Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 24. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10461 19. Wahlperiode 24.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Heike Hänsel, Michel Brandt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/9939 – Neue Kompetenzen von Frontex und Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der neuen Verordnung einer Europäischen Grenz- und Küstenwache ist der Aufbau einer „ständigen Reserve“ („standing corps“) mit 10 000 Einsatzkräften festgeschrieben (vgl. Ratsdokumente 6673/19 und 7929/19). Nach gegenwärtigem Stand soll die Truppe bis 2021 aus 5 000 Beamtinnen und Beamten bestehen und bis 2024 auf 7 000 anwachsen. Die volle Einsatzbereitschaft ist für 2027 anvisiert. Frontex beschafft außerdem eigenes Material, Ausrüstung und Fahrzeuge (Luft, Land, Wasser; vgl. http://gleft.de/2Pb). Frontex-Einsätze sind auch unter Leitung der Agentur möglich und stellen damit eine Abkehr vom Prinzip dar, dass jeweils ein Mitgliedstaat federführend und verantwortlich ist. Mit diesen neuen Kompetenzen stellt sich nach Ansicht der Fragesteller die Frage nach der Rechtsbindung der EU und ihrer Einrichtungen gegenüber der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Klagen gegen Frontex als Einrichtung der EU sind vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nicht zulässig, da nur Vertragsstaaten Beschwerdegegner sein können. Die Europäische Union hat sich in Artikel 6 Absatz 2 des Lissabon-Vertrags zwar dazu verpflichtet, ist der EMRK aber immer noch nicht beigetreten. Die „ständige Reserve“ könnte nach einem Ratsbeschluss auch ohne Zustimmung eines EU-Mitgliedstaats auf dessen Territorium eingesetzt werden (vgl. Ratsdokument 6673/19). Außerdem soll die Truppe auch außerhalb der EU mit Bewaffnung operieren dürfen. Die Verordnung enthält ein langes Kapitel zur „Drittstaatenkooperation“. Dort heißt es, dass Frontex nicht nur wie bisher mit Nachbarländern der Europäischen Union eng kooperieren darf, sondern auch mit nicht benachbarten Staaten. Dies betrifft insbesondere Libyen, Tunesien und Marokko. Die libysche Küstenwache soll außerdem Informationen aus dem EU- Grenzüberwachungssystem EUROSUR erhalten (Ratsdokument 14549/18). Die Grenzagentur will auch „vertrauliche Sicherheitsinformationen“ an Länder wie Libyen übermitteln. Die Formulierung geht damit weit über die bisherige Zusammenarbeit hinaus. Auch hier stellt sich aus Sicht der Fragesteller die Frage im Zusammenhang mit der EMRK, wenn etwa Libyen die Migrationsab- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10461 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode wehr für die Europäische Union erledigt und von deren Agenturen oder Behörden dafür mit überlegenem Wissen ausgestattet wird (etwa Bilder von Drohnen oder Satelliten, die im Rahmen von EUROSUR erhoben wurden). Die gleiche Problematik betrifft nach Auffassung der Fragesteller das Verbot der Zurückweisung, wenn also die libysche Küstenwache nach einer Benachrichtigung oder Anweisung durch Frontex oder einer EU-GSVP-Mission (GSVP = Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik) Flüchtlinge nach Libyen zurückbringt. Dies gilt auch für das Frontex-Konzept des „Grenzvorbereichs “, mit dem Küstenabschnitte Nordafrikas gemeint sind, die von Frontex mit Flugzeugen und Drohnen beobachtet werden (Antwort des EU-Kommissars Dimitris Avramopoulos im Namen der Europäischen Kommission auf die Anfrage der Abgeordneten des Europaparlaments Sabine Lösing zur schriftlichen Beantwortung, E-003212/2018). Auch wenn diese Gebiete sich nicht in der Europäischen Union befinden, müssen staatliche Maßnahmen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, die dem Überschreiten dieser Grenzen vorgelagert sind, die Menschenrechte achten und aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller dem Schutz und der Jurisdiktion durch die EMRK und des EGMR unterliegen. