Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 15. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10275 19. Wahlperiode 16.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/9427 – Digitalisierungsinitiativen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Sommer 2016 startete die „Digitalisierungsagenda 2020“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/ DE/Publikationen/Broschueren/broschuere-digitalisierungsagenda-2020.pdf?__ blob=publicationFile). Nach Darstellung des BAMF sind die unterschiedlichen „Digitalisierungsinitiativen“ in drei „Reifegrade“ unterteilt. Bei Reifegrad I geht es um die elektronische Speicherung und Übermittlung von Daten. Reifegrad II betrifft „digitale Workflows“, durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weniger manuelle Eingaben machen müssen, was Bearbeitungszeiten verkürze und die Bearbeitungsqualität erhöhe. Bei Initiativen des Reifegrads III geht es um den Einsatz digitaler Technologien wie Datenanalytik oder künstliche Intelligenz, womit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF gezielt bei der Entscheidungsfindung unterstützt würden (ebd., S. 9). Nach Auskunft der Referatsleiterin Datenqualitätsmanagement im BAMF wird die Behörde ein Kompetenzzentrum aufbauen, das den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Datenanalytik vereinfache. Um die dafür benötigten technologischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, würden kurzfristig Pilotprojekte realisiert. Erste Erfahrungen habe das BAMF schon gesammelt, etwa für die „Profilanalyse zur Untersuchung von Anhörungsprotokollen“ (ebd., S. 29). Die „Digitalisierungsagenda“ beinhaltet u. a. folgende „Digitalisierungsinitiativen “: Verwaltung von Asylprozessen in der Blockchain, Elektronisches Gerichts - und Verwaltungspostfach/KI-gestützter Sortierprozess des Postverkehrs mit Verwaltungsrichtlinien, Ähnlichkeitssuche Migrations-Asyl-Reintegrationssystem (MARiS) und eine BAMF-Analytik-Plattform (ebd.). In einem vom BAMF 2017 herausgegebenen Working-Paper ist zudem von der Entwicklung einer „intelligenten Anhörungsunterstützung“ die Rede, die BAMF-Mitarbeiterinnen und BAMF-Mitarbeiter während der Anhörung mit „spezifischen Informationen zu Herkunftsregion und Herkunftsstaat“ versorgen und damit das „zielgerichtete Nachfragen nach Identitätsaspekten“ unterstützen solle (www. bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/EMN/Studien/wp76-emnidentitaetssicherung -feststellung.pdf?__blob=publicationFile, S. 37). Drucksache 19/10275 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Nach Einschätzung der Fragestellerinnen und Fragesteller stellt das BAMF die Digitalisierungsprojekte sehr euphorisch dar und erweckt damit den aus ihrer Sicht irreführenden Eindruck, dass sich alle Probleme der Behörde durch den Einsatz raffinierter technischer Assistenzsysteme lösen ließen. Dabei haben frühere Kleine Anfragen gezeigt, dass bereits eingesetzte IT-Assistenzsysteme wie die Dialekterkennungssoftware oder das Auslesen mobiler Datenträger fehleranfällig sind und zudem enorme Kosten verursachen (Bundestagsdrucksachen 19/1663 und 19/6647). 