Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 4. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10739 19. Wahlperiode 06.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Herbst, Frank Sitta, Oliver Luksic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/10389 – Einrichtung von temporären Seitenstreifenfreigaben auf Bundesautobahnen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Verkehrsaufkommen auf den Autobahnen in Deutschland steigt seit Jahren stetig. Laut der Verkehrsprognose 2030 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ist allein zwischen 2010 und 2030 mit einem Anstieg des Verkehrsaufkommens von 39 Prozent im Güterverkehr und von 10 Prozent im Personenverkehr zu rechnen (www.bmvi.de/SharedDocs/DE/ Anlage/VerkehrUndMobilitaet/verkehrsprognose-2030-praesentation.pdf?__ blob=publicationFile). Gleichzeitig erhöht sich die Bauzeit für den Neubau und die Erweiterung von Autobahnen, unter anderem aufgrund langwieriger Planungs - und Genehmigungsverfahren, Kapazitätsengpässen im Baugewerbe und komplexer umweltrechtlicher Vorgaben. Durch diese Gleichzeitigkeit einer wachsenden Verkehrsbelastung und längeren Bauzeiten erreichen immer mehr Autobahnabschnitte in Deutschland, insbesondere in Stoßzeiten, ihre Belastungsgrenze . Die Verkehrsbehörden der Länder haben in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, auf Autobahnabschnitten mit Streckenbeeinflussungsanlagen (SBA) temporäre Seitenstreifenfreigaben (TSF) einzurichten. So können gezielt stark ausgelastete Strecken insbesondere in Ballungsräumen erweitert und damit die vorhandene Verkehrsinfrastruktur effektiver genutzt werden. Da Seitenstreifenfreigaben nach Angaben der Straßen- und Verkehrsmanagementbehörde des Landes Hessen („Hessen mobil“) die Kapazität von Autobahnen um bis zu 25 Prozent erhöhen können, leisten diese damit einen Beitrag zur Staubekämpfung (https://mobil.hessen.de/sites/mobil.hessen.de/files/contentdownloads /HLSV_Flyer_Temporäre_Seitenstreifenfreigabe.pdf). So konnte nach Angaben von „Hessen mobil“ auf der Autobahn 5 zwischen der Anschlussstelle Friedberg und dem Frankfurter Nordwestkreuz durch die Einrichtung einer TSF eine Einsparung von staubedingten Zeitverlusten von 3 000 Kfz-Stunden täglich erreicht werden. Dies entspräche einem volkswirtschaftlichen Nutzen von ca. 50 000 Euro. Dabei seien hinsichtlich der Verkehrssicherheit keine negativen Veränderungen festgestellt worden – im Gegenteil: Die Unfallrate sei sogar um bis zu 35 Prozent gesenkt worden. Unter diesen Voraussetzungen ist eine TSF dementsprechend nicht nur ökonomisch, sondern durch einen verbesserten Verkehrsfluss auch ökologisch sinnvoll. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10739 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die Einrichtung und Überwachung von TSF nach der Reform der Bundesfernstraßenverwaltung ab dem Jahr 2021 geregelt sein wird. Da die Bundesautobahnen dann nicht mehr in Auftragsverwaltung durch die Länder, sondern in Bundesverwaltung geführt werden , ergeben sich konsequenterweise auch Auswirkungen auf temporäre Verkehrssteuerungsmaßnahmen . Im „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ des Bundes aus dem Jahr 2011 wurden bereits einmal die Realisierungspläne von Verkehrsbeeinflussungsanlagen wie auch der TSF bis zum Jahr 2015 festgehalten. Demnach wurde 2015 der Verkehr auf ca. 9 Prozent der Autobahnen durch SBA geregelt. Die TSF war dabei auf einer Strecke von 210 Kilometern möglich (www.bast.de/BASt_2017/DE/Verkehrstechnik/Fachthemen/v5- verkehrsbeeinflussungsanlagen.html). 1. Welchen Beitrag können temporäre Seitenstreifenfreigaben nach Auffassung der Bundesregierung zur Kapazitätserweiterung von Autobahnen leisten ? Das Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS, Ausgabe 2015) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen enthält als technisches Regelwerk standardisierte Verfahren zur Kapazitätsermittlung und Bewertung der Qualität des Verkehrsablaufes für unterschiedliche Straßenverkehrsanlagen . Gemäß HBS kann die Kapazität einer Richtungsfahrbahn auf Teilstrecken mit temporärer Seitenstreifenfreigabe, abhängig von Randbedingungen wie Längsneigung oder Schwerverkehrsanteil, um etwa 1/6 bis 1/4 höher liegen. 