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Schutz der EU-Außengrenzen ist weiterhin primär nationale Aufgabe des jeweiligen Mitgliedstaates. Sofern ein Mitgliedstaat bei dieser Aufgabe übermäßigen Herausforderungen ausgesetzt ist, wird er durch die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) unterstützt. Eine Abkehr von dieser grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung ist mit der neuen Verordnung für die Europäische Grenz- und Küstenwache nicht verbunden. Die Einsätze von Frontex erfolgen immer im Einvernehmen mit dem und unter Leitung des jeweiligen Mitgliedstaates . Sofern ein Mitgliedstaat in Situationen, die das Funktionieren des Schengenraums gefährden, nicht die notwendigen Maßnahmen ergreift, kann der Rat einen Beschluss erlassen, mit dem der betreffende Mitgliedstaat zur Zusammenarbeit mit der Agentur zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen aufgefordert wird. Kommt ein Mitgliedstaat dem Beschluss des Rates nicht nach, kann die Kommission in letzter Konsequenz das nach Artikel 29 der Verordnung (EU) 2016/399 vorgesehene Verfahren einleiten. Dieses Verfahren wird in der neuen Verordnung grundsätzlich beibehalten. Ein Einsatz von Frontex kann daher ohne Zustimmung des jeweiligen Mitgliedstaates auf dessen Territorium nicht stattfinden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10461 1. Wie viele Einsatzkräfte wollen nach Kenntnis der Bundesregierung die Behörden des Bundes und der Länder nach gegenwärtiger Schätzung bis 2027 in die neue „ständige Reserve“ von 10 000 Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten der Europäischen Grenz- und Küstenwache entsenden (Ratsdokument 7929/19, bitte nach Kategorie 1: Personal der Agentur, Kategorie 2: Personal der Mitgliedstaaten mit langfristiger Abordnung, Kategorie 3: Personal der Mitgliedstaaten mit kurzfristiger Abordnung, Kategorie 4: Personal des Soforteinsatzpools aufschlüsseln)? Sofern die genaue Anzahl der zukünftigen Beteiligung deutscher Beamtinnen und Beamter weiterhin „Gegenstand der laufenden Verhandlungen“ ist (Bundestagsdrucksache 19/7555, Antwort zu Frage 7), welche Verhandlungsposition verfolgt die Bundesregierung, und wann sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein? Die Verhandlungen zur neuen Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex) sind inhaltlich abgeschlossen. Zur Verabschiedung des Vorschlags bedarf es noch der Annahme durch den Rat der Europäischen Union, das Plenum des Europäischen Parlaments hat am 17. April 2019 zugestimmt. Die im Verordnungsentwurf aufgeführten Personalstärken in den Kategorien 1 bis 4 stellen die Maximalstärken des Standing Corps in der jeweiligen Kategorie dar und sind für die Mitgliedstaaten verpflichtend. Der tatsächliche Bedarf an Einsatzkräften wird von Frontex jährlich in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten festgelegt. Die jährliche Beteiligung von Einsatzkräften der Bundespolizei wird unter Berücksichtigung nationaler Aufgabenstellungen an diesem Bedarf ausgerichtet. Aktuell unterstützen die Polizeien der Länder, das Bundeskriminalamt sowie die Zollverwaltung die Bundespolizei bei der Entsendung von Einsatzkräften für Frontex-Operationen. Planungen der Bundesregierung hinsichtlich der künftigen Beteiligung am Standing Corps sind noch nicht abschließend geklärt. 2. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass entsprechendes deutsches Personal rechtzeitig zum Erreichen der jeweiligen Zwischenziele ausgebildet und verfügbar ist (bitte darstellen für die Zwischenziele bis 2021, 2024 und 2027)? Sollte ein Bedarf an zusätzlichen Planstellen für die Aufgabe „Standing Corps“ für die Bundespolizei entstehen, so wird dieser im Rahmen der jährlichen Aufstellungsverfahren zum Bundeshaushalt eingebracht und geltend gemacht werden . Zur Steigerung der Attraktivität der Tätigkeit bei Frontex in Warschau ermutigt die Bundesregierung Eurostat zur Neufestlegung der Methode für die Berechnungen der Berichtigungskoeffizienten, über