Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10408 19. Wahlperiode 22.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Waldemar Herdt, Jürgen Braun und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/9859 – Gefährdung durch religiöse Gruppen, Sekten und Kulte in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Laut Artikel 4 des Grundgesetzes (GG) herrschen in Deutschland „Glaubensund Gewissensfreiheit“. Das bedeutet: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Außerdem wird die ungestörte Religionsausübung gewährleistet. Die Fragesteller sind der Ansicht, dass man dem entgegengesetzt das Recht des Staates, religiöse und weltanschauliche Gruppen, die gegen Strafgesetze verstoßen oder den Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gefährden , zu beobachten, einzuschränken oder gar zu verbieten, sehen kann. Dieses Recht des Staates bedarf allerdings besonderer Begründung, da es mit Artikel 4 GG kollidiert. Die Bundesregierung verfügt nach Ansicht der Fragesteller durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und durch das Bundesverwaltungsamt (BVA) in seiner Funktion betreffs „Sekten und Psychogruppen“ über zwei Instrumente, religiöse bzw. weltanschauliche Gruppen und Kulte im Auge zu behalten. 1. Gibt es neben dem BfV und BVA noch weitere Instrumente des Staates zur Einschätzung von religiösen Gruppen oder Kulten? Nein, es gibt auf Bundesebene keine weiteren Instrumente. Zu den Instrumenten auf Landesebene kann hier nicht Stellung genommen werden. Laut Grundgesetz sind in erster Linie die Länder für Fragen des Staatskirchenrechts bzw. des Religionsverfassungsrechts zuständig. 2. Welche religiösen Gruppen bzw. Sekten bzw. Kulte stehen momentan unter Beobachtung, Dokumentation oder besonderer Prüfung des BfV, des BVA oder anderer Einrichtungen der Bundesregierung? 3. Welche konkreten Gefährdungen gehen nach Kenntnis der Bundesregierung von diesen Gruppen aus, und wie sieht die Prognose der weiteren Entwicklungen in diesem Bereich aus? Drucksache 19/10408 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Nach welchen Grundsätzen und Gesetzen entscheiden die Stellen der Bundesregierung über die Einschätzung des Gefährdungspotentials einer religiösen Gruppe bzw. Sekte oder eines Kultes? 5. Welche Veränderungen bzw. Entwicklungen zeichneten sich der Bundesregierung in diesen Bereichen in den vergangenen zehn Jahren ab? Gibt es Schwerpunkte oder Zunahmen in einzelnen Beobachtungsbereichen, die sich in dem genannten Zeitraum entwickelt haben? 6. Welche objektiven Kriterien, nach denen man die Grenze zwischen Religionsfreiheit , Meinungsfreiheit (inkl. der Möglichkeit, anderer Meinung als der Regierung bzw. der Mehrheitsbevölkerung zu sein) auf der einen und dem Recht des Staates auf Intervention auf der anderen Seite ziehen kann, werden von (den Stellen) der Bundesregierung angelegt? Die Fragen 2 bis 6 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Rechtliche Grundlagen für eine Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ergeben sich aus den §§ 3ff. des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG). Hiernach werden Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse des BfV für die Erhebung, Sammlung, Auswertung und Austausch, u. a. mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz, von Informationen über Bestrebungen , die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, geregelt. Religiöse Gruppen, Sekten oder Kulte sind daher nur Gegenstand einer Beobachtung durch das BfV, sofern sie die Kriterien des § 3 BVerfSchG erfüllen. Eine Grenzziehung zwischen der Religions- und Meinungsfreiheit einerseits und den staatlichen Eingriffsrechten andererseits erfolgt im Rahmen von Güterabwägungen unter besonderer Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte. Was die Beobachtungsobjekte des BfV angeht, wird auf die jährlichen Verfassungsschutzberichte des BfV verwiesen sowie auf die Informationen auf der Homepage des BfV unter www.verfassungsschutz.de/. Aufgabe des Bundesverwaltungsamtes (BVA) ist die Erstellung einer Dokumentation zum gesamten Problembereich der „sogenannten Sekten und Psychogruppen “. Hierzu werden unter anderem Primär- und Sekundärliteratur, Fachaufsätze , Gutachten, Dissertationen, Rechtsprechung, Informationen von Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden gesammelt und aufbereitet. Das BVA „beobachtet“ keine Anbieter oder Gruppierungen konkret, die Sammlung von Informationen erstreckt sich vielmehr auf das gesamte Feld des Religions - und Weltanschauungsmarktes. Ein