Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 29. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10525 19. Wahlperiode 29.05.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Dr. Gesine Lötzsch, Lorenz Gösta Beutin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/10069 – Berichte über Sicherheitsmängel beim Weiterbau des slowakischen Atomkraftwerks Mochovce V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Noch im zweiten Quartal 2019 plant der slowakische Energieversorger Slovenské Elektrárne, am Atomkraftwerks-Standort Mochovce nach über 30 Jahren Bauzeit einen weiteren Reaktor in Betrieb zu nehmen. Die Inbetriebnahme könnte sich um ein weiteres Quartal verschieben (vgl. www.nachrichten.at/ nachrichten/weltspiegel/inbetriebnahme-von-akw-mochovce-erneut-verschoben; art17,3119183). Dies wäre die erste Inbetriebnahme eines Atomkraftwerks (AKW) in Europa nach der Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011. Zuletzt gingen in Temelin in Tschechien (2002) und Cernavodà in Rumänien (2007) Atomkraftwerke ans Netz. Am Standort Mochovce in der Slowakei wurden schon in den 1970er Jahren vier Blöcke des Typs WWER 440-213 geplant, Baubeginn war laut der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA 1987 (vgl. https://pris.iaea.org/pris/Country Statistics/ReactorDetails.aspx?current=544). Fertiggestellt wurden zunächst nur die Blöcke 1 und 2, die 1998 und 2000 in Betrieb gingen. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde der Bau der Blöcke 3 und 4 eingestellt, so dass diese seit 1993 als Bauruinen stehenblieben (IAEA). Erst 2008 wurde der Weiterbau im Zuge der Übernahme der Slovenské Elektrárne durch die italienische Firma Enel beschlossen (vgl. www.world-nuclear-news.org/ C-Italys-Enel-plans-two-step-sale-of-Slovenske-Elekrarne-stake-31071501.html). Die Inbetriebnahme der Reaktoren Mochovce 3 und 4 steht jedoch wegen der nicht zeitgemäßen Technik und zahlreicher Berichte zu Mängeln am Bau in der Kritik. Ein geleakter Bericht (WANO MO34/PRZ-10/2017) der World Association of Nuclear Operators (WANO) zum Reaktorbauprojekt Mochovce 3 und 4 aus dem Jahre 2017 enthält 47 sicherheitsrelevante Empfehlungen und dokumentiert damit die aus Sicht der Fragesteller äußerst mangelhafte Sicherheits- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10525 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode kultur auf der Baustelle (vgl. www.global2000.at/sites/global/files/GLOBAL% 202000%20Kurzanalyse%20GELEAKTER%20WANO-BERICHT%20ZEIGT %20GEF%C3%84HRLICHE%20UNSICHERHEIT%20BEI%20BAUARBEITEN %20ZU%20AKW%20MOCHOVCE%203%204.pdf). Auch ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Atomkraftwerk Mochovce, darunter der Ingenieur Mario Zadra, berichten von schweren Mängeln (vgl. www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190403_OTS0004/akwmochovce -3-whistleblower-belegen-dass-die-sicherheitshuelle-beschaedigt-ist). Darüber hinaus stellen Expertinnen und Experten gegenüber der Umweltorganisation Global 2000 klar, dass heute übliche Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden können (vgl. www.global2000.at/akw-mochovce). Eine Atomkatastrophe am Standort Mochovce würde nicht nur die slowakische Bevölkerung gefährden, sondern auch Deutschland. Es besteht zudem der Verdacht, dass schon die in Mochovce betriebenen Reaktorblöcke 1 und 2 die geltenden Richtwerte der Abgabe von Tritium in die Umgebung überschreiten (www.global2000.at/news/akw-mochovce-wassertest). Auf Basis des Berichts (UW.1.1.4/0001-I/6/19) des österreichischen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend österreichische Bedenken bezüglich der Inbetriebnahme der Blöcke 3 und 4 des Kernkraftwerks Mochovce in der Slowakischen Republik hat die österreichische Regierung am 14. März 2019 die dortigen Empfehlungen zur Kenntnis genommen und ihnen zugestimmt (vgl. www.bundeskanzleramt.gv.at/at.gv.bka.liferay-app/documents/ 131008/1246792/49_14_mrv.pdf/a9dfa4ec-2cec-4247-add0-b780a12a5769). Der Ministerrat befindet damit, dass die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks (AKW) Mochovce 3 und 4 gegen internationale Abkommen