die die EU-Gehälter angepasst werden. So ist vorgesehen zu überprüfen, ob Ausgaben außerhalb des Sitzlandes stärker berücksichtigt werden können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10461 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Ist der in im Jahr 2016 beschlossene Zeitrahmen, wonach das Personal im Frontex-Hauptquartier in Warschau (nach der neuen Verordnung Personal in Kategorie 1) bis Ende 2020 von derzeit 700 auf 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anwachsen soll („Zehntausend Beamte erst bis 2027“, www. n-tv.de vom 20. Februar 2019), aus Sicht der Bundesregierung realistisch? Nach Kenntnis der Bundesregierung wird der Personalaufwuchs im Frontex- Hauptquartier in Warschau bis Ende 2020 auf 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgeschlossen und umgesetzt sein. 4. Inwiefern sind diese Pläne nach Verabschiedung der neuen Verordnung obsolet ? Der neue Verordnungsentwurf setzt diesen Personalaufwuchs im Frontex-Hauptquartier in Warschau voraus und ist damit nach Verabschiedung der neuen Verordnung nicht obsolet. 5. Welches Material, welche Ausrüstung und welche Fahrzeuge (Luft, Land, Wasser) will Frontex nach Kenntnis der Bundesregierung beschaffen, und inwiefern existieren hierfür bereits konkretere Angaben? Wo werden die Fahrzeuge nach derzeitigem Stand zugelassen? Nach Kenntnis der Bundesregierung hat Frontex Rahmenverträge für folgende Ausrüstungsgenstände abgeschlossen: Frontex Armbänder und Westen, tragbares Grenzüberwachungsgerät, Kfz (Leasing), Dokumentenprüfgerät, Bürocontainer. Die Fahrzeuge sollen von Frontex in Polen zugelassen werden. Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. 6. Welche Aufgabenteilung ist nach Kenntnis der Bundesregierung für die nach der neuen Verordnung nunmehr drei statt bislang einem stellvertretende(n) Exekutivdirektor(en) von Frontex geplant (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 39 des Abgeordneten Alexander Ulrich auf Bundestagsdrucksache 19/9360)? Gemäß Artikel 105 des Verordnungsentwurfs stellen die drei stellvertretenden Exekutivdirektoren die Abwesenheitsvertretung des Exekutivdirektors sicher. Darüber hinaus sollen ihnen spezifische fachliche Zuständigkeitsbereiche zugewiesen werden, die nach Kenntnis der Bundesregierung noch nicht abschließend festgelegt sind. 7. Welche weiteren Kommando- und Kontrollstrukturen von Frontex werden nach Kenntnis der Bundesregierung geändert? Die Organisationsstrukturen von Frontex wurden letztmalig 2018 angepasst. Zu geplanten Änderungen wird zunächst auf den Entwurf der neuen Verordnung verwiesen . Im Übrigen liegen der Bundesregierung keine Informationen darüber vor, dass weitere Strukturanpassungen vorgesehen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10461 8. Nach welcher Maßgabe sind Frontex-Einsätze aus Sicht der Bundesregierung auch unter Leitung der Agentur in Warschau möglich, und in welchen Missionen ist dies bereits erfolgt? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 9. Genießen die Frontex-Einsatzkräfte nach Kenntnis der Bundesregierung bei ihren Einsätzen inner- und außerhalb der Europäischen Union diplomatische Privilegien und Immunitäten? Gemäß Artikel 42 und 43 der aktuellen Verordnung über die Europäische Grenzund Küstenwache (EU) 2016/1624 haftet beim Einsatz von Teammitgliedern der Einsatzmitgliedstaat entsprechend seiner nationalen Rechtsvorschriften für von den Teammitgliedern während ihres Einsatzes verursachte Schäden. In Bezug auf Straftaten werden die Teammitglieder wie Beamte des Einsatzmitgliedstaates behandelt . Der Einsatz in Drittstaaten wird in Statusvereinbarungen zwischen der Europäischen Union und dem betreffenden Staat geregelt. In der Statusvereinbarung mit der Republik Albanien ist beispielsweise vereinbart, dass den Teammitgliedern Immunität vor zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfolgung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Befugnisse gemäß Einsatzplan gewährt wird. Eine Ahndung im Entsendestaat bleibt davon unbenommen. 