Beobachtungsschwerpunkt ergibt sich meist daraus, dass bestimmte Anbieter aufgrund ihrer Konfliktträchtigkeit häufiger Anlass zur Recherche bieten. Das BVA gibt Informationen und Auswertung gesammelter Materialien nur dann heraus, wenn es von der Regierung, Ländern, Kommunen oder einzelnen Bürgern zu bestimmten Gruppierungen oder auch Einzelpersonen befragt wird. Die Frage nach der durch „diese Gruppen“ ausgehenden Gefährdung ist nicht allgemein zu beantworten, da das Feld der Weltanschauungen sehr heterogen ist. Es gibt einige wenige eher politisch motivierte und zahlreiche religiöse, philosophische , psychologische, alternativ gesundheitliche, Natur- oder Science-Fiction orientierte und neuerdings auch in der Gamerszene verankerte Weltanschauungen sowie Mischformen verschiedener Ausrichtungen. Individuelle Gefährdungspotentiale sind je nach Ausrichtung der Gruppe, Gemeinschaft und/oder Lebensberatung in unterschiedlichsten Formen festzustellen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10408 Ob eine Gruppierung problematisch ist oder nicht, muss jeweils im Einzelfall entschieden werden. Anhaltspunkte können sich aus einer Checkliste ergeben, die von der Fachöffentlichkeit und von Beratungsstellen entwickelt wurden. Je mehr der aufgezeigten Merkmale zutreffen, umso problematischer ist eine Gruppe. Checklisten sind u. a. zu finden unter: www.sekten-sachsen.de/checkliste.htm; www.ebi-sachsen.de/sekten/checkliste.html; http://sekten-info-nrw.de/index.php?option=com_content&task=view&id=37& Itemid=42; www.blja.bayern.de/service/bibliothek/fachbeitraege/checklistesekten. php. 7. Zu welchen Religionsgemeinschaften unterhält die Bundesregierung offizielle Kontakte? Welche Verträge zwischen Deutschland und Religionsgemeinschaften gibt es, und welchen Inhalt haben diese Kontakte, bzw. welcher Art Verträge gibt es? Die Bundesregierung unterhält Kontakte hauptsächlich zu Vertreterinnen und Vertretern der katholischen Kirche und der evangelischen Kirche in Deutschland, der evangelischen Freikirchen, der orthodoxen Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft sowie der Gemeinschaft der Baha‘i. Mit Bezug zum Islam unterhält die Bundesregierung zu einer Vielzahl von islamischen Dachverbänden Kontakt (siehe hierzu die Teilnehmerliste der Auftaktveranstaltung der Deutschen Islam Konferenz unter www.deutsche-islam-konferenz.de/SharedDocs/Anlagen/DIK/ DE/Downloads/Sonstiges/4-dik-auftakt-teilnehmende-organisationen.pdf?__blob= publicationFile). Eine Übersicht zu Verträgen der Bundesrepublik Deutschland bzw. einzelner Länder mit Religionsgemeinschaften befindet sich auf der Homepage des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat unter www.bmi.bund.de/DE/ themen/heimat-integration/staat-und-religion/vertraege/vertraege-node.html. Es wird darauf hingewiesen, dass für viele Fragen des Staatskirchenrechts/Religionsverfassungsrechts in erster Linie die Länder zuständig sind. 8. Welche besondere Stellung sieht die Bundesregierung in Deutschland für christliche Kirchen bzw. Gruppen bzw. Vereine? Nach Artikel 140 GG i. V. m. Artikel 137 Absatz 5 Satz 1 WRV bleiben die Religionsgesellschaften Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Dazu zählen auch die christlichen Kirchen. Nach Artikel 137 Absatz 5 Satz 2 WRV sind anderen Religionsgesellschaften auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Insofern nehmen aus Gründen der Gleichbehandlung der Religionen christliche Kirchen rechtlich keine „besondere Stellung“ ein. 9. Hat die Bundesregierung Kenntnis von evangelischen Freikirchen, die eine besondere Gefahr im Bereich Kriminalität oder gar Terror darstellen? Wenn ja, von welcher Freikirche, und welche Gefahren sind dies konkret? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Drucksache 19/10408 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Liegen der Bundesregierung Informationen vor, wie viele freikirchliche Gemeinden und wie viele landeskirchliche, katholische und andere Gemeinden es momentan in Deutschland gibt? Liegen Erkenntnisse bezüglich der jeweiligen Mitgliederzahlen vor? Sowohl die katholische Kirche als auch die evangelische Kirche in Deutschland veröffentlichen regelmäßig Statistiken, in denen auch Mitgliederzahlen enthalten sind, so unter www.dbk.de/fileadmin/redaktion/Zahlen%20und%20Fakten/Kirchliche%20Statistik/ Allgemein_-_Zahlen_und_Fakten/AH299_Zahlen-und-Fakten-2017-2018_web.pdf sowie https://archiv.ekd.de/download/broschuere_2018_internet.pdf. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333