Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 12. Juni 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/10918 19. Wahlperiode 14.06.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Dr. Bettina Hoffmann, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/10435 – Einordnung des geänderten Bundes-Immissionsschutzgesetzes zur Vermeidung von Fahrverboten durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der EU-weit geltende Grenzwert für die Luftbelastung durch Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (μg/m³) im Jahresdurchschnitt. Dieser wird in zahlreichen deutschen Städten und Gemeinden nicht eingehalten, sodass immer mehr Gerichte anordnen, Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bestimmter Abgasnormen zu verhängen (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fahr verbote-deutschland-ueberblick-1.4220563). Um Fahrverbote abzuwenden, hatte die Bundesregierung den Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgelegt, den der Gesetzgeber mittlerweile beschlossen hat (BGBl. I S. 432). Im Gesetz wurde unter anderem festgelegt, dass Fahrverbote in der Regel nur dort in Betracht kommen, wo die Luftbelastung mit Stickstoffdioxid über 50 μg/m³ liegt, also bei einer Überschreitung des Grenzwerts von mehr als 25 Prozent. Am 16. April 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sein Urteil vom 18. März 2019 begründet, dass das Land Baden-Württemberg den für die Stadt Reutlingen geltenden Luftreinhalteplan so ändern muss, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresgrenzwerts enthält, d. h. im konkreten Fall Fahrverbote in den Plan mit aufgenommen werden (vgl. http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/ document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=VGH+Baden-W%FCrttemberg& Art=en&Datum=2019-3&Seite=1&nr=27612&pos=17&anz=25). In der Pressemitteilung des Gerichts zur Urteilsbegründung (vgl. www.vgh mannheim.de/pb/,Lde/Startseite/Medien/Luftreinhalteplan+Reutlingen_+ VGH+begruendet+Verurteilung+des+Landes+zur+Aufnahme+von+ Fahrverboten/?LISTPAGE=1212860) wird ausgeführt, dass nach Ansicht des Gerichts „das verbindliche Ziel, den Grenzwert von 40 Mikrogramm/Kubikmeter schnellstmöglich zu erreichen, auch nicht mit Blick auf die gesetzliche Neuregelung im Bundes-Immissionsschutzgesetz relativiert werden“ dürfe. Wenn die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes so gemeint sei, dass Fahr- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10918 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode verbote in der Regel erst bei Überschreitung des Jahresgrenzwertes von 50 μg/m³ in Betracht kämen, und zwar auch dann, wenn nur mit ihnen eine schnellstmögliche Grenzwerteinhaltung möglich sei, könne dadurch das „Planungsermessen des Landes nicht gelenkt werden“. Bei einer solchen Auslegung verstieße das geänderte Bundes-Immissionsschutzgesetz „gegen zwingende Vorgaben des Europäischen Unionsrechts“, sodass die Neuregelung „weder von Gerichten noch von Behörden beachtet werden“ dürfe. Angesichts dieses Urteils ist somit nach Ansicht der Fragesteller unklar, inwiefern das Gesetz die von der Bundesregierung erwünschte Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herstellen und Fahrverbote tatsächlich verhindern kann. Offen ist auch, ob die Bundesregierung neue Änderungen am Bundes-Immissionsschutzgesetz plant. 1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, wonach nach Ansicht der Fragesteller ein „klarer Verstoß“ gegen den Vorrang des Unionsrechts vorliegt , wenn mit dem Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes intendiert ist, „dass bereits bei Erreichung von Jahresmittelgrenzwerten bis einschließlich 50 µg/m³ regelmäßig Fahrverbote aus dem Spektrum möglicher Maßnahmen ausgeblendet werden und sie nur bei zusätzlichen atypischen Umständen ermöglicht werden sollten“ (vgl. Urteilsbegründung , Randnummer 81; bitte ausführlich begründen)? Die Bundesregierung teilt die Ansicht der Fragesteller nicht. Die am 12. April 2019 in Kraft getretene Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes konkretisiert die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten europarechtskonform . Das Gesetz enthält damit bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten. So sind nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz Verkehrsverbote wegen der Überschreitung des Luftqualitätsgrenzwerts für Stickstoffdioxid in Gebieten, in denen dabei ein Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel nicht überschritten worden ist, in der Regel nicht erforderlich. In Gebieten, in denen die Stickstoffdioxidbelastung den Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel nicht überschritten worden ist, kann davon auszugehen sein, dass der Luftqualitätsgrenzwert gemäß den Vorgaben der Richtlinie 2008/50/EG dort bereits aufgrund der Maßnahmen der Bundesregierung und der zuständigen Behörden der Länder sowie der kontinuierlichen Flottenerneuerung mit emissionsarmen Fahrzeugen schnellstmöglich eingehalten werden wird. Der Gesetzentwurf wurde gegenüber der Europäischen Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten notifiziert. Die Europäische Kommission hat den Gesetzentwurf gebilligt und lediglich Anmerkungen gemacht, die vom Gesetzgeber „so weit wie möglich“ berücksichtigt werden sollten. Hierbei wurde die Konkretisierung der Verhältnismäßigkeitsmaßstäbe nicht in Frage gestellt. 2. Hatte die Bundesregierung mit ihrem Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes intendiert, „dass bereits bei Erreichung von Jahresmittelgrenzwerten bis einschließlich 50 µg/m³ regelmäßig Fahrverbote aus dem Spektrum möglicher Maßnahmen ausgeblendet werden und sie nur bei zusätzlichen atypischen Umständen ermöglicht werden sollten“ (vgl. Urteilsbegründung, Randnummer 81)? Wenn nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/10918 3. Besitzt das beschlossene Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nach Ansicht der Bundesregierung diese zuvor genannte Intention? Wenn nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen, da sich der Gesetzentwurf für ein Dreizehntes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und das in Kraft getretene Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hinsichtlich der Regelung zur Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten entsprechen. 4. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der Urteilsbegründung, dass eine Vorschrift, die Fahrverbote als einziges effektiv wirksames Mittel zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte im Regelfall erst ab einer Überschreitung von 50 µg/m³ zulässt, „einen klaren Verstoß gegen die unionsrechtliche Ergebnisverpflichtung dar[stellt], Grenzwertüberschreitungen möglichst kurz zu halten“ (vgl. Urteilsbegründung, Randnummer 82)? Wenn nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 5. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der o. g. Pressemitteilung zur Urteilsbegründung, wonach die o. g. Neuregelung im Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes aufgrund des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts „weder von Gerichten noch von Behörden beachtet werden dürfe“? Wenn nein, warum nicht (bitte ausführlich begründen)? Die Regelung des § 47 Absatz 4a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die am Tag nach der Bekanntgabe des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes in Kraft getreten ist, ist als geltendes, nach Auffassung der Bundesregierung mit europarechtlichen Vorgaben vereinbares Recht sowohl von den Gerichten als auch von den zuständigen Behörden im Vollzug anzuwenden . Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 6. Inwiefern hat das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nach Ansicht der Bundesregierung für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in den von einer Grenzwertüberschreitung bei Stickstoffdioxid betroffenen Städten und Gemeinden und insbesondere für die Fahrerinnen und Fahrer von Dieselfahrzeugen gesorgt? Das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes liefert zum einen bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten. In Städten, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel nicht überschritten worden ist, sind Verkehrsverbote aufgrund der Maßnahmen der Bundesregierung und der zuständigen Behörden der Länder sowie der kontinuierlichen Flottenerneuerung mit emissionsarmen Fahrzeugen in der Regel unverhältnismäßig. Zum anderen schafft das Gesetz durch die Regelung von bundesweit einheitlichen Ausnahmen von Verkehrsverboten für bestimmte Fahrzeuge in § 47 Absatz 4a Satz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Rechtssicherheit für Fahrzeughalter und Fahrzeugführer. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/10918 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Sieht die Bundesregierung angesichts der Urteilsbegründung die Notwendigkeit einer erneuten Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes? Wenn ja, mit welcher Zielsetzung? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung sieht hierzu keine Notwendigkeit. Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 8. Geht die Bundesregierung nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg weiterhin davon aus, dass durch das Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Fahrverbote verhindert werden können? Wenn ja, auf welcher Grundlage gelangt sie zu dieser Einschätzung? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 9. In welchen Städten können nach Auffassung der Bundesregierung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden- Württemberg durch die Gesetzesänderung Fahrverbote rechtssicher verhindert werden? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 10. In welchen Städten und Gemeinden, in denen der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ überschritten wurde, wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bereits Luftreinhaltepläne erlassen, die auf Grundlage des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf Fahrverbote explizit verzichten? Der Erlass von Verkehrsverboten fällt in die Zuständigkeit der Behörden der Länder . Der Bundesregierung liegen hierzu keine Kenntnisse vor. 11. Welche Gerichtsurteile sind der Bundesregierung bekannt, in denen der Verzicht auf ein Fahrverbot aufgrund des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestätigt wurde bzw. ein Fahrverbot aufgrund des Gesetzes abgewendet wurde? Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 12. Welche Regelfälle waren im Gesetzentwurf der Bundesregierung bzw. sind im ausgefertigten Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gemeint, wenn Fahrverbote „wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht [kommen], in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist“? Unter die in dem Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geregelten Regelfälle fallen Gebiete, in denen der Jahresmittelwert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft nicht überschritten worden ist. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass in diesen Gebieten die europarechtlich geforderte schnellstmögliche Einhaltung des Stickstoffdioxidgrenzwerts auch ohne die Anordnung von Verkehrsverboten aufgrund der Maßnahmen der Bundesregierung und der zuständigen Behörden der Länder sowie der kontinuierlichen Flottenerneuerung mit emissionsarmen Fahrzeugen sichergestellt werden kann (vgl. Bundestagsdrucksache 19/6335, S. 9). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/10918 13. In welchen Städten und Gemeinden lag der Jahresmittelwert der Luftbelastung durch Stickstoffdioxid im Jahr 2018 zwischen 40 und 50 µg/m³? 14. In welchen Städten und Gemeinden lag der Jahresmittelwert der Luftbelastung durch Stickstoffdioxid im Jahr 2018 über 50 µg/m³? Die Fragen 13 und 14 werden auf Grund des Zusammenhangs gemeinsam beantwortet . Auf die Liste des Umweltbundesamtes zu den Luftqualitätsdaten der Länder unter www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2546/dokumente/no2- ueberschreitungen_staedte_stand_18.01.2019.pdf (abgerufen am 24. Mai 2019) wird verwiesen. Die vollständigen Daten der Länder für das Jahr 2018 werden vom Umweltbundesamt zeitnah veröffentlicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333