10. Inwiefern überwacht Frontex nach Kenntnis der Bundesregierung auch Seegebiete , die außerhalb der italienischen Seenotrettungszone liegen (Bundestagsdrucksache 19/5307, Antwort zu Frage 16)? Im Rahmen der von Frontex koordinierten Operation Themis 2019 wird mithilfe der Einsatzmittel für die luftgestützte Überwachung (Multipurpose Aerial Surveillance (MAS)) sowie weiterer Möglichkeiten des EUROSUR Fusion-Services eine Aufklärung des Grenzvorbereichs im zentralen Mittelmeer durchgeführt. a) Wo genau im zentralen Mittelmeer erfolgen nach Kenntnis der Bundesregierung die Flüge der „Multipurpose Aerial Surveillance“ (MAS) von Frontex (Bundestagsdrucksache 19/7802, Antwort zu Frage 7), und inwiefern fliegt Frontex auch über der libyschen SAR-Zone? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden die Einsatzmittel für die luftgestützte Überwachung im Rahmen der Operation Themis 2019 in der italienischen SAR- Zone eingesetzt. Ob diese Flüge auch innerhalb der libyschen SAR-Zone durchgeführt werden ist der Bundesregierung nicht bekannt. b) Welche Überwachungssensorik haben die Flugzeuge vom Typ Diamond DA42 MPP hierfür an Bord (Bundestagsdrucksache 19/8411, Antwort zu Frage 22)? Die genaue Bestückung des in Rede stehenden Flugzeugtyps ist der Bundesregierung nicht bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10461 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Sollte Frontex aus Sicht der Bundesregierung ein Statusabkommen mit Libyen abschließen? Die Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen im Sinne der Fragestellung muss auf EU-Ebene getroffen werden. Solche Verhandlungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit nicht geplant. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu hypothetischen Fragen. 12. Wie interpretiert die Bundesregierung die neue Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache hinsichtlich der Möglichkeit, dass Frontex Informationen an die libysche „Küstenwache“ übermittelt, etwa wenn dies für die Ziele des Überwachungsnetzwerks EUROSUR notwendig scheint (hier ist nicht die Seenotrettung gemeint)? a) Welche Informationen sind hiervon (mit oder ohne Statusabkommen) umfasst , und welche sind davon ausgeschlossen? Die Fragen 12 und 12a werden gemeinsam beantwortet. Bei der Übermittlung von Informationen zwischen Frontex und Behörden eines Drittstaates sind künftig die Bestimmungen der Artikel 76 ff. des Verordnungsentwurfs zu beachten. Danach sind unter anderem Umfang, Wesen und Zweck des Informationsaustauschs festzulegen. Gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Verordnungsentwurfs entwirft die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und der Agentur Frontex Durchführungsbestimmungen für den Informationsaustausch im Rahmen von EUROSUR. Der Austausch von personenbezogenen Daten mit Drittstaaten im Rahmen von EUROSUR ist auf die unabdingbar notwendigen Zwecke der Verordnung zu beschränken. Dabei müssen die Bestimmungen der Verordnungen (EU) 2018/1725, (EU) 2016/679 und der Richtlinie (EU) 2016/680 sowie die jeweiligen nationalen Datenschutzbestimmungen beachtet werden. b) Welche Zusammenarbeitsformen oder Abkommen zwischen Frontex und Libyen hält die Bundesregierung zukünftig für erforderlich oder wünschenswert ? Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. 13. Ist aus Sicht der Bundesregierung für Frontex ein individuelles wirksames Beschwerdeverfahren gegen mögliche Rechtsverletzungen gesichert, das den Anforderungen von Artikel 13 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) genügt und dem Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta entspricht? Die Bundesregierung ist mit dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union der Ansicht, dass die Verordnung (EU) 2016/1624 einschließlich des dort geregelten Beschwerdeverfahrens mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und, insofern sie als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind, mit den in der EMRK gewährleisteten Grundrechten in Einklang steht. Die Bundesregierung verweist hierzu auf die Erwägungsgründe 49 und 50 der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (EU) 2016/1624. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/10461 14. Inwiefern entscheidet der Frontex-Direktor nach Kenntnis der Bundesregierung über Beschwerden gegen Maßnahmen der Agentur? Im Fall einer Beschwerde in Bezug auf einen Bediensteten der Agentur oder gegen Maßnahmen der Agentur entscheidet der Exekutivdirektor gemäß Artikel 72 der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (EU) 2016/1624 in Absprache mit dem Grundrechtsbeauftragten über angemessene Folgemaßnahmen einschließlich möglicher erforderlicher Disziplinarmaßnahmen. 15. Wie bewertet die Bundesregierung die im Frontex-Jahresbericht 2017 erwähnte „Ongoing revision of the monitoring system“, und welche neuen Entwicklungen dieses Monitoring-Mechanismus hat es seitdem gegeben? Das Ergebnis der „Ongoing Revision of the Monitoring System“ (im Sinn von Verbesserungen und Anpassungen) ist nach Kenntnis der Bundesregierung in die aktuelle Novellierung der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache eingeflossen. Neue Anpassungen können erst nach Inkrafttreten der Verordnung umgesetzt und gegebenenfalls bewertet werden. 16. Wie viele Beschwerden gegen Frontex gab es nach Kenntnis der Bundesregierung , und in wie vielen dieser Beschwerden wurden Rechtsverletzungen festgestellt, Disziplinarmaßnahmen gegen Bedienstete von Frontex verhängt , Entschädigungen geleistet oder als Konsequenz grundlegende Änderungen der Frontex-Maßnahmen umgesetzt? a) Hat die Bundesregierung Kenntnis von Vorwürfen der Verletzung des Non-Refoulement-Verbotes und der Artikel 18 und 19 der EU-Grundrechtecharta gegenüber Frontex, und welche individuellen Rechtsmittel wurden in diesem Zusammenhang bislang eingelegt? b) Haben Frontex-Mitarbeiter Verstöße gegen Artikel 18 und 19 der EU- Grundrechtecharta durch Mitgliedstaaten, Frontex oder Drittstaaten angezeigt oder verhindert? Die Fragen 16 bis 16b werden aufgrund des Themenzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 17. Wie bewertet die Bundesregierung die internen Mechanismen von Frontex um den Schutz der Menschenrechte, das Non-Refoulement-Verbot und die Einhaltung von Artikel 18 und 19 Eder EU-Grundrechtecharta zu wahren, und wie bewertet sie die Arbeit des „Fundamental Rights Officers“ von Frontex für die Kontrolle der garantierten Menschenrechte im praktischen Einsatz? Die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex) ist gemäß Artikel 51 Absatz 1 der Grundrechtecharta und Artikel 34 der Verordnung über die Europäische Grenz- und Küstenwache (EU) 2016/1624 verpflichtet, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben den Schutz der Grundrechte unter Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Union, der einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts , einschließlich des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen von 1951 und dem entsprechenden Protokoll von 1967 sowie der allgemeinen völkerrechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Zugang zu internationalem Schutz, vornehmlich des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung (nonrefoulement ) zu gewährleisten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10461 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Nach Auffassung der Bundesregierung trägt die Agentur auch durch ihren Grundrechtsbeauftragten und das Konsultativforum dazu bei, die Achtung der Grundrechte bei allen Tätigkeiten der Agentur zu überwachen. Der Grundrechtsbeauftragte ist nach Kenntnis der Bundesregierung an der Planung Frontex-koordinierter Einsätze beteiligt und arbeitet eng mit dem Konsultativforum zusammen. Er verfügt über entsprechende Mittel und hat Zugang zu allen Informationen, die zur Wahrnehmung seiner Aufgabe notwendig sind. Das Konsultativforum berät den Exekutivdirektor und den Verwaltungsrat bei der Durchführung und Weiterentwicklung der Grundrechtsstrategie, des Verhaltenskodex und der gemeinsamen Lehrpläne. Die Grundrechtsstrategie und der Verhaltenskodex sind elementare Grundlage und Richtschnur für die Planung und Durchführung Frontex-koordinierter Einsätze. Im Zuge der Neuverhandlung der Verordnung wurde eine Reihe von Änderungen in den Verordnungsentwurf aufgenommen, die auf eine künftige Verbesserung des Grundrechtsschutzes zielen. 