Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 21. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10404 19. Wahlperiode 22.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniela Wagner, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/9128 – Wirksamkeit von Lärmgrenzwerten für Motorräder V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit dem 1. Januar 2016 gelten in der EU für Motorräder die neuen Vorschriften für Abgas- und Lärmemissionen nach der UN-Regelung Nummer 41.04 (UNECE-R 41.04, „Euro-4-Norm“). Bis dahin durften die Fahrgeräusche in einem definierten Betriebszustand maximal 80 Dezibel betragen. Im Jahr 2016 wurde dieser Grenzwert auf 78 Dezibel, 2017 auf 77 Dezibel abgesenkt. Auch das Prüfverfahren für Typgenehmigungen wurde geändert. Das Schweizer Verbrauchermagazin „Beobachter“ veröffentlichte am 11. Oktober 2018 den Beitrag „Die Lärmgrenzwerte sind reine Theorie“. Da in der Schweiz die europäischen Zulassungsvorschriften gelten, ist der Beitrag auch für Deutschland relevant. Die Beschwerden über Motorradlärm hätten seit 2016 nicht ab-, sondern zugenommen. Deshalb ließ das Magazin die Geräuschemissionen von vier neu zugelassenen Motorrad-Volumenmodellen von einem Schweizer Prüfinstitut untersuchen. Getestet wurde nach EU-Vorschriften – aber nicht nach der aktuellen, vermeintlich strengeren Euro-4-Norm, sondern nach der älteren und „lauteren“ Euro-3-Norm. Das Ergebnis: Keines der geprüften neuen Modelle hätte nach der Euro-3-Norm eine Zulassung erhalten. Dennoch sind sie alle mit Euro-4-Zulassung auf den Straßen unterwegs. Auch Messungen im Auftrag der Zeitschrift „Motorrad“ kamen zu dem Ergebnis, dass eine Anzahl von Motorrädern seit 2016 nur auf dem Papier leiser geworden ist (Motorrad 26/2017, Euro 3- und Euro 4-Messungen: So laut sind Schalldämpfer wirklich). Bei der Suche nach den Ursachen für diesen Befund stieß der „Beobachter“ auf die Arbeitsgruppe Lärmschutz (GRB) der UN-Wirtschaftskommission für Europa (United Nations Economic Commission for Europe, UNECE) in Genf. Diese Arbeitsgruppe schlägt Lärmgrenzwerte für Motorräder vor und definiert die entsprechenden Messverfahren. Diese werden dann in EU-Recht und nationales Recht übernommen. Nach Aussagen des „Beobachter“ umfasst die Mitgliederliste dieser Arbeitsgruppe Lärmschutz eine Vielzahl von Vertretern der globalen Auto- und Motorradindustrie. Ein Mitarbeiter des Schweizer Bundesamtes für Umwelt wird zudem mit der Aussage zitiert, der Prüfzyklus, den dieses Gremium auf den Weg gebracht habe, „sei unfassbar kompliziert.“ Auch das Drucksache 19/10404 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Team der Zeitschrift „Motorrad“ hält die neue ECE-Regelung für „extrem verklausuliert “. Der Verdacht steht im Raum, dass die beabsichtigte Einführung niedrigerer Lärmgrenzwerte durch Anwendung unübersichtlicher Prüfverfahren unterlaufen werden kann. Die UNECE entwickelt im Bereich der Zulassung von Radfahrzeugen Vorschläge, Vorlagen und Vereinbarungen sowie Prüfverfahren für die Erteilung von Typgenehmigungen, die in EU-Recht und deutsches Recht übernommen werden. Deutschland ist Mitglied in der UNECE und entsendet Vertreter in deren Gremien. 1. Wie setzt sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit die Arbeitsgruppe Lärmschutz (GRB) der UN-Wirtschaftskommission für Europa zusammen (bitte neben den Namen der Mitglieder die Organisationen benennen, die diese entsenden, sowie die Funktion, die die Mitglieder der Arbeitsgruppe innerhalb dieser Organisationen innehaben)? 2. Wie viele und welche der Institutionen, die Mitglieder in die Arbeitsgruppe Lärmschutz (GBR) entsenden, vertreten nach Ansicht der Bundesregierung explizit die Seite der Lärmbetroffenen und nicht die Seite der Fahrzeugindustrie ? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Mitglieder und Institutionen der GRB sind auf der Internetseite der UNECE in den Ergebnisprotokollen (Reports) ersichtlich (www.unece.org/trans/main/ wp29/wp29wgs/wp29grb/grbrep.html) Der aktuellste Bericht ist unter www.un ece.org/fileadmin/DAM/trans/doc/2019/wp29grb/ECE-TRANS-WP29-GRB-67e.pdf abrufbar. 3. Hält die Bundesregierung die Arbeitsgruppe Lärmschutz (GRB) in der gegenwärtigen Besetzung für geeignet, bei der Entwicklung von Grenzwerten und Testverfahren die Interessen der Lärmbetroffenen angemessen gegenüber den Interessen der Fahrzeugindustrie zu vertreten? Die Teilnahme an der GRB steht allen interessierten Organisationen offen. Die Bundesregierung begrüßt eine stärkere Teilnahme von NGO’s aus dem Bereich der Lärmbetroffenen. 4. Hält die Bundesregierung die gegenwärtigen Regelungen der UNECE-R 41.04 für geeignet, um die Lärmemissionen neu typzugelassener Motorräder im realen Betrieb auf 77 Dezibel zu begrenzen, und aus welchen Gründen ist das der Fall bzw. nicht der Fall? 5. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Regelungen der UNECE-R 41.04 und das zugehörige Prüfverfahren so weit zu vereinfachen und zugleich die Transparenz bei der Anwendung so weit zu erhöhen, dass ein Unterlaufen des eigentlichen Testzwecks weitgehend verhindert werden kann? a) Falls ja, gibt es bereits konkrete Ideen und Vorschläge in diesem Sinne? b) Falls nein, warum nicht? 6. Wie setzt sich die „Informal Working Group ASEP“ („Zusätzliche Bestimmungen zu Geräuschemissionen“) bei der UNECE nach Kenntnis der Bundesregierung zusammen, die auf deutsche Initiative hin eingerichtet wurde (bitte neben den Namen der Mitglieder die Organisationen benennen, die diese entsenden sowie die Funktion, die die Mitglieder der Arbeitsgruppe innerhalb dieser Organisationen innehaben)? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10404 7. Wann, und wie oft tritt die „Informal Working Group ASEP“ nach Kenntnis der Bundesregierung zusammen? 8. Kann und wird die „Informal Working Group ASEP“ einen Beitrag zur Lösung der in Frage 5 genannten Problemlage leisten? a) Wenn ja, in welcher Form? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 4 bis 8b werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Geräuschvorschriften der UN-Regelung Nr. 41.04 sind seit 2012 verglichen mit der Vorgängerregelung realitätsnäher. Sie berücksichtigen jedoch neben der Konstantfahrt nur die Volllastbeschleunigung im Geschwindigkeitsbereich von 20 bis maximal 80 km/h. Durch die von der Technik mittlerweile möglichen Flexibilisierungen des Geräuschverhaltens ist die bisherige Übertragbarkeit des „Worst-Case-Falles“ (Messergebnisse der kritischsten Fahrsituation Volllastbeschleunigung in zwei Getriebestufen) auf den Gesamtnutzungsbereich des Zweirads (gesamter Geschwindigkeit in allen Getriebestufen und Fahrsituationen) nicht mehr gegeben. Die Weiterentwicklung der UN-Regelung Nr. 41 innerhalb der „Informellen Arbeitsgruppe ASEP“ (IWG ASEP) soll diese flexibel gestaltbaren Geräuschemissionen berücksichtigen. Hierzu sollen die zusätzlichen Geräuschbestimmungen (ASEP als Real Driving ASEP) auf alle Fahrsituationen bis 100 km/h und Getriebestufen ausgeweitet werden. Zusätzlich soll zukünftig die elektronische Manipulationserschwernis von Klappenschalldämpfern und Soundgeneratoren in die Regelung aufgenommen werden. Die Sitzungstermine der Informellen Arbeitsgruppe ASEP (IWG ASEP) sind auf der Seite der UNECE (https://wiki.unece.org/pages/viewpage.action?pageId=91 7781) ersichtlich. Die Teilnehmer der bisherigen Sitzungen der IWG ASEP sind die Europäische Kommission, China, Deutschland, Frankreich, Japan, Niederlande, Russland, Spanien, Vereinigtes Königreich, IMMA, ISO, CLEPA/MEMA/JAPIA, IMMA, OICA. Nicht alle Vertragsstaaten bzw. Organisationen haben an allen Sitzungen teilgenommen. 