Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10486 19. Wahlperiode 27.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10032 – „Wohnpaar auf Zeit“ – Angemessene steuerrechtliche Bewertung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Wohnen für Hilfe“ ist ein bundesweit praktiziertes Programm von Wohnpartnerschaften, bei denen Studierende oder Auszubildende üblicherweise kostenlos ein Zimmer im Haus oder in der Wohnung von älteren Menschen, Pflegebedürftigen oder Familien bewohnen und im Ausgleich dafür im Alltag mithelfen. Im Jahr 1992 zuerst in Darmstadt eingeführt, hat sich das Programm inzwischen auf 37 Städte und Regionen, meist mit einer Hochschule oder Universität, ausgebreitet. Träger des Programmes können u. a. Studentenwerke, städtische Wohnungsämter oder Wohlfahrtsverbände sein. An einigen Standorten, beispielsweise in Tübingen („Wohnen mit Hilfe“) oder Düsseldorf („Wohnpaar auf Zeit“), gibt es regional unterschiedliche Ausprägungen des Stammprojekts (www.kreis-tuebingen.de/site/LRA-Tuebingen-Internet-Root/ get/params_E279160663/3161313/wohnen_%20mit_hilfe_infoflyer_2015.pdf; www.hf.uni-koeln.de/32938; www.hf.uni-koeln.de/30204). Die Grundidee ist jedoch überall gleich: Menschen mit freiem Wohnraum in ihrer eigenen Wohnung, die diesen aber nicht dauerhaft auf dem freien Wohnungsmarkt anbieten wollen – insbesondere ältere Menschen, Familien mit Kindern oder Pflegebedürftige –, bieten diesen freien Wohnraum Studierenden oder Auszubildenden aus ihrer Stadt an. In einem Vertrag wird festgelegt, welche Hilfe über wie viele monatliche Stunden zu leisten ist. Häufige Faustregel dabei ist: eine Stunde Hilfe im Monat für einen Quadratmeter Wohnraum. Dafür kann das angebotene Zimmer kostenfrei bewohnt werden, lediglich Nebenkosten werden fällig. Unterschieden werden beim Wohnen für Hilfe grundsätzlich drei Modelle: Modell I: Verrichtung praktischer Alltagshilfen durch die Wohnraumnehmenden für die Wohnraumgebenden (z. B. Einkaufen, Kochen, Haushaltshilfe , Begleitdienste, Gartenpflege, Kinderbetreuung) Modell II: Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeiten durch die Wohnraumnehmenden im unmittelbaren Wohnumfeld der Wohnraumgebenden Modell III: Verrichtung einer gemeinnützigen bzw. ehrenamtlichen Tätigkeit durch die Wohnraumnehmenden im Stadtgebiet (ohne Zahlung der Aufwandsentschädigungspauschale ). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10486 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Idee dieser Wohnpartnerschaften geht darauf zurück, dass in vielen Städten großer Mangel an finanzierbarem Wohnraum für Studierende und Auszubildende herrscht, dass aber gleichzeitig viele Menschen in diesen Städten aus verschiedenen Gründen hilfsbedürftig sind und dafür ein Zimmer zur Verfügung stellen können. Das Programm umfasst also sowohl die Versorgung von Studierenden und Auszubildenden mit günstigem Wohnraum als auch die Förderung von sozialem Engagement und Austausch über Generationengrenzen hinweg. Es profitieren Kommunen und alle Beteiligten vom gegenseitigen Geben und Nehmen; im Mittelpunkt stehen soziales Engagement, Aufgeschlossenheit und Solidarität. Die Wohnpartnerschaften dauern im Schnitt ein bis drei Jahre an. Die steuerliche Bewertung der Wohngemeinschaften sorgt nach Auffassung der Fragesteller an manchen Stellen für Unmut. Der mit Bundes- und Länderebene abgestimmte Erlass der Finanzbehörde Hamburg vom 8. Dezember 2016 legt fest, dass alle erbrachten Hilfeleistungen sowie die Bereitstellung von Wohnraum als Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) bewertet werden (Erlass der Finanzbehörde: FinMin Hamburg, Erlass vom 8. Dezember 2016, S 2253 – 2016/004 – 52). Die steuerliche Beurteilung erfolgt damit auf Basis fiktiver Einnahmen. Demgemäß gelten für den Wohnraumnehmenden die im Modell I vertraglich festgehaltenen und verrichteten Dienstleistungen als regelmäßige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach §19 EStG. Bei den Modellen II und III soll im Einzelfall geprüft werden, dennoch wird im Regelfall von Einkünften nach §19 EStG ausgegangen. Bezüglich der Wohnraumgebenden wird bei Modell I von regelmäßigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG ausgegangen, es wird also eine Einkünfteerzielungsabsicht unterstellt. Bei den anderen beiden Modellvarianten II und III muss im Einzelfall entschieden werden, ob eine Einkünfteerzielungsabsicht i. S. d. § 21 EStG vorliegt. 