Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 10. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10217 19. Wahlperiode 14.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Brigitte Freihold, Helin Evrim Sommer, Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/9700 – Mögliche Behinderung der Restitution von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 3. April 2019 fand im Deutschen Bundestag eine Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien zur kulturpolitischen Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten statt, an der mehrere internationale Expertinnen und Experten als Sachverständige teilnahmen. Die Bundesregierung wurde bei der Anhörung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Staatsministerin Prof. Monika Grütters sowie durch die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Michelle Müntefering vertreten. Die aktuelle Debatte um Restitution finde immer noch unter den Bedingungen eines strukturellen Ungleichgewichts zwischen den ehemaligen Kolonialmächten und den Herkunftsstaaten statt. Auf diese Asymmetrie verwies Prof. Dr. Louis Henri Seukwa, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Bei der Anhörung machte die Historikerin Dr. Manuela Bauche von der Freien Universität Berlin und Aktivistin im Bündnis „Decolonize Berlin“ deutlich, dass die Bundesrepublik Deutschland den Kolonialismus endlich als Unrecht anerkennen und dies in ihre Staatsräson integrieren müsse, so wie es auch in Bezug auf die NS-Vergangenheit geschehen sei. Deutliche Kritik kam von Prof. Dr. Bénédicte Savoy, Professorin für Kunstgeschichte an der Technischen Universität Berlin. Savoy verwies darauf, dass es vor 40 Jahren schon einmal eine Debatte über Restitutionen von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten gegeben habe, die aber durch die Abwehrhaltung der deutschen Museen erstickt worden sei. Sie forderte deshalb, die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit nicht den Museen allein zu überlassen, sondern eine unabhängige Kommission damit zu beauftragen (vgl. www.bundestag.de/ dokumente/textarchiv/2019/kw14-pa-kultur-medien-631622). In diesem Zusammenhang wies die Sachverständige Prof. Dr. Bénédicte Savoy während der Anhörung im Ausschuss für Kultur und Medien darauf hin, dass die gegenwärtige Präsenz großer afrikanischer Sammlungen in den deutschen Museen eine direkte Folge des europäischen Kolonialismus darstelle. Prof. Dr. Bénédicte Savoy kritisierte dabei die Haltung der Bundesregierung, die sich auf den Standpunkt stellt, sie verfüge über keine belastbaren Erkenntnisse darüber , wie viele Artefakte möglicherweise durch Raub oder Plünderung, z. B. Drucksache 19/10217 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode durch das Ethnologische Museums und das Museums für Asiatische Kunst, angeeignet wurden und Restitutionsgüter darstellen. In diesem Zusammenhang warf Prof. Dr. Bénédicte Savoy der Bundesregierung vor, sich des historischen Revisionismus schuldig zu machen (vgl. www.bundestag.de/dokumente/text archiv/2019/kw14-pa-kultur-medien-631622). Bis in die 1960er und 1970er Jahre wurden die Informationen darüber von den Museen selbst in ihren Museumskatalogen veröffentlicht. So finden sich in dem 1973 publizierten Jubiläumsband des Berliner Völkerkundemuseums auf Seite 106 belastbare Zahlen zu systematischen Kolonialraub. Für das Jahr 1880 werden 3 361 Katalognummern und kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges für das Jahr 1914 bereits 60 182 Katalognummern afrikanischer Provenienz zugeordnet. Prof. Dr. Bénédicte Savoy stellte fest, dass dies ein Zuwachs von ca. 1 800 Prozent darstelle. Ähnliches gelte auch für kleinere Museen. Aus Sicht der Fragesteller besonders eindrücklich schilderte Bénédicte Savoy weitere Erkenntnisse qualitativer Art, und zwar im Hinblick auf „die Art und Weise wie, mit welchen Methoden durch wessen Hände, was gesammelt wurde“, die der Feststellung der Bundesregierung, es lägen keine belastbaren Erkenntnisse vor, widersprechen (vgl. www.bundestag.de/dokumente/textar chiv/2019/kw14-pa-kultur-medien-631622). Solche Angaben finden sich nämlich in entsprechenden Museumspublikationen und amtlichen Berichten wieder. Die Berliner Museen publizierten bestimmte „Erwerbungen, auf die sie besonders stolz waren“, in ihren amtlichen Berichten. So finden sich im Januar 1908 entsprechende Hinweise betreffend des „Erwerbs“ eines Objektes aus Kamerun bei dem es heißt: „Aus Südkamerun ist Herr Hauptmann Foerster eine größere Sammlung zu verdanken, unter der besonders eine Anzahl von sehr schwierig zu erhaltenen Haarfrisuren der Ntum hervorzuheben sind. […] Hauptmann Foerster ist es gelungen, mehrere solcher Haartrachten derart knapp an der Kopfhaut abzuschneiden, dass sie wie fertige Perücken transportiert und hier auf naturgetreu bemalte Gipsköpfe gesetzt werden konnten (vgl. Abb. 63)“ (vgl. Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen 29. Jh., Nr. 4, S. 92). Prof. Dr. Bénédicte Savoy verwies dabei darauf, dass die Debatte um Restitution bereits in ganz Europa zwischen 1978 und 1982 geführt worden sei, jedoch anlässlich des damaligen 100. Jahrestages der Unterschreibung der sog. Schutzverträge mit den ehemaligen deutschen Kolonien Togo und Kamerun in Afrika 1884 nicht zu der Rückgabe von Kulturgütern geführt habe: „Heute ist diese Debatte komplett aus unserem kollektiven Gedächtnis verschwunden, besser gesagt aktiv erstickt worden.“ Einen Grund dafür sieht Prof. Dr. Bénédicte Savoy in „Abwehrmanövern der Museen und gewollter Intransparenz“ und bezog sich dabei auf persönlich eingesehene Quellen des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes: „Um es kurz zu fassen, sie [die Restitution] scheitere am organisierten Widerstand der deutschen Museen und von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern.“ Prof. Dr. Bénédicte Savoy bezog sich namentlich auf eine Handreichung zur Restitution in welcher unter der Rubrik „Sauberer Erwerb“ zu lesen sei: „Der Begriff der Restitution muss abgewehrt werden, in der Diskussion um einen neuen Begriff wurde Transfer eingebracht, der für die Bundesrepublik viel brauchbarer erscheint.“ In derselben Handreichung wurde unter „Objektverzeichnissen“ vermerkt : „Vor der Erstellung solcher Listen, wird sowohl von Seiten unserer Völkerkundemuseen als auch der Kulturverwaltung gewarnt, so würden Begehrlichkeiten aus der dritten Welt erst Recht geweckt.“ Aus einem weiteren zitierten Dokument wurde deutlich, dass den vorstehenden Überlegungen die Annahme zugrunde liegt, dass die Eskalation des Rückgabeverlangens der Länder der Dritten Welt weiter fortschreitet und dass daher eine Teils abwehrende Teils hinhaltend nachgebende Stellungnahme zu den immer konkreteren Forderungen als taktisch günstigste Lösung erschien. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10217 Vor dem Hintergrund der vorgetragenen Kritik und in Anbetracht der aktuellen Diskussion um Restitutionen schlug die Sachverständige Prof. Dr. Bénédicte Savoy vor, die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit nicht den Museen allein zu überlassen und dafür Sorge zu tragen, dass eine unabhängige Historikerkommission sich mit der gebotenen Sensibilität mit diesen Vorgängen befasst . Darüber hinaus forderte Prof. Dr. Bénédicte Savoy, dass die Objektsverzeichnisse und Inventarlisten von Museen ohne weiteres Zögern veröffentlicht werden müssen. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Mit Blick auf den in der Fragestellung genannten Zeitraum ab dem 9. Mai 1975 beginnt der geforderte Berichtszeitraum vor über vierzig Jahren. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass Kleine Anfragen grundsätzlich aus aktuellem Wissen heraus zu beantworten sind und es nicht Bestandteil der parlamentarischen Kontrollfunktion des Deutschen Bundestages ist, frei verfügbare Informationen durch die Bundesregierung zusammentragen und anschaulich aufbereiten zu lassen . Archivgut des Bundes steht nach den Vorschriften des Bundesarchivgesetzes grundsätzlich 30 Jahre nach der Entstehung der Unterlage jedermann zur Verfügung . Die Fragesteller werden bezogen auf diesen Zeitraum auf die Möglichkeit der Selbstinformation aus den Beständen des Bundesarchivs und des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts verwiesen. 1. Welche Hinweise hat die Bundesregierung betreffend des Austauschs bzw. der Anfertigung von Handreichungen zum Thema Restitution von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, die seit dem 9. Mai 1975 zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen stattfanden (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? 