2. Wie viele temporäre Seitenstreifenfreigaben wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren auf den Bundesautobahnen eingerichtet (bitte nach Bundesland und Jahr aufschlüsseln)? Die Einrichtung von temporären Seitenstreifenfreigaben verteilt sich wie folgt: 3. Für welche durchschnittliche Dauer wurden die in den vergangenen zehn Jahren eingerichteten temporären Seitenstreifenfreigaben nach Kenntnis der Bundesregierung betrieben (bitte nach Bundesland und Jahr aufschlüsseln)? Die im Rahmen des Betriebs erforderlichen verkehrsbehördlichen Anordnungen erfolgen durch die zuständigen Straßenverkehrsbehörden der Länder. Aus diesem Grund liegen der Bundesregierung keine Informationen über konkrete Schaltungen von temporären Seitenstreifenfreigaben vor. Bundesland 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Baden‐Württemberg 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 Bayern 1 0 0 0 2 0 0 (3) 0 0 1 (1) Hessen 1 0 2 (2) 0 0 0 1 0 2 (2) Nordrhein‐Westfalen 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 Rheinland‐Pfalz 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 (1) Erweiterung einer bestehenden Anlage Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10739 4. Welche wissenschaftlichen Untersuchungen hinsichtlich der Vermeidung von Staugefahr und Staubildung, volkswirtschaftlichen Schäden durch Staus und Unfallraten in Bezug auf Streckenabschnitte mit temporären Seitenstreifenfreigaben liegen der Bundesregierung vor? 5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wonach sich die Unfallhäufigkeit auf Abschnitten mit temporären Seitenstreifenfreigabe grundlegend verändert hat? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Gemäß einer von der Bundesanstalt für Straßenwesen durchgeführten Untersuchung (Heft V 153 der BASt-Schriftenreihe) können Maßnahmen der Seitenstreifenfreigabe außerhalb von Ballungsräumen Sicherheitsgewinne erbringen, sofern die Seitenstreifenfreigabe unter Berücksichtigung der für solche Maßnahmen formulierten Randbedingungen (Fahrstreifenbreiten, Geschwindigkeitsbeschränkung etc.) realisiert wird. Die Untersuchung zeigt aber auch, dass zur Realisierung von Sicherheitsgewinnen ggf. vorhandene Unfallauffälligkeiten insbesondere in den Anschlussstellenbereichen beseitigt werden müssen. Wenn diese Unfallraten schon vor der Seitenstreifenfreigabe unterhalb der ermittelten Werte liegen, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Maßnahme neutral auf die Verkehrssicherheit auswirkt. 6. Welche Kosten entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Einrichtung einer temporären Seitenstreifenfreigabe durchschnittlich pro Autobahnkilometer ? Die Kosten für die Errichtung einer temporären Seitenstreifenfreigabe sind sehr stark abhängig von den örtlichen Gegebenheiten (z. B. Notwendigkeit der baulichen Ertüchtigung des Seitenstreifens). Aus diesem Grund können keine Durchschnittkosten für einen Autobahnkilometer angegeben werden. Es wird in jedem Einzelfall geprüft, ob die Anforderungen der Bundeshaushaltsordnung insbesondere zur Wirtschaftlichkeit erfüllt sind. 7. Welcher Anteil der Bundesautobahnen besitzt derzeit eine Streckenbeeinflussungsanlage , die die Einrichtung einer temporären Seitenstreifenfreigabe theoretisch zulassen würde? 8. Wie wird sich dieser Anteil nach Kenntnis der Bundesregierung in den kommenden fünf Jahren entwickeln? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Initiative zur Planung einer temporären Seitenstreifenfreigabe erfolgt auf Basis konkreter verkehrlicher Auffälligkeiten. Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse dazu vor, auf welchem Anteil der Bundesautobahnen alle technischen und wirtschaftlichen Anforderungen an eine temporäre Seitenstreifenfreigabe vorliegen und wie sich diese in den nächsten fünf Jahren entwickeln könnten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10739 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Auf welchen Bewertungskritierien beruht derzeit die Einrichtung von temporären Seitenstreifenfreigaben, und besteht an diesen Kriterien nach Auffassung der Bundesregierung Änderungsbedarf? Für eine Seitenstreifenfreigabe sind verschiedene verkehrstechnische (z. B. Verkehrsstärken , Unterschreiten bestimmter Qualitätsstufen) und konstruktive (Tragfähigkeit des Seitenstreifens, Nothaltebuchten, etc.) Anforderungen zu erfüllen. Auch kommt eine Seitenstreifenfreigabe nur im Vorgriff auf den regelgerechten Ausbau in Betracht. Alle Anforderungen wurden den Obersten Straßenbaubehörden im Allgemeinen Rundschreibeiben Straßenbau (ARS) Nr. 20/2002 vom 5. August 2002 mitgeteilt. 10. Ist für die Einrichtung von temporären Seitenstreifenfreigaben immer ein Planfeststellungsverfahren notwendig? Die temporäre Freigabe des Seitenstreifens setzt in der Regel bauliche Änderungen an der vorhandenen Straße voraus (z. B. Nothaltebuchten, Anpassungen der Ein- und Ausfädelungsstreifen). Änderungen an Bundesfernstraßen bedürfen der vorherigen Durchführung eines Planfeststellungsverfahren (§ 17 Absatz 1 des Bundesfernstraßengesetzes). Abhängig vom Einzelfall kann anstelle eines Planfeststellungsverfahrens eine Plangenehmigung erteilt werden, wenn unter anderem Rechte Dritter, bspw. Grundstückseigentümer, nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden (vgl. § 74 Absatz 6 VwVfG). Darüber hinaus kann auf die Plangenehmigung unter bestimmten Bedingungen verzichtet werden, bspw. wenn Rechte Dritter nicht beeinflusst werden oder wenn sich Betroffene vorab mit der Planung einverstanden erklärt haben (vgl. § 74 Absatz 7 VwVfG). 11. Wie sollen die Einrichtung und Steuerung von temporären Seitenstreifenfreigaben nach der Reform der Bundesfernstraßenverwaltung im Jahr 2021 nach Auffassung der Bundesregierung geregelt werden? Die Organisationsform des Autobahnbetriebs (Auftragsverwaltung oder Autobahn GmbH des Bundes) hat darauf keinen Einfluss. 12. Welche Ziele hat der Bund mit dem „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ verfolgt, und welche Erkenntnisse wurden daraus gewonnen? 13. Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung des „Projektplans Straßenverkehrstelematik 2015“ hinsichtlich der darin geplanten Einrichtungen von Streckenbeeinflussungsanlagen mit temporärer Seitenstreifenfreigabe? 14. Plant die Bundesregierung eine Fortführung oder Wiederauflage des „Projektplans Straßenverkehrstelematik 2015“? Falls ja, wann soll dieser vorliegen, und falls nein, warum nicht? Die Fragen 12 bis 14 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Durch Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf Bundesautobahnen wird die bestehende Verkehrsinfrastruktur besser ausgenutzt, Verkehrsstörungen werden vermieden und Reisezeiten z. T. deutlich verkürzt. Gleichzeitig wird die Zahl der Verkehrsunfälle reduziert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10739 Der „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ beinhaltete über 130 konkrete von den Bundesländern entwickelte Maßnahmen, für deren Umsetzung rd. 300 Mio. Euro zur Verfügung standen. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit Verkehrsbeeinflussungsanlagen bei der Ausstattung unfallträchtiger und stauanfälliger Streckenabschnitte wird der „Projektplan Straßenverkehrstelematik 2015“ durch die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern strategisch fortgeschrieben . Dabei werden neue, zukunftsweisende Intelligente Verkehrssysteme (IVS) in den Projektplan einbezogen. Für telematische Systeme zur Verkehrssteuerung inkl. IVS stellt der Bund jährlich 60 Mio. Euro zur Verfügung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333