Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 4. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10733 19. Wahlperiode 06.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Doris Achelwilm, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/10308 – Situation von LSBTI-Geflüchteten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In vielen Ländern werden Schwule, Lesben, Bisexuelle, Trans- und Interpersonen (LSBTI) diskriminiert, angegriffen und verfolgt. In 76 Staaten stehen homosexuelle Handlungen unter Strafe, in sieben Staaten droht sogar die Todesstrafe . In einigen ehemaligen britischen und französischen Kolonien wurden die homophoben Strafvorschriften im Zuge der Kolonisierung eingeführt und bestehen zum Teil bis heute fort (www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/stiftung/ stiftungsarbeit/laender-und-regionen/). In den letzten Jahren haben NGOs wie der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) und die Rainbow Refugees sowie Forschungsprojekte wie beispielsweise SOGICA (www.sogica. org) auf die besonderen Belange von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, inter und queeren (LSBTI) Geflüchteten aufmerksam gemacht. Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität (SOGI) stellt gemäß der EU-Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) und dem deutschen Asylgesetz einen Asylgrund dar. Allerdings fällt es LSBTI-Geflüchteten häufig schwer, in der Anhörung über persönliche Diskriminierungs- und Verfolgungserfahrungen zu sprechen, da viele von ihnen über Jahre gezwungen waren, ihre sexuelle Orientierung bzw. ihre geschlechtliche Identität geheim zu halten, auch vor engsten Familienangehörigen (www.asyl.net/fileadmin/user_ upload/publikationen/Arbeitshilfen/broschuere-lsbtti-fluechtlinge-interaktiv.pdf). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte von LSBTI-Geflüchteten gestärkt. Beispielsweise hat er 2013 die bis dahin in vielen Mitgliedstaaten verbreitete Praxis verworfen, Asylanträge mit der Begründung abzulehnen, dass die Betroffenen Verfolgung vermeiden könnten, indem sie ihre sexuelle Orientierung geheim halten (Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12). Darüber hinaus hat er 2014 detaillierte Befragungen zu sexuellen Praktiken, psychologische Gutachten und medizinische Tests sowie das Einbeziehen von intimen Fotos für unzulässig erklärt (Rechtssachen C-148/13 bis C-150/13). Ziel der Anfrage ist es zu erfragen, inwieweit europäisches Recht wie die EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU), die EU-Verfahrensrichtlinie (2013/32/EU), die EU-Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) sowie die Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf das Asylverfahren, die Aufnahmebedingungen und die Auslegung des Flüchtlingsbegriffs im deutschen Recht verankert ist und in die Praxis umgesetzt wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10733 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung gewährleistet die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen , trans- und intergeschlechtlichen Geflüchteten auch im Asylverfahren. Gleichwohl sind Fragen nach der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität höchstpersönlicher Natur. Die Identifizierung von besonderen Vulnerabilitäten darf nicht dazu führen, dass die sexuelle oder geschlechtliche Orientierung zwangsweise gegenüber einzelnen Antragstellenden thematisiert wird. Entscheidend kann dies nur sein, wenn Betroffene selbst freiwillig hierüber Angaben machen und die Angaben Verfahrensrelevanz haben. 1. Wie macht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Geflüchteten seine Offenheit gegenüber nicht-heteronormativen Identitäten deutlich, und wann geschieht dies – vor dem Hintergrund, dass das Thema in den meisten Herkunftsländern von LSBTI-Geflüchteten tabuisiert ist? a) Inwieweit informiert das BAMF Asylsuchende darüber, dass Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität ein Asylgrund sein kann? Die Fragen 1 und 1a werden gemeinsam beantwortet. Bereits seit 2015 hat das BAMF ein Konzept zur Identifizierung schutzbedürftiger Personen im Asylverfahren implementiert. Das Konzept dient der Identifizierung besonderer Bedürfnisse während des gesamten Asylverfahrens durch alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des BAMF, die in Kontakt zu Antragstellenden treten. Mitarbeitende, die Asylanträge von vulnerablen Gruppen bearbeiten, sind entweder besonders geschulte Sonderbeauftragte oder aber gehalten, einen solchen in die Fallbearbeitung einzubeziehen. Seit August 2018 pilotiert das Bundesamt eine Asylverfahrensberatung (AVB) in mittlerweile 12 AnkER- und funktionsgleichen Einrichtungen. Der Pilot soll auf weitere Standorte erweitert werden. Das pilotierte Modell umfasst eine 2-stufige AVB, bestehend aus einer allgemeinen Asylverfahrensinformation (Stufe 1) mit Gruppengesprächen für alle Asylsuchenden bereits vor Antragstellung und, darauf aufbauend, einer individuellen Asylverfahrensberatung (Stufe 2) in Einzelgesprächen für Asylsuchende während des Behördenverfahrens. Schon im Rahmen des allgemeinen Gruppengespräches erfolgt der Hinweis, dass die Zugehörigkeit zu einer lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Gruppe eine verfahrens- bzw. entscheidungsrelevante Vulnerabilität darstellen kann, und dass eine solche Zugehörigkeit bei der Antragstellung, spätestens jedoch bei der Anhörung vorgetragen werden kann. Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) ist auch an der Schulung der AVB- Mitarbeitenden beteiligt. b) Gibt es zu diesem Thema spezifisches Aufklärungsmaterial oder werden SOGI-Gründe im allgemeinen Aufklärungsmaterial behandelt (z. B. in Videos auf der BAMF-Homepage)? Was beinhaltet das Aufklärungsmaterial, und wo kann es eingesehen werden ? Das von der Beauftragten der Bunderegierung für Migration, Flüchtlinge und Integration geförderte Projekt „Queer Refugees Deutschland“ des LSVD ist auf der Website des BAMF verlinkt, die mehrsprachige Informationen für Geflüchtete Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10733 beinhaltet (www.bamf.de/inforefugees). Der Link ist auf den Kontaktkarten der AVB abgedruckt. Die im Rahmen des Projektes erstellten und mit dem Bundesamt abgestimmten Materialien werden in Aufnahmeeinrichtungen ausgehängt oder ausgelegt. 2. Inwieweit wird eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung von LSBTI-Geflüchteten gewährleistet? Welche Beratung wird nach Kenntnis der Bundesregierung in den sogenannten AnkER-Zentren angeboten? Inwieweit wird sichergestellt, dass Geflüchtete in AnkeER-Zentren Zugang zu einer Beratung durch unabhängige Träger haben? Hinsichtlich der vom BAMF pilotierten AVB wird auf die Antwort zu Frage 1a verwiesen. Die gegenwärtig laufenden Projekte sollen nach Planung des BAMF auf weitere Standorte erweitert werden. Auf Arbeitsebene der AVB erfolgt außerdem eine enge Vernetzung der Allgemeinen Verfahrensberatung des Bundesamtes mit Wohlfahrtsverbänden und Fachstellen. 3. In welchen Bundesländern wird die EU-Aufnahmerichtlinie nach Kenntnis der Bundesregierung umgesetzt und so ausgelegt, dass sie LSBTI als schutzbedürftige Gruppe miteinschließt? a) Wann, und wie wird eine Identifikation des Schutzbedarfs durchgeführt, und wer ist dafür verantwortlich? b) Inwiefern wird hierfür ein zeitlicher Rahmen vorgesehen? Die Fragen 3 bis 3b werden gemeinsam beantwortet Die Fragen werden im Zusammenhang beantwortet. Für die Aufnahme und Versorgung von Schutzsuchenden sind in Deutschland die Länder zuständig. Diesen obliegt es daher auch, entsprechende Bedarfe und Vulnerabilitäten zu beurteilen. Der Bundesregierung liegen zu den Verfahren in den Bundesländern keine weiteren Erkenntnisse vor. Die Identifikation besonders schutzbedürftiger Personen erfolgt grundsätzlich bei der Aufnahme in den Landeseinrichtungen. Sofern Vulnerabilitäten bei der Aufnahme in den Landeseinrichtungen nicht vollumfänglich erkannt werden, können diese gegebenenfalls im Rahmen der Asylverfahrensberatung sowie durch das Bundesamt im Asylverfahren festgestellt werden. Das Asylverfahren wird durch das Bundesamt in eigener Zuständigkeit durchgeführt. Eine Aufgabe der Asylverfahrensberatung ist auch, die Identifizierung von Personen mit besonderen Bedarfen zu unterstützen. Werden verfahrens- oder entscheidungsrelevante Vulnerabilitäten durch die AVB identifiziert, kann die AVB auf der Grundlage einer Schweigepflichtentbindung der beratenen Person diesbezügliche Informationen an den Asylverfahrenssekretariats- oder Asyl-Bereich des Bundesamtes weiterleiten, damit diese durch das Bundesamt berücksichtigt werden . Besondere Bedarfe können in jedem Stadium des Verfahrens erkannt und gegebenenfalls berücksichtigt werden, ohne dass hierfür ein fester Zeitrahmen besteht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10733 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Wie gewährleistet das BAMF besondere Verfahrensgarantien im Asylverfahren , insbesondere in Bezug auf Personen, die nicht in der Lage sind, ihre Asylgründe angemessen vorzubringen, einschließlich LSBTI-Geflüchtete (siehe EU-Verfahrensrichtlinie vom 26. Juni 2013 [2013/32/EU], insbesondere Artikel 2d [Begriffserklärung] und Artikel 24)? a) Trifft es zu, dass im BAMF kein Konzept dazu existiert, wie die Prüfung der besonderen Verfahrensgarantien ablaufen soll? b) Wenn ja, inwieweit führt dies dazu, dass Personen, denen besondere Verfahrensgarantien gewährt werden müssten, häufig nicht als solche erkannt werden? Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung ggf. daraus? Die Fragen werden im Zusammenhang beantwortet. Wegen des bestehenden Konzepts zur Identifizierung schutzbedürftiger Personen im Asylverfahren, zu laufenden Pilotierung einer AVB wird auf die Antwort zu den Fragen 3 bis 3b verwiesen. Zur Frage der Thematisierung von besonderen Vulnerabilitäten im Asylverfahren ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung, staatliche Stellen über persönliche Informationen wie die sexuelle Ausrichtung oder geschlechtliche Identität zu informieren , von den Schutzsuchenden selbst getroffen werden muss. Die geschlechtliche Identität oder sexuelle Ausrichtung kann, muss aber nicht verfahrensrelevant sein und daher auch nicht in jedem Fall zwingend thematisiert oder gar abgefragt werden. Das Bundesamt gewährleistet, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für besondere Vulnerabilitäten sensibilisiert sind. Dies ermöglicht die angemessene und auf Verfahrensrelevanz beschränkte Berücksichtigung besonderer sexueller oder geschlechtlicher Ausrichtung. Erforderlichenfalls kann auf besonders geschulte Sonderbeauftragte zurückgegriffen werden. Hierdurch beugt das Bundesamt einer eventuell von Schutzsuchenden empfundenen Tabuisierung des Themas vor. Auch die allgemeine Thematisierung und die Auslage bzw. der Aushang von Informationen zu diesem Themenkreis in den Aufnahmeeinrichtungen ist ein Baustein , Schutzsuchenden eine möglicherweise bestehende Angst vor einer Thematisierung bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Bundesamtes zu nehmen. Trotz der Sensibilisierung und Enttabuisierung wird berücksichtigt, dass die offensive Abfrage und Speicherung von intimen und höchst persönlichen Informationen zur sexuellen Identität oder anderen Vulnerabilitäten erheblich in das informationelle Selbstbestimmungsrecht von Schutzsuchenden eingreift und daher besonderer Rechtfertigung bedarf. 5. Wird bei der Zuweisung nach EASY-Verfahren (EASY = Erstverteilung der Asylbegehrenden) Rücksicht auf die sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsidentität der Asylsuchenden genommen? Welche Richtlinien und Kriterien bestehen hier ggf.? Wird eine Anbindung an die LSBTI-Community und -Strukturen berücksichtigt ? Systemseitig bietet EASY keine Kriterien, die sexuelle Orientierung bei der Verteilung zu berücksichtigen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10733 6. Gibt es spezifische Unterkünfte für LSBTI-Geflüchtete? Wenn ja, wie viele, und in welchen Bundesländern bzw. Städten befinden sich diese? Haben Asylsuchende, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden, ein Recht auf eine für ihre sexuelle Orientierung und/oder Geschlechtsidentität spezifische Unterkunft? Welche Kriterien oder Richtlinien bestehen ggf. zur Bewertung und Entscheidung eines Antrags von LSBTI-Geflüchteten auf Gewährung einer solchen Unterkunft? 7. Inwieweit werden die sexuelle Orientierung und/oder die Geschlechtsidentität bei Entscheidungen über Umverteilungsanträge berücksichtigt? Inwieweit wird dabei das Vorhandensein von Gewaltschutzkonzepten in Unterkünften berücksichtigt? Die Fragen 6 und 7 werden zusammen beantwortet. Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden obliegt den Ländern. 8. Welche Schulungen, Richtlinien und vertraglichen Anforderungen gelten nach Kenntnis der Bundesregierung für Betreiber und Personal von Unterkünften , damit sichergestellt wird, dass LSBTI-Geflüchtete keinen homobzw . transphob motivierten, physischen und/oder psychischen Gewalthandlungen ausgesetzt sind? Die Zuständigkeit für die Unterbringung von Asylsuchenden bzw. Asylbewerbern liegt bei dem jeweiligen Land. Die unter gemeinsamer Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren , Frauen und Jugend und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF gegründete Bundesinitiative zum Schutz geflüchteter Menschen in Flüchtlingsunterkünften hat Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften als Leitlinien entwickelt, insbesondere wurde unter Federführung des BMFSFJ auch ein Annex zur Umsetzung der Mindeststandards für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Geflüchtete erstellt (www.bmfsfj.de/blob/117472/bc24218511eaa3327fda2f2e8890 bb79/mindeststandards-zum-schutz-von-gefluechteten-menschen-in-fluechtlings unterkuenften-data.pdf). Dieser sieht unter anderem die Entwicklung eines einrichtungsinternen Schutzkonzeptes und die Sensibilisierung aller Personen, die in der Unterkunft tätig sind, für die Belange von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Geflüchteten vor. Ob und inwieweit diese unverbindlichen Vorgaben in konkreten Einrichtungen Anwendung finden ist der Bundesregierung nicht bekannt . Insofern wird auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10733 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung unabhängige Beschwerdestellen , an die sich LSBTI-Geflüchtete wenden können, wenn es Probleme mit bzw. in ihrer Unterkunft gibt? Falls nein, beabsichtigt die Bundesregierung, die Einrichtung solcher unabhängigen Beschwerdestellen zu fördern? Falls nein, warum nicht? Entsprechende Vorhaben der Bundesregierung sind nicht geplant. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. 10. Gibt es Richtlinien für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF, wie mit Asylanträgen aufgrund von Verfolgung wegen SOGI umgegangen werden soll? Falls ja, was beinhalten diese Richtlinien? Auf die Antwort zu Frage 17 wird verwiesen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die Asylanträge dieser Gruppe vulnerabler Personen bearbeiten, sind entweder besonders geschulte Sonderbeauftragte oder aber bei Erforderlichkeit im Einzelfall gehalten, Sonderbeauftragte in die Fallbearbeitung einzubeziehen. Zusätzlich werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in besonderen Schulungen auf die Aufgabenerledigung in Fällen vulnerabler Personengruppen – auch in Bezug auf Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität – vorbereitet. In diesen Schulungen werden die künftigen Sonderbeauftragten (hier: für geschlechtsspezifische Verfolgung) fallgruppenspezifisch auf ihren jeweiligen Einsatz ausgebildet. Sie erhalten während der Schulungen auch Unterlagen sowie geeignete Hinweise auf relevante Publikationen, beispielsweise durch EASO. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Richtlinien. 11. Wird der Antragstellerin bzw. dem Antragsteller spezifische Unterstützung angeboten, wenn er oder sie bei der Registrierung bzw. der persönlichen Antragstellung Verfolgung wegen SOGI als Fluchtgrund angibt? Wird die Information, dass ein SOGI-Fluchtgrund vorliegt, an die Anhörerin bzw. den Anhörer weitergeleitet, sodass diese bzw. dieser sich darauf vorbereiten und ggf. eine Sonderbeauftragte bzw. einen Sonderbeauftragten hinzuziehen kann? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1, 2, 4 und 10 verwiesen. 12. Haben Asylsuchende das Recht, eine Sonderbeauftragte bzw. einen Sonderbeauftragten für die Anhörung zu beantragen? Wenn ja, gilt dies für alle BAMF-Außenstellen? Wann und wie werden Asylsuchende ggf. darüber informiert, dass sie einen entsprechenden Antrag stellen können? Sonderbeauftragte werden zwingend nur bei unbegleiteten Minderjährigen Schutzsuchenden eingesetzt. Für andere vulnerable Personengruppen hängt der Einsatz von der Erforderlichkeit im Einzelfall ab. Ein besonderes Antragsverfahren besteht nicht. Soweit nicht ohnehin bereits ein/-e Sonderbeauftragte/-r für die Bearbeitung eines Falls von Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität vorgesehen ist oder der Sachverhalt und die Erforderlichkeit der Einbeziehung eines Sonderbeauftragten erst in der Anhörung ersichtlich wird, ist die für die Bearbeitung zuständige Person gehalten, einen Son- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/10733 derbeauftragten in das weitere Vorgehen einzubeziehen. Möglich sind eine beratende Begleitung des Verfahrens oder aber die Übernahme des Falls durch den Sonderbeauftragten. 13. Wie viele Sonderbeauftragte gibt es momentan im BAMF (bitte nach den einzelnen vulnerablen Personengruppen und den Außenstellen aufschlüsseln )? Gibt es Sonderbeauftragte, die ausschließlich für SOGI-Anträge zuständig sind? Die entsprechende Verteilung kann der nachstehenden Tabelle entnommen werden . Tabelle: Sonderbeauftragte für vulnerable Personengruppen nach Dienststellen Sonderbeauftragte für: Organisationseinheit Opfer von Menschenhandel Unbegleitete minderjährige Antragsteller Geschlechtsspezifische Verfolgung Traumatisierte und Folteropfer 41A AS Hamburg im AZ, LAS * 11 6 11 41B AS Bremen im AZ, LAS * * 3 41C AS Neumünster-Haart im AZ, LAS * 9 4 * 41D AS Neumünster-Bootstedt 3 5 5 4 41F AS Bad Fallingbostel im AZ 5 9 8 10 41G AS Bramsche im AZ 6 6 9 6 41H AS Oldenburg 3 6 3 4 41I AS Friedland, LAS 3 3 4 3 41J AS Nostorf-Horst, LAS * 3 * 3 41K AS Stern-Buchholz im AZ * 4 * 3 42A AS Dortmund (vorl. Standort Bochum), LAS 5 14 3 7 42B AS Dortmund im AZ - (incl. Dienstelle Unna) 3 12 6 8 42C AS Bielefeld im AZ 4 16 10 7 42D AS Düsseldorf * 27 5 3 42E AS Mönchengladbach im AZ * 6 3 42F AS Essen 6 6 * 5 42H AS Bonn im AZ 6 7 4 5 42J Entscheidungszentrum West (EZW) Bonn * * * * 51A AS Berlin, LAS 5 14 12 10 51B AS Berlin im AZ * 10 7 7 51C AS Eisenhüttenstadt, LAS * 6 * 4 51D AS Eisenhüttenstatt im AZ 5 * * 51E AS Chemnitz im AZ, LAS * 9 * 3 51F AS Leipzig im AZ * 5 5 6 51G AS Dresden in AnkER-Einrichtung 4 6 3 * 51H AS Jena/Hermsdorf, LAS * 6 3 * 51I AS Suhl im AZ 4 4 4 3 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10733 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Sonderbeauftragte für: Organisationseinheit Opfer von Menschenhandel Unbegleitete minderjährige Antragsteller Geschlechtsspezifische Verfolgung Traumatisierte und Folteropfer 51J AS Halberstadt im AZ, LAS 3 10 5 3 51K Entscheidungszentrum Ost (EZO) Berlin 3 5 4 4 52A AS