1. Wie ist der aktuelle Stand der nachfolgenden Projekte (bitte jeweils angeben, ob es sich noch in der Konzept-Phase oder im Pilot-, Probe- oder Produktivbetrieb befindet): a) Verwaltung von Asylprozessen in der Blockchain Das Projekt „Blockchain-Pilotierung“ befindet sich aktuell in der Konzeptionsphase . Die Abstimmungen mit dem Projektpartner, dem Freistaat Sachsen, laufen . Laut Projektzeitplan ist für das erste Quartal 2020 der Pilotbetrieb vorgesehen . b) Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach/KI-gestützter Sortierprozess des Postverkehrs mit Verwaltungsrichtlinien Das Projekt „Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach Posteingang 2.0“ befindet sich bereits im Produktivbetrieb. Eine Weiterentwicklung des Verfahrens befindet sich aktuell in der Pilotierung und soll noch 2019 abgeschlossen werden. c) Ähnlichkeitssuche Migrations-Asyl-Reintegrationssystem (MARiS) Die Ähnlichkeitssuche befindet sich mit einer ersten Technologie in der Pilotphase , die im Oktober 2019 abgeschlossen sein wird. Es ist geplant, nach der Evaluierung der Ergebnisse dieser Pilotphase eine alternative Technologie zu testen, so dass im Falle von positiven Ergebnissen mit dem Projektstart der Anbindung einer der beiden Varianten an das Migrations-Asyl- Reintegrationssystem bzw. der Implementierung frühestens im zweiten Quartal 2020 begonnen werden kann. d) BAMF-Analytik-Plattform Die BAMF-Analytik Plattform befindet sich aktuell in der Konzeptionsphase. Das dazugehörige Rahmenprojekt „Verankerung der Fachanalytik im BAMF“ ist im Juli 2018 gestartet und bis zum 30. Juni 2019 ausgelegt. e) intelligente Anhörungsunterstützung, und wie ist der Zeitplan hinsichtlich weiterer Projektphasen? Die Intelligente Anhörungsunterstützung wurde im Jahr 2018 in Assistenzsystem für Anhörungen (ASA) umbenannt. Im Projekt wurde die am 29. Oktober 2018 begonnene Basis-Pilotierung beendet. Derzeit wird über weitere Projektphasen entschieden. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10275 2. Wie viel Geld wurde für die in Frage 1 genannten Projekte bereits ausgegeben , und welche weiteren Summen sind dafür ggf. veranschlagt (bitte für jedes Projekt einzeln angeben)? Verwaltung von Asylprozessen in der Blockchain Bereits ausgegeben 1.150.000 € Weitere veranschlagte Summen 3.380.000,00 € Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach/KI-gestützter Sortierprozess des Postverkehrs mit Verwaltungsrichtlinien Bereits ausgegeben 1.406.018,00 € Weitere veranschlagte Summen 2.508.228,00 € Ähnlichkeitssuche Migrations-Asyl-Reintegrationssystem (MARiS) Bereits ausgegeben 185.450,00 € Weitere veranschlagte Summen 50.000 € BAMF-Analytik-Plattform Bereits ausgegeben 913.718,23 € Weitere veranschlagte Summen 1.078.561,78 € Assistenzsystem für Anhörungen Bereits ausgegeben 2.626.121,00 € Weitere veranschlagte Summen 2.508.576,25 € 3. Wer ist mit der Durchführung der in Frage 1 genannten Projekte beauftragt (bitte für jedes Projekt angeben, wie viele Mitarbeiter des BAMF ggf. damit befasst sind bzw. welche externen Dienstleister ggf. damit beauftragt wurden )? Welche Software wird jeweils verwendet, und liegen dem BAMF die Quellcodes vor? Die Zahl der mit dem Projekt befassten Mitarbeitenden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kann nachfolgender Übersicht entnommen werden : Verwaltung von Asylprozessen in der Blockchain zehn interne Mitarbeiter Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach/ KI-gestützter Sortierprozess des Postverkehrs mit Verwaltungsrichtlinien fünf interne Mitarbeiter Ähnlichkeitssuche Migrations-Asyl-Reintegrationssystem (MARiS) sechs Mitarbeiter BAMF-Analytik-Plattform acht Mitarbeiter Assistenzsystem für Anhörungen zehn Mitarbeiter Darüber hinaus sind im Rahmen der Durchführung der fünf Projekte folgende externe Dienstleister beauftragt: Atos GmbH, Capgemini, Fraunhofer FIT, KPMG, Sopra Steria und T-Systems MMS GmbH. Aus Datenschutzgründen und Drucksache 19/10275 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode zur Wahrung der Geschäftsgeheimnisse können keine