Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 28. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10556 19. Wahlperiode 03.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic, Frank Sitta, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10138 – Die Folgen des Kohleausstiegs für die Energieversorgung im Saarland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der geplante Kohleausstieg wird nach Ansicht der Fragesteller gerade im Energiebereich eine sehr große Herausforderung für das Saarland werden. Besonders der Erhalt der Versorgungssicherheit, gerade auch im Hinblick auf die teils sehr energieintensive saarländische Industrie, wird eine wichtige Herausforderung für das Land. Viele Experten bezweifeln den Erhalt der Versorgungssicherheit, speziell für die Belange der Industrie, durch einen verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien. Der unzureichende bundesweite Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze sowie fehlende bzw. unrentable Speicherkapazitäten für die volatile Energie aus erneuerbarer Energieerzeugung stellen die sichere Zurverfügungstellung einer Grundlast auf Erzeugerseite massiv in Frage. Das energiepolitische Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Ökologie scheint immer schwieriger erreichbar zu sein (www.deutschlandfunk.de/ versorgungssicherheit-firmen-fuerchten-die-energiewende.1773.de.html?dram: article_id=447012). Eine weitere große Herausforderung neben der Versorgungssicherheit besteht im Verlust der Wertschöpfung und der Arbeitsplätze, die aktuell an der Kohleverstromung im Saarland hängen. Laut eines Briefes der saarländischen Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger an die Bundesregierung könnten mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung „eine direkte Wertschöpfung von bis zu 300 Mio. Euro entfallen und es würden etwa 600 Arbeitsplätze verloren gehen“ (Quelle: www.saarbruecker-zeitung.de/wirtschaft/sz-wirtschaft/ hans-und-rehlinger-draengen-auf-kohlehilfen-fuer-saarland_aid-36010461). Gleichzeitig fordert die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung “ (Kohlekommission) in ihrem Abschlussbericht, Strukturhilfen für Steinkohlestandorte von einem Anteil von mindestens 0,9 Prozent der regionalen Wertschöpfung abhängig zu machen (Quelle: http://tools.lr-online.de/ablage/ abschlussbericht_kohle-kommission_26_januar_2019.pdf, S. 16). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10556 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie hoch waren jeweils in den Jahren 2008 bis 2018 beim Strom die zwischen Frankreich und Deutschland je Richtung ausgetauschten Strommengen und die jeweiligen Höchstbelastungen je Jahr und Richtung von Frankreich nach Deutschland und umgekehrt, insbesondere im Hinblick auf den Austausch zwischen Frankreich und dem Saarland? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Frage 1 auf die Handelsstrommengen abstellt. Im Stromhandel weichen die gehandelten Strommengen in der Regel von den tatsächlichen physikalischen Stromflüssen ab. Dies liegt an den physikalischen Eigenschaften von Strom, der den Weg des geringsten Widerstands „wählt“ und zusätzlich an der seit 2015 eingeführten lastflussbasierten Marktkopplung („flowbased market coupling“). Diese berücksichtigt nicht nur die Handelskapazitäten an einer Grenze, sondern bezieht auch die Möglichkeit ein, dass Strom über andere Ländergrenzen fließen kann. Beispielsweise kann Deutschland Strom auch über die Niederlande und Belgien nach Frankreich exportieren und andersherum. Die in den einzelnen Jahren gehandelten und je Stunde saldierten Strommengen zwischen den Gebotszonen Deutschland/Luxemburg und Frankreich sind folgender Tabelle zu entnehmen: Tabelle 1: Jahressummen der saldierten Handelsflüsse zwischen Deutschland und Frankreich; 2008- 2017: Daten der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB); 2018: Daten von smard.de Die maximalen auf Basis gemittelter Stundenwerte erfassten Handelsflussmengen sind in folgender Tabelle dargestellt: Tabelle 2: Maximal erfasste stündliche Handelsflussmenge zwischen Deutschland und Frankreich; 2008-2017: Daten der ÜNB; 2018 Daten von smard.de Die Strommengen, die tatsächlich zwischen Deutschland und Frankreich in Summe über alle grenzüberschreitenden Leitungen flossen (physikalischer Lastfluss ) sind in folgender Tabelle aufgelistet: Tabelle 3: Jahressummen der physikalischen Lastflüsse zwischen Deutschland und Frankreich; 2008-2017: Daten der ÜNB; *2018 Daten je Stunde saldiert von smard.de Die physikalischen grenzüberschreitenden Stromflüsse liegen der Bundesregierung nur in stündlicher