Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 31. Mai 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10593 19. Wahlperiode 04.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Axel Gehrke, Detlev Spangenberg, Jörg Schneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/10316 – Schutzimpfungen für Asylsuchende in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Robert-Koch-Institut (RKI) stellte fest, die Weltgesundheitsorganisation habe in Syrien Fälle von Kinderlähmung (Polio) gemeldet. Es wurde eine Impfkampagne mit oralem Polioimpfstoff in Syrien und seinen Nachbarländern durchgeführt. In den von Aufständischen kontrollierten Gebieten Syriens wurden Kinder erstmalig geimpft „und sind somit nur unvollständig gegen Polio geschützt“. Vor diesem Hintergrund bestünde nach Einschätzung des RKI ein Risiko für die Einschleppung von Polioviren aus Syrien (www.rki.de/DE/Content/ Infekt/EpidBull/Archiv/2014/Ausgaben/06_14.pdf?__blob=publicationFile). Das RKI wies auf eine auffällig hohe Masernfallzahl unter in Deutschland angekommenen Asylsuchenden aus Tschetschenien hin (www.rki.de/DE/Content/ Infekt/EpidBull/Archiv/2016/Ausgaben/31_16.pdf?__blob=publicationFile). In Berlin ging 2015 ein Masernausbruch von einer Flüchtlingsunterkunft aus (www.welt.de/politik/deutschland/article137944948/Bei-Fluechtlingen-klafft-einegefaehrliche -Impfluecke.html). Bezüglich Varizellen (Windpocken) wies das RKI 2016 darauf hin, dass „mit einem Auftreten von Ausbrüchen in Unterkünften für Asylsuchende gerechnet werden“ muss. Besonders gefährdet seien Schwangere und Immundefiziente (www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Migration/InfektkrankheitenMigration/ migration_infektkrankheiten_mumps-roeteln-windpocken.html). Ein solcher Ausbruch ereignete sich 2016 in einer Berliner Unterkunft (www.rki.de/DE/ Content/Infekt/Impfen/Migration/InfektkrankheitenMigration/migration_ infektkrankheiten_mumps-roeteln-windpocken.html). Brandenburg weist das Personal in Flüchtlingsunterkünften und -sammelstellen inklusive Helfern und dem Wachschutz- und Sicherheitspersonal auf mögliche Impflücken bei Flüchtlingen auch gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis (Keuchhusten ), Mumps, Röteln und Meningokokken hin und legt dem Personal selbst die Impfungen nahe (https://lavg.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.417436.de). Das RKI stellte 2015 fest, systematische Erhebung des Impfstatus von Asylsuchenden fände in Deutschland nicht statt. „Durch eine wachsende Zahl unzureichend geimpfter Asylsuchender kann sich eine epidemiologisch relevante, ungeschützte Bevölkerungsgruppe entwickeln, bei der sich die Schließung von Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10593 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Impflücken aufgrund des dezentralen Gesundheitssystems in Deutschland schwierig gestalten kann.“ Um die Anzahl nicht ausreichend geimpfter Asylsuchender in den Kommunen abschätzen zu können, wünschte das RKI, die Zahl aller in einer Einrichtung verabreichten Impfdosen zu erfassen (www.rki.de/DE/ Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2015/Ausgaben/41_15.pdf?__blob=publicationFile). Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim RKI gab Impfempfehlungen für Migranten und Asylsuchende nach Ankunft in Deutschland heraus. Vorliegende Impfdokumente sollten berücksichtigt werden. Impfungen, die nicht dokumentiert sind, gälten als nicht gegeben, nur in Ausnahmefällen sollten glaubwürdige mündliche Angaben zu früher erfolgten Impfungen berücksichtigt werden (www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/34_18.pdf?__ blob=publicationFile). Eine Evaluation der Umsetzung in 20 Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) (https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/2637/21qNcwqytvjCw.pdf?sequence= 1&isAllowed=y) zeigte allerdings, dass nur in fünf davon den Asylsuchenden die Routineimpfungen entsprechend der STIKO-Empfehlung angeboten wurden . Drei der 20 EAE gaben an, die Impfungen ohne Hindernisse durchgeführt zu haben. Elf erklärten, dass Personalmangel, sieben, dass Sprachbarrieren und die Schwierigkeit, den Impfstatus des Asylsuchenden zu definieren, die Umsetzung der STIKO-Empfehlung behinderten. Bei sechs EAE lag das Hindernis für die STIKO-Umsetzung in der „Ablehnung durch Asylsuchende“. Trotz der eindeutigen Vorgabe des RKI, „dass Personen ohne Impfdokumente als nicht geimpft angesehen und empfohlene Impfungen durchgeführt werden sollen, gab ein großer Teil der EAE unklaren Impfstatus als Haupthindernis zur Umsetzung der Impfempfehlung an. Hier sind offensichtlich weitere Schulungen erforderlich “. „Die RKI-Empfehlung wurde am besten für die Gruppe der syrischen Kinder unter drei Jahren umgesetzt“, alle EAE begannen bei diesen zeitnah mit der Polioimpfung. Nur acht EAE erreichten hierbei aber Impfquoten von 80 Prozent und mehr. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Zu einer angemessenen medizinischen Versorgung von Flüchtlingen gehört ein ausreichender Impfschutz. Schließlich zählen Impfungen zu den wirksamsten Maßnahmen, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu vermeiden. Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom Oktober 2015 sieht eine Verbesserung des Impfschutzes vor. Danach müssen die zuständigen Behörden vor Ort sicherstellen, dass Asylbewerbern frühzeitig notwendige Schutzimpfungen angeboten werden. Durch Verweis auf die Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses regelt das Gesetz einen bundesweit einheitlichen Standard bei der Versorgung von Flüchtlingen mit Schutzimpfungen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gruppe der Asylbewerber frühzeitig einen mit der Allgemeinbevölkerung vergleichbaren Impfschutz aufweist. Das Robert Koch- Institut (RKI) unterstützt die Länder hierbei mit Beratung und seiner wissenschaftlichen Expertise. Asylsuchende sind häufig nicht im Besitz eines Impfausweises, ihr Impfstatus ist folglich zumindest unklar oder ggf. auch unvollständig. In Erstaufnahmeeinrichtungen wie auch kommunalen Gemeinschaftsunterkünften für Asylsuchende leben Menschen über längere Zeit oftmals eng zusammen. In dieser Situation besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Ausbrüche von Infektionskrankheiten. Ziel muss es daher sein, Asylsuchende so schnell wie möglich entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu impfen und insbesondere auch die Nachholimpfungen in den verschiedenen Altersgruppen entsprechend der aktuellen STIKO-Empfehlungen zu beachten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10593 Um Asylbewerber gezielt zu informieren, wurden die Patienten-Informationen zu Infektionskrankheiten in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in sechs Sprachen übersetzt. Der Impfkalender sowie Impfaufklärungsmaterialien liegen in 20 Fremdsprachen vor. Das Bundesministerium für Gesundheit hat den Wegweiser durch das deutsche Gesundheitswesen „Gesundheit für alle“ in elf Sprachen veröffentlicht. Weitere Hinweise für Migrantinnen und Migranten sowie Asylbewerberinnen und Asylbewerber enthält das neue Internetprotal Migration und Gesundheit. Auf dem Portal werden erstmals gebündelt zahlreiche Informationsmaterialien zu den Schwerpunktthemen Gesundheitswesen , Gesundheit und Vorsorge, Pflege sowie Sucht und Drogen in mehreren Sprachfassungen zur Verfügung gestellt. 1. Hat das in der Zeit zwischen der Durchführung der Evaluation und der Abfassung des in der Vorbemerkung der Fragesteller zitierten Berichts dazu bereits erstellte Informationsmaterial zu verschiedenen Impfungen in 19 Fremdsprachen, das auf der RKI-Webseite zum Download zur Verfügung gestellt wurde, sowie weiteres mehrsprachiges Informationsmaterial zu Impfungen für die EAE nach Kenntnis der Bundesregierung zwischenzeitlich zu einer besseren Umsetzung der STIKO-Empfehlungen in den EAE geführt? 2. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die im Evaluationsbericht angeregte Diskussion darüber, ähnlich wie in internationalen Notfallsituationen kurzzeitig zusätzliches Personal zum Beispiel durch Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen oder medizinischen Hilfsorganisationen zu rekrutieren, geführt, und falls ja, mit welchem Ergebnis? 3. Welche anderen Maßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung ggf. ergriffen, um dem Personalmangel, der in elf von 20 EAE die Umsetzung der STIKO-Empfehlungen behinderte, zu begegnen? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor. Die Verwaltung der Erstaufnahmeeinrichtungen liegt in der Verantwortung der Länder bzw. Kommunen. 