Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 1. März 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/1085 19. Wahlperiode 06.03.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jörn König, Jochen Haug, Stephan Brandner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/771 – Situation in Ungarn im Herbst 2015 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ungarn war das erste einstmals kommunistische Land, welches die Genfer Flüchtlingskonvention ratifizierte und im Jugoslawienkrieg lobte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) Ungarn wegen seiner Flüchtlingspolitik (vgl. www.refworld.org/pdfid/4f9167db2.pdf). Seit dem 21. Dezember 2007 ist Ungarn Teil des Schengen-Raumes und ist somit zur Sicherung der EU-Außengrenze verpflichtet. Die Flüchtlingskrise verstärkte die Sicherungs- und Kontrollprobleme an den Grenzen. 2012 gab es in Ungarn noch etwa 2 000 Asylanträge, ein Jahr später hatte Ungarn knapp 19 000 Anträge zu bewältigen. Rechnet man das auf die Einwohner um, lag Ungarn damals in dieser Hinsicht im Spitzenfeld der Europäischen Union und über den Belastungszahlen Deutschlands. 2014 stieg die Einwanderungszahl auf knapp 43 000 Personen. Je 1 000 Einwohner stieg die Zahl auf 2,9 Anträge. Damit lag in der EU Ungarn nach Schweden auf Platz 2. Im ersten Halbjahr 2015 erhöhte sich die Zahl auf über 70 000 Asylanträge. Der exorbitante Anstieg der nicht legalen Grenzübertritte brachte die ungarischen „Behörden an die Grenze ihrer Belastbarkeit“ (vgl. www.pesterlloyd.net/ html/1503fluechtlingsstatistik2014.html). Der Fraktionschef der Regierungspartei Fidesz, Antal Rogán, forderte: „Flüchtlinge müssten so lange unter Kontrolle bleiben, solange ihr Status nicht geklärt sei“ (vgl. www.deutschlandfunk. de/schengen-aussengrenze-ungarn-will-staerker-kontrollieren.795.de.html? dram:article_id=315371). Im gesamten Jahr 2015 betrug in Ungarn die Anzahl der Asylanträge etwa 170 000 (vgl. http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Asylum_ statistics/de). Damit ergab sich vom Jahr 2012 aus gesehen eine Steigerungsrate von etwa 8 500 Prozent im Jahr 2015 bei der Anzahl der Asylanträge. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/1085 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ungarn berief sich rechtmäßig auf die Dublin-II-/III-Verordnung, wobei der Großteil der Einreisenden über Griechenland eingereist und dorthin zurückzuschicken sei. Nach Ministerpräsident Viktor Orban ist es „moralisch nicht richtig “, den Menschen „falsche Hoffnungen zu machen“: „Bitte kommen Sie nicht. Es ist riskant zu kommen. Wir können nicht garantieren, dass Sie akzeptiert werden.“ Für Viktor Orban ist die Flüchtlingskrise ein deutsches Problem (vgl. www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/orban-ueber-fluechtlingskrisedas -problem-ist-ein-deutsches-problem-13783525.html). Ungarn hält sich nach eigenen Angaben an die Dublin-II-/III-Verordnung, nach der jeder Flüchtling seinen Asylantrag in dem EU-Land stellen müsste, welches er zuerst betreten hat. Die Flüchtlinge, die Ungarn zuerst betreten haben und dann in ein anderes EU-Land wechseln, könnten nach Ungarn zurückgeschickt werden. Ungarns Außenminister Peter Szijjarto verwies darauf: „Der ungarische Staat ist klar und unverändert“, denn Budapest nehme die Flüchtlinge zurück , die in Ungarn zum ersten Mal das Gebiet der EU betreten hätten (vgl. https://derstandard.at/2000017915932/Ungarn-nimmt-keine-Fluechtlingezurueck ). Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom Sommer 2017 (Az. C-490/16 und C-646/16; vgl. auch www.lto.de/recht/hintergruende/h/ eugh-c490-16-jafari-illegale-einreise-fluechtlingskrise-dublin-iii/) bekräftigt, dass das Dublin-III-Abkommen gilt. Von diesem Urteil sind zahlreiche Flüchtlinge , die sich in Deutschland aufhalten, betroffen. Nach Auffassung des EuGH ist ein Grenzübertritt auch dann „illegal“, wenn ein EU-Staat die Einreise aus humanitären Gründen und in einer außergewöhnlichen Situation gestattet. Demzufolge gilt auch dann die Regelung der Dublin-III-Verordnung, wonach Flüchtlinge in dem EU-Staat Asyl beantragen müssen, wo sie erstmalig europäischen Boden betreten. 1. Welche Abteilung in welchem Bundesministerium hat die Flüchtlingssituation in Ungarn beobachtet? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/599 vom 1. Februar 2018 verwiesen . Alle Abteilungen in den dort genannten Ministerien mit Europazuständigkeit beobachten die Flüchtlingssituation in Ungarn. 2. Welche Berichte wurden dazu wann verfertigt? Wurden diese Berichte der Ministerebene vorgelegt? Die Deutsche Botschaft Budapest berichtet kontinuierlich. Die Berichte der Botschaft erfolgen fernmündlich, mündlich und schriftlich im Rahmen der diplomatischen Korrespondenz an das Auswärtige Amt sowie die verschiedenen beteiligten Ministerien, Behörden und das Bundeskanzleramt. 3. Sind diese Berichte jemals zu der Auffassung gelangt, dass Ungarn mit der Zahl der Flüchtlinge nicht fertig wird? Falls ja, wann? Es gab keine Berichte der Deutschen Botschaft Budapest, die zu dieser Auffassung gelangt sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/1085 4. War die Bundesregierung immer der Meinung, dass Ungarn seinen rechtlichen Pflichten nach der Dublin-II-/III-Verordnung vollumfänglich nachkommt ? Falls nein, wann hatte sie erstmals Zweifel? Die Überwachung der Einhaltung der europäischen Normen obliegt der Europäischen Kommission. Die Bundesregierung verfolgt die Einschätzung der Europäischen Kommission zur Einhaltung der europäischen Normen in anderen Mitgliedstaaten sowie die asylrechtsbezogenen Aktivitäten der Europäischen Kommission im Hinblick auf Ungarn mit großer Aufmerksamkeit. 5. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass Ungarn die Schuld daran trägt, dass es seinen Pflichten zur Registrierung der Flüchtlinge nicht nachgekommen ist? Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Schuldzuweisungen gegenüber anderen EU-Mitgliedstaaten und nimmt diese auch nicht vor. 6. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung das Recht und die Pflicht Ungarns, die ankommenden Flüchtlinge zu registrieren? Jeder Mitgliedstaat ist dazu verpflichtet, entsprechend den Vorgaben der Verordnung 2013/603/EU über das europäische daktyloskopische System (EURODAC) Registrierungen vorzunehmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen . 7. Gegen welche Pflichten aus der Dublin-II-/III-Verordnung hat Ungarn nach Ansicht der Bundesregierung verstoßen? Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 8. Hat die Bundesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt damit gerechnet, dass die Flüchtlinge in Ungarn weiter in Richtung Deutschland ziehen würden? Wann hat die Bundesregierung dies erstmals erwogen? Wann hielt die Bundesregierung dies erstmals für wahrscheinlich? Welche Maßnahmen hat sie jeweils ergriffen? Es ist allgemein bekannt, dass Flucht- und Migrationsbewegungen in Richtung der westlichen und nördlichen EU-Mitgliedstaaten stattfinden und stattfanden. Vor diesem Hintergrund wurden seitens der Bundesregierung zahlreiche Aktivitäten und Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene initiiert, um Fluchtund Migrationsbewegungen zu steuern und die Einhaltung der europäischen Normen zu gewährleisten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333