2. Welche Hinweise hat die Bundesregierung über Vorgänge, in denen sich staatliche Stellen seit dem 9. Mai 1975 betreffend der Restitution von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, vor dem Hintergrund möglicher Herausgabeansprüche von berechtigter Seite, unter Einbeziehung von Museen oder vergleichbaren Einrichtungen ausgetauscht haben (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? 3. Welche Hinweise hat die Bundesregierung betreffend des Austauschs über die Anfertigung von Objektverzeichnissen (Inventarlisten der Museen) von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, die seit dem 9. Mai 1975 zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen stattfanden (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? 4. Welche Hinweise hat die Bundesregierung betreffend des Austauschs über die Anfertigung von Objektverzeichnissen (Inventarlisten der Museen), die seit dem 9. Mai 1975 vor dem Hintergrund der Restitution von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen stattfanden (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 1 bis 4 gemeinsam beantwortet . Drucksache 19/10217 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die überwiegende Zahl der Museen in Deutschland sich in der Trägerschaft von Ländern und Kommunen befindet. Soweit die Bundesregierung in Gremien von Museen oder vergleichbaren Einrichtungen vertreten ist, erhält sie im Rahmen der Gremientätigkeit ggf. Kenntnis zu diese Einrichtungen betreffenden Angelegenheiten des Umgangs mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Eine Zusammenstellung von Hinweisen betreffend den Austausch zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen zu verschiedenen Aspekten des Umgangs mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten liegt der Bundesregierung nicht vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Eine Zusammenstellung von Hinweisen aus den letzten 30 Jahren ist durch die Bundesregierung mit zumutbarem Aufwand nicht zu leisten. Die Bundesregierung verweist hinsichtlich der Frage nach „der Anfertigung von Handreichungen“ auf die aus dem Haushalt der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten „Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen“ (veröffentlicht 2013) sowie den „Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ (veröffentlicht 2018). Deren unabhängige Erarbeitung erfolgte durch den Deutschen Museumsbund (DMB) und dient Einrichtungen, die Sammlungen bewahren , als Hilfestellung im Umgang mit diesen. Sie liegen mehrsprachig auch als Onlinepublikation vor. Die Anfertigung von Inventaren obliegt den jeweiligen Sammlungsgut bewahrenden Einrichtungen in eigener fachlicher Verantwortung. Die sammlungsgutbewahrenden Stiftungen des Bundes, insbesondere die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Stiftung Deutsches Historisches Museum, haben Datenbanken zu ihren jeweiligen Beständen online gestellt, die sukzessive erweitert werden. Aus dem Haushalt des Bundes werden jedoch auch Projekte zur Digitalisierung von Objekten oder Objektverzeichnissen gefördert. Dies wird im Rahmen der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Richtlinie zur Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes – eHeritage“ (Bundesanzeiger vom 22. Juni 2016) ermöglicht. 5. Welche Hinweise hat die Bundesregierung betreffend des Austauschs bzw. der Anfertigung von Handreichungen zum Thema Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern, die seit dem 9. Mai 1975 zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen stattfanden (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? 6. Welche Hinweise hat die Bundesregierung über Vorgänge, in denen sich staatliche Stellen seit dem 9. Mai 1975 betreffend der Restitution von Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern, vor dem Hintergrund möglicher Herausgabeansprüche von berechtigter Seite, unter Einbeziehung von Museen oder vergleichbaren Einrichtungen ausgetauscht haben (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? 