Karlsruhe 1, LAS 4 11 5 6 52B AS Karlsruhe 2 * * * * 52C AS Heidelberg im AZ 7 7 8 7 52D AS Ellwangen * 5 * 3 52E AS Freiburg * 3 * * 52F AS Sigmaringen 3 52G AS Trier, LAS 6 8 4 6 52H AS Trier im AZ 5 * 52I AS Lebach in AnkER-Einrichtung , LAS 3 6 6 3 52J AS Ingelheim/Bingen * 4 * 3 52L AS Diez * 8 4 * 52N Entscheidungszentrum Südwest (EZSW) Mannheim 3 53A AS München 5 13 9 5 53B AS Manching in AnkER-Einrichtung * 3 * 4 53C AS Bamberg in AnkER-Einrichtung 6 7 6 7 53D AS Augsburg - (incl. Dependance Donauwörth) in AnkER-Einrichtung 4 13 5 3 53E AS Zirndorf in AnkER-Einrichtung 6 17 11 7 53F AS Regensburg in AnkER-Einrichtung 4 7 4 4 53G AS Deggendorf in AnkER-Einrichtung * 5 * * 53H AS Schweinfurt in AnkER-Einrichtung * 4 * * 53I AS Gießen im AZ, LAS 5 21 5 12 53J AS Büdingen 3 * 53K AS Frankfurt/Flughafen 3 5 3 6 53L AS Neustadt 3 5 3 * Summe** 151 396 211 218 * Angaben über weniger als drei Mitarbeitende werden nicht ausgewiesen ** Eine Addition ist infolge von möglichen Mehrfachbeauftragungen der Entscheidenden nicht möglich Zur Klärung des Schutzbedarfs aufgrund der Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität stehen die Sonderbeauftragten für geschlechtsspezifische Verfolgung für die Asylverfahrensbearbeitung zur Verfügung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/10733 14. Führt das Bundesamt Statistiken darüber, wie viele Antragsteller eine Sonderbeauftragte bzw. einen Sonderbeauftragten beantragen, in wie vielen Fällen dies Asylanträge aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität betrifft, und in wie vielen Fällen den Anträgen entsprochen wird? Entsprechende Statistiken werden nicht geführt. 15. Zu welchem Anteil werden SOGI-Anträge von Sonderbeauftragten angehört und/oder entschieden? Wie sieht eine Beteiligung von Sonderbeauftragten in der Regel aus? Gibt es hierzu interne Vorgaben bzw. Richtlinien, und falls ja, was beinhalten diese? Zur Frage, zu welchem Anteil Anträge aufgrund der Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität von Sonderbeauftragten angehört und/oder entschieden werden, liegen keine Erkenntnisse vor. Entsprechende Statistiken werden nicht geführt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 16. Inwieweit und ggf. seit wann führt das BAMF eine Statistik darüber, wie viele Asylantragstellerinnen bzw. Asylantragsteller beantragen, von einem Mann bzw. einer Frau angehört zu werden? In wie vielen Fällen betrifft dies Asylanträge aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität, und in wie vielen Fällen wurde diesen Anträgen entsprochen? Eine entsprechende Statistik wird nicht geführt. 17. Gibt es konkrete Vorgaben dazu, welche Fragen Anhörerinnen bzw. Anhörer bei SOGI-Anträgen stellen sollen, und welche Fragen nicht gestellt werden dürfen? Gibt es einen bestimmten SOGI-Fragenkatalog oder -Leitfaden, und falls ja, was beinhaltet dieser? a) Wie wird sichergestellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF keine zudringlichen Fragen zu den sexuellen Praktiken des Asylsuchenden stellen, was nach der Rechtsprechung des EuGH unzulässig wäre (vgl. Urteil des EuGH vom 2. Dezember 2014, Rechtssachen C-148/ 13 bis C-150/13)? b) Wie wird sichergestellt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAMF die vorgetragene sexuelle Orientierung eines Asylsuchenden nicht anhand von Befragungen beurteilen, die auf stereotypen Vorstellungen von Homosexualität beruhen, was nach der Rechtsprechung des EuGH unzulässig wäre (vgl. ebd.)? c) Gab es in Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 2. Dezember 2014 (Rechtssachen C-148/13 bis C-150/13) Änderungen der internen Leitlinien bzw. Weisungen im BAMF zum Umgang mit SOGI-Asylverfahren, und was beinhalten diese ggf.? Die Fragen werden im Zusammenhang beantwortet. Den Antragstellenden zur Aufklärung des Sachverhalts zu stellenden Fragen hängen vom konkreten Einzelfall und dem individuellen Vorbringen der Antragstellenden ab. Pauschale Vorgaben dahingehend, welche Fragen zu stellen sind, gibt Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10733 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode es nicht. Anhörende werden entsprechend geschult, um angemessen mit der besonderen Situation der Antragsteller umzugehen und die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Antragstellenden zu achten (dazu auch Antwort zu Frage 26). 