Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 11. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10854 19. Wahlperiode 13.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten der Abgeordneten Karsten Hilse, Marc Bernhard, Andreas Bleck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/10352 – Schutz der Anwohner vor Infraschall – Gewährleistung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Menschen in der Umgebung von Windenergieanlagen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Infraschall, der von allen Windenergieanlagen (WEA) emittiert wird, belastet mit zunehmender Anzahl und Leistung der Anlagen das Wohlbefinden und die Gesundheit von immer mehr Menschen (https://umweltmessung.com/wpcontent /uploads/2015/06/Kommentierung-Studien-Infraschall.pdf). Die Richtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) und die Regelungen in der DIN ISO 9613-2 erfassen laut eines Positionspapiers von AEFIS nicht die gesamten medizinisch relevanten Frequenzbereiche (AEFIS: Ärzte für Immissionsschutz, Positionspapier zu Gesundheitsrisiken beim Ausbau der erneuerbaren Energien). Hinsichtlich der Immissionsbewertung von Windenergieanlagen existieren allerdings seit einigen Jahren kritische Stimmen, die die zutreffende Ermittlung der Schallbelastung mit eben dieser Methodik in Frage stellen (www.vbvh.de/ news-detail/handlungsvorschlaege-zum-interimsverfahren-neuer-gesicherterwissenschaftlicher -erkenntnisstand). Der besonderen Qualität des von WEA emittierten Schalls wird die Beurteilung nach der TA Lärm nicht gerecht, da der Stör- und Schädigungsgehalt des Lärms durch diese Verwaltungsvorschrift nicht ausreichend berücksichtigt wird (www. pronaturraum.de/2012/11/26/gesundheitsgefahren-durch-schalleinwirkungenvon -windenergieanlagen). Wenn im tatsächlichen Dauerbetrieb die Schallemissionen zu nach Ansicht der Fragesteller erheblichen Belastungen führen, dann erfassen die im Genehmigungsverfahren einmalig eingesetzten Berechnungsmodelle und Prüfmessungen diese Art der Belastungen nicht. Die einmaligen Messungen nach den Inbetriebnahmen oder Messungen von Schallemissionen nach dem Eingang von Beschwerden der Anwohner bei den Behörden werden nach Wahrnehmung der Fragesteller von der Bevölkerung als unzureichend und nicht zielführend empfunden . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10854 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Insgesamt erscheinen die Einrichtung von Dauermessstationen für WEA-Geräusche sowie weitere Studien zur Wirkung auf Anwohner sinnvoll, im Sinne eines Homo-Sapiens-Monitorings (analog zum Fledermaus-Monitoring) – dies wird von Wissenschaftlern empfohlen und durch betroffene Anwohner befürwortet (www.dbu.de/projekt_28754/01_db_2409.html). Der Bundesregierung ist seit 2014 bekannt, dass Schallschutznormen, auch internationale , zur Erfassung von Infraschallimmissionen Defizite aufweisen (Forschungskennzahl 3711 54 199 UBA-FB 001948). Die Fragesteller ziehen den Schluss, dass Studien zur Untersuchung der Wirkungen des Infraschalls auf die menschliche Gesundheit und sein Wohlbefinden dringend erforderlich sind – regionale kommunale Vorgaben mit vereinfachten Abstandsregelungen als ein Vielfaches der Nabenhöhe der WEA können nur ein Teil der Lösung sein, sind aber nicht ausreichend zum Wohle der Menschen. Die fehlenden Forschungsfortschritte zur Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit durch Infraschall machen nach Ansicht der Fragesteller eine Neubewertung der TA Lärm dringend erforderlich. Hier handelt es sich nicht um theoretische Befürchtungen, sondern um spürbare Verschlechterungen des Wohlbefindens und der Gesundheit der Menschen. Ein normativ niedergelegtes oder verbindliches Verfahren für die Prognose tieffrequenter Geräusche existiert in Deutschland nach Ansicht der Fragesteller nicht. Selbst eine behördliche Überprüfung in der Planung kann im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens in der Regel die tieffrequenten Geräusche nicht erfassen, weil kein standardisiertes Prognoseverfahren existiert (www. umweltbundesamt.de/publikationen/tieffrequente-geraeusche-im-wohnumfeld). Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) hat unter Begleitung des DIN/VDI-Normenausschusses Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik (NALS) ein Interimsverfahren für WEA zur Schallausbreitung entwickelt (letzte bekannte Fassung 2015-05-01). Vom zuständigen Unterausschuss des NALS, wird ein Verfahren zur Schallausbreitungsrechnung zur Verfügung gestellt, welches den Anwendungsbereich der DIN ISO 9613- 2:1999-10 auf Windkraftanlagen als hochliegende Quellen erweitert (Dokumentation zur Schallausbreitung – Interimsverfahren für Windkraftanlagen, Fassung 2015-05-01). Dieses Interimsverfahren wird bei Genehmigungsverfahren für WEA noch nicht rechtswirksam eingesetzt, obwohl das Verfahren eine Verbesserung und Weiterentwicklung bei der Beurteilung der Schallausbreitung von Windenergieanlagen darstellt. 