7. Welche Hinweise hat die Bundesregierung betreffend des Austauschs über die Anfertigung von Objektverzeichnissen (Inventarlisten der Museen) von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern, die seit dem 9. Mai 1975 zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen stattfanden (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10217 8. Welche Hinweise hat die Bundesregierung betreffend des Austauschs über die Anfertigung von Objektverzeichnissen (Inventarlisten der Museen) vor dem Hintergrund der Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern und möglicher Herausgabeansprüche von berechtigter Seite, die seit dem 9. Mai 1975 zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen stattfanden (bitte ausführlich nach Datum, Inhalten und beteiligten Stellen oder Einzelpersonen durch Nennung ihrer Funktion erläutern)? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 5 bis 8 gemeinsam beantwortet . Die Aufarbeitung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ist nicht mit der Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten gleichzusetzen. Der Holocaust ist präzedenzlos und unvergleichbar. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die überwiegende Zahl der Museen in Deutschland sich in der Trägerschaft von Ländern und Kommunen befindet. Soweit die Bundesregierung in Gremien von Museen oder vergleichbaren Einrichtungen vertreten ist, erhält sie im Rahmen der Gremientätigkeit ggf. Kenntnis zu diese Einrichtungen betreffenden Angelegenheiten des Umgangs mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern. Eine Zusammenstellung von Hinweisen betreffend den Austausch zwischen staatlichen Stellen und Museen oder vergleichbaren Einrichtungen zu den in der Fragestellung thematisierten Aspekten des Umgangs mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut liegt der Bundesregierung nicht vor. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen . Eine Zusammenstellung von Hinweisen aus den letzten 30 Jahren ist durch die Bundesregierung mit zumutbarem Aufwand nicht zu leisten. Das 2015 von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden errichtete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste ist zentraler Ansprechpartner für die Umsetzung der Washingtoner Prinzipien in Deutschland. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Initiierung, Begleitung, Stärkung und Förderung der Provenienzforschung in Deutschland die Beratung zu Fragen der Gestaltung von gerechten und fairen Lösungen . Hierzu findet ein entsprechender Austausch auch mit Museen bzw. deren Verbänden statt. Eine vergleichbare Funktion erfüllten zuvor die Koordinierungsstelle Magdeburg und die Arbeitsstelle für Provenienzforschung. Zu den in der Frage 5 angesprochenen Handreichungen wird darauf verwiesen, dass 2001 zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 eine Handreichung von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien herausgegeben worden ist. An ihrer Erstellung und ihrer Überarbeitung im Jahr 2007 waren neben Vertretern des Bundes und der Länder u. a. Vertreter von Museen beteiligt. Die Anfertigung von Inventaren obliegt kulturbewahrenden Einrichtungen in eigener fachlicher Verantwortung. Die kulturgutbewahrenden Stiftungen des Bundes haben Datenbanken zu ihren jeweiligen Beständen online gestellt, die sukzessive erweitert werden. Drucksache 19/10217 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Welche konkreten politischen bzw. juristischen Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um die von Prof. Dr. Bénédicte Savoy in der öffentlichen Anhörung zitierten Dokumente und Vorgänge umfassend aufzuarbeiten ? 10. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine unabhängige Historikerkommission sich mit der gebotenen Sensibilität mit den von Prof. Dr. Bénédicte Savoy in der öffentlichen Anhörung zitierten Dokumenten und Vorgängen befassen sollte? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 9 und 10 gemeinsam beantwortet . Die unabhängige wissenschaftliche Erforschung von Archivgut wird von der Bundesregierung begrüßt. Im Rahmen der Entwicklung von angemessenen Maßnahmen zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten werden durch die Bundesregierung auch Forschungsergebnisse von Expertinnen und Experten aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen reflektiert. 