18. Inwieweit gibt es Textbausteine zu Verfolgung wegen der sexuellen Orientierung und/oder der Geschlechtsidentität, auf die BAMF-Mitarbeiterinnen und BAMF-Mitarbeiter beim Verfassen der Bescheide zurückgreifen? Wird darin zwischen Herkunftsländern bzw. zwischen lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans oder intersex Anträgen differenziert? Die Bundesregierung versteht die Frage so, dass mit Textbausteinen vorgefertigte Begründungsteile zur allgemeinen Verwendung durch Entscheiderinnen und Entscheider gemeint sind. Entscheidern stehen grundsätzlich verschiedene Quellen zur Vorbereitung ihrer Entscheidungen zur Verfügung, ohne, dass eine Vorgabe besteht, diese Quellen im Sinne eines Textbausteins zu verwenden. Da die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität im Einzelfall zum Vorliegen eines Verfolgungsgrundes führen kann, hinsichtlich der Verfolgungshandlung jedoch eine Vielzahl denkbarer Erscheinungsformen möglich ist, erfolgt die Bewertung durch den Entscheider anhand des individuellen Einzelfalls. 19. Wie stellt das BAMF sicher, dass LSBTI-Antragstellerinnen bzw. -Antragsteller aus „sicheren Herkunftsstaaten“, die eine vergleichsweise geringe Anerkennungsquote haben, aber nichtsdestotrotz homosexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe stellen (wie z. B. Ghana), eine faire Chance auf Prüfung ihres Asylgesuchs bekommen? Wie wird in beschleunigten Verfahren sichergestellt, dass auf die Bedürfnisse von LSBTI-Geflüchteten als besonders schutzbedürftige Gruppe eingegangen wird? Für Antragstellende aus sicheren Herkunftsländern gelten die gleichen Vorgaben wie für alle anderen Antragstellenden. Auf die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse wird in gleicher Weise geachtet wie bei allen anderen Antragstellenden . Unabhängig von der Einstufung ihres Herkunftslandes als sicherer Herkunftsstaat , kann auch bei Asylsuchenden aus sicheren Herkunftsstaaten, durch die von ihnen angegebenen Tatsachen oder Beweismittel die Annahme begründet werden, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes (AsylG) oder ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Absatz 1 AsylG droht (vgl. § 29a Absatz 1 AsylG). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/10733 20. Gibt es Länder, die das BAMF derzeit als sicher für LSBTI-Geflüchtete einstuft ? Bei welchen Ländern sieht das BAMF derzeit die Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative (bitte die als sicher eingestuften Landesteile je Land auflisten)? Nach welchen Kriterien wird eine solche Einstufung vorgenommen, und welche Quellen werden dabei herangezogen? Im Rahmen der Einstufungen erfolgt keine Differenzierung nach Fluchtgründen. Das Bundesamt prüft im Einzelfall stets die Möglichkeit internen Schutzes unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Schutzsuchenden sowie die Sicherheitslage in den betroffenen Gebieten. Eine Auflistung einzelner Landesteile je Land erfolgt daher nicht. Im Rahmen der Prüfung der Lage in den jeweiligen Herkunftsländern wertet das BAMF verschiedene Quellen aus. In erster Linie handelt es sich dabei um Berichte des AA, die aktuelle nationale und internationale Presseberichterstattung, die deutsche Verwaltungsrechtsprechung, EASO- Berichte, Einschätzungen des UNHCR sowie Berichte der UN. 21. Wie bewertet das BAMF die momentane Situation von LSBTI in Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, Eritrea, Türkei, Nigeria, Somalia, Marokko, Tunesien und Algerien (bitte ausführen und auf etwaig bestehende Strafvorschriften , das Ausmaß von Strafverfolgung, An- und Übergriffe, Ächtung und Stigmatisierung durch nichtstaatliche Akteure, sonstige Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure eingehen)? Das BAMF gibt keine bindenden Bewertungen zur Situation der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Flüchtlinge in den genannten Ländern vor, denen die Einzelentscheider folgen müssten. Vielmehr werden den Entscheidern entsprechende Materialien für diese Länder aus unterschiedlichen Quellen zur Verfügung gestellt, aus denen sie einzelfallbezogen die Situation für den Schutzsuchenden in dem jeweiligen Herkunftsland, die Möglichkeit internen Schutzes unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Schutz-suchenden, ggf. die jeweiligen Zugangs- und Niederlassungsbeschränkungen sowie die Sicherheitslage in den betroffenen Gebieten prüfen und bewerten . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 20 verwiesen. 22. Inwieweit ist die Aussage des BAMF weiterhin zutreffend, es sei einer Antragstellerin bzw. einem Antragsteller grundsätzlich nicht zumutbar, gefahrenträchtige Verhaltensweisen zu vermeiden, um einer Verfolgung auszuweichen , die ihm andernfalls, z. B. wegen seiner sexuellen Ausrichtung, drohen würde (vgl. Schreiben vom 27. Dezember 2012 des BAMF an Volker Beck), und wie genau definiert das BAMF diese „gefahrenträchtigen Verhaltensweisen “? a) Wieso wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten (Bundestagsdrucksache 19/5314) darauf hingewiesen, dass Homosexualität für die algerischen Behörden dann strafrechtlich relevant wird, wenn sie „öffentlich sichtbar gelebt wird“? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10733 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode b) Inwieweit soll damit hervorgehoben werden, dass Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Algerien womöglich keine Strafverfolgung droht, solange sie ihre sexuelle Orientierung geheim halten, und inwieweit ist diese Information überhaupt von Bedeutung, vor dem Hintergrund, dass Schutzsuchenden laut Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 7. November 2013, Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12) nicht zugemutet werden darf, gefahrenträchtige Verhaltensweisen zu vermeiden, um einer Verfolgung auszuweichen? Die Fragen werden im Zusammenhang beantwortet. Den Grundsatz, dass im konkreten Asylverfahren bei einer Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat grundsätzlich kein Vermeidungsverhalten verlangt wird, gilt nach wie vor. Der zitierte Teil der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung beschreibt generell und abstrakt die Lage in Algerien. Auch in den Staaten, die bereits als sicherer Herkunftsstaat eingestuft sind, kann bei Asylsuchenden aus solchen Staaten, durch die von ihnen angegebenen Tatsachen oder Beweismittel die Annahme begründet werden, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne von § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes (AsylG) oder ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Absatz 1 AsylG droht (vgl. § 29a Absatz 1 AsylG). 23. Gibt es eine unabhängige Beschwerdestelle, an die sich LSBTI-Geflüchtete wenden können, wenn es Probleme während ihres Asylverfahrens gab bzw. sie der Meinung sind, dass sie ungerecht behandelt wurden, oder dass ihnen entgegen der Rechtsprechung des EuGH zudringliche Fragen gestellt wurden ? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, ob es unabhängige Beschwerdestellen gibt, an die sich lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Geflüchtete wenden können. 24. Plant das BAMF, künftig eine Statistik zu Asylanträgen aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität zu führen? Falls nein, wieso nicht (bitte begründen)? Welche Einschätzungen gibt es im BAMF dazu, in welchem Umfang Asylsuchende eine Verfolgung wegen ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihrer geschlechtlichen Identität als Asylgrund geltend machen? Die Erhebung von Statistiken aufgrund sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität ist nicht beabsichtigt. Es handelt sich um intime und persönliche Informationen, die nach oben geschilderten Verfahrensweisen im Einzelfall berücksichtigt werden. Für weitergehende Speicherung, Erfassung und Verarbeitung geschlechts- und Sexualinformationen besteht keine Erforderlichkeit. Es geht bei Vulnerabilitäten gerade nicht darum, diese als Selbstzweck festzustellen, sondern sie im Einzelfall mit Besonderheiten im Verfahren oder bei der rechtlichen Prüfung gegebenenfalls zu berücksichtigen. Ergänzend wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/10733 25. Inwiefern wirkt sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 (1 BvR 2019/16) zu der Regelung eines dritten Geschlechts auf die Praxis des BAMF aus? Das Bundesamt berücksichtigt Besonderheiten bei der geschlechtlichen Identität nach allgemeinen Grundsätzen. Besonderheiten in Bezug auf die geschlechtliche Identität werden entsprechend anderer möglicher Vulnerabilitäten in der Praxis des BAMF behandelt bzw. berücksichtigt. 26. Welche Schulungen erhalten Anhörerinnen bzw. Anhörer und Entscheiderinnen bzw. Entscheider im BAMF derzeit? Beinhalten diese den Umgang mit Asylanträgen aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität? Wer führt diese Schulungen durch? Wie häufig werden Auffrischungsschulungen angeboten? a) Ist eine Schulung zu sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität für alle Anhörerinnen bzw. Anhörer und Entscheiderinnen bzw. Entscheider obligatorisch? b) Inwieweit sind der Bundesregierung Studien zur Repräsentation von LSBTI unter den Mitarbeitenden des BAMF und anderer Bundesbehörden bekannt? Die Fragen werden im Zusammenhang beantwortet. Alle Entscheiderinnen und Entscheider erhalten die umfangreiche Qualifizierung für Neueinstellungen (Dauer: 12 Wochen), die Themen wie materielles Flüchtlingsrecht , Anhörungstechnik und Bescheid-Erstellung enthält sowie spezielle Unterweisungen zu Datenschutz, Dublin, Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden , IVS/MedCoi und PTU enthält. Zusätzlich erhalten alle Entscheider/innen die EASO-ETC-Core-Module „Schutzgewährung“, „Gesprächsführungstechniken“ und „Beweiswürdigung“. Darauf aufbauend werden die EASO-ETC-Aufbaumodule „interviewing Children “, „interviewing vulnerable Persons“, „Gender“, „Gender Identity“ and „sexual Orientation“ sowie die Sonderbeauftragten-Schulungen „unbegleitete Minderjährige “, „geschlechtsspezifische Verfolgung“, „Traumatisierte und Folteropfer “, „Opfer von Menschenhandel“, „Sicherheitsfragen im Asylverfahren“, „Dublin III Regulations“ sowie HKL-Schulungen, Glaubhaftigkeitsprüfung im