1. Wie viele Studierende und Auszubildende nutzen nach Kenntnis der Bundesregierung das bundesweit praktizierte Programm „Wohnen für Hilfe“ (inklusive der regional unterschiedlichen Ausprägungen wie z. B. das Düsseldorfer Programm „Wohnpaar auf Zeit“ oder das Tübinger Programm „Wohnen mit Hilfe“, dies bitte auch bezüglich der kommenden Fragen beachten; bitte nach den 37 verschiedenen Standorten aufschlüsseln)? 2. Wie stellt sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage bei diesem Projekt dar (bitte nach den 37 verschiedenen Standorten aufschlüsseln)? 3. Wie verteilen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Nutzerinnen und Nutzer des Programms auf die drei verschiedenen, in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Modelle? a) Gibt es weitere Modelle? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 4. Welche Vorteile sehen Bund, Länder und Kommunen im bundesweit praktizierten Programm „Wohnen für Hilfe“? Ein Ausbau alternativer Wohnformen schafft nach Auffassung der Bundesregierung zusätzliche Kapazitäten auf dem Wohnungsmarkt und leistet somit einen Beitrag zur Verbesserung der Wohnungssituation in Ballungsgebieten und den Universitätsstädten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10486 5. Nach welchem Maßstab bzw. Schlüssel bzw. Kriterienkatalog werden die fiktiven Einnahmen a) für die Wohnraumgebenden für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG und b) für die Wohnraumnehmenden für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG berechnet? Die Bewertung der Mieteinnahmen des Wohnraumgebers erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen des § 8 EStG. Nach § 8 Absatz 1 EStG sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen als Gegenleistung für die Wohnungsüberlassung zufließen. Eine Einnahme, die nicht in Geld besteht (z. B. die Dienstleistung des Wohnraumnehmenden an den Wohnraumgeber ), ist gemäß § 8 Absatz 2 Satz 1 EStG mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort zu bewerten. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird von den Vertragsparteien regelmäßig der Wert der Miete (Euro/qm) und des Entgelts (Euro/Stunde) unter Berücksichtigung ortsüblicher Gegebenheiten festgelegt. Unter Beachtung der Fremdvergleichskriterien finden diese Verträge steuerliche Anerkennung. Vorteile, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Grund des Dienstverhältnisses in Form einer unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Wohnraum gewährt, stellen einen steuerpflichtigen Sachbezug dar (§ 19 Absatz 1 in Verbindung mit § 8 Absatz 1 EStG). Solche Mietvorteile sind für Zwecke der Besteuerung bei Überlassung einer Wohnung grundsätzlich mit dem ortsüblichen Mietwert zu bewerten. Das ist in der Regel der niedrigste Mietwert der Mietpreisspanne des Mietspiegels für vergleichbare Wohnungen. Zahlt der Arbeitnehmer weniger als diesen Mietwert, hat er grundsätzlich diese Differenz als geldwerten Vorteil zu versteuern. Für die Bewertung einer Unterkunft, die keine Wohnung ist, ist der amtliche Sachbezugswert nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung maßgebend. 6. Insbesondere bei den Modellvarianten II und III wird angegeben, dass häufig im Einzelfall geprüft wird, ob eine Einkünfteerzielungsabsicht i. S. d. §§ 19 oder 21 EStG vorliegt, wie viele Fälle wurden hier bislang geprüft (seit Erlass der Finanzbehörde Hamburg vom 8. Dezember 2016)? Bei wie vielen Fällen wurde eine Einkünfteerzielungsabsicht festgestellt, bei wie vielen nicht (bitte nach Besteuerung der Wohnraumgebenden – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG – und der Wohnraumnehmenden – Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EstG – aufschlüsseln)? Die Verwaltung der Steuern obliegt nach der Finanzverfassung den Ländern. Der Bundesregierung liegen daher keine Informationen zu Einzelfällen vor. 7. Welche Umstände können dazu führen, dass eine Einkünfteerzielungsabsicht i. S. d. §§ 19 oder 21 EStG nicht vorliegt? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind in der Praxis verschiedene Vertragsgestaltungen denkbar. Dementsprechend kommt es für die steuerliche Beurteilung auf die jeweils getroffenen Vereinbarungen und deren tatsächliche Durchführung im Einzelfall an. Allgemein ist jedoch festzuhalten, dass der Wohnraumgeber die Pflichten eines Arbeitgebers zu erfüllen hat, wenn unter Beachtung der Vorschriften des § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein Dienstverhältnis vorliegt. Für den Wohnraumnehmer liegen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10486 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode dann regelmäßig Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG vor. Der Wohnraumgeber kann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG erzielen. Für die Beantwortung der Frage der Einkünfteerzielungsabsicht bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung finden die im BMF-Schreiben vom 8. Oktober 2004 (BStBl I S. 933) geregelten Grundsätze Anwendung. 8. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des Projekts „Wohnen für Hilfe“ möglich, dass die genannten Hilfeleistungen im Haushalt ggf. auch in Geld – und nicht im Erlass der Kaltmiete – ausgezahlt werden? 9. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des Projekts „Wohnen für Hilfe“ möglich, die Gegenleistung für die Wohnraumnutzung auch bzw. teilweise in Geld zu erbringen? Die Fragen zu 8 und 9 werden gemeinsam beantwortet. Es kommt auf die Ausgestaltung und die Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Teilnehmern des Projekts an. 10. Wie wird verfahren, wenn einer oder beide der teilnehmenden Parteien (Wohnungsgeber und Wohnungsnehmer) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezieht? Wird die Wohngemeinschaft sozialrechtlich als häusliche Gemeinschaft gemeinsam veranlagt? Eine Bedarfsgemeinschaft können nach § 7 Absatz 3 SGB II nur Eltern und Elternteile , Partner und deren Kinder bilden. Die Leistungsansprüche an hier in Rede stehenden Programmen teilnehmender Parteien sind daher im Regelfall getrennt voneinander zu prüfen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind zu übernehmen , soweit sie angemessen sind. Dabei gilt, dass die gegebenenfalls mietfrei wohnende Partei in diesem Fall keine Aufwendungen für die Unterkunft hat, die als Bedarf anzuerkennen sind. Ist der Hauptbewohner oder die Hauptbewohnerin der Wohnung im Leistungsbezug, kommt es darauf an, welche Bedarfe für Unterkunft und Heizung im konkreten Einzelfall angemessen sind. Die Feststellung der entsprechenden Bedarfe obliegt den jeweils zuständigen kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende; die Aufsicht liegt bei den zuständigen obersten Landesbehörden. Nach der Rechtsprechung führt die tatsächliche Nutzung einer Wohnung durch zwei Personen aber jedenfalls nicht ohne weiteres zu einer Reduktion der Bedarfe für Unterkunft und Heizung bei demjenigen, den die entsprechenden zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtungen (Miete etc.) treffen. 11. Welche Einrichtung oder Behörde prüft, ob die im „Wohnen für Hilfe“ angelegten Grundsätze (Erlass der Kaltmiete, Zahlung der Nebenkosten, Verrichtung von Hilfediensten) sowohl von den Wohnraumnehmenden als auch von den Wohnraumgebenden eingehalten werden? Wird der der Wohnpartnerschaft zugrunde liegende Vertrag vorab geprüft und genehmigt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10486 12. Wie viele Steuern nehmen Bund und Länder durch den genannten Erlass der Finanzbehörde Hamburg aus dem Jahr 2016 ein (bitte nach Besteuerung der Wohnraumgebenden – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG – und der Wohnraumnehmenden – Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EStG – aufschlüsseln)? 13. Wie viel Prozent macht das angenommene fiktive Einkommen durchschnittlich in der Steuerbelastung aus (bitte nach Besteuerung der Wohnraumgebenden – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG – und der Wohnraumnehmenden – Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 EStG – aufschlüsseln)? Die Fragen zu 12 und 13 werden gemeinsam beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 14. Was ist der Inhalt des Berichts der Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter (Steuer) des Bundes und der Länder zur steuerlichen Bewertung des Konzepts „Wohnen für Hilfe“ mit Handlungsoptionen, der auf der Finanzministerkonferenz am 21. Juni 2018 zustimmend zur Kenntnis genommen wurde? 15. Welcher Art ist nach Kenntnis der Bundesregierung die von Finanzministerinnen und Finanzministern der Länder befürwortete gesetzliche Steuerfreistellung der Sachbezüge im Rahmen des Konzepts „Wohnen für Hilfe“ in § 3 EStG ohne Zertifizierungsverfahren? Wie wird der Bundesminister der Finanzen mit der Bitte der Landesfinanzminister um eine rasche Regelung in einem steuerlichen Gesetzgebungsverfahren umgehen? Die Fragen 14 und 15 werden gemeinsam beantwortet. Der von der Finanzministerkonferenz angeforderte Bericht der Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter (Steuern) zur steuerlichen Bewertung des Konzepts „Wohnen für Hilfe“ zeigte verschiedene Handlungsoptionen auf: Die Bundesregierung prüft derzeit, ob und wann welche Handlungsoptionen gesetzgeberisch umgesetzt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333