18. Wie viele bei Frontex angesiedelte „Forced-Return Monitors“ wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2016 in wie vielen Einsätzen eingesetzt, und inwiefern haben sie auf mögliche Rechtsverletzungen durch Mitgliedstaaten , Drittstaaten und Frontex hingewiesen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 19. Inwiefern ist Frontex (und nicht nur die teilnehmenden Mitgliedstaaten) aus Sicht der Bundesregierung an die EMRK gebunden, wenn die Agentur eigene Ausrüstung beschafft und über ein eigenes „Standing Corps“ mit 10 000 Einsatzkräften verfügt, außerdem Einsätze selbst durchführen oder leiten kann? Frontex ist genauso wenig wie die Europäische Union Vertragspartei der EMRK. Eine mittelbare Bindung an die EMRK liegt vor, da Frontex an die Grundrechtecharta gebunden, die EMRK bei deren Auslegung zu beachten ist und die Grundrechte der EMRK gemäß Artikel 6 Absatz 3 Vertrag über die Europäische Union (EUV) und Artikel 52 Absatz 3 der Grundrechtecharta als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind. Die anwendbaren rechtlichen Vorgaben sind für die Frontex-Maßnahmen bzw. Aktivitäten im konkreten Einzelfall zu prüfen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. a) Wie beurteilt die Bundesregierung das nach Ansicht der Fragesteller bestehende Problem, dass deutsche Einheiten an die Einhaltung der EMRK gebunden sind, jedoch in Frontex-geführten Einsätzen einer Einrichtung unterstehen, die selbst nicht der Jurisdiktion der EMRK unterliegt? Die Bindung deutscher Hoheitsträger im Rahmen von Frontex-Einsätzen bei der Ausübung von Hoheitsgewalt an die EMRK ist im Einzelfall nach den vom EGMR entwickelten Vorgaben zu prüfen. Die Bundesregierung teilt nicht die Einschätzung, dass dies ein Problem darstellt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/10461 b) Sieht es die Bundesregierung als problematisch an, dass Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für Handlungen verklagt werden könnte, über die von einer EU-Einrichtung (Frontex) bestimmt wurde? Die Bundesregierung nimmt keine Stellung zu rein hypothetischen Sachverhalten . 20. Inwiefern könnte aus Sicht der Bundesregierung auch ohne Beitritt der EU zur EMRK der EGMR angerufen werden, nachdem bei den von Frontex geleiteten Einsätzen Verstöße gegen die Menschenrechte und Grundfreiheiten bekannt werden? Beschwerden können vor dem EGMR nur gegen Vertragsstaaten eingelegt werden . Inwieweit bei von Frontex geleiteten Einsätzen eine konventionsrechtliche Verantwortlichkeit eines Vertragsstaats in Betracht kommt, ist im Einzelfall zu prüfen. a) Gegen wen sollte sich aus Sicht der Bundesregierung eine etwaige Klage von Betroffenen eines von Frontex geleiteten Einsatzes vor dem EGMR richten, und welche Bestimmungen ergeben sich aus dem Sitzabkommen Polens mit Frontex bzw. dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union? b) Wie sollen – sofern die Bundesregierung der Auffassung ist, dass Klagen gegen die Verletzung der EMRK durch Frontex auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht werden können und hierzu die Charta der Grundrechte der EU maßgeblich ist – die Betroffenen über ihre Rechte informiert werden, und wie soll eine solche Klage durch persönlich Betroffene umgesetzt werden? Die Bundesregierung nimmt keine Stellung zu abstrakten Rechtsfragen. 