4. Hält die Bundesregierung den Einsatz der Bundeswehr hierfür für möglich und sinnvoll, und falls nicht, warum nicht? Sofern diesbezüglich Amtshilfeersuchen vorgelegt werden sollten, kann auf Grundlage des Artikels 35 Absatz 1 des Grundgesetzes durch die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe grundsätzlich eine Unterstützung erfolgen. Die Bewertung solcher Amtshilfeersuchen erfolgt dann regelmäßig einzelfallbezogen. 5. Hat das RKI zwischenzeitlich – wie im in der Vorbemerkung der Fragesteller zitierten Evaluationsbericht empfohlen – bekräftigt, dass Asylsuchende mit unklarem Impfstatus als nicht geimpft anzusehen sind und aktuell empfohlene Impfungen auch bei fehlender Dokumentation früherer Impfungen erhalten können und sollen, und falls ja, wie wurden die EAE informiert, und falls nein, warum nicht? Die STIKO hat in ihren aktuellen Empfehlungen 2018/19 erstmals Impfempfehlungen für Migrantinnen und Migranten bzw. Asylsuchende nach Ankunft in Deutschland aufgenommen und im Epidemiologischen Bulletin 34/2018 veröffentlicht . Dabei wurde das Konzept des RKI zur Umsetzung frühzeitiger Impfungen bei Asylsuchenden nach Ankunft in Deutschland vom Oktober 2015 aufge- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10593 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode griffen und aktualisiert. Darin wird empfohlen, dass in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten und Asylsuchende entsprechend den STIKO-Empfehlungen altersgerecht geimpft sein sollen. Die allgemeinen Hinweise der STIKO zur Durchführung von Schutzimpfungen sollen dabei berücksichtigt werden. Für alle Personen gilt, dass fehlende Impfdokumente kein Grund sind, empfohlene Impfungen nicht nachzuholen oder mit der Erstimmunisierung nicht zu beginnen. Die STIKO-Empfehlungen werden den Ländern routinemäßig kommuniziert. Darüber hinaus unterhält das RKI eigene Kommunikationskanäle für die medizinische Fachöffentlichkeit (z. B. die STIKO-App, die Impfseiten auf der RKI- Homepage), um über die Neuerungen in den Impfempfehlungen und weitere aktuelle Informationen rund ums Impfen zu kommunizieren. 6. Haben die im selben Bericht als „offensichtlich erforderlich“ bezeichneten weiteren Schulungen zu den Konsequenzen einer fehlenden Dokumentation früherer Impfungen für die aktuell anstehenden Impfungen zwischenzeitlich stattgefunden, und falls ja, mit welchem Ergebnis, und falls nein, warum nicht? 7. Findet nach Kenntnis der Bundesregierung mittlerweile eine systematische Erhebung des Impfstatus von Asylsuchenden in den EAE statt? 8. Wird nach Kenntnis der Bundesregierung mittlerweile – wie vom RKI gewünscht – die Zahl aller in einer Einrichtung verabreichten Impfdosen erfasst ? 9. Welche Nichtregierungsorganisation stellt nach Kenntnis der Bundesregierung den bei der Evaluation in einer EAE als angegebene Ansprechpartner? 10. Wich nach Kenntnis der Bundesregierung die Impfquote in dieser EAE nach unten oder oben vom Mittel ab, und ggf. wie weit? 11. Waren nach Kenntnis der Bundesregierung in den Einrichtungen, in denen anlässlich der Evaluierung das Merkblatt Polio des RKI bzw. die Impfaufklärungsmaterialien des RKI bzw. das Hygienemerkblatt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nicht bekannt waren, Behördenvertreter oder Vertreter einer Nichtregierungsorganisation die Ansprechpartner für die Gesundheit der Asylsuchenden? Die Fragen 6 bis 11 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor. Die Erfassung des Impfstatus und die Schulung der Mitarbeiter in den Erstaufnahmeeinrichtungen liegen in der Verantwortung der Länder bzw. Kommunen. 12. Beabsichtigt die Bundesregierung, angesichts der Tatsache, dass die Ablehnung durch Asylsuchende in sechs von 20 EAE als Hindernis für die Umsetzung der STIKO-Empfehlung genannt wurde, analog zu Überlegungen zur Pflicht der Masernimpfung beim Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Schulen eine Impfpflicht auch in EAE einzuführen? Die Einführung einer Masernimpfpflicht für Personen, die in Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern (§ 36 Absatz 1 Nummer 4 des Infektionsschutzgesetzes) untergebracht oder dort tätig sind, wird im Rahmen des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zum Entwurf eines Gesetzes für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention (Masernschutzgesetz) geprüft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333