11. Was unternimmt die Bundesregierung, um zu gewährleisten, dass die Provenienzforschung und die Überprüfung der Bestände der Museen und anderen öffentlichen Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland auf mögliches Kulturraubgut aus kolonialen Kontexten durch externe Experten durchgeführt wird? Für die Erweiterung der Fördertätigkeit des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste um die Förderung der Provenienzforschung zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sind bereits im Bundeshaushalt 2018 zusätzliche Mittel in Höhe von rund 200 000 Euro sowie eine zusätzliche Stelle ausgebracht worden. Im Bundeshaushalt 2019 erfolgte unter anderem hierfür eine weitere Erhöhung der institutionellen Förderung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste um rund 1,9 Mio. Euro, und es wurden weitere drei Stellen ausgebracht. Seit Januar 2019 ist die „Richtlinie für die Förderung von Projekten zur Provenienzforschung bei Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Kraft. Bei Projekten zu Provenienz- und Grundlagenforschung kann der Einbezug von Expertinnen und Experten aus Gebieten und Ländern, die ehemals kolonisiert waren, vorgesehen werden. Weiterhin werden aus dem Haushalt des Bundes einzelne Projekte gefördert, die eine interdisziplinäre Provenienzforschung zum Gegenstand haben, wie unter anderem durch die BMBF-Bekanntmachung „Sprache der Objekte“. In dem vom BMBF seit März 2018 geförderten Maria Sibylla Merian Institute for Advanced Studies in the Humanities and Social Sciences Africa (MIASA) zum Thema “Sustainable Governance, Environment, Democracy and Conflict Management “ beschäftigt sich eine von fünf Forschungsgruppen deutscher und afrikanischer Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen mit dem Thema „Restitution afrikanischer Kulturgüter“. Das Forschungskolleg ist an der University of Ghana in Accra angesiedelt und wird von den Universitäten Freiburg, Frankfurt und Konstanz, dem German Institute of Global and Area Studies und dem Deutschen Historischen Institut Paris in Partnerschaft mit der Gasteinrichtung aufgebaut und betrieben. Das Projekt wird derzeit in einer Vorphase gefördert, an die sich im Falle einer positiven Evaluation eine sechsjährige Hauptphase und eine dreieinhalbjährige Abschlussphase anschließen können. Im Rahmen eines Workshops zum Thema „Issues of Restitution and Repatriation of Looted and Illegally Acquired African Objects in European Museums“, den das Merian Centre am Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/10217 13. und 14. Dezember 2018 an der University of Ghana veranstaltete, verfassten Teilnehmer und Teilnehmerinnen u. a. eine Stellungnahme zur aktuellen Debatte über Restitutions- und Provenienzfragen. Das Auswärtige Amt fördert seit 2017 die Entstehung eines datengestützten Archivs zu deutschen Kolonialakten. Mit dem Projekt der Fachhochschule Potsdam wird ein umfassendes Inventar einschlägiger Quellen und Verwahrorte zur deutschen Kolonialzeit erstellt. Bisher wurden bereits mehr als 300 Verwahrorte identifiziert , der weitaus größte Teil davon in Deutschland, sowie die restlichen in Belgien, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Italien, Namibia, der Türkei, den Niederlanden, Togo, Kamerun, Tansania, Südafrika, Papua-Neuguinea, Australien, Marokko, Neuseeland, Polen, Spanien, Schweiz, Burundi und der VR China. Als Begleitmaßnahmen im Rahmen dieses Inventarprojekts fanden außerdem zwei Gruppenreisen von führenden Archivarinnen und Archivaren aus Togo, Kamerun, Ruanda, Namibia und Tansania nach Berlin und Potsdam statt. Eine weitere Gruppenreise ist für 2019 vorgesehen. 12. In wie vielen Fällen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem 9. Mai 1975 von den Herkunftsgesellschaften oder Staaten, die auf dem Territorium ehemaliger deutscher Kolonien entstanden sind, die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten angeregt (bitte ausführlich nach Datum , Herkunftsland, betroffenes Objekt und Antwort der Bundesregierung auflisten)? Der Bundesregierung liegt ein offizielles Rückgabeersuchen der Republik Namibia vom 1. Juni 2017 bezüglich der Säule von Cape Cross vor. Mit Verbalnote des Auswärtigen Amts vom 30. Oktober 2017 wurde der Botschaft der Republik Namibia mitgeteilt, dass das Deutsche Historische Museum den Wunsch der Republik Namibia nach einer Rückführung prüfen wird. Mit einer Entscheidung in der Sache ist im Frühsommer 2019 zu rechnen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 4 verwiesen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333