Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 21. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10400 19. Wahlperiode 22.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Grigorios Aggelidis, Katja Suding, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9883 – Schädigung der Vermögen von alten und pflegebedürftigen Menschen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Gewalt gegen alte Menschen gibt es in vielen Formen: „Die [Weltgesundheitsorganisation ] WHO definiert Gewalt gegen alte Menschen als einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer gebotenen Handlung innerhalb einer vertrauten Beziehung, die dem alten Menschen Schaden zufügt oder ihn in eine Notlage bringt“, so der Autor Uwe Brucker in der Zeitschrift für soziale Arbeit, gutachterliche Tätigkeit und Rechtsanwendung in der Betreuung (www.bundesanzeiger-verlag.de/fileadmin/BT-Prax/Fachbeitraege_PDF/Soziales_ Pflege/Brucker_2016_163.pdf). Dabei gibt es neben der körperlichen Gewalt auch die sexualisierte und psychische Gewalt sowie Gewalt in Form von Vernachlässigung und finanziellem Missbrauch. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben seit 2010 eine eigene Definition dazu im „Elder Justice Act“ festgelegt (abrufbar: http://uscode.house.gov/view. xhtml?req=(title:42%20section:1397j%20edition:prelim)), um sie auch in der Kriminalstatistik eindeutig ausweisen und sichtbar machen zu können. So hat eine 2015 entstandene Studie zu „Elder Financial Abuse“ (abrufbar: http:// documents.truelinkfinancial.com/True-Link-Report-On-Elder-Financial-Abuse- 012815.pdf) einen jährlichen Schaden von ca. 36 Mrd. US-Dollar aufgezeigt. In der Schweiz wurde im Oktober 2018 im Auftrag von „Pro Senectute“ eine Studie durch das Institut zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität der Fachhochschule Neuenburg durchgeführt (abrufbar: www.prosenectute.ch/dam/ jcr:41bfe86e-40f5-42fb-8ce2-9567eba02029/Zahlen-und-Fakten-Finanzieller- Missbrauch-10.10.2018.pdf), die eine hochgerechnete Schadenssumme von 400 Mio. Schweizer Franken pro Jahr in den letzten fünf Jahren zeigte. Jeder Vierte im Alter von über 55 Jahren ist laut der Studie in der Schweiz Opfer einer Form von Finanzmissbrauch geworden. In Deutschland hat sich 2016 das Institut für Kriminologie und interdisziplinäre Gewaltprävention der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster mit der Thematik betrügerischer Vermögensdelikte an älteren Menschen befasst. Es hat in der Studie „Sicherheitspotenziale im höheren Lebensalter“ im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) bereits darauf hingewiesen, dass entsprechende Taten nicht nur von Personen begangen werden, die den Opfern vor der Tat völlig fremd sind, sondern auch von Drucksache 19/10400 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode solchen, die aus einer bestehenden Beziehung heraus und oftmals unter Ausnutzung des mit dieser Beziehung verknüpften Vertrauens handeln. „So bieten etwa Vertretungsbefugnisse im Rahmen rechtlicher Betreuung oder in Form von Vollmachten Tatgelegenheiten für missbräuchliche Handlungen und finanzielle Ausbeutung“ (abrufbar: www.bmfsfj.de/blob/95312/9187605d794966062686bc00f0 374b6f/sicherheitspotenziale-im-hoeheren-lebensalter-data.pdf). Nach Kenntnis der Fragesteller fehlen bislang aktuelle Studien, die den Umfang und die Höhe der Schädigung durch betrügerische Vermögensdelikte bei alten und pflegebedürftigen Menschen aufzeigen. 1. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, alte und pflegebedürftige Menschen vor Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen zu schützen? Wenn ja, warum, und wenn nein, warum nicht? Zurzeit werden die Ergebnisse des vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz finanzierten Forschungsprojekts „Vermögensdelikte in Betreuungsverhältnissen “ ausgewertet und etwaiger Handlungsbedarf eruiert. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sind in einem Bericht zusammengefasst, der auf der Homepage des Ministeriums (www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Service/Fachpublikationen/Bericht_Vermoegensdelikte_Betreuungsverhaeltnisse. pdf?__blob=publicationFile&v=2) abgerufen werden kann. In zivilrechtlicher und strafrechtlicher Hinsicht stellt sich die geltende Rechtslage wie folgt dar: Wer eine Vollmacht entgegen dem Auftrag und den Weisungen des Vollmachtgebers nutzt und dadurch dem Vollmachtgeber einen Schaden zufügt, haftet nach allgemeinem Zivilrecht für diesen Schaden nach § 280 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Strafrechtlich kann die Schädigung des Vermögens älterer Menschen je nach den Umständen des Einzelfalls den Tatbestand des Betrugs (§ 263 des Strafgesetzbuches (StGB)), der Nötigung (§ 240 StGB), der Erpressung (§ 253 StGB), der Untreue (§ 266 StGB) oder der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) erfüllen. Das geltende Strafrecht bietet somit bereits heute die Möglichkeit , strafwürdige Fälle zu sanktionieren. Der Umstand der besonderen Schutzbedürftigkeit älterer Menschen kann dabei ggf. im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Umfang des Schadens und die Anzahl der Betroffenen von Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen (bitte nach Jahr und Bundesland aufschlüsseln)? 3. Welche aktuellen wissenschaftlichen Studien liegen der Bundesregierung zum Umfang des Schadens und der Anzahl der Betroffenen von Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen vor? Die Fragen 2 und 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Thematik der Schädigung der Vermögen von alten und pflegebedürftigen Menschen ist der Bundesregierung durch die Schilderung von Einzelfällen bekannt . Daten, in welchem Umfang es zu derartigen Vermögensschädigungen kommt, liegen allerdings nicht vor. Was die Anzahl der Opfer betrifft, so erfolgt Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10400 in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) eine Opfererfassung nur bei strafbaren Handlungen gegen höchstpersönliche Rechtsgüter (z. B. Leben, körperliche Unversehrtheit). Es kann insoweit aber auf das in der Antwort zu Frage 1 genannte Forschungsprojekt „Vermögensdelikte in Betreuungsverhältnissen“ und den dazugehörigen Bericht verwiesen werden. 