmittels mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel finden sich im EG-Gentechnik -Durchführungsgesetz (EGGenTDurchfG). Nach § 3a Absatz 2 EGGenTDurchfG dürfen in einem mit dem Siegel versehenen Produkt keine Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten enthalten sein, die nach Artikel 12 der VO (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu kennzeichnen wären. Darüber hinaus darf laut § 3a Absatz 4 der Verordnung im Falle eines Lebensmittels oder einer Lebensmittelzutat von tierischer Herkunft, wie beispielsweise Fleisch und Milch, dem Tier, von dem das Lebensmittel gewonnen worden ist, innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Gewinnung des Lebensmittels kein Futtermittel, welches als GVO gekennzeichnet werden muss, verfüttert worden sein. Besonderer Aufmerksamkeit muss der „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung seit dem gentechnikrechtlichen Grundsatzurteil des EuGH vom 25. Juli 2018 beigemessen werden, welches klassische Mutationszüchtungen und neue Züchtungsmethoden des Genome-Editing als GVO einstuft. Weltweit existieren Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10107 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode nach Schätzungen der Bundesregierung über 3 000 Nutzpflanzensorten, die mittels klassischen Formen der Mutagenese, also klassischen Züchtungsverfahren, bei denen chemische Substanzen oder radioaktive Bestrahlung zur Veränderung eines Genoms einer Pflanzensorte eingesetzt werden (Bundestagsdrucksache 19/6666), gezüchtet wurden. Bei konsequenter Anwendung des EuGH-Urteils müssten nach Auffassung der Fragesteller alle Sorten, die mittels klassischer Formen der Mutagenese gezüchtet werden, als GVO gekennzeichnet werden. Es ist den Verbrauchern nicht zu vermitteln, weshalb Produkte, die Lebensmittel enthalten, welche mittels Bestrahlungen und Chemikalien gentechnisch behandelt wurden, mit dem „Ohne Gentechnik“-Siegel vermarktet werden. Unterschiedliche rechtliche Bewertungen über die Voraussetzungen für die „Ohne Gentechnik“-Kennzeichnung solcher Produkte sorgen zudem für erhebliche Unklarheiten für Verbraucher sowie die Agrar- und Ernährungswirtschaft. 1. Erfolgte die Übertragung der Markennutzungsrechte des „Ohne Gentechnik “-Siegels vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) auf den Verband „Lebensmittel ohne Gentechnik e. V“ (VLOG) unentgeltlich? Wenn ja, mit welcher Begründung erfolgte die Übertragung der Markennutzungsrechte ohne eine Erhebung von Gebühren? Die Übertragung der Markennutzungsrechte am „ohne Gentechnik“-Siegel vom seinerzeitigen BMELV auf den VLOG erfolgte im Jahr 2010, unmittelbar nach Gründung des Verbands und ungefähr ein Jahr, nachdem das Siegel vom BMELV initiiert worden war. Zu diesem Zeitpunkt war offen, ob und wie sich das Siegel am Markt etablieren würde. Deshalb wurde von Seiten des BMELV bei der Übertragung der Markennutzungsrechte kein Entgelt erhoben. 2. Welches wesentliche Vereinsziel verfolgte der VLOG zur Zeit der Übertragung der Nutzungsrechte des Siegels „Ohne Gentechnik“ durch das BMELV nach Kenntnis der Bundesregierung? Gemäß § 2 Nummer 1 der Vereinssatzung vom März 2010 ist der Zweck des Vereins die Förderung von Wissenschaft und Forschung im Zusammenhang mit der Genveränderung von Naturprodukten, Lebensmitteln, Agrarprodukten sowie die Förderung des Umweltschutzes und der Gesundheitsvorsorge in diesen Bereichen . Dieser sollte verwirklicht werden insbesondere durch die Unterstützung und/oder Förderung der Erzeugung von Naturprodukten, Lebensmitteln und Agrarprodukten ohne Gentechnik mit geeigneten Maßnahmen. 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Übertragung der Markennutzungsrechte an einen privatwirtschaftlichen Verband vor dem Hintergrund, dass ein wesentliches Ziel des Vereins die Förderung der Erzeugung von Lebensmitteln ohne Gentechnik ist und somit aktive Interessenvertretung betrieben wird? 4. Wie bewertet die Bundesregierung die politischen Aktivitäten des VLOG, die über die Erhebung von Lizenz- und Auditierungsgebühren im Zusammenhang mit dem Siegel „ohne Gentechnik“ hinausgehen, und stehen die politischen Aktivitäten im Einklang mit den Interessen der Bundesregierung ? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10107 Der Verband ist als privatrechtlicher Verein organisiert und damit rechtlich selbstständig. Die Vereinsmitglieder gestalten die Ziele und Ausrichtungen in eigener Verantwortung und im Rahmen des geltenden Rechts. Die Bundesregierung ist nicht Vereinsmitglied. 5. Erachtet die Bundesregierung eine Akkreditierung des VLOG-Siegels durch die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) für notwendig (bitte Antwort begründen)? In einer freiheitlich verfassten Rechts- und Wirtschaftsordnung ist es grundsätzlich Sache des Rechtsunterworfenen selbst und in eigener Verantwortung zu entscheiden , ob im Rahmen einer von ihm ausgeübten gewerblichen Tätigkeit Genehmigungen , Erlaubnisse, Zulassungen, Anerkennungen, Zertifikate oder ähnliche behördliche Bescheinigungen erforderlich sind bzw. deren Einholung als zweckmäßig erachtet wird. Als unabhängige juristische Person des Privatrechtes (e. V.) hat der VLOG daher eigenverantwortlich und selbständig zu entscheiden, ob eine Akkreditierung durch die DAkkS als notwendig oder sinnvoll angesehen wird oder nicht. Der Bunderegierung liegen keine Hinweise dafür vor, dass sich die Zertifizierungsstandards nicht bewährt hätten. 6. Welche öffentlichen Mittel bzw. Bundesmittel erhielt der Verein „Lebensmittel ohne Gentechnik e. V.“ bisher (Höhe und Umfang der Förderung)? Beim VLOG wurde im Jahr seiner Gründung 2010 und im Folgejahr ein Projekt in Höhe von insgesamt 80 700 Euro seitens des BMELV finanziell gefördert. 7. Welche laufenden Förderungen aus öffentlichen Mitteln bzw. Bundesmitteln erhält der Verein VLOG aktuell, bzw. welche Mittel sind dem Verein bereits zugesagt und im Rahmen welcher Projekte geschieht dies? Der VLOG erhält aktuell keine Zahlungen aus öffentlichen Mitteln bzw. Bundesmitteln . Ihm sind auch keine Mittel zugesagt. 8. Welche Unklarheiten führen laut Einschätzung der Bundesregierung im Hinblick darauf, dass in einer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlichten Informationsbroschüre darauf verwiesen wird, dass das europäische Lebensmittelrecht „von vielen Menschen als lückenhaft empfunden“ werde (www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Broschueren/ Flyer-Poster/Flyer-OhneGentechnik-MehrWahlfreiheit.pdf?__blob=publication File), zu einer nicht vollständigen Information für den Verbraucher? 9. Hält es die Bundesregierung für die bestmögliche Lösung, dass die in Frage 8 angesprochenen Unklarheiten durch die Kennzeichnungsmöglichkeit mit dem Siegel „Ohne Gentechnik“ in Verantwortung eines privatwirtschaftlichen Vereines beseitigt werden sollen? 10. Setzt sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund der in Frage 8 thematisierten Unklarheiten für eine Konkretisierung der Lebensmittelkennzeichnungspflicht auf europäischer Ebene mit einer rechtlich klaren und einheitlichen Kennzeichnung ein? Die Fragen 8 bis 10 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10107 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Das europäische Lebensmittelkennzeichnungsrecht wird von vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern als lückenhaft empfunden, weil sie nicht erkennen können , dass tierische Produkte wie Milch, Eier oder Fleisch von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Futtermitteln gefüttert wurden. Darüber hinaus können in Lebensmitteln unter bestimmten Bedingungen geringfügige Mengen von gentechnisch veränderten Bestandteilen enthalten sein, ohne dass diese nach dem europäischen Gentechnikrecht gekennzeichnet werden müssen. Um diese Lücke zu schließen und mehr Klarheit über die Verwendung der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion zu schaffen, ist in Deutschland schon am 1. Mai 2008 die freiwillige nationale Regelung zur Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ nach dem EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz in Kraft getreten. Sie ermöglicht Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich beim Einkauf von Lebensmitteln tierischer Herkunft gezielt für solche zu entscheiden, die nicht mit als gentechnisch verändert gekennzeichneten Futtermitteln erzeugt wurden. Die Vergabe des Siegels durch einen aus der Wirtschaft getragenen Verband ist nach Einschätzung der Bundesregierung eine zweckmäßige Lösung. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hatte sich in den letzten beiden Legislaturperioden für eine verbindliche Kennzeichnung für Lebensmittel von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden (sog. Prozesskennzeichnung) auf europäischer Ebene eingesetzt, jedoch von Seiten der Kommission und anderer Mitgliedstaaten dafür kaum Unterstützung erhalten, da die freiwillige „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung als ausreichend angesehen wurde. 11. Setzt sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass das VLOG-Siegel vom Handel zunehmend auch für Produkte gefordert wird, die im europäischen Ausland hergestellt wurden, für eine Notifizierung des deutschen Standards auf europäischer Ebene ein? Sofern es zu einer Anerkennung des deutschen Standards in anderen Mitgliedsländern kommt, wird die Bundesregierung für eine gegenseitige Anerkennung der Kennzeichnungsstandards sorgen, um so Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden? Am 22. Januar 2008 wurden die deutschen Regelungen zur Kennzeichnung „ohne Gentechnik“, denen auch das vom BMEL initiierte Siegel, die „grüne Raute“, unterliegt, nach der Etikettierungsrichtlinie 2000/13/EG notifiziert. Das VLOG- Siegel kann auch von Marktteilnehmern im europäischen Ausland beantragt werden . 12. Geht die Bundesregierung davon aus, dass Lebensmittel, bei deren Produktion GVO aus der klassischen Mutagenese eingesetzt werden und die dennoch das „Ohne Gentechnik“-Siegel tragen, wegen der Vorschriften zum Schutz vor Täuschung laut § 11 Absatz 1 Nummer 1 des Lebens- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen (infolge des EuGH-Urteils vom 25. Juli 2018 urteilte der Europäische Gerichtshof – EuGH –, dass die mittels klassischen Formen der In-vitro-Mutagenese – also vor allem durch radioaktive Bestrahlung und Chemikalieneinsatz – gewonnenen Pflanzensorten rechtlich als GVO einzustufen sind)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10107 13. Sofern die Bundesregierung Frage 10 mit Verweis auf die Zuständigkeit der rechtlichen Klärung durch die Gerichtsbarkeit beantwortet, beabsichtigt die Bundesregierung, durch Änderungen in den einschlägigen Gesetzestexten (z. B. EGGenTDurchfG und LFGB) für rechtliche Klarheit zu sorgen? Die Fragen 12 und 13 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Durchführung der Rechtsvorschriften zur „ohne Gentechnik“-Kennzeichnung nach dem EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz obliegt den Überwachungsbehörden der Länder. Die Bundesregierung wird die weitere Anwendung der Vorschriften im Nachgang zum EuGH-Urteil vom 25. Juli 2018 beobachten. 14. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass bei Lebensmitteln, bei deren Produktion GVO aus klassischer In-vitro-Mutagenese eingesetzt werden und welche zudem das „Ohne Gentechnik“-Siegel tragen, die Informationen in Bezug auf die Eigenschaften oder Methode der Herstellung oder Erzeugung des Lebensmittels eine Irreführung für den Verbraucher darstellen können (bitte Antwort begründen)? 15. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher mit einem durchschnittlichen Kenntnisstand über biotechnologische Verfahren die Methoden der klassischen In-vitro-Mutagenese nicht als „Gentechnik“ einstufen würde (bitte Antwort begründen)? Die Fragen 14 und 15 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die klassische Mutagenese, d. h. die chemikalische Behandlung oder radioaktive Bestrahlung von Samen, wird etwa seit dem Jahr 1930 bei Nutzpflanzen angewandt . Mit ihrer Hilfe wurden nach Schätzungen bisher weltweit über 3 000 Sorten gezüchtet, die teilweise seit vielen Jahren angebaut werden. Die auf diese Weise erzeugten Lebensmittel werden von den Verbraucherinnen und Verbraucher akzeptiert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 16. Ist die Bundesregierung aufgrund der Gefahr der Verbrauchertäuschung, welche mit der aktuellen Gesetzgebung des Gentechnikrechts und der darin festgelegten Definition eines GVO einhergeht, der Meinung, dass es einer Veränderung des Gentechnikrechts und damit einhergehender Kennzeichnungspflichten und Kennzeichnungsmöglichkeiten bedarf (bitte Antwort begründen )? Falls ja, plant die Bundesregierung, Änderungen im Gentechnikrecht auf EU- sowie nationaler Ebene anzustoßen, und welche Änderungen sind dies im Einzelnen? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 14 und 15 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333