21. Wie viele Individualklagen von Betroffenen gegen mögliche Rechtsverstöße durch Frontex sind nach Kenntnis der Bundesregierung vor dem EuGH erhoben worden, wie viele wurden entschieden und wie viele sind noch anhängig ? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 22. Wie bewertet die Bundesregierung im Hinblick auf die Anzahl von zugelassenen Beschwerden und die Anzahl von Klagen die Zugänglichkeit und das Vertrauen in mögliche Rechtsmittel gegen Frontex im Rahmen der EU zur Durchsetzung der Rechte von Betroffenen? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Daher nimmt die Bundesregierung keine Bewertung vor. 23. Wie bewertet die Bundesregierung den Mehrwert der EGMR-Rechtsprechung für den Schutz des Rechts vor unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art 3 EMRK) als Ergänzung zu den Strukturen der Mitgliedstaaten und der EU im Falle der gestoppten Abschiebungen nach Griechenland? Die Urteile des EGMR werden von Deutschland als Vertragsstaat der EMRK nach Maßgabe des Verfassungsrechts beachtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10461 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Wie viele erfolgreiche und abgewiesene Beschwerden und Klagen von Betroffenen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland und den anderen EU-Mitgliedstaaten gegen Abschiebungen nach Griechenland vor dem vom EGMR verhängten Abschiebestopp? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Eine eindeutige Zuordnung zum jeweiligen Mitgliedstaat wird nicht erfasst. b) Wie viele Verdachtsmeldungen durch Frontex-Mitarbeiterinnen und Frontex-Mitarbeiter gab es nach Kenntnis der Bundesregierung gegen Abschiebungen nach Griechenland vor dem vom EGMR verhängten Abschiebestopp ? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 24. Hat sich die Europäische Union aus Sicht der Bundesregierung verpflichtet, der EMRK beizutreten? Gemäß Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 EUV ist die Europäische Union verpflichtet, der EMRK beizutreten. a) Welche Maßnahmen haben die EU-Organe seit dem Gutachten des Europäischen Gerichtshofs 2/13 (2014) zum revidierten Beitrittsabkommen ergriffen , um der Verpflichtung der Europäischen Union zum Beitritt zur EMRK nachzukommen? Seit dem Gutachten 2/13 hat die Kommission erste Lösungsansätze für die vom Europäischen Gerichtshof adressierten Problemfelder entwickelt. Diese wurden in der Ratsarbeitsgruppe „Grundrechte, Bürgerrechte und Freizügigkeit“ (FREMP) erörtert. Ein Gesamtlösungspaket steht noch aus. Auf der Tagung des Rates (Justiz und Inneres) am 6./7. Dezember 2018 hat die Kommission bekundet , weiterhin entschlossen am Beitritt der Europäischen Union zur EMRK zu arbeiten. Neben der Erarbeitung von Lösungsansätzen hat sich die Europäische Union mit dem Europarat über das weitere Vorgehen ausgetauscht. b) Wann haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung welche EU-Organe seit dem Gutachten 2/13 (2014) mit welchen Organen des Europarates über das weitere Vorgehen im Beitrittsprozess ausgetauscht? Nach Kenntnis der Bundesregierung gab es seit dem Gutachten 2/13 einen wiederholten Austausch zwischen der Europäischen Union und dem Europarat über das weitere Vorgehen im Beitrittsprozess, etwa auf einem Treffen von Vertretern des EU-Koordinierungsausschusses für den Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (CATS) mit Vertretern des Europarats im Juni 2018, auf dem auch über kurz davor liegende Kontakte in dieser Sache zwischen dem Generalsekretär des Europarats Jagland mit dem Kommissionspräsidenten Juncker gesprochen wurde. 25. Ist es für die Bundesregierung bezogen auf die neuen Kompetenzen der Europäischen Grenz- und Küstenwache wünschenswert, dass die Europäische Union den Beitritt zur EMRK vollzieht, um ihrer Jurisdiktion zu unterliegen? Auf die Antwort zu Frage 24 wird verwiesen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass diese Verpflichtung umgesetzt wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333