1. Welche Position hat die Bundesregierung bezüglich des Forschungsstandes zum Einfluss des Infraschalls von Windenergieanlagen (WEA) auf die Gesundheit von Menschen? Im Hinblick auf die Infraschallbelastung durch Windenergieanlagen kann nach heutigem Stand der Forschung davon ausgegangen werden, dass diese im Vergleich mit anderen natürlichen und technischen Quellen sehr gering ist, so dass es hierbei nicht zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit kommt. Die Bundesregierung verfolgt die weitere Entwicklung des Erkenntnisstandes bei der Immissionsbeurteilung von Anlagengeräuschen. Dies schließt auch den Bereich der tieffrequenten Geräuschimmissionen und des Infraschalls ein. Somit wird sichergestellt, dass neue Entwicklungen frühzeitig erkannt und auf neue gesicherte Erkenntnisse zurückgegriffen werden kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10854 2. Welche weiteren humanmedizinischen Studien ab Erscheinungsjahr 2017 sind der Bundesregierung bekannt? Die Forschung zu Auswirkungen von Infraschallimmissionen auf Mensch und Umwelt wird durch die Bundesregierung verfolgt. Aktuelle Forschungsergebnisse werden bei der Durchführung eigener Forschungsvorhaben berücksichtigt. Eine Recherche aller seit 2017 hierzu durchgeführten Studien ist in dem kurzen Zeitrahmen nicht möglich. Die Bundesregierung weist auf folgende Studien und Analysen hin: Van Kamp I., van den Berg F.: Health Effects Related to Wind Turbine Sound, Including Low-Frequency Sound and Infrasound. Acoustics Australia, 2017: p. 1 – 27. https://doi.org/10.1007/s40857-017-0115-6 Poulsen A. H., Raaschou-Nielsen O., Peña A., Hahmann A. N., Nordsborg R. B., Ketzel M., Brandt J., Sørensen M.: Short-term nighttime wind turbine noise and cardiovascular events: A nationwide case-crossover study from Denmark. Environment International 2018 May;114:160-166, www.sciencedirect.com/science/ article/pii/S0160412017317889?via%3Dihub Poulsen A. H., Raaschou-Nielsen O., Peña A., Hahmann A. N., Nordsborg R. B., Ketzel M., Brandt J., Sørensen M.: Long-term exposure to wind turbine noise and redemption of antihypertensive medication: A nationwide cohort study. Environment International 2018 Dec;121(Pt 1):207-215. www.sciencedirect.com/science/ article/pii/S0160412018303726 Poulsen A. H., Raaschou-Nielsen O., Peña A., Hahmann A. N., Nordsborg R. B., Ketzel M., Brandt J., Sørensen M.: Pregnancy exposure to wind turbine noise and adverse birth outcomes: a nationwide cohort study. Environmental Research 2018 Nov;167:770-775. www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0013935118304 985 [Zugriff am 24. Mai 2019]. Poulsen A. H., Raaschou-Nielsen O., Peña A., Hahmann A. N., Nordsborg R. B., Ketzel M., Brandt J., Sørensen M.: Long-term exposure to wind turbine noise at night and risk for diabetes: A nationwide cohort study. Environmental Research 2018 Aug;165:40-45. www.sciencedirect.com/science/article/pii/S00139351183 01713?via%3Dihub 3. Wird das Interimsverfahren (Fassung 2015-05.1), oder eine neuere Fassung, in Zukunft für die Beurteilung aller WEA verpflichtend genutzt werden? Wenn nein, warum nicht? 4. Warum folgt die Bundesregierung nicht der Empfehlung der Bund/Länder- Arbeitsgruppe Immissionsschutz zur weiteren Anpassung des Prognosemodells für die Schallausbreitung bei WEA? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern unterliegen dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Genehmigungsbedürftige Anlagen sind nach § 5 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen nicht hervorgerufen werden können und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10854 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen in Form von erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen durch Geräuschimmissionen zu befürchten sind, erfolgt auf Grundlage der „Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm“. Danach ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte der TA Lärm nicht überschreitet. Hinsichtlich der Beurteilung tieffrequenter Geräusche verweist die TA Lärm in Abschnitt 7.3 und Anhang A.1.5. auf die DIN 45680 „Messung und Bewertung tieffrequenter Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft“ und das zugehörige Beiblatt 1 „Hinweise zur Beurteilung bei gewerblichen Anlagen“. Zur Feststellung, ob die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte der TA Lärm nicht überschreitet, wird in der Regel eine Prognose der Geräuschimmissionen vorgenommen. Diese erfolgt gemäß Anhang A.2.3.4 der TA Lärm nach der DIN ISO 9613-2 „Akustik – Dämpfung des Schalls bei der Ausbreitung im Freien, Teil 2: Allgemeines Berechnungsverfahren (ISO 9613-2)“. Für die Prognose der Geräuschimmissionen von Windenergieanlagen wird das „Alternative Verfahren“ nach Abschnitt 7.3.2 der DIN ISO 9613-2 angewendet. Dieses Verfahren hat die „Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz“ (LAI) im Jahr 2005 in ihren „Hinweisen zum Schallimmissionsschutz bei Windenergieanlagen“ empfohlen. Die LAI hat auf ihrer 134. Sitzung vom 5. bis 6. September 2017 in Husum neue „Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (WKA)“ verabschiedet und den Bundesländern zur Anwendung empfohlen. Das sogenannte Interimsverfahren ist Bestandteil der neuen LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (WKA). Die Umweltministerkonferenz (UMK) und die Amtschefkonferenz (ACK) haben auf ihrer 89. Sitzung vom 15. bis 17. November 2017 in Potsdam die LAI-Hinweise zur Kenntnis genommen. Anschließend wurden die LAI-Hinweise auf der Internetseite der LAI veröffentlicht und sind in den Bundesländern eingeführt worden. Die zuständigen Behörden wenden im Rahmen der Genehmigung von Windenergieanlagen die LAI-Hinweise zum Schallimmissionsschutz bei Windkraftanlagen (WKA) und damit das Interimsverfahren bereits an. Der Vollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes obliegt den Bundesländern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333