4. Sieht die Bundesregierung weiteren Bedarf an Studien zur besseren Einschätzung des Umfangs des Schadens und der Anzahl der Betroffenen von Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen, und wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen; die Ergebnisse der dort genannten Studie werden zunächst ausgewertet. 5. In welchen Bundesländern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Beratungs - oder Anlaufstellen für alte und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen, die Opfer von Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen geworden sind, und in welchen Bundesländern sind welche geplant? In den von der Bundesregierung geförderten Beratungsstellen für ältere Menschen wird nicht dezidiert zu Fragen des Vollmachtsmissbrauchs beraten. Zum Beratungsangebot anderer Beratungsstellen in den Ländern liegen diesbezüglich keine Erkenntnisse vor. 6. Plant die Bundesregierung eine zentrale Beratungs- und Anlaufstelle auf Bundesebene für alte und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen, die Opfer von Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen geworden sind? Die Bundesregierung plant keine derartige zentrale Beratungs- und Anlaufstelle auf Bundesebene. 7. Plant die Bundesregierung, durch Gesetzesänderungen die Situation von alten und pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen, die Opfer von Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen geworden sind, zu verbessern? Wenn ja, welche Gesetze sollen geändert werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 8. Falls die Bundesregierung keine Gesetzesänderungen plant, um die Situation von alten und pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen, die Opfer von Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen geworden sind, zu verbessern , welche Maßnahmen ergreift sie stattdessen zum Schutz der genannten Personen? Zum Schutz potentieller Vollmachtgeber weist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in seiner Broschüre „Betreuungsrecht. Mit ausführlichen Informationen zur Vorsorgevollmacht“ auf die Gefahr des – finanziellen – Missbrauchs einer Vollmacht hin und empfiehlt daher ausdrücklich, nur eine Per- Drucksache 19/10400 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode son des Vertrauens zu bevollmächtigen. Auch durch die Bestellung von mehreren Bevollmächtigten kann, insbesondere im Fall der Bevollmächtigung eines Nicht- Angehörigen, die Missbrauchsgefahr einschränkt werden. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 9. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der Studie gezogen, die im Auftrag des BMFSFJ in den letzten Jahren durchgeführt wurde, in der die Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen alter und pflegebedürftiger Menschen thematisiert wurde, welche konkreten Maßnahmen wurden umgesetzt , und welche sind in Planung? Von 2008 bis 2012 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gemeinsam mit der Deutschen Hochschule der Polizei das Aktionsprogramm „Sicher leben im Alter“ durchgeführt. Hierbei wurden verschiedenen Materialien erarbeitet, u. a. die Handreichung „Vollmacht – aber sicher“ (www.dh pol.de/Kugelmann_2015_Vollmacht-aber-sicher.pdf). Außerdem wurde eine Schulung für Bankbeschäftigte entwickelt und umgesetzt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Banken werden über einschlägige Vorgehensweisen von Tätern und Auffälligkeiten im Kundenverhalten informiert und im Umgang mit solchen Situationen geschult (www.dhpol.de/Anhaenge_ Bericht_Sicherheitspotenziale.pdf). Auch das Trainingsprogramm „Älter werden – aber sicher! Ein Manual für Dozentinnen und Dozenten in der Erwachsenenbildung“ enthält ein Modul zum Schutz vor Vermögensdelikten (www.dhpol.de/Erdwien_2015_2018_Aelter_ werden_aber_sicher.pdf). Im Übrigen sind in die überarbeitete Broschüre des Bundesministeriums für Familie , Senioren, Frauen und Jugend „Rate mal, wer dran ist!“ auch Ergebnisse des o. g. Projekts eingeflossen (www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/- rate-mal--wer-dran-ist--/77488). Die Broschüre „Sicher leben im Alter“ gibt einen Überblick über die Projekte und die zur Verfügung stehenden Materialien (www.bmfsfj.de/blob/113278/41c620 156fe556a707ddccef8978769a/sicher-leben-im-alter-data.pdf). 10. Ist die Einführung eines genauer definierten Tatbestands der Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen alter und pflegebedürftiger Menschen (ähnlich wie in den Vereinigten Staaten von Amerika) durch eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung geplant? Wenn nein, warum nicht? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in den Landeskriminalämtern Abteilungen oder Dezernate, die sich auf die Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen alter und pflegebedürftiger Menschen spezialisiert haben? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10400 12. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im Bundeskriminalamt eine Organisationseinheit , die sich insbesondere mit der Schädigung des Vermögens aufgrund von Vollmachtsmissbrauch oder Delikten durch nicht verwandte Bezugspersonen alter und pflegebedürftiger Menschen beschäftigt? Es gibt im Bundeskriminalamt kein Referat, das sich insbesondere mit den genannten Themen befasst. 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