verstößt. Genannt sind im oben genannten Bericht konkret das Völkerrecht (Artikel 6 des Übereinkommens über nukleare Sicherheit aus dem Jahre 1994) sowie Artikel 8a und Artikel 8c der Richtlinie 2014/87 des Euratom-Vertrages. Die Entscheidung, ob die Reaktoren Mochovce 3 und 4 genehmigungsfähig sind, trifft die slowakische Regierung. Jede nationale Atomaufsicht muss sich jedoch der internationalen Diskussion stellen – insbesondere, wenn es die nukleare Sicherheit von Anlagen betrifft. Zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit in Europa wurde die Gruppe der Europäischen Atomaufsichten (ENSREG) ins Leben gerufen, die am 6. und 7. Juni 2019 (einen Monat vor der bislang geplanten Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Mochovce 3) zu ihrer nächsten Sitzung zusammenkommt (vgl. www.ensreg.eu/news/fifth-european-nuclear-safety-conference). In der ENSREG hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit als oberste Atomaufsicht in Deutschland ein großes Gewicht. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung erfüllt ihren Schutzauftrag unter Achtung der alleinigen Zuständigkeit anderer Staaten für kerntechnische Anlagen in dortiger Verantwortung . Eine Stellungnahme, z. B. zur sicherheitstechnischen Bewertung von konkreten Sachverhalten und Ereignissen in kerntechnischen Anlagen anderer Staaten oder eine Forderung nach konkreten Abhilfemaßnahmen erfolgt seitens der Bundesregierung grundsätzlich nicht. Nur der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde liegen alle für eine sicherheitstechnische Bewertung notwendigen Informationen vor. Die Bundesregierung respektiert die Souveränität anderer Staaten in Fragen des Energiemixes und setzt sich gleichzeitig für höchstmögliche Sicherheitsstandards von Nuklearanlagen weltweit ein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10525 1. Hat die Bundesregierung Kenntnis von dem oben genannten WANO-Bericht MO34/PRZ-10/2017, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, bzw. welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um Aufklärung über die in dem Bericht genannten sicherheitsrelevanten Empfehlungen zu erlangen und sofern möglich, entsprechende Abhilfe der dort genannten Probleme zu bewirken? Die Bundesregierung hat Kenntnis des in der Vorbemerkung des Fragestellers zitierten Berichts MO34/PRZ-10/2017, veröffentlicht über den Link www.global 2000.at/sites/global/files/MO34_PRZ_10_2017.pdf. Diese Zusammenstellung scheint aus einer von der World Association of Nuclear Operators (WANO) durchgeführten technischen Unterstützungsmission vom 21. bis 30. Mai 2017 zu resultieren. Die WANO ist ein weltweiter Zusammenschluss der Betreiber von kerntechnischen Anlagen, deren Mitglieder sich gegenseitig prüfen. Die Berichte der WANO sind als vertraulich eingestuft und liegen den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden nicht vor. Nur der zuständigen slowakischen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde Úrad jadrového dozoru (UJD SR) liegen alle Informationen vor, um den Bericht sicherheitstechnisch zu bewerten und ggf. Schlussfolgerungen für die nukleare Sicherheit zu ziehen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 2. Sind der Bundesregierung die Aussagen des Whistleblowers Mario Zadra und anderer am Bau in Mochovce beteiligter Personen, die von baulichen Mängeln aus erster Hand berichten, bekannt, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus diesen Aussagen? Der Bundesregierung sind die öffentlichen Aussagen von Herrn Mario Zadra und anderer am Bau in Mochovce beteiligter Personen bekannt. Die slowakische atomrechtliche Aufsichtsbehörde UJD SR hat auf ihrer Internetseite zu den erhobenen Vorwürfen Stellung genommen und diese als unzutreffend zurückgewiesen . So heißt es in einer Pressemitteilung der slowakischen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde UJD SR vom 8. April 2019: „[…] UJD SR strongly insists on its previous declarations that unless all nuclear safety requirements are met and all systems of the power plant are tested with positive result, the commissioning of the power plant, which starts with loading of nuclear fuel into the reactor, will not be permitted.