Zuordnung zu den konkreten Projekten und den damit verbundenen Budgets erfolgen, da dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis dieser Dienstleister bedeuten würde. Alle Leistungen wurden ausschließlich über bestehende Rahmenverträge des Bundes beschafft. Im Projekt „Blockchain“ wird mit „Hyperledger Fabric“ gearbeitet, einem Open Source Softwareframework zur Bereitstellung von Blockchain-Lösungen. Die BAMF-spezifische Umsetzung des Frameworks erfolgt durch einen externen Dienstleister in enger Abstimmung mit der BAMF-IT. Die Bereitstellung des Quellcodes an das BAMF ist vertraglich geregelt. Im Projekt „Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach/KI-gestützter Sortierprozess des Postverkehrs mit Verwaltungsrichtlinien“ wird eine Software- Komponente der Firma Paradatec für die Indizierung der Dokumententypen verwendet . Für die Verteilung/ Sortierung der eingehenden EGVP-Nachrichten wird eine Software von UI-Path verwendet. Die im Projekt „Ähnlichkeitssuche Migrations-Asyl-Reintegrationssystem (MARiS)“ aktuell erprobte Technologie trägt die Bezeichnung „matchmaker“ und stammt von der Firma exorbyte GmbH. Der Quellcode liegt dem BAMF im Rahmen der Durchführung des Pilotprojekts nicht vor. Da sich das Projekt „BAMF-Analytik-Plattform“ noch in der Konzeptionsphase befindet, können nur Angaben zu der geplanten Software gemacht werden. Es soll die Open Source Software „Hadoop“ verwendet werden, so dass der Quellcode frei zugänglich sein wird. Im Projekt „Intelligente Anhörungsunterstützung“ wird die Software „Oracle Policy Automation“ (OPA) verwendet, deren Quellcode dem BAMF nicht vorliegt. Die BAMF-spezifischen Anpassungen sind durch die Fachseite ohne Entwicklungsaufwand umsetzbar. 4. Wie genau funktioniert die „intelligente Anhörungsunterstützung“, und wie soll sie eingesetzt werden? Soll sie Aufgaben ersetzen, die bislang von Anhörerinnen und Anhörern übernommen wurden? Was verspricht sich das BAMF vom Einsatz der „intelligenten Anhörungsunterstützung “? Inwieweit findet eine Qualitätskontrolle statt? Die Intelligente Anhörungsunterstützung wurde im Jahr 2018 in Assistenzsystem für Anhörungen (ASA) umbenannt. Das ASA unterstützt die Anhörenden bei der Aufklärung des Sachverhalts durch die Bereitstellung von fallspezifischen bzw. herkunftsländerspezifischen Informationen und zusätzlichen fallspezifischen bzw. herkunftsländerspezifischen Fragestellungen. Der Zeitaufwand für die Informationsbeschaffung wird somit erheblich reduziert. Mit dem ASA wird auch der Abgleich des vorgetragenen Sachverhalts mit den Aussagen der Herkunftsländer-Leitsätze erleichtert. Durch eine regelbasierte Prüfung des ASA wird die bisher manuelle Suche in den Leitsätzen ersetzt. Eine weitere Unterstützung der Entscheidenden stellt die Vollständigkeitsprüfung der entscheidungsrelevanten Tatbestandsmerkmale dar. Hierbei handelt es sich um eine Art „Checkliste“, die ebenfalls der Sachverhaltsaufklärung dient. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10275 Darüber hinaus umfasst das ASA folgende Funktionalitäten: – Dokumentation der Niederschrift als Ersatz für das Word-Dokument aus MARiS – Bereitstellung eines Grundgerüstes mit 13 bzw. 17 Musterfragen der Anhörungsprotokolle . Das ASA ersetzt nicht die Aufgaben, die bisher von den Anhörenden wahrgenommen werden. Die Hoheit über das Verfahren verbleibt in vollem Umfang bei den Anhörenden. Der Ablauf und die Inhalte der Anhörung bleiben dabei unverändert und eine individuelle Einzelfallprüfung ist auch mit dem ASA garantiert. 