Asylverfahren , Asylverfahrensberatung, Sicherheit im Asylverfahren, Einsatzvor- und -nachbereitungen für Auslandseinsätze für EASO in Italien und Griechenland; Antidiskriminierung und Diversitätssensibilisierung durchgeführt. Aufbauende bzw. auffrischende Schulungsmaßnahmen werden regelmäßig bedarfsorientiert durchgeführt. Der Umgang mit Antragstellenden, die Asylanträge aufgrund sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität stellen, wird in zahlreichen der genannten Maßnahmen aufgegriffen. In Schulungen für Sonderbeauftragte geschlechtsspezifische Verfolgung und dem EASO-ETC-Aufbaumodul Gender, Gender Identity and sexual Orientation wird die Thematik intensiv behandelt. Die Schulungsmaßnahmen werden von internen und externen Dozierenden sowie unter Einbeziehung von Fachverbänden durchgeführt. Der Bundesregierung sind keine Studien zur Repräsentation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen unter den Mitarbeitenden des Bundesamtes und anderer Bundesbehörden bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10733 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 27. Werden für die im BAMF tätigen Sprachmittlerinnen bzw. Sprachmittler Schulungen angeboten, und beinhalten diese ggf. eine spezifische Schulung zu Anträgen aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität ? Ist das ggf. verwendete Schulungsmaterial öffentlich einsehbar? Wenn ja, wo, und in welcher Form? a) Gibt es eine Liste darüber, welche Sprachmittlerinnen bzw. Sprachmittler welche Fortbildungen absolviert haben, sodass themenspezifisch Sprachmittlerinnen bzw. Sprachmittler ausgewählt werden können? b) Führt das Bundesamt Statistiken darüber, wie viele Antragstellerinnen bzw. Antragsteller einen männlichen Sprachmittler bzw. eine weibliche Sprachmittlerin beantragen, in wie vielen Fällen dies Asylanträge aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität betrifft, und in welchem Umfang diesen Anträgen entsprochen wird? Die Fragen 27 bis 27b werden im Zusammenhang beantwortet. Als Freiberuflerinnen und Freiberufler sind die für das Bundesamt tätigen Sprachmittelnden eigenständig für ihre Qualifizierung und Weiterbildung verantwortlich . Um die Sprachmittelnden jedoch für die wichtigsten Aspekte ihrer Aufgaben beim BAMF vorzubereiten, hat das Bundesamt eine Online-Videosensibilisierung eingeführt, welche die wichtigsten Aspekte zum Themenbereich Dolmetschen im Asylverfahren abdeckt. Dies sind beispielsweise grundlegende Kenntnisse über den Ablauf eines Asylverfahrens, Dolmetschkompetenzen bezogen auf das Asylverfahren, Psychosoziale Kompetenzen, Berufsethik und Professionalität . Da das Material eigens für Sprachmittelnde entwickelt wurde, die für das Bundesamt tätig sind, ist das Material nicht öffentlich einsehbar. Aufbauende bzw. auffrischende Schulungsmaßnahmen werden regelmäßig bedarfsorientiert durchgeführt. Eine Liste zu Fortbildungen einzelner Sprachmittler existiert nicht. Statistiken im Sinne der Frage 27b werden nicht erhoben. 28. Gibt es Statistiken zu Klagen gegen Entscheidungen des BAMF im Zusammenhang mit Verfolgung aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität , und wie sehen diese ggf. aus (bitte nach Möglichkeit Angaben machen zur Zahl anhängiger Gerichtsverfahren sowie zur Zahl ergangener Entscheidungen seit 2015, und dabei zwischen Asylberechtigung, GFK-Schutz (GFK = Genfer Flüchtlingskonvention), subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot, Ablehnung, Ablehnung als unzulässig differenzieren)? Falls es bislang keine Erfassung nach Asylgründen gibt, ist eine solche Erfassung für die Zukunft geplant? Falls eine solche Erfassung nicht geplant ist, warum nicht (bitte begründen)? Verfolgungsgründe werden statistisch nicht erfasst. Dies gilt auch für Asylverfahren , die gerichtlich angegriffen werden. Eine Erfassung ist mangels rechtlicher Erforderlichkeit und aufgrund des Umstandes, dass das individuelle Verfolgungsschicksal nur unzureichend abstrahiert werden kann, nicht vorgesehen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 24 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/10733 29. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung für Richterinnen und Richter Fortbildungen zum Umgang mit Asylanträgen aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität? Falls ja, wer bietet sie nach Kenntnis der Bundesregierung an, wie oft geschieht dies, und in welchem Umfang nehmen Richterinnen und Richter die Angebote wahr? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Für die Fortbildung der im Landesdienst stehenden Richterinnen und Richter sind die Länder zuständig . 30. Inwieweit sind der Bundesregierung Studien zur Repräsentation von LSBTI* unter Richterinnen und Richtern bekannt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Studien vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333