“ www.ujd.gov.sk/ujd/www1.nsf/$All/BF20C32CF04E4130C1258 3D6002F387C). Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 3. Wie bewertet die Bundesregierung auf Basis welcher ihr vorliegender Erkenntnisse die Sicherheit der Reaktoren Mochovce 3 und 4? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10525 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Hat die Bundesregierung mit der slowakischen Atomaufsichtsbehörde bzw. der slowakischen Regierung Gespräche geführt oder einen Austausch gehabt , um sämtliche bestehende Sicherheitsbedenken (WANO-Bericht und andere) bezüglich der Reaktoren Mochovce 3 und 4 auszuräumen? Wenn ja, was genau hat die Bundesregierung dabei in welchem Rahmen angesprochen , und mit welchen Ergebnissen? Falls dies noch nicht geschehen ist, strebt die Bundesregierung einen solchen Austausch an, und wann wird der stattfinden? Die Bundesregierung pflegt aufgabenbedingt in jeder Wahlperiode eine Vielzahl von Kontakten mit Vertreterinnen und Vertretern ausländischer Regierungen, so auch zur slowakischen Regierung. Eine Verpflichtung zur Erfassung entsprechender Daten (z. B. Erfassung aller Sitzungen und Einzelgespräche nebst Teilnehmerinnen und Teilnehmern) besteht nicht. Auch wird eine solche umfassende Dokumentation nicht durchgeführt. Eine Aufstellung von Einzelterminen unterhalb der Leitungsebene erfolgt zudem nicht. Zu den Gründen wird exemplarisch auf die Vorbemerkung der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/1174 verwiesen. Auf Basis der vorliegenden Aufzeichnungen und Unterlagen hat die Bundesregierung keine Gespräche im Sinne der Fragestellung geführt. Unabhängig davon setzt die Bundesregierung auf einen internationalen Austausch in geeigneten Nukleargremien, darunter in der European Nuclear Safety Regulators Group (ENSREG), der Gruppe der Heads of the European Radiological Protection Competent Authorities (HERCA), der Western European Nuclear Regulators Association (WENRA), in Gremien der International Atomic Energy Agency (IAEO) und in Gremien der Organization for Economic Cooperation and Development/Nuclear Energy Agency (OECD/NEA). Die Bundesregierung wird die weiteren Entwicklungen aufmerksam verfolgen und sich dafür einsetzen, dass ein höchstmögliches Niveau an nuklearer Sicherheit hergestellt wird. 5. Wie bewertet die Bundesregierung die von der Regierung in Österreich formulierten Bedenken, und schließt sich die Bundesregierung der Auffassung der österreichischen Regierung an, dass die Inbetriebnahme des AKW Mochovce 3 und 4 gegen internationale Übereinkommen verstößt (bitte begründen )? Die Bundesregierung nimmt die formulierten Bedenken von Österreich sehr ernst. Der Bundesregierung liegen zu den von Österreich formulierten Bedenken keine weitergehenden Erkenntnisse vor. Auch liegen der Bundesregierung keine Anhaltspunkte vor, dass die Inbetriebnahme der Reaktorblöcke Mochovce 3 und 4 gegen internationale Übereinkommen verstößt. 6. Welche Maßnahmen plant nach Kenntnis der Bundesregierung die slowakische Atomaufsicht, um die Einhaltung der Richtwerte für die Abgabe von Tritium auch bei Inbetriebnahme von bis zu zwei zusätzlichen Blöcken vom gleichen Typ sicherzustellen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Nichteinhaltung der genehmigten Ableitungswerte für Tritium am Standort Mochovce vor. Die Überwachung der Ableitungen und der Umweltradioaktivität liegt in der alleinigen Zuständigkeit der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde UJD SR. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10525 7. Welches sind die sicherheitsrelevanten Punkte, die aus Sicht der Bundesregierung auf dem Treffen der ENSREG im Juni 2019 bezüglich des Reaktorstarts am Standort Mochovce geklärt werden müssen? Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Die Bundesregierung wird die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und sich im Rahmen der europäischen und internationalen Zusammenarbeit, beispielsweise im Rahmen von ENSREG, einbringen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333