5. Wie viele Vollzeitäquivalente in welchen Gehaltsklassen sind im IT-Labor des BAMF beschäftigt, und wie ist das Verhältnis der Entwickler zu sonstigen Mitarbeitern? Im IT-Labor wird nach den Grundsätzen und Prinzipien der agilen Softwareentwicklung gearbeitet. Somit halten sich im IT-Labor je nach Projekt unterschiedliche Teams in unterschiedlichen Zusammensetzungen auf. Somit ist keine Ausweisung in Vollzeitäquivalenten möglich. 6. An welchen Projekten arbeiten die Entwickler? Welche Projekte hat das hauseigene IT-Labor schon bis zur Produktreife umgesetzt ? Bei dem IT-Labor handelt es sich um Räumlichkeiten, in denen wechselnde Teams arbeiten. Grundsätzlich ist es dafür geeignet, alle Entwicklungsvorhaben des BAMF umzusetzen. In den Räumlichkeiten des IT-Labors wurde die Anwendung „Dublin-Tracking“ entwickelt, die sich bereits im Produktiveinsatz befindet . Ebenso ist die dort entwickelte Anwendung zur „Verwaltung, Koordinierung und Abrechnung der berufsbezogenen Deutschsprachförderung“ (BerD) in Teilen bereits produktiv gegangen. 7. Wie viel hat die Einrichtung der Räumlichkeiten des BAMF-IT-Labors gekostet , und in welchem Umfang fallen laufende Kosten (für Wartung usw.) an? Die Räumlichkeiten unterstützen agile Arbeitsweisen, da die Büroausstattung zeitnah auf verschiedene Teamanforderungen adaptierbar ist. Für die Einrichtung wurden insgesamt 87 000 Euro verausgabt, laufende Kosten fallen nicht an. 8. Mit welchen drei deutschen Universitäten kooperiert das BAMF, um im Rahmen von Vorträgen und Vorlesungen seine Erfahrungen im Bereich der agilen Zusammenarbeit zu teilen (www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/ DE/Publikationen/Broschueren/broschuere-digitalisierungsagenda-2020.pdf?__ blob=publicationFile, S. 17)? Um welche Art von Vorträgen handelt es sich, und was beinhalten diese? Das BAMF kooperiert mit der TU Clausthal, der Universität Regensburg und der Universität Konstanz zum Thema „agile Softwareentwicklung“. Dies umfasst Teilnahme an und Vorträge im Rahmen von Seminaren sowie die Teilnahme an Workshops. Drucksache 19/10275 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Existiert bereits eine Private-Cloud-Infrastruktur des BAMF (ebd., S. 21), und falls ja, wer betreibt diese? a) Wie sieht ggf. das Sicherheitskonzept aus? b) Wie viel kostet die Cloud ggf. pro Kalenderjahr? c) Welche Anwendungen laufen auf der Cloud bzw. sollen darauf laufen? d) Auf welchen Servern werden die Daten ggf. gespeichert, und wo befinden sich diese? Die Fragen 9 bis 9d werden gemeinsam beantwortet. Das BAMF evaluiert derzeit unterschiedliche technologische Cloudplattformen hinsichtlich ihrer Eignung für den Betrieb von Anwendungen und trägt damit den immer schneller erfolgenden technologischen Fortschritten in diesem Areal Rechnung. Das BAMF betreibt derzeit auf diesen Evaluierungsplattformen keinerlei Produktivanwendungen und verwendet auch für die Evaluierung keine Produktivdaten . Die Evaluierung der Cloudlösungen findet auf der Basis vorhandener Sicherheitskonzepte statt, die ggf. im Rahmen einer Inbetriebnahme einer Cloud erweitert und angepasst werden müssen. Eine Festlegung, welche Anwendungen auf der Cloud laufen sollen hat bisher nicht stattgefunden, diese Überlegung ist Teil des Evaluierungsprozesses. Die Evaluierungen finden ausschließlich auf Servern des BAMF statt, die sich in Rechenzentren des Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) in Nürnberg, Berlin und Bonn befinden. Die Evaluierungsprojekte finden in enger Zusammenarbeit mit dem ITZBund statt. Eine Aussage zu entstehenden Kosten kann noch nicht getroffen werden. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333