9. Werden die „flankierenden Maßnahmen“ (siehe Bundestagsdrucksache 19/2588, Antwort zu Frage 16), die die Bundesregierung im Rahmen einer Grenzwertabsenkung für die Euro-5-Norm anstrebt, nach Ansicht der Bundesregierung einen Beitrag zur Lösung der Frage 5 leisten? a) Wenn ja, in welcher Form? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 9 bis 9b werden gemeinsam beantwortet. Die in der Antwort zu Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 19/2588 genannten flankierenden Maßnahmen in Kombination mit der Einführung der „Real Driving ASEP Anforderungen“ und den, gemäß der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes , in der Zuständigkeit der Länder liegenden Verkehrskontrollen werden nach Ansicht der Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag leisten. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 4 bis 8 verwiesen. Drucksache 19/10404 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Arbeiten der „Informal Working Group ASEP“, der Motorcycle Working Group (MCWG) oder der Arbeitsgruppe Lärmschutz (GRB) bisher für die Einführung einer „Vorbeifahrtsmessung light“ eingesetzt? a) Wenn ja, welche Ergebnisse wurden hier bereits konkret erzielt? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 10 bi 10 b werden gemeinsam beantwortet. Die „Vorbeifahrtmessung light“ ist bereits heute in der UN-Regelung Nr. 41.04 angelegt. Zurzeit sind jedoch noch keine detaillierten Messbedingungen (z. B. Beschaffenheit der Messstrecke einschließlich notwendigem Freiraum; etwaige Toleranzen auf Grund der zur Typgenehmigungsprüfung abweichenden Bedingungen ) in der Regelung vorhanden. Die vorgenannten zu harmonisierenden detaillierten Messbedingungen sollen aus Sicht der Bundesregierung im Rahmen der Weiterentwicklung der UN-Regelung Nr. 41 erarbeitet werden. Da dieses Messverfahren nicht in Verbindung mit dem Anhang 7 („zusätzlichen Geräuschanforderungen “; Additional Sound Emission Provisions; ASEP) steht, gehört dessen Weiterentwicklung nicht zum Mandat der IWG ASEP. Die Weiterentwicklung wird daher zukünftig voraussichtlich innerhalb der GRB erfolgen. 11. Hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Arbeiten der „Informal Working Group ASEP“, der Motorcycle Working Group (MCWG) oder der Arbeitsgruppe Lärmschutz (GRB) bisher für ein Verbot von Klappenschalldämpfern eingesetzt? a) Wenn ja, welche Ergebnisse wurden hier bereits konkret erzielt? b) Wenn nein, warum nicht? 12. Hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Arbeiten der „Informal Working Group ASEP“, der Motorcycle Working Group (MCWG) oder der Arbeitsgruppe Lärmschutz (GRB) bisher für Änderungen des Typgenehmigungsverfahrens hin zu einem „Real Driving Noise“ (RDN) in allen Geschwindigkeiten , Getriebestufen, Fahrsituationen und Fahrmodi einschließlich geöffneter Klappen (sofern Klappenauspuff vorhanden) eingesetzt? a) Wenn ja, welche Ergebnisse wurden hier bereits konkret erzielt? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 11 bis 12b werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 6 und 23 auf Bundestagdrucksache 19/2588 verwiesen. Die Arbeiten an den Wirkvorschriften der UN-Regelung Nr. 41 innerhalb der IWG ASEP sollen nach derzeitigem Planungsstand im Jahr 2020 abgeschlossen werden. 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