Auflösung vor. Deshalb kann die maximale Übertragungsleistung der grenzüberschreitenden Leitungen, die innerhalb dieser Stunde aufgetreten ist, nicht benannt werden. Daten zu gehandelten und physikalischen Stromflüssen liegen der Bundesregierung nur gebotszonenübergreifend bzw. pro Ländergrenze vor. Deshalb beziehen sich die vorliegenden Daten nur auf den Handel zwischen Deutschland/Luxemburg und Frankreich. Eine Auflistung nach Bundesländern ist nicht möglich. TWh 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 DE->FR 14,8 13,7 10,7 5,0 11,1 12,5 9,7 11,5 12,0 15,3 12,0 FR->DE 2,2 1,7 4,0 7,3 2,4 2,7 3,7 2,1 2,3 1,5 3,6 MWh/h 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 DE->FR 5.000 4.525 3.863 3.651 3.007 3.001 3.025 6.905 7.696 8.834 9.291 FR->DE 1.196 2.300 2.850 2.819 1.801 2.600 1.800 4.916 4.469 4.244 6.127 TWh 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018* DE->FR 0,9 1,4 0,5 0,1 0,8 1,2 0,8 1,4 2,7 2,9 1,8 FR->DE 10,6 10,6 14,8 20,3 13,2 11,8 14,8 12,1 8,3 7,0 10,1 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10556 2. Wie hoch war die maximale Übertragungsleistung beim Strom jeweils in den Jahren 2008 bis 2018 zwischen Frankreich und Deutschland, insbesondere im Hinblick auf den Austausch zwischen Frankreich und dem Saarland? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Der Bundesregierung liegen keine Daten zu physikalischen Leistungen zwischen einzelnen Ländern oder Bundesländern vor. 3. Wie bewertet die Bundesregierung die im ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2030, Version 2019, für das Saarland vorgeschlagenen Netzverstärkungsmaßnahmen? Die Übertragungsnetzbetreiber haben am 4. Februar 2019 den ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2019 bis 2030 veröffentlicht, im Anschluss konsultiert und dann fristgemäß am 15. April 2019 den zweiten Entwurf vorgelegt. Entsprechend der gesetzlichen Regelungen haben die Übertragungsnetzbetreiber erst mit Vorlage des zweiten Entwurfs der Bundesnetzagentur die zur Detailprüfung notwendige Datengrundlage übermittelt. Die Bundesnetzagentur hat die Detailprüfung initiiert und erwartet einen Abschluss dieser Prüfungen im Sommer 2019. Zu diesem Zeitpunkt wird die Bundesnetzagentur den zweiten Entwurf mit der Öffentlichkeit konsultieren. Vor Abschluss der Prüfung kann die Bundesnetzagentur keine Bewertungen zu einzelnen von den Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Maßnahmen abgeben. Erst mit Genehmigung des Netzentwicklungsplans 2019 bis 2030 wird eine vollständig belastbare Bewertung getroffen. Die Genehmigung des Netzentwicklungsplans 2019 bis 2030 wird voraussichtlich bis Ende 2019 erfolgen. 4. Welche Leistungsflüsse ergaben sich nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den Jahren 2008 bis 2018 über die Verbindung Uchtelfangen–Ensdorf und über die Verbindung Ensdorf–Vigy? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Die Bundesnetzagentur überwacht die an den Gebotsgrenzen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten. Die Daten lassen eine leitungsscharfe Auswertung der Leistungsflüsse daher nicht zu. Der Betrieb des Netzes ist Aufgabe der Übertragungsnetzbetreiber. Sie sorgen für eine sichere Versorgung mit Energie. Die Auslastungen aller Leitungen in ihren Regelzonen werden von ihnen ständig überprüft. 5. Welche Leistungsflüsse erwartet die Bundesregierung dort jeweils nach einer möglichen Umsetzung der im ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2030, Version 2019, vorgeschlagenen Netzverstärkungsmaßnahmen? Die Prüfung des von den Übertragungsnetzbetreibern vorgelegten zweiten Entwurfs des Netzentwicklungsplans durch die Bundesnetzagentur ist noch nicht abgeschlossen . Diesbezüglich wird auch auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Da sich die zu erwartenden Leistungsflüsse in 2030 aus dem genehmigten Zielnetz ergeben, kann frühestens nach Prüfung der Einzelmaßnahmen bis Sommer 2019 eine entsprechende Einschätzung abgegeben werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10556 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Welche Strommengen fließen von Deutschland (außerhalb des Saarlands) über das Saarland nach Frankreich? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Daten zu Handelsflüssen und physikalischen Lastflüssen liegen der Bundesregierung nur gebotszonenübergreifend vor. Eine Auflistung nach Bundesländern ist aus diesem Grund nicht möglich. 7. Welche Netzausbaumaßnahmen empfiehlt die Bundesregierung für einen versorgungssicheren Stromfluss ins Saarland nach dem Ausstieg aus der Kohleverstromung? Die Prüfung des von den Übertragungsnetzbetreibern vorgelegten zweiten Entwurfs des Netzentwicklungsplans durch die Bundesnetzagentur ist noch nicht abgeschlossen (siehe auch Antwort zu Frage 3). Daher liegen zum jetzigen Verfahrensstand noch keine Bewertungen der von den Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Maßnahmen vor. 8. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch den schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland der Stromfluss aus dem französischen Kernkraftwerk Cattenom, in Abhängigkeit von dessen Stromerzeugung , zunimmt? Der Strommarkt ist europäisch. Die deutsche Stromversorgung ist sowohl technisch als auch wirtschaftlich in den europäischen Binnenmarkt eingebettet. Maßnahmen , die einzelne ausländische Erzeuger aus dem Handelssystem ausschließen oder sogar technisch ausgrenzen, sind hiermit nicht vereinbar. Auch bei einem schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung bei gleichzeitigem Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland dürfte Deutschland gemäß Berechnungen im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie weiterhin Nettoexporteur von Strom bleiben. Davon ausgehend ist es daher fraglich, ob sich der Stromfluss von Frankreich nach Deutschland stark erhöhen wird. In der Tendenz dürfte es – wenn überhaupt – jedoch zu einer erhöhten Produktion aus Gaskraftwerken und nicht Atomkraftwerken in Frankreich kommen. Denn Atomkraftwerke arbeiten ohnehin an der Auslastungsgrenze. 9. Wie hoch muss der Anteil fossiler Energien im Saarland nach Auffassung der Bundesregierung nach dem Ausstieg aus der Kohleverstromung sein, um die benötigte Versorgung der saarländischen Industrie versorgungssicher zu gewährleisten? Aus Sicht der Bundesregierung ist es weder zielführend noch sachgerecht Stromversorgung ausschließlich auf lokaler und regionaler Ebene zu denken. Die kontinuierliche Versorgung mit Strom zur Deckung der Lasten zu jedem Zeitpunkt, auch zur Spitzenlast, wird bereits heutzutage länderübergreifend im europäischen Rahmen der gekoppelten europäischen Strommärkte sichergestellt. 10. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Anteile der Steinkohleverstromung an der regionalen Wertschöpfung im Saarland? Das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im September 2018 das Gutachten „Strukturdaten für die Kommission ‚Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung ‘“ erstellt (siehe www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Studien/ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10556 strukturdaten-der-kommission-wachstum-strukturwandel-und-beschaeftigung.html). In diesem Gutachten sind auf Seite 23 Wertschöpfung und Wertschöpfungsanteile für Kreise und Kreisfreie Städte aufgeführt, in denen die Steinkohle eine hohe wirtschaftliche Relevanz hat. Eine Betrachtung auf Landesebene erfolgte dabei nicht. In der Tabelle sind auch zwei Regionen des Saarlandes aufgeführt: Landkreis Saarlouis: 0,37 Prozent Regionalverband Saarbrücken: 0,2 Prozent 11. Welche Wertschöpfungen für die einzelnen Steinkohlekraftwerke im Saarland und welche davon abhängigen Wertschöpfungen, etwa in den Vorleistungsindustrien , werden dabei unterstellt? Im Gegensatz zum Braunkohlesektor gibt es keine amtlichen oder nicht-amtlichen Statistiken zur Wertschöpfung der Steinkohlewirtschaft. Daher musste das RWI – Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung die Wertschöpfung aufwendig schätzen. Das konkrete Vorgehen hierzu ist im Kapitel 5 des in der Antwort zu Frage 10 genannten Gutachtens beschrieben. 12. Hält die Bundesregierung eine Grenze von mindestens 0,9 Prozent der regionalen Wertschöpfung für ein taugliches Kriterium für die Entscheidung, ob ein Steinkohlekraftwerksstandort Strukturhilfen erhält? Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ hatte empfohlen , Strukturhilfen für die Steinkohleregionen zur Verfügung zu stellen, in denen der Anteil der Steinkohlewirtschaft an der regionalen Wertschöpfung von erheblicher Relevanz ist. Als Maßstab hierfür wurde der Wertschöpfungsanteil der Kohlewirtschaft im Mitteldeutschen Revier herangezogen, der etwa bei 0,9 Prozent liegt. Nach Ansicht der Bunderegierung muss jedoch auch noch die wirtschaftliche Ausgangslage der jeweiligen Region mitberücksichtigt werden. Daher hält sie es für sachgerecht, die vorgesehen Strukturhilfen für Steinkohlestandorte auf die Regionen zu konzentrieren, in denen der Wertschöpfungsanteil der Kohlewirtschaft bei mindestens 0,2 Prozent liegt und die darüber hinaus